Protokoll der Sitzung vom 28.06.2001

Eine Übertragung der im Artikel 1 § 2 des Gesetzentwurfs aufgezählten originären Aufgaben in die Zuständigkeit der Verbandsgemeinden kehrt sich jedoch genau in das Gegenteil. Die kommunalen Strukturen des Landes werden in ein einheitliches Raster gezwängt. Den Gemeinden verbleibt kaum noch Luft zum Atmen.

So soll nach dem Gesetzentwurf der Landesregierung die Ebene der Verbandsgemeinde künftig etwa für die Schulträgerschaft, für die Errichtung und Unterhaltung von Sozialeinrichtungen wie Kindertagesstätten etc., für Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung zuständig sein.

Grundsatzentscheidungen wie zum Beispiel zur Flächennutzung überträgt man auf den Verbandsgemeinderat. Lediglich Beschlüsse von zweitrangiger Bedeutung verbleiben bei den Gemeinden.

Meine Damen und Herren! Konkrete Bebauungspläne gehören in die alleinige Zuständigkeit der jeweiligen Gemeinde. Gemeindesteuern stehen der Gemeinde zu und die Steuerhoheit darf den Gemeinden nicht genommen werden.

Des Weiteren ist in dem Gesetzentwurf der Landesregierung vorgesehen, im Gegensatz zu der Verbandsgemeinde einem hauptamtlich tätig werdenden Verbandsgemeindedirektor die den Bürgermeistern nach den §§ 62 und 63 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt obliegenden Aufgaben zu übertragen. Das bedeutet, dass die Aufgaben der Gemeindeverwaltung in den Mitgliedsgemeinden von Verbandsgemeinden ausschließlich vom Gemeindeverbandsdirektor wahrgenommen werden. Der Bürgermeister einer Mitgliedsgemeinde wird Ehrenbeamter auf Zeit und erhält in der neuen Gebietskörperschaft nur noch die Möglichkeit, gehört zu werden.

Meine Damen und Herren! Der überwiegende Teil der Gemeinden - das wissen Sie aus der Presse und aufgrund von den Zuschriften, die den Fraktionen von den Gemeinden übergeben wurden - spricht sich gegen die Einführung von Verbandsgemeinden aus. Sie fürchten mit Recht um die kommunale Eigenständigkeit ihrer Dörfer.

(Herr Becker, CDU: Ja!)

Gleichwohl weiß ich aus Erfahrungen aus dem Jahr 1994 in der Kommunalpolitik, dass in diesem Hohen Hause zum Schluss nach Fürstenart entschieden wird, dass die

Gebiete verteilt werden. Die Menschen sind Ihnen dann in ihrer Meinung recht gleichgültig.

Eine Reform löst die andere Reform ab. Aus den Reformen werden Reförmchen, die dann wiederum reformiert werden. Die Fraktion der FDVP lehnt den Gesetzentwurf der Landesregierung aus den vorgenannten Gründen ab. Der Entwurf eines Dritten Vorschaltgesetzes zur Kommunalreform ist kein Verbandsgemeindeeinführungsgesetz, sondern ein Gemeindeauslaufmodell. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDVP)

Danke sehr. - Den Standpunkt der CDU-Fraktion trägt nunmehr der Abgeordnete Herr Becker vor. Bitte, Herr Becker.

(Herr Hoffman, Magdeburg, SPD: Immer schön an die Landesverfassung denken, Herr Becker!)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Im Herbst des Jahres 1999 hat der Herr Innenminister von dieser Bank aus oder vom Rednerpult aus noch gesagt, dass die Verwaltungsgemeinschaft in diesem Land eine Zukunft hat und einen wichtigen Baustein im kommunalen Gefüge bilden wird. Damit ging er bereits über das hinaus, was er in der Antwort auf die Große Anfrage der CDU zur Situation der Verwaltungsgemeinschaften ausgeführt hatte. Damals hieß es nämlich, dass die Verwaltungsgemeinschaft in den kommenden Jahren Bestand haben wird. Er sagte, sie hätte jetzt Bestand für die Zukunft.

Bei der Darlegung des kommunalen Leitbildes wenige Wochen später hat er sich erneut in seiner Begründung gegen Verbands- und Samtgemeinden ausgesprochen ich zitiere, Herr Präsident -:

„Es würde eine zusätzliche kommunale Ebene geschaffen, die dem allgemeinen Trend in der Verwaltung zur Abflachung und Abschaffung von Hierarchieebenen entgegenliefe.“

(Herr Dr. Bergner, CDU: Hört, hört! So sieht man sich wieder)

Nun legen Sie, Herr Innenminister, diesen Gesetzentwurf zur Verbandsgemeinde vor, der alles bisher Gesagte nicht mehr wahrhaben will.

(Beifall bei der CDU)

Weg ist plötzlich die Verwaltungsgemeinschaft, die noch im Herbst 1999 Bestand für die Zukunft haben sollte.

Ich frage Sie, Herr Innenminister, ist die Zukunft, von der sie im Jahr 1999 noch sprachen, bei Ihnen so kurz bemessen? Vertrauen Sie so wenig Ihrer eigenen Zukunft?

