Protokoll der Sitzung vom 14.09.2001

Ich rufe Artikel 3 auf. Nrn. 1 bis 10. Wer stimmt zu?

(Herr Hoffmann, Magdeburg, SPD: Es gibt auch noch die Nr. 11!)

- Entschuldigung, Nr. 11 auch noch. Wer stimmt zu? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Eine Enthaltung und zahlreichen Gegenstimmen. Die Mehrheit hat Artikel 3 in der Fassung der Empfehlung des Ausschusses beschlossen.

Artikel 4. Wer stimmt zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Eine Enthaltung, zahlreiche Gegenstimmen. Damit ist Artikel 4 beschlossen.

Artikel 5. Wer stimmt der Beschlussempfehlung zu? Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei gleichem Abstimmungsverhalten ist Artikel 5 zugestimmt worden.

Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt über die Artikelüberschriften in der Fassung der Änderungsempfehlung des Ausschusses abstimmen. Wer stimmt den Artikelüberschriften zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen?

Bei zahlreichen Enthaltungen und ohne Gegenstimmen ist den Artikelüberschriften in der Fassung der Empfehlung des Ausschusses zugestimmt worden.

Ich lasse jetzt über die Gesetzesüberschrift abstimmen. Sie lautet: „Drittes Vorschaltgesetz zur Kommunalreform“. Wer stimmt dieser Gesetzesüberschrift zu? Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Zahlreiche Enthaltungen. Damit ist der Überschrift zugestimmt worden.

Ich lasse jetzt über das Gesetz in seiner Gesamtheit abstimmen. Wer stimmt dem Gesetz in der Gesamtheit zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung und zahlreichen Gegenstimmen ist das Gesetz so beschlossen.

Meine Damen und Herren! Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 6 abgeschlossen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Bevor wir im Präsidium wechseln, möchte ich auf folgenden Umstand hinweisen: Sicherlich ist bekannt, dass die CDU-Fraktion gewünscht hat, die Abstimmung bei Tagesordnungspunkt 23 über den zu entsendenden Abgeordneten geheim durchzuführen. Ich bitte darauf zu achten, dass die Kolleginnen und Kollegen dann auch im Saal sind.

Wir setzen die Sitzung mit Tagesordnungspunkt 21 fort:

Beratung

Reform der Arbeitsförderung

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/4889

Dieser Antrag wird von dem Abgeordneten Professor Dr. Böhmer eingebracht. Herr Professor Dr. Böhmer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann zwar nicht versprechen, dass die Debatte genauso lebhaft wird wie die zu den kommunalpolitischen