Protokoll der Sitzung vom 02.03.2001

(Zuruf von Herrn Dr. Süß, PDS)

Trotzdem: Wir erleben markige Sprüche, irrwitzige Regierungserklärungen über irgendwelche Win-Gesellschaften in Sachsen-Anhalt, die aber eigentlich nirgends zu sehen sind. Mit großem Medienspektakel wurde die Mittelstandsoffensive im Zusammenhang mit einer so genannten Existenzgründeroffensive - kurz „ego“ - gestartet. Dazu gab es diverse Förderprogramme der EU und im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe.

lch muss aber fragen, was dabei herauskam; denn nicht schöne Erklärungen, sondern das Ergebnis ist Maßstab für die Beurteilung. Was kam also heraus?

Die Arbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt steigt weiter. Mit 21,3 % im Januar 2001 erreichten wir den einsamen Spitzenwert aller Bundesländer. Das ist wahrlich eine stolze Bilanz. Rechnen wir die Zahl der Pendler hinzu, sind es mehr als 25 %. Herr Ministerpräsident Dr. Höppner, Sie reden von Wirtschaftsaufschwung. Die Bilanz zeigt das Gegenteil.

Die bisherige Entwicklung zeigt gleichzeitig eine nicht unerhebliche Unternehmenslücke im Vergleich zu anderen neuen Bundesländern und insbesondere zum Bundesdurchschnitt von minus 40 000 Unternehmen.

Was wird für den Mittelstand, den eigentlichen Motor der Wirtschaftsentwicklung in Sachsen-Anhalt, getan? Die Rahmenbedingungen für das Handwerk und den Mittelstand in Sachsen-Anhalt bedürfen unserer Ansicht nach einer grundlegenden Reform. Sahen 1999 noch

7 % der Unternehmer die Talsohle endlich erreicht, so sind es diesmal gerade noch 5,7 %. Die Stimmungslage des Handwerks und des gesamten Mittelstandes zur wirtschaftlichen Situation hat sich deutlich verschlechtert. Das ist nicht meine Meinung, sondern die Meinung großer Wirtschaftsverbände.

An den Menschen - auch das muss hier gesagt werden liegt das nicht. Gerade Sachsen-Anhalt bringt durch seine hoch motivierten Menschen, seine Traditionen in der Technologie, im Maschinenbau und der Chemie sowie seine geografische Lage die besten Voraussetzungen mit, um unter den neuen Bundesländern eigentlich den Ton abzugeben. Schauen wir zurück, so war Mitteldeutschland die Industrieregion mit dem höchsten Bruttosozialprodukt überhaupt. Denken Sie nur an das Chemiedreieck Halle/Bitterfeld/Leipzig. Es gibt eigentlich eine gute Ausgangslage.

Aber weit gefehlt: Mit einer Wirtschaftspolitik, die von offenbar inkompetenten Leuten gemacht wird, hat sich Sachsen-Anhalt den mit Abstand letzten Platz in Deutschland erkämpft. Die Menschen verlassen das Land, scharenweise übrigens.

ln der gestrigen Diskussion sagte ein Teilnehmer sogar, Sachsen-Anhalt wird ein Land von Rentnern werden.

Dieser kurze Abriss zur gegenwärtigen katastrophalen Situation der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt macht ganz deutlich, wie wichtig jetzt offensive Maßnahmen sind

Von der Regierung gemieden oder schöngeredet, von der Opposition erkannt, hat die CDU vor knapp einem Jahr - genau am 6. April - den genannten Gesetzentwurf eingebracht. Was geschah seitdem? Acht Monate lang war - bis auf die Festlegung einer Anhörung - so gut wie Sendepause, bis das Thema dann in der 46. Sitzung im November im Wirtschaftsausschuss in Form dieser Anhörung auf die Tagesordnung kam. Wichtige Wirtschaftsvertreter haben daran teilgenommen. Es gab kleinere redaktionelle Änderungen. Sogar das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle war mit der Novellierung zufrieden.

