Protokoll der Sitzung vom 02.03.2001

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Dr. Hein, PDS, und von Frau Dr. Sitte, PDS)

Danke sehr. - In der jetzt folgenden Fünfminutendebatte ist folgende Reihenfolge vorgesehen: PDS, FDVP, SPD und CDU. Die DVU-FL hat auf einen Beitrag verzichtet. Ich bitte die Abgeordnete Frau Stolfa, das Wort zu ergreifen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor etwa drei Jahren fand im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft eine Anhörung zur Thematik „Technikunterricht an allgemein bildenden Schulen“ statt. Wir haben mit sehr großem Interesse angehört, was vorgetragen worden ist. Es wurden auch sehr viele Fragen aufgeworfen, auf die wir im Zusammenhang mit dem Antrag der CDU-Fraktion schon gern eine Antwort hätten. Für uns ist es wichtig zu erfahren, was sich seither in diesem Fachbereich sowohl an den allgemein bildenden Schulen als auch in Bezug auf die Lehreraus- und -weiterbildung getan hat.

An der MLU, so ist aus dem Internet zu entnehmen, werden die Studiengänge Wirtschaft, Technologie und Hauswirtschaft angeboten, und zwar in einem solchen Rahmen, dass sie auch bundesweit anerkannt werden müssten; zumindest war das aus dem Internet zu entnehmen. Zu fragen wäre, ob diese Studiengänge tatsächlich auch künftig in ausreichendem Maße vorgehalten werden, da die Fächer im Fächerkanon sowohl für die Sekundarstufe I als auch für die Sekundarstufe II vorgesehen sind. Dazu ist das Land eigentlich verpflichtet. In welchem Maß und Umfang, wäre die Frage, über die zu reden wäre.

Bei der Anhörung im Jahr 1998 wurde im Bericht des Lisa festgestellt, dass für den Technikunterricht an Sekundarschulen ausgebildete Lehrkräfte, die auch von den Angeboten der Fortbildung rege Gebrauch gemacht hätten, zur Verfügung stünden, aber dass an den Gymnasien ein Mangel an ausgebildeten Fachkräften herrsche. Damals wurde gesagt, es seien weniger als 50 Lehrkräfte, die in der Lage seien, einigermaßen fachgerecht an Gymnasien zu unterrichten.

Uns interessiert, ob sich an dieser Situation etwas geändert hat. Ist der Bedarf auch in den Gymnasien abgedeckt oder ist er gesunken? In diesem Zusammenhang möchten wir einen richtigen Sachstandsbericht haben. Wir halten also auch in diesem Sinne die Fragen der CDU-Fraktion nach dem Niveau der gegenwärtigen Unterrichtsversorgung für durchaus berechtigt.

Uns interessiert ebenso, in welche Richtung die Entwicklung hinsichtlich der Stellung und des Inhalts dieses Lernbereichs gehen soll, nicht nur im Fächerkanon. Wie steht es zum Beispiel um die Realisierung der Forderung nach einem verbindlichen Betriebspraktikum für Gymnasien? Das war damals eine Forderung des Philologenverbandes und auch der Vertreterin der Martin-LutherUniversität.

In der damaligen Anhörung wurde für die Martin-LutherUniversität von Frau Professor Hartmann konstatiert: Technik muss in den Mittelpunkt gerückt werden. - Sie hat ein sehr leidenschaftliches Plädoyer dafür gehalten, dass dieser Technikunterricht von der Klasse 5 bis in die

gymnasiale Oberstufe verfolgt werden sollte. Außerdem sagte sie, wenn Technikunterricht nur in einer Klassenstufe gelehrt werde und dann abbreche, entstehe kein vollständiges Bild von Technik.

Ich beziehe mich damit auch auf den Antrag unter dem vorangegangenen Tagesordnungspunkt. Auch der VDI plädierte für einen umfassenden Technikunterricht an Schulen.

Was wurde davon realisiert? Von allen Angehörten wurden damals in diesen Lernbereichen Defizite festgestellt. Konnten sie abgebaut werden? Sind die in der Begründung zu dem CDU-Antrag angeführten Hinweise, die ich zitiere - auf einen „schleichenden Abbau“ des Lernbereichs Wirtschaft, Technik und Hauswirtschaft hindeuten, wie zum Beispiel die Aufhebung des Klassenteilers, der Rückgang des Studiengangs oder sogar der Plan, ihn aufzuheben, tatsächlich berechtigt? Auch auf diese Fragen wollen wir eine Antwort. Deshalb unterstützen wir den Antrag der CDU-Fraktion vom Inhalt her vollständig.

