Protokoll der Sitzung vom 02.03.2001

(Frau Dr. Sitte, PDS: Das lag vielleicht am Mini- ster!)

Herr Bergner, ich kann Ihnen das Verfahren auch noch zum vierten oder fünften Mal erklären. Wir werden dabei zu keiner Einigung kommen, und zwar aus einem einzigen Grund: Ihr Interesse ist nicht im Kern das Mittelstandsförderungsgesetz; Sie haben natürlich ein Interesse daran, es durch den Landtag zu bringen. Aber das war nicht Ihr Interesse in der Wirtschaftsausschusssitzung. Das Interesse der CDU-Fraktion, formuliert von Herrn Gürth, bestand darin, die neue Ministerin an dem Punkt vorzuführen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Herr Dr. Bergner, CDU: Nein, nein! - Herr Gürth, CDU: Das ist unverschämt!)

Das zeigt die ganze Kampagne. Wenn Sie ein anderes Interesse gehabt hätten und eine normale Beratung gewollt hätten, dann hätten wir dies tun können. Ich habe das angeboten.

Ich stehe hier ganz sicher für die Landesregierung. Aber ich zeichne im Ministerium erst ab dem Zeitpunkt verantwortlich, zu dem ich das Ressort übernommen habe. Von diesem Zeitpunkt an habe ich mit dem vorliegenden Entwurf konstruktiv gearbeitet.

Sie wollten dies nicht. Sie mögen dafür Gründe haben. Die sind, denke ich, auch nicht ganz undurchsichtig. Aber dann machen Sie mir nicht umgekehrt den Vorwurf, dass das so in der Öffentlichkeit transportiert wird. Sie können auch nicht erwarten, dass ich mir das gefallen lasse. Aber das wussten Sie, denke ich, bereits vorher. Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Dr. Sitte, PDS, von Herrn Dr. Süß, PDS, und von der Regierungsbank)

Danke, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren! Unsere Plenartagung wird heute von sehr vielen Schülerinnen und Schülern besucht. Ich sehe daran, das Interesse gerade bei ihnen an dem, was wir tun, beschließen und behandeln, ist sehr groß. Ich begrüße herzlich Schülerinnen und Schüler der Dürer-Sekundarschule Magdeburg.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Stier hat jetzt für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das geltende Mittelstandsförderungsgesetz ist zehn Jahre alt. Die Frage, ob dies gut oder schlecht ist, ist fast wie die Frage, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Schlecht war dieses Gesetz sicherlich nicht, sonst hätte es nicht zehn Jahre Bestand gehabt. Die Zeit ist aber nicht stehen geblieben. Deswegen werden Anpassungen nötig sein. Es ist auch richtig, ein Gesetz der aktuellen Lage der Wirtschaft anzupassen und es damit zukunftsfähig zu machen.

Der von der CDU eingebrachte Gesetzentwurf hat, wie vom Ausschussvorsitzenden dargestellt wurde, ein ordentliches parlamentarisches Verfahren durchlaufen. Doch was passierte in den letzten drei Wochen?

Unsere neue Wirtschaftsministerin kündigte in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses an, noch vor der Sommerpause einen eigenen Gesetzentwurf in den Landtag einzubringen. Das Ziel dieses Gesetzentwurfes der Landesregierung ist es, das noch bestehende Gesetz zu straffen und die Anregungen der mittelständischen Unternehmen aus der Anhörung im November 2000 zu berücksichtigen.

Wir werten es als SPD-Fraktion ausgesprochen positiv, dass sich die Ministerin entsprechend ihrem Programm unverzüglich nach ihrem Amtsantritt so deutlich für den Mittelstand engagiert.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Gürth, CDU, lacht)

Aber tiefe Enttäuschung macht sich bei Ihnen darüber breit, Herr Gürth, dass nun ein neuer und womöglich sogar besserer Gesetzentwurf neben dem CDU-Entwurf dem Parlament vorgelegt werden soll.

(Herr Gürth, CDU: Lächerlich!)

Aber nach zehn Jahren Mittelstandsförderungsgesetz kann es keine Frage der Zeit sein, wann ein Gesetz verabschiedet wird. Vielmehr muss die Frage der Qualität dieses Gesetzes im Vordergrund stehen.

Es geht Ihnen, Herr Gürth, nicht um Inhalte oder um Qualität, sondern um Polemik. Ohne den Gesetzentwurf zu kennen, verurteilen Sie mit Schimpftiraden das Vorhaben der Ministerin in zahlreichen Presse- und Rundfunkmitteilungen als Schlag gegen den Mittelstand. Ich frage Sie: Erschöpft sich darin die Wirtschaftspolitik der CDU?