Also alles im grünen Bereich, denkt man. Ja, bis Herr Dr. Höppner sein letztes Aufgebot bestellte: Frau Budde wurde Wirtschaftsministerin. War es nun ein langfristig vorbereiteter Deal der Landesregierung, als die neue Wirtschaftsministerin einen eigenen Entwurf zur Mittelstandsförderung aus dem Ärmel zog und erklärte, dass damit der CDU-Entwurf vom Tisch wäre? Egal ob von ihr selbst oder ihr untergeschoben - als Einstieg für eine neue Ministerin war das wahrlich keine Glanzleistung,

(Zuruf von Herrn Metke, SPD)

deckt sich doch der CDU-Entwurf inhaltlich weitgehend mit dem von Frau Budde.

Was gibt es also Neues? Eine strukturelle Straffung; das haben wir wieder gehört. Einmal abgesehen davon, dass die Landesregierung bereits vor einem Jahr die Notwendigkeit erkannt haben müsste, und abgesehen davon, dass es nicht meine Absicht ist, eine Lanze für den CDU-Entwurf zu brechen, bin ich entsetzt darüber, wie hier mit einem demokratisch gewählten Parlament umgegangen wird.

Einmal abgesehen von der Frage, ob die Landesregierung aus Wahlkampfgründen, statt eigene ldeen einzubringen, einfach andere ldeen abgeschrieben hat und als ihre ausgibt - das wird nach unserer Erfahrung ohnehin mit Regelmäßigkeit betrieben -, steht in § 14 der

Geschäftsordnung des Landtages von Sachsen-Anhalt, dass die Ausschüsse zur baldigen Erledigung der ihnen überwiesenen Beratungsgegenstände verpflichtet sind.

Es muss also schon eine gute Erklärung geben, wenn so nicht verfahren wird, wenn ein dreiviertel Jahr so gut wie nichts gemacht wird und dann eine Initiative einfach mal mir nichts, dir nichts vom Tisch gewischt wird.

Kollegin Wiechmann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme sofort zum Schluss, Frau Präsidentin. - Ansonsten müsste Vorsatz unterstellt werden. Ich sehe in jedem Fall eine unglaubliche Brüskierung dieses Parlaments und der sich engagierenden Bürger SachsenAnhalts. Mit der Arroganz der Macht wird regiert, nein, es wird nicht regiert, es wird dirigiert. Es ist symptomatisch für dieses Land, dass die Demokratie mit Füßen getreten wird. Genau das ist es, was zu verurteilen ist. Danke sehr.

(Beifall bei der FDVP)

Würden Sie noch eine Frage beantworten?

Jetzt spricht als letzter Diskussionsredner für die CDUFraktion Professor Dr. Böhmer.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich mich jetzt als Diskussionsredner melde, dann nur deswegen, weil ich nicht möchte, dass wir nur über Wirtschaftspolitik reden. Es geht uns tatsächlich darum, darüber zu sprechen, wie wir in diesem Parlament mit ungeliebten Initiativen umgehen, wenn sie eine Mehrheit bekommen haben.

Herr Stier, das sage ich Ihnen ganz deutlich: Es geht uns nicht darum, uns hier hinzustellen und uns weinerlich über verletzte Eitelkeiten zu beschweren. Es geht darum, ob wir es entgegen unserer Geschäftsordnung zulassen, ungeliebte Initiativen still und heimlich in einem Ausschuss zu beerdigen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der DVU- FL und bei der FDVP)

Es ist ganz deutlich gesagt worden, dass das nicht nur mit dem Mittelstandsförderungsgesetz geschehen ist. Die Initiative unserer Fraktion zur Änderung des Polizeigesetzes war 20 Monate unterwegs, bevor sie hier im Parlament zu einem Ergebnis geführt hat. Andere Initiativen waren zwölf bis 19 Monate unterwegs, bevor sie zu einem Ergebnis geführt haben.

Wir haben das zugelassen, weil wir - das gebe ich auch zu - diese Möglichkeit der Geschäftsordnung nicht mehr im Bewusstsein hatten. Ich bin Herrn Scharf außerordentlich dankbar, dass er uns darauf hingewiesen und

gesagt hat: Das müssen wir nicht mit uns machen lassen. Die Geschäftsordnung sieht vor, dass wir dieses Thema wenigstens aufrufen können.

