Protokoll der Sitzung vom 02.03.2001

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Deutschland sind nach Expertenangaben mehr als acht Millionen Menschen von Tabak, Alkohol, Cannabis, Heroin, Kokain oder von Medikamenten abhängig. Noch einmal die gleiche Zahl von Menschen litten als Angehörige, Freunde oder Kollegen mit.

Parallel dazu war am 23. Februar 2000 der „Volksstimme“ zu entnehmen, dass die Drogenkriminalität in Sachsen-Anhalt weiter zunimmt. So wurden laut Zeitungsbericht unter anderem 51,8 kg Cannabisprodukte sichergestellt. Insgesamt sind die Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz um 11 % gestiegen.

Die schöngeredeten und mit den Ministerien abgestimmten Konzepte zur Sucht- und Drogenpolitik sind angesichts der vorgelegten Zahlen eher ein Misserfolg, als dass es eine wirklich erfolgreiche Prävention zu dieser Problematik gibt. Da werden auch die 3,7 Millionen DM nicht die entsprechende Wirkung zeigen, wenn diese lediglich in halbherzige Projekte gesteckt werden, die den Süchtigen Hilfe anbieten.

Auf der einen Seite erarbeitet die PDS Konzepte der Drogenpolitik zur Suchtprävention und zum Drogenausstieg, aber auf der anderen Seite befürworten Vertreter der PDS die Legalisierung von Drogen und von Fixerstuben. Wer da glaubt, dass der Wahn nur Rinder ergreift, der irrt. Das kann zumindest angenommen werden, wenn Sie in der Presse für die Freigabe von Cannabis eintreten.

Hierzu meldete sich natürlich der Allzweckexperte Herr Matthias Gärtner zu Wort. Er erklärte, dass der Besitz, Erwerb und Anbau von Haschisch zum Eigenverbrauch für Jugendliche über 16 Jahre straffrei sein sollte, zumal die bisherigen Forderungen Gärtners im Landtag nach der Legalisierung von Drogen und nach der Anerkennung von Häuserbeschmutzungen durch Graffiti als Kunstwerke vermuten lassen, dass Drogen bereits Wirkung zeigen.

Meine Damen und Herren! Die „Volksstimme“ druckte am 21. Februar 2001 einen Leserbrief ab, in dem es heißt:

„Die Fraktionsvorsitzende der PDS hat mir auf meine Leserzuschrift hin ein Flugblatt zugeschickt. Darin heißt es: Wofür wir werben, sind gesellschaftliche Mehrheiten für eine Entkriminalisierung von Cannabisprodukten.“

Meine Damen und Herren von der PDS! Diese Entgleisungen haben wahrlich nichts mit einer Wertevermittlung zu tun, obwohl - das verhehle ich nicht - ansonsten linksextreme Wertevermittlung sicherlich nur im Rausch aufzunehmen und zu ertragen ist.

Meine Damen und Herren! Wir sind gegen die Legalisierung von Cannabis. In diesem Zusammenhang erschien uns in der Begründung des vorliegenden CDU-Antrages die Heraufsetzung der Altersgrenze etwas bedenklich. Es wäre höchstens ein Weg hin zu einer vom Drogenmissbrauch freien Gesellschaft.

(Zuruf von Frau Krause, PDS)

Aber wenn Sie den Absatz 4 unseres Änderungsantrages in Ihren Antrag aufnehmen, können wir Ihrem Antrag natürlich zustimmen. Sonst hätte ich Herrn Schulze natürlich unter vier Augen - noch fragen müssen, welches Alter er setzt und ob wir beide das Alter denn schon erreicht hätten.

(Heiterkeit bei der FDVP)

Die Fraktion stellte deshalb auch den vorliegenden Änderungsantrag; denn legale Drogen gibt es bereits genug. Darauf haben auch Sie hingewiesen: Alkohol, Tabak. Es müssen nicht noch mehr legalisiert werden. Das hilft niemandem, weder den Eltern noch den Jugendlichen noch uns.

Meine Damen und Herren! Viele Eltern sind hilflos, weil die eigenen Kinder suchend, fragend und oft hilflos allein gelassen werden. Vor einigen Tagen unterhielt ich mich mit der Mutter einer Klassenfreundin meiner Tochter, die erschrocken darüber war, dass bei einer Taschenkontrolle in der Schule bei ihrer Tochter Ecstasy gefunden wurde. Die Selbstvorwürfe der Mutter, in der Erziehung versagt zu haben, waren groß.