(Beifall bei der SPD)

Tief beleidigt, nicht mehr die alleinigen Urheberrechte an einem neuen Gesetz zu haben, holen Sie gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Aktionsbündnisses der mittelständischen Wirtschaft, Herrn Spandau, zum Rundumschlag aus und malen Horrorszenarien für den Mittelstand an die Wand. Den Mittelstand interessieren die Urheberrechte aber nicht, sondern die Inhalte.

Sie wissen genau, dass dieses Gesetz nur den Förderrahmen regelt und die viel wichtigeren Inhalte insbesondere durch die Mittelstandsinitiative im Jahr 2000 neu geregelt wurden. Auch die Zeitdauer ist eine entscheidende Frage. Die Mittelstandsinitiative und auch dieses neue Gesetz haben den Sinn, dass wir die Auswirkungen der Mittelstandsinitiative aus dem Jahr 2000 abwarten wollten, um diese Auswirkungen im Hinblick auf das neue Gesetz zu prüfen.

Ministerin Frau Budde sicherte Ihnen in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses zu, dass Ihre guten Vorschläge auch Bestandteil des neuen Gesetzentwurfes der Landesregierung sein werden. Ich darf Sie auch daran erinnern, Herr Gürth, dass Sie im Wirtschaftsausschuss zugegeben haben, dass es zum Beispiel keine gute Idee war, die im CDU-Gesetzentwurf vorgesehene völlige Abschaffung des Mittelstandsberichts zu fordern.

Anstatt aber die Ministerin beim Wort zu nehmen und ihren Gesetzentwurf als Opposition zu begleiten, beschweren Sie sich weinerlich in Pressemitteilungen und Herr Spandau als Sprecher des Aktionsbündnisses der mittelständischen Wirtschaft sogar in beleidigenden Briefen an die Ministerin. Dies geschieht immer im Namen aller Mittelständler unseres Landes. Auch wenn Herr Spandau, wie ich gestern gehört habe, sich offiziell bei der Ministerin dafür entschuldigt hat, ändert das nichts an der Bewertung dieses Umgangs miteinander.

Vertreter der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer haben nicht am CDU-Gesetzentwurf mitgewirkt und sind jetzt übrigens stinksauer, dass Sie sich ständig anmaßen, in Presseerklärungen im Namen aller Mittelständler dieses Landes zu sprechen und die neue Ministerin unmittelbar nach der Amtsübernahme zu diffamieren. Viele distanzieren sich mittlerweile von Ihnen und der Art und Weise Ihrer Kampagne.

Meine Damen und Herren! Ein Minister oder eine Ministerin egal welcher Partei hat normalerweise eine Schonfrist von 100 Tagen. Diese Zeit braucht Frau Budde nicht. Aber Sie geben ihr aus gekränkter Eitelkeit nicht einmal zehn Tage.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Die alte Weisheit „Wenn Ärger im Menschen ist, macht er selten das Klügste“ hat sich bei Ihnen bewahrheitet.

Lassen Sie uns - das würde ich vorschlagen - über beide Gesetzentwürfe beraten, wie es parlamentarischer Brauch ist. Das gehört zum guten Stil unseres Parlaments. Das sollten Sie, Herr Gürth, endlich akzeptieren.

Ein Hinweis zum Schluss für das Aktionsbündnis: Nach dieser diffamierenden Kampagne sollten Sie einen neuen Sprecher wählen, um als unabhängige Wirtschaftsvereinigung politisch wieder ernst genommen zu werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Die DVU-FL-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Dr. Süß.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Diskussion zur Mittelstandsförderung, wie sie jetzt stattfindet, läuft Gefahr, dass das eigentliche Ziel, nämlich die Bedingungen für den Mittelstand zu verbessern, aus dem Blickfeld gerät.

Zum Mittelstandsförderungsgesetz selbst ist zu sagen, dass es einen ganzheitlichen Ansatz, etwa in Form eines umfassenden Mittelstandskonzepts, nicht hat. Mittelstandsförderung ist in einer Vielzahl von gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen verankert, wie der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, den Landesinitiativen

auch zum Mittelstand, Finanzierungsprogrammen verschiedener Banken sowie EU-Programmen und Richtlinien.

