Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Ich lasse über die Gesetzesüberschrift abstimmen. Sie lautet: Gesetz zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften. Wer stimmt der Überschrift zu? - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Ebenfalls keine. Dann ist die Gesetzesüberschrift so beschlossen worden.

Ich lasse über das Gesetz in seiner Gesamtheit abstimmen. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Eine Gegenstimme. Stimmenthaltungen? - Keine Stimmenthaltungen. Damit ist das Gesetz beschlossen. Wir haben Tagesordnungspunkt 10 beendet.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, wir liegen gut im Zeitplan.

(Unruhe)

- Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. Kollege Webel, ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bitte.

Ich möchte Ihnen vorschlagen, dass wir versuchen, von dem morgigen Tagesplan einige Tagesordnungspunkte noch heute zu behandeln.

(Zustimmung bei der PDS)

Ich bitte Sie, dafür zu sorgen, dass die Vortragenden anwesend sind. Sollte das nicht möglich sein, würde ich Sie bitten, das dem Präsidium zu signalisieren. - Kollege Bergner.

Frau Präsidentin, vielleicht könnten Sie uns sagen, in welcher Reihenfolge die Themen aufgerufen werden sollen; denn wir werden wohl nicht mit der Aktuellen Debatte beginnen wollen.

Auf jeden Fall können wir die zeitlich festgesetzten Tagesordnungspunkte - das wären die Tagesordnungspunkte 3 und 27 - nicht vorziehen. Es würde mit den Tagesordnungspunkten 12 und 13 fortgesetzt werden. Wir würden damit anfangen und sehen, wie weit wir kommen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Ja, gut!)

Bitte, Herr Ministerpräsident.

Ist es möglich, heute Abend die Tagesordnungspunk- te 29, 31 und 32 zu behandeln? Das sind die Punkte, bei denen Ministerin Frau Kuppe gefragt ist. Sie ist morgen Abend zum Ball des Sportes in Halle eingeladen. Ich traue mich jetzt einmal, das hier zu sagen. Sie wollte die Sportlerinnen nicht gern im Stich lassen. Sie wäre aber unter Umständen morgen Abend hart davon betroffen. Wenn es möglich wäre und sich die Chance ergibt, diese Tagesordnungspunkte vorzuziehen, würden wir das begrüßen.

Würde sich dagegen Wiederspruch erheben? - Bitte, Kollege Bergner.

Ich muss darauf aufmerksam machen, dass der Tagesordnungspunkt 29 ein Wahlvorgang ist. Deshalb müssten wir den vorgesehenen Zeitpunkt einhalten.

Ich denke, wir können uns Gedanken darüber machen, in welcher Reihenfolge wir das vorziehen.

(Herr Bullerjahn, SPD, meldet sich zu Wort)

- Bitte anschließend, Kollege Bullerjahn, oder möchten Sie dazu sprechen?

Den Wahlvorschlag könnte morgen jemand anders einbringen. Die Tagesordnungspunkte 31 und 32 könnten wir vorbereiten, wenn wir sie heute noch behandeln könnten. Das können wir dann sehen.

Ich bitte darum, dass sich die Fraktionen dazu abstimmen, bis die für heute vorgesehene Tagesordnung abgearbeitet ist.

Meine Damen und Herren! Wir setzen in der Tagesordnung mit dem Tagesordnungspunkt 11 fort:

Erste Beratung

a) Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes zur Einführung der Grundschulen mit festen Öffnungszeiten

Gesetzentwurf der Fraktion der FDVP - Drs. 3/3845

b) Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Grundschule mit festen Öffnungszeiten und freiwilliger Betreuung

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drs. 3/3991

Einbringer zu dem Gesetzentwurf der FDVP-Fraktion ist die Abgeordnete Frau Wiechmann, zu dem Gesetzentwurf der CDU-Fraktion die Abgeordnete Frau Feußner. Es ist eine Fünfminutendebatte zu beiden Punkten gemeinsam vorgesehen in der Reihenfolge PDS, DVU-FL, SPD, FDVP und CDU. Für die Landesregierung wird Minister Herr Dr. Harms nach der Einbringung sprechen.

Ich bitte die Abgeordnete Frau Wiechmann, das Wort zu ergreifen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es mag in der Regel ungewöhnlich erscheinen, wenn in kürzester Frist nach einem gerade beschlossenen Gesetz zur Einführung der Grundschulen mit festen Öffnungszeiten ein Gesetzentwurf zur Aufhebung dieses Gesetzes eingereicht wird. Ich habe in einer heutigen Diskussion gemerkt, dass das schon teilweise nicht verstanden wird.

Aber dieses Land weicht eben erheblich von der allgemein gültigen Regel ab. Das verwundert nicht, wenn man bedenkt, wie und in welcher Art und Weise Gesetze in diesem Landtag beschlossen werden. Gesetze und Beschlüsse werden durchgepeitscht und wider jegliche Vernunft und alle berechtigten Einwände, Vorbehalte und Vorschläge der Oppositionsfraktionen im Landtag in bewährter Weise im Sinne des Herrn Dr. Fikentscher „abgeschmettert“.