Ich gestehe ein, außer wohlgemeinten Ratschlägen konnte ich nichts vermitteln. Eines wurde mir bewusst: Manchmal weiß ich selbst nicht, was die eigenen Kinder bewegt und wo sie Hilfe benötigen. Noch baue ich auf ein vertrauensvolles Verhältnis und hoffe, dass meine Kinder nicht hilflos bleiben, wenn sie sich an mich wenden. Vertrauen der Kinder zu den Eltern und der Eltern zu den Kindern bewirkt mehr als Aktionen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, sprich, wenn es erst Drogen genommen hat.

Ich möchte jetzt im Hinblick auf den PDS-Änderungsantrag noch eine kleine Episode anfügen. Dabei beziehe

ich mich auf den von Herrn Schulze genannten Spruch: „Hast du Haschisch in den Taschen, hast du immer was zu naschen.“ Diese Episode spielte sich zu DDR-Zeiten ab. Immer wenn ich mit meiner Mutter in den Konsum ging und sie um etwas zum Naschen bat, sagte sie zu mir: Wer einmal leckt, der weiß, wie‘s schmeckt und kann nicht mehr aufhören. Der leckt den ganzen Konsum weg.

(Zustimmung bei der FDVP - Frau Bull, PDS: Ha, ha!)

Noch eins möchte ich sagen. Meine Tochter las den Antrag zur Legalisierung von Drogen und zur Freigabe von Cannabis und sie sagte zu mir: Na ja, da kann ich in Zukunft wahrscheinlich ohne eins auf den Deckel zu bekommen an meinem Lehrer kiffend vorbeigehen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDVP)

Kollege Schulze hat noch einmal für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin, ich habe gar keine Probleme mit meiner Sozialisation. Ich lebe seit 38 Jahren in diesem Land. Ich hoffe, dass ich in diesem Land auch noch älter werde und nicht so wie viele Jugendliche, die derzeit unserem Land den Rücken kehren müssen, weil sie anderswo besser unterkommen, auswandern werde.

(Heiterkeit bei der CDU - Zustimmung von Herrn Preiß, DVU-FL)

Wir haben vonseiten der CDU-Landtagsfraktion - deswegen auch die ständige Mahnung und die eindringliche Aufforderung, Herr Bischoff - immer ein ganzheitliches Drogenkonzept gefordert. Sie kennen unsere drei Grundsäulen: weite Prävention, Hilfe für die Betroffenen zum Ausstieg und harte Repressionen gegenüber den Dealern und der Mafia. Ich denke, in dieser Hinsicht sind wir uns einig.

(Frau Theil, PDS: Andere Reihenfolge! Erst die Hilfe!)

Ich glaube nicht, Herr Bischoff, dass die PDS ihre diesbezügliche Grundposition aufgegeben oder geändert hat. Noch am 2. Februar 2001 hat Herr Claus seitens der PDS erklärt, es bleibe bei der Position der PDS, für das Ende der strafrechtlichen Verfolgung des Besitzes und Genusses weicher Drogen sowie des Besitzes und Genusses von Alkohol oder Nikotin einzutreten. Das ist also eine Gleichsetzung dessen. Diesen Positionen können wir uns nicht anschließen.

Ein Vertreter des Bildungsausschusses sprach die Problematik des Drogenpräventionslehrers an. Meine Kollegin Frau Feußner hat mir mitgeteilt, Sie hätten dort deutliche Positionen bezogen. Dies war anders, als Sie es hier dargestellt haben. Allerdings haben wir auch in diesem Ausschuss schon andere Positionen vonseiten der PDS gehört, als sie jetzt hier vertreten werden.

(Unruhe bei der PDS - Frau Dr. Weiher, PDS: In keiner Weise, Herr Schulze, in keiner Weise! - Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Es gibt ja wohl auch einen internen Widerspruch innerhalb der PDS, wenn man in statistische Erhebungen lesen muss, dass 57 % ihrer eigenen Leute und Anhänger diese Drogenpolitik ablehnen.

Meine Damen und Herren! Es klappt eben nicht, im stummen Rausch zu den Wahlen zu gehen. Wir müssen von unserer Seite aus etwas unternehmen. Wir haben bereits große Probleme mit Alkohol und Nikotin, aber es ist doch wie überall im Leben: Wenn ich die Pest habe, dann hole ich mir doch nicht noch die Cholera dazu. Gut, wir haben schon diese großen Probleme; deswegen müssen wir uns aber nicht noch die anderen an den Hals holen. Deswegen sind wir gegen die Freigabe und gegen die Legalisierung der weichen Drogen.

(Beifall bei der CDU, bei der DVU-FL und bei der FDVP)

Es gibt hierzu sicher noch viel zu sagen. Eines muss ich, an die PDS gerichtet, noch einmal grundsätzlich nachfragen. Sie schreiben hier: „Keine Macht den Doofen“.

(Der Redner hält ein Flugblatt hoch)

Unmittelbar über dieser Aussage steht auf diesem Zettel: „Haschisch an die Schulen“. Wer ist denn dann der Doofe? Der, der kifft, oder der, der nicht kifft? - Ich bin immer der Meinung, derjenige ist der Kluge und Clevere, der nicht kifft, der sein Leben ohne chemische Fremd-bestimmung und in eigener Selbstbestimmung lebt.

(Beifall bei der CDU, bei der DVU-FL und bei der FDVP)

Das ist die Grundaussage unserer Fraktion und deswegen bleiben wir dabei. Wir bitten Sie, unseren Antrag zu unterstützen, einschließlich der Ergänzung vonseiten der FDVP, den Antrag der PDS als Ergänzung zu unserem Antrag aufzunehmen und dann direkt über unseren Antrag abzustimmen.

Ich sage Ihnen auch: Etwas anderes wäre auch in den Augen der Bevölkerung ein Abgehen von der direkten Linie in der Antidrogenpolitik des Landes SachsenAnhalt, anders, als es die Ministerin hier gesagt hatte. Denn wir wollen keine Legalisierung und keine Freigabe von weichen Drogen. - Danke.

(Beifall bei der CDU - Ministerin Frau Dr. Kuppe: Was habe ich gesagt?)

Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der Debatte und kommen nun zum Abstimmungsverfahren zu der Drs. 3/4255 sowie zu den Drucksachen 3/4298 und 3/4310.

Ich frage jetzt zur Vorsicht noch einmal an, obwohl das aus den Redebeiträgen deutlich geworden ist: Sind die genannten Fraktionen, die Änderungsanträge eingebracht haben, bereit, dem Vorschlag von Herrn Schulze zu folgen? - Ich konstatiere, die Fraktion der FDVP würde dem folgen, aber ich habe den Eindruck gewonnen, dass die SPD und die PDS diesem Ansinnen nicht folgen würden. Also können wir keinen gemeinsamen Antrag formulieren und müssen in das Abstimmungsverfahren eintreten.

(Herr Dr. Bergner, CDU, meldet sich zu Wort)

Herr Dr. Bergner, Sie haben noch eine Frage?

Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, würde ich vorschlagen, dass wir über die Entscheidung, den Antrag der PDS als Ergänzungsantrag zu behandeln, abstimmen. Mich interessiert zu dieser Frage das Abstimmungsverhalten des Hohen Hauses.

Die Fraktionen der SPD und der PDS haben es abgelehnt, ihren jeweiligen Änderungsantrag Ihrem Antrag als ergänzenden Bestandteil anzufügen. Deswegen muss ich rein formal geschäftsordnungsmäßig verfahren, und das mache ich jetzt auch.

Aus unserer Sicht ist der Antrag der PDS-Fraktion in der Drs. 3/4310 der weitergehende. Über ihn ist also zuerst abzustimmen.

(Herr Gebhardt, PDS: Mit der Ergänzung von Herrn Bischoff!)

Ich lese die von der SPD-Fraktion und von der Frau Ministerin vorgeschlagene Ergänzung vor und frage vorsichtig bei der PDS nach, ob sie diese Ergänzung aufnehmen würde.

(Frau Dr. Hein, PDS, nickt mit dem Kopf)

Damit wir wissen, worüber wir abstimmen, wiederhole ich jetzt noch einmal für das Protokoll den Änderungsantrag mit den vorgeschlagenen Änderungen.

(Herr Dr. Bergner, CDU, meldet sich zur Ge- schäftsordnung)

- Herr Dr. Bergner, zur Geschäftsordnung. Bitte.