Das Problem ist das Verfahren. Wie gehen wir mit der Sache um? Eine Anhörung haben wir schon damals durchgeführt. Es wurde der Stand der damaligen Zeit konstatiert. Ich stimme der SPD-Fraktion zu, dass es sinnvoller wäre, sich zunächst einmal den Sachstandsbericht anzuhören, und zwar nach den Schwerpunkten, die die CDU-Fraktion vorgeschlagen hat, und dass wir uns dann im Ausschuss darüber verständigen, auf welches weitere parlamentarische Verfahren wir eingehen wollen. Das halten wir für sinnvoll. Deshalb würden wir den Änderungsantrag der SPD-Fraktion unterstützen, weil wir das Vorgehen für sinnvoll halten.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Kauerauf, SPD)

Danke sehr. - Die Abgeordnete Frau Helmecke erhält nunmehr für die FDVP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn in absehbarer Zeit die heutige Sitzung beendet wird, werden wir, nehme ich an, alle nach Hause fahren, um uns den hauswirtschaftlichen Pflichten zu unterwerfen, jedenfalls einige mehr oder weniger. Dabei nehme ich an, dass dieser Pflichteifer nicht nur auf die Kolleginnen zutrifft, sondern ebenso auf die verehrten Kollegen. Aber gerade in diesen Bereichen - das wissen wir auch - wird oft die Pflicht zur Last und zur zeitlichen Belastung.

Meine Damen und Herren! Schnell stellt sich heraus, ob die theoretischen und praktischen Aufgaben, die die Hauswirtschaft stellt, bekannt sind und gemeistert werden. Sollten die dafür notwendigen Voraussetzungen fehlen, weil ein Lernbereich Wirtschaft, Technik, Hauswirtschaft in der eigenen Schulbildung nicht gegeben war, bleiben nur noch der Ratschlag und die Mitgliedschaft im Hausfrauenbund e. V. Vielleicht ist das ja für manchen überlegenswert.

Aber nein, meine Damen und Herren, ich möchte nicht über Hausfrauen und deren Welt, über die Nichtbezahlung und Nichtanerkennung der oft schweren körperlichen Arbeit lästern, sondern nur verdeutlichen, wie oft gerade in der öffentlichen Meinung, aber besonders von Männern diese Arbeit - ja, es ist eine Arbeit - unterschätzt wird.

Der vorliegende Antrag der CDU berührt genau die Probleme in einer Weise, die durchaus notwendig ist.

Die Forderung der Wirtschaft nach einer lebensverbundenen Schule geht auch dahin, Schülern ein Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge zu vermitteln. Eine begründete Forderung besteht darin, dass Lehrer zwischen Schule und Wirtschaft wechseln, weil die pädagogischen Qualifikationen der Lehrer für die Wirtschaft durchaus nützlich sein können.

Auf einem hochkarätig besetzten Symposium zu dem Thema „Welche Bildung für morgen?“ waren sich die Teilnehmer Ende des vorigen Jahres in Dresden darüber einig, dass in Deutschland ein riesiger Nachholbedarf besteht. Deshalb stimmen auch wir dem vorliegenden Antrag zu, weil er die Schwachpunkte aufführt, die zu einer Unterhöhlung des Lernbereiches Wirtschaft, Technik, Hauswirtschaft führen.

Ich habe mit besonderem Interesse die Unterrichtshefte meiner Tochter angeschaut, die gegenwärtig die 7. Klasse besucht. Natürlich mag mancher lächeln, wenn er die Themen in Hauswirtschaft nachliest. Aber es soll keiner damit kommen, dass der Unterricht und die praktischen Ausführungen zu Esskultur und Tischsitten nicht lebensnotwendig sind; denn dann kommt es später nicht zu Unsicherheiten und Minderwertigkeitskomplexen.