Ich sah die Gefahr, dass sich die gesamte Polemik auf die Diskussion zwischen zwei oder drei Personen konzentriert und Budde gegen Gürth und Gürth gegen Budde argumentiert und dass uns das eigentliche Thema, nämlich das Thema „So wollen wir nicht mit uns umgehen lassen“, wegläuft.

Dass ein Wirtschaftsministerium natürlich auch Verständnis dafür hat, welche Bedeutung ein bestimmtes Urheberrecht hat, das weiß Frau Budde und das wissen wir auch. Wir sind hier, um Politik zu machen. Das machen wir uns gegenseitig auch gar nicht streitig. Das ist das Wesen eines Parlamentes. Aber wir werden es in Zukunft nicht mehr hinnehmen und uns nicht gefallen lassen, dass man mithilfe einer Beerdigung im Ausschuss ein Thema los wird, das einem lästig ist.

Wenn Sie sich darüber Gedanken machen, weshalb wir uns gestern in der Abstimmung entscheiden mussten, welcher Ausschuss die Federführung hat, muss ich sagen, das hätte eine bedeutungslose Entscheidung sein können, wenn man nicht wüsste, dass mit der Methode der Geschäftsordnungsplanung, der Tagesordnung und so weiter solche Sachen gehändelt werden.

Ihr Antrag, der gestern - von mir entschieden - federführend in den Innenausschuss gekommen ist, - das habe ich schon mit dem Vorsitzenden des Innenausschusses besprochen - wird so nicht behandelt. Wir werden nicht zulassen, dass mit Ihnen das gemacht wird, was wir auch uns in Zukunft nicht mehr bieten lassen werden, nämlich dass Dinge einfach hingeschoben werden.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der DVU- FL und bei der FDVP)

Das ist das eigentliche Thema.

Aber nun zur Mittelstandspolitik. Jede Fraktion in diesem Haus behauptet, dass die Mittelstandspolitik und -förderung eine Herzensangelegenheit ist. Nun kommt von der CDU ein Gesetzentwurf in den Ausschuss, was nicht zu verhindern war. Nun kann man der Meinung sein, dieser Entwurf ist von Anfang bis Ende schlecht. Dann muss man sich hinsetzen und ihn besser machen.

Wenn die Landesregierung jetzt einen Gegenentwurf bringt, der fast die gleichen Aussagen beinhaltet, kann sie nicht einmal mehr sagen, der ursprüngliche Entwurf sei so schlecht gewesen; denn bei ihr steht ja nun - seit gestern wissen wir es - fast das Gleiche drin.

Sie wissen ganz genau, dass eine Ministerin nicht für die Landesregierung sprechen kann; das muss durch das Kabinett, es müssen Anhörungen stattfinden. Das wissen wir doch alles. Das heißt, damit ist eine zeitliche Verzögerung verbunden.

Wenn Sie tatsächlich die Mittelstandsförderung wollten und wenn Ihnen das Anliegen wichtiger wäre als Parteipolitik, dann hätten Sie doch sagen können: Wir setzen uns hin, nehmen den CDU-Entwurf, der uns nicht passt, als Platzhalter und versuchen Punkt für Punkt mit unserer Mehrheit das durchzusetzen, was uns wichtig ist. Das ist doch das legitime Geschäft in der Ausschussarbeit.

Aber dies alles wollten Sie nicht. Sie wollten, dass das ein Antrag, eine Initiative der Landesregierung ist, und so lange sollte dieses Thema schmoren.

Deshalb habe ich mich gemeldet, weil ich dies thematisieren will. So sollten wir nicht miteinander umgehen. Der Zeitverlust, von dem die Rede ist, ist ein Nachteil für die Wirtschaft im Lande.

(Herr Dr. Süß, PDS: Na, na!)

Der Glaubwürdigkeitsverlust nach außen hin ist ein Nachteil für dieses Parlament. Und darüber sollten wir uns klar sein. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Beifall bei der DVU-FL und bei der FDVP)

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte. Dem Berichterstattungsverlangen gemäß § 14 Abs. 2 der Geschäftsordnung wurde entsprochen. Beschlüsse werden hierzu nicht gefasst. Damit ist der Tagesordnungspunkt 12 abgeschlossen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung

Zukunft der Landesforstverwaltung in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/4256