All das könnte noch als parlamentarisches Spielchen, das auf das Machtstreben des rot-roten Klüngels von SPD und PDS zurückzuführen ist, abgetan werden

(Zuruf von Herrn Quien, SPD)

und Änderungen erscheinen eben nur mit einem notwendigen Machtwechsel bei den kommenden Landtagswahlen erreichbar; denn, meine Damen und Herren, bei dieser Regierung des Dr. Höppner kann das Volk, das Land eigentlich jegliche Hoffnung fahren lassen.

Aber, meine Damen und Herren, in diesem Lande blieb der Protest gegen dieses arrogante Machtgehabe der Herrschenden nicht auf den Landtag beschränkt; vielmehr löste es einen Proteststurm im Land aus, der diese Regierung und deren Kultusminister Dr. Harms nicht nur in arge Bedrängnis bringt, sondern sogar dazu führte, dass das Kommando zum zunächst millimeterweisen Rückzug des Kultusministers verkündet wurde.

In der offenen Antwort des Vorsitzenden des Philologenverbandes Sachsen-Anhalt heißt es zur gegenwärtigen Situation im Bildungswesen in Sachsen-Anhalt - Herr Präsident, Sie gestatten bitte, dass ich zitiere -:

„Unsere Bildungslandschaft ist hoffnungslos undurchschaubar geworden. Für zusätzliche Verwirrung sorgen dann unüberlegt angefahrene schulische Experimente, die, als Indikator für angebliches soziales Lernen, aber immer latent gegen den Leistungsgedanken in Szene gesetzt, nicht einmal im Ansatz den sozialen Sprengstoff aus der Gesellschaft ziehen können.“

Meine Damen und Herren! Der Gastbeitrag von Professor Olbertz in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 8. Dezember 2000 zu Grundschulen mit festen Öffnungszeiten beinhaltet alle Argumente zur sofortigen Aufhebung des Gesetzes. Eigentlich muss dem - wenn Sie es gelesen haben - nichts hinzugefügt werden.

Aber in diesem Land werden durch diese Regierung öffentlich bekundete Vernunft und Verstand nicht wahrgenommen, sondern eher behindert. Ein Minister als Trotzköpfchen - welch tragischer Held.

Meine Damen und Herren! Vieles erinnert mehr an die Geschichte vom Esel als Amtmann, wobei diese niedrigen Chargen kaum gemeint sein können - so das Urteil

von ausgewiesenen Experten über das schon fast paranoide Schulreformsyndrom dieser Landesregierung.

(Frau Mittendorf, SPD: Na, na, na!)

Wenn - und das ist nicht auszuschließen - die Lehrer und die angehenden Lehrer in Sachsen-Anhalt den Annoncen aus Hessen folgen, dann können Sie, Herr Dr. Harms, in Sachsen-Anhalt lustig weiter reformieren, allerdings nur mit Schülern, weil die Lehrer längst weggelaufen sind. Die Schüler, später ohne Lehrstelle und Arbeitsplatz, folgen dann ihren vorausgeeilten Lehrern.

Meine Damen und Herren! Eine Zeitung titelte unlängst dazu: „Kultusminister will den Nebel lichten“. Bei einer solchen Schlagzeile kann man nur feststellen, Herr Dr. Harms: Sie selbst warfen doch die Nebelbomben, Sie selbst haben die von Ihren unsäglichen pädagogischen Experimenten und dubiosen Heilslehren betroffenen Eltern, Lehrer und Hortnerinnen in die Irre geführt.

(Widerspruch bei der SPD - Zuruf von Frau Wie- demann, SPD)

Die Eltern wurden weitestgehend außen vor gelassen; sie wurden einfach überrollt. Deshalb ist auch das Entsetzen bei Eltern und Lehrern so groß,

(Herr Quien, SPD: Ein Quatsch!)

weil Sie, Herr Dr. Harms, die Betroffenen hinters Licht führten, sie in unerträglicher Weise täuschten.

Dass Nebelbomben zu Ihrem politischen Arsenal gehören wie einst die Steinwürfe und Molotowcocktails zu dem heutigen deutschen Außenminister, ist bekannt. Aber heute haben es die Grünen nicht mehr nötig, mit Steinen und Molotowcocktails zu werfen, jetzt verwirklichen sie ihre einstigen wirren revolutionären Ziele und Irrwege regierungsamtlich mit gelegentlichen Betroffenheitsfalten, weil sich der Marsch durch die Institutionen bewährte und weil nunmehr das Parlament und die Gesellschaft zum Austobeplatz auserkoren worden sind.

Alle Bedenken, seien es die von Eltern, von Lehrern und Erziehern, von Erziehungswissenschaftlern oder von Repräsentanten unterschiedlicher Glaubensrichtungen der Kirchen dieses Landes, wurden bedenkenlos übergangen und mit hochmütigen Gesten Ihrerseits vom Diskussionstisch gewischt.

Nun gibt es aber eine wachsende Zahl von Eltern, die sich der Erfahrungen der runden Tische von vor zehn Jahren entsinnen und daran, dass einst ziviler Ungehorsam und zivile Courage mehr bewirkten als zähneknirschendes Hinnehmen unabänderlich erscheinender Machtgesten der Herrschenden.

Meine Damen und Herren von der Landesregierung, Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass in diesem Land die so genannten Schulreformen und die Experimente aus dem Hause des Dr. Harms bereits mit dem Kürzel des Kultusministers Harms „KUHMIST“ trefflich beschrieben worden sind,