Das mag als Randproblem erscheinen, verdeutlicht aber, dass Bildung nicht nur begrenzt als Wissen um die großen Dinge der Welt und ihren technischen Fortschritt aufgefasst werden sollte. Mir scheint, dass die Bewältigung auch der alltäglichen Anforderungen der Hauswirtschaft durchaus eine Lebensqualität ausmacht und nicht aus der Wertevermittlung ausgeklammert werden sollte.

Meine Damen und Herren! Was nützen die Kenntnisse über die globalen Zusammenhänge der Welt, wenn man einen Fachmann benötigt, um einen Nagel in die Wand zu schlagen? Tatsache ist, dass viele Frauen dafür keinen Mann mehr benötigen, wenn überhaupt noch.

Ich gestehe auch zu, dass im Lernbereich zur Computertechnik vieles vermittelt wird, was den Eltern vielleicht noch unbekannt ist oder wo die Kinder und Jugendlichen eine viel schnellere Auffassungsgabe besitzen. Viele Schüler sind hier bereits - jedenfalls in der Klasse meiner Tochter - schon weiter als ihr Lehrer. Nach den Schilderungen meiner Tochter zeigt sich zwar eine unterschiedliche Begeisterung oder Ablehnung in dem Fach, aber das ist oft auch vom Lehrer und seiner Art und Weise der Stoffvermittlung abhängig.

Das von mir bereits erwähnte Rotationsprinzip zwischen Wirtschaft und Schule für Lehrer würde auch dafür sorgen, dass sich der Wissensabstand der Lehrer gegenüber den Schülern weiter verkürzen kann, was Computer und ihren Nutzen betrifft.

Leider fällt an der Schule meiner Tochter der Unterricht in diesem Lernbereich oft aus. Auch das unterstreicht die Notwendigkeit, die entsprechende Lehrerausbildung auszubauen. Wenn es momentan noch genügend Lehrer in diesem Bereich gibt, ist bei ungenügender Ausbildung der Mangel voraussehbar. Deshalb erachten wir den Antrag der CDU als notwendig. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDVP)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Kauerauf. Bitte, Frau Kauerauf.

Sehr geehrter Herr Präsident! Wir als Bildungsleute haben immer das Glück, dass solche Themen am Ende einer Landtagssitzung abends oder am späten Nachmittag besprochen werden

(Frau Bull, PDS: Das stimmt ja nun wirklich nicht!)

und keiner mehr richtig zuhört. Darum will ich nur ganz wenige Bemerkungen machen.

Unser Änderungsantrag zielt darauf hin, dass eine Anhörung aus den Gründen nicht notwendig ist, die Frau Stolfa bereits nannte. Wir möchten gern, dass in der parlamentarischen Beratung die Notwendigkeit der Anhörung herausgestellt oder abgelehnt wird.

Ansonsten gebe ich meine Rede zu Protokoll.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Hel- mecke, FDVP, und von Minister Herrn Dr. Püchel)

(Zu Protokoll:)

Die Bedeutung der technischen und wirtschaftlichen Bildung als unerlässlichem Bestandteil der schulischen Allgemeinbildung sowie der Berufsorientierung ist völlig unstrittig. Ungeachtet dessen, dass technische Fragestellungen und Probleme natürlich stets immanenter Bestandteil vieler Unterrichtsfächer sind, wird ihnen in den explizit darauf ausgerichteten Fächern besondere Beachtung geschenkt.

Mit der Aufhebung der Trennung der Bildungsgänge in der neuen Sekundarschule ab dem Schuljahr 1999/2000 ist man dem gerecht geworden und das Stundenvolumen des Lernbereiches Wirtschaft, Technik, Hauswirtschaft wurde sogar um eine Stunde auf zehn Wochenstunden aufgestockt. Der Minister verwies ausführlich darauf.

In der Sekundarstufe I an Gymnasien haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, zwischen der Belegung der Wahlpflichtkurse „Technik“, „Moderne Medienwelten“ oder „Wirtschaftslehre“ zu wählen.

In der Sekundarstufe II kann auf der Grundlage der Oberstufenverordnung vom Februar 1999 das Fach Technik als Grundkursfach und als viertes Prüfungsfach gewählt werden.

Meine Damen und Herren von der CDU! Von einem schleichenden Abbau dieses Lernbereiches kann vor diesem Hintergrund aus unserer Sicht nicht geredet werden; ganz im Gegenteil. Auf die gegenwärtigen Kapazitäten und Perspektiven der Lehreraus-, -fort- und -weiterbildung hat der Minister bereits verwiesen.

Zu dem von Ihnen angesprochenen Auslaufen des Lehramtsstudienganges Wirtschaft/Technik für Sekundarschulen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg muss gesagt werden, dass es sich dabei um einen Senatsbeschluss handelt, der als Reaktion auf die sehr geringen Immatrikulationszahlen gefasst wurde. Während zum Herbstsemester keine Immatrikulationen vorgenommen wurden, liegen nach neuesten Informationen für das neue Semester bzw. Schuljahr jedoch wieder Immatrikulationsanmeldungen vor.

Die SPD-Fraktion kann sich dem Punkt 1 des CDUAntrages anschließen.

Der von uns vorgelegte Änderungsantrag bezieht sich ausschließlich auf den Punkt 2. Aus unserer Sicht sollte der Landtag heute nicht über die Durchführung einer Anhörung beschließen. Es macht mehr Sinn, wenn sich die mit dem Thema befassten Ausschüsse erst im Rahmen der Beratung zum Bericht der Landesregierung auf den weiteren parlamentarischen Verfahrensweg verständigen. Ob dann eine Anhörung notwendig ist, wird sich zeigen. Zumindest kann die Themenstellung in Kenntnis des Berichtes der Landesregierung präzisiert werden.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

Der Beifall bekundet, dass das akzeptiert wird. - Die Runde wird abgeschlossen durch den Beitrag von Herrn Dr. Bergner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die späte Stunde schützt den Minister davor, dass wir jetzt noch einen Streit über die Situation an den Hochschulen, insbesondere an der Martin-Luther-Universität, vom Zaum brechen. Ich hätte hierzu schon eine ganze Menge Zitate, die in diesem Zusammenhang sehr aufschlussreich sind.

Ich will nur auf Folgendes aufmerksam machen, weil Sie auf die IWH-Studie hingewiesen haben: Wir haben in der Enquetekommission „Zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt“ Professor Rosenfeld genau zu dieser IWH-Studie referieren gehört. In diesem Zusammenhang muss man darauf aufmerksam machen, dass Professor Rosenfeld und das IWH zu dem Ergebnis kommen, dass in Sachsen-Anhalt mehr als in anderen neuen Bundesländern ein Mangel an höherwertigem Humankapital ein Entwicklungshemmnis ist.

Dieser Mangel an höherwertigem Humankapital zeigt, welche Verantwortung bei all denen liegt, die Hochschulpolitik machen, und welche Verantwortung die öffentlichen Wissenschaftsinstitutionen tragen, welche Aufgaben vor ihnen liegen und dass manche finanzpolitische Daumenschraube, die in den letzten Haushaltsberatungen angelegt wurde, in diesem Zusammenhang höchst fragwürdig ist.

Ein zweiter Punkt zeigt, wohin wir überhaupt gekommen sind. Wir haben bei der Diskussion mit Professor Rosenfeld herausbekommen, dass ein Teil seiner statistischen Angaben, also etwa die Professorendichte pro Student, auf einer unzutreffenden Zahlenbasis beruhte. Im IWH war man so naiv zu glauben, die Stellenpläne der Hochschulen im Haushaltsplan des Landes Sachsen-Anhalt würden mit den Realitäten übereinstimmen.

Sie wissen und ich weiß, dass ein Großteil dieser Stellen nicht besetzt ist und dass im Grunde genommen die einzige Zielgröße nur noch die allgemeine finanzpolitische Vorgabe darstellt.

Dies alles sage ich nur, um darauf hinzuweisen, dass wir mit Sicherheit keinen Anlass haben, zufrieden zu sein, wenn wir auf die Situation in unseren Hochschulen blicken; das ist Selbstgerechtigkeit oder gar Selbstzufriedenheit. Es ist eine sehr, sehr schwierige Situation, in der sich die akademischen Ausbildungsstätten befinden. Bisher sind noch keine durchgreifenden Lösungen vorhanden. Gleichwohl ist eine Finanzausstattung geplant, deren Umsetzung für mich jedenfalls bisher nicht plausibel geworden ist.