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich frage Sie, Herr Minister: Ist Ihnen bewusst, dass Sie damit erheblich an Glaubwürdigkeit verloren haben?

(Zustimmung bei der CDU)

Ich frage Sie, Herr Minister: Wäre es nicht ehrlicher, Sie würden zugeben, die Verwaltungsgemeinschaft gar nicht zu wollen und die Einheitsgemeinde zu präferieren? Ich frage Sie, Herr Minister: Ist Ihnen in den letzten Tagen nicht deutlich geworden, dass die drohenden Finanzkürzungen von rund 400 Millionen DM die Existenz der

Kommunen bedrohen, dass es viel wichtiger ist, gegen diese zu streiten, als mit solchen Gesetzen immer wieder Unordnung in die kommunale Front zu bringen?

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Ihnen, Herr Innenminister, hat in den letzten Wochen kräftig der Wind ins Gesicht geblasen. Bürgermeister, Gemeinden, Kreisräte, Landräte und andere kommunale Würdenträger liefen Sturm gegen den ursprünglich in die Anhörung gegebenen Referentenentwurf eines Verbandsgemeindeeinführungsgesetzes.

Sie haben in dieser Hinsicht, etwa was die Gebietskörperschaft betrifft, einiges geändert. Das haben Sie selbst angesprochen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der CDU-Fraktion bestehen - ich sage: zum Teil - fort. Wir werden uns darüber im Ausschuss zu unterhalten haben.

Sie sind aber zu Unrecht einer Aufgabe nicht gerecht geworden. Die kommunalen Spitzenverbände haben gefordert - das ist auch die Forderung der CDU-Fraktion -, es müsse zu den Einheitsgemeinden eine echte Alternative geschaffen werden.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Frau Wiechmann, FDVP)

Was Sie aber schaffen, ist eine verwaschene Form von Einheitsgemeinden, auf die Ihr Gesetzentwurf hinausläuft.

(Beifall bei der CDU - Herr Dr. Bergner, CDU: Jawohl!)

Herr Innenminister, sagen Sie doch bitte unseren Bürgermeistern, was Sie wirklich wollen, und versuchen Sie nicht alles zu verstecken.

Eine echte Alternative, Herr Innenminister, bildet in der Tat der Gesetzentwurf der CDU zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften in der Drs. 3/4353, den Sie schon erwähnt haben. Mit diesem Gesetzentwurf der CDU soll die Schlagkraft der Verwaltungsgemeinschaft unter Beibehaltung der Selbständigkeit der Mitgliedsgemeinden erhöht werden.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU)

Ich meine, Herr Innenminister, wir werden gerade jetzt über diesen Gesetzentwurf noch sehr viel sprechen müssen.

Ich möchte es mir ersparen, auf die Einzelheiten, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf aufgeführt haben, einzugehen. Sie haben zum Beispiel in dem Aufgabenkatalog in § 2 Aufgaben, die auch die CDU in ihrem Gesetzentwurf hat. Bei diesem Paragrafen könnten sich die CDU und die SPD zum Beispiel bei den Nrn. 2, 3 und 4 sehr nahe kommen.

Sie haben aber auch - darauf hat Sie Frau Theil hingewiesen - etwa unter der Nr. 7 die gesamte Problematik der Abwasserbeseitigung aufgenommen. Das ist ein Problem, das die Verbandsgemeinde jedoch nie schultern könnte. Darauf ist insbesondere angesichts der 800 Millionen DM Verbindlichkeiten hinzuweisen - von insgesamt 2,9 Milliarden DM Verbindlichkeiten der Abwasserzweckverbände -, die nicht mehr beitrags- und gebührenfähig sind und die nur durch Staatszuschüsse und durch Umlagen abzufedern sind.

Herr Innenminister, wo ist eigentlich der Charakter der Verwaltungsgemeinschaft als Serviceeinrichtung geblieben und wo bleibt er in Zukunft? Diesen haben Sie in der

Begründung zu § 3 extra hervorgehoben. Es gibt ihn nicht mehr; denn Sie schaffen eine neue Einheit, die im Grunde genommen der unteren Einheit sagt, was diese zu tun und zu lassen hat.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Herr Innenminister, die CDU-Fraktion wird den Gesetzentwurf bereits heute ablehnen;

(Minister Herr Dr. Püchel: Das war ja klar!)

denn Sie beschreiten einen Weg in die völlig falsche Richtung.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDVP)

Wir sind aber an der Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaft mit den bisherigen Strukturen interessiert und wir werden auch darüber selbstverständlich mit Ihnen sprechen. Ich sage Ihnen aber eines voraus, Herr Innenminister:

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende, Sie haben Ihre Redezeit weit überzogen.

Die Landtagswahl im Jahr 2002 wird über Ihren Gesetzentwurf entscheiden und die Druckerschwärze wird nicht sehr lange auf dem Gesetzentwurf halten, weil er ja auch erst im Jahr 2004 in Kraft gesetzt werden soll. Wir werden mit den Gemeinderäten, den Bürgern und den Bürgermeistern dazu beitragen, dass es nicht dazu kommt, dass dieser Gesetzentwurf Realität wird. Danke schön.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Mertens, FDVP, und von Herrn Wolf, FDVP)

Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Frage zu beantworten?