Zum Beispiel der 29. Rahmenplan zur Gemeinschaftsaufgabe ist mit sehr konkreten Festlegungen ausgestattet. So enthält die Liste der förderfähigen Wirtschaftszweige unter anderem 18 Dienstleistungsbereiche, in denen vorwiegend Klein- oder Mittelstandsunternehmen tätig sind. Klein- und Mittelstandsunternehmen können mit höheren Fördersätzen unterstützt werden - sie werden es auch - als Großunternehmen im gleichen Fördergebiet. Bei einer 25-, 30- oder 35-prozentigen Förderung von Investitionen der gewerblichen Wirtschaft erhöht sich der Fördersatz für Vorhaben von Klein- und Mittelstandsunternehmen um 15 Prozentpunkte, also auf maximal 50 %. Die Förderung nichtinvestiver Maßnahmen, zum Beispiel Beratung, Schulung, Humankapitalbildung, angewandte Forschung und Entwicklung, im Rahmen der GA kann nur von Klein- und Mittelstandsunternehmen in Anspruch genommen werden.

Die grundsätzliche Kritik hinsichtlich des fehlenden ganzheitlichen Ansatzes wurde auch in der Anhörung zur Änderung des Mittelstandsförderungsgesetzes, die auf Antrag der CDU durchgeführt worden ist, vorgetragen und wird auch heute von verantwortlichen Vertretern der lndustrie- und Handelskammer vertreten.

Der Mittelstand hat keine einheitliche Struktur. Dazu haben wir hier vor vier Wochen unsere Auffassung dargelegt. Der Mittelstand im Osten Deutschlands unterscheidet sich zudem von dem in den alten Bundesländern - vor allem durch eine geringere Eigenkapitalbasis und weit geringere Einbindung in überregionale Absatzstrukturen.

Wir halten also die von der CDU geführte Diskussion für wenig geeignet, dem Grundübel abzuhelfen. Unter Beachtung aller einschränkenden Faktoren vertreten wir dennoch die Auffassung, dass der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf der Landesregierung geprüft und, wenn er denn der bessere sein sollte - damit will ich nicht sagen, dass der CDU-Antrag in den Skat gedrückt werden sollte -, schnell, das heißt in jedem Fall vor der Sommerpause, verabschiedet werden sollte.

Wir stehen dazu, diesen Terminplan mitzutragen und einzuhalten. Dabei müssen wir nochmals die Frage prüfen, ob denn in Sachen Vergabe öffentlicher Aufträge noch mehr für die Klein- und Mittelstandsunternehmen getan werden kann und ob das Land zur Sicherung der Liquidität von Klein- und Mittelstandsunternehmen diesen helfen kann, finanzielle Forderungen nach erbrachter Leistung - Stichwort Zahlungsmoral - zügiger einzutreiben. Die bisherigen Rechtsmittel sind offenkundig nicht ausreichend. So wurde uns das jedenfalls in der Beratung von der lHK Magdeburg noch einmal sehr deutlich auf den Weg gegeben. Wir sollten also in aller Ruhe beraten.

Abschließend noch eine Bitte an Herrn Professor Böhmer in seiner Funktion als Landesvorsitzender der CDU. Sollten Sie es inzwischen noch nicht getan haben, nehmen Sie doch Herrn Gürth in lhre Führungscrew für den künftigen Wahlkampf auf. Er nimmt sonst noch Schaden bei dem Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.

(Heiterkeit bei der PDS und bei der SPD)

Dies wäre bedauerlich, aber nicht schlimm.

(Heiterkeit bei der PDS)

Für das Land sind seine ständigen und teils hektischen Attacken gegen jegliche Initiativen der Landesregierung jedenfalls wenig hilfreich. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Frau Wiechmann hat jetzt für die FDVP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Budde, ich habe heute von lhnen wirklich nichts gehört, was meine Meinung geändert hätte oder was mich in irgendeiner Weise überzeugt hätte. ln einem aber stimme ich lhnen zu; auch ich kenne das alte Sprichwort, dass Angriff die beste Verteidigung ist. lch bin jedoch ein bisschen erstaunt darüber, dass Sie heute das alte Kinderspiel „Schraps hat den Hut verloren“ wiederzubeleben versucht haben. lch denke, das kennzeichnet die Umgehensweise dieser Regierung mit den Bürgern und dem Parlament in Sachsen- Anhalt.

Aber noch einmal zum Thema, meine Damen und Herren. Wir können uns erinnern, dass es keine Ausschusssitzung, keine Plenartagung und keine Anhörung gab ohne das Thema Arbeitsmarkt, Mittelstand, Handwerk, kurz: die miserable Situation auf all diesen Gebieten in Sachsen-Anhalt.

Die Regierung allerdings hat das Thema gemieden, bis Frau Ministerin Budde plötzlich einen Entwurf zur Novellierung des Mittelstandsförderungsgesetzes aus dem Ärmel zauberte. Hat Herr Höppner oder haben Sie, Frau Budde, plötzlich doch noch erkannt, dass es auf den Mittelstand ankommt, wenn sich in Sachsen-Anhalt auf all den genannten Gebieten endlich etwas bewegen soll?

(Zuruf von Herrn Dr. Süß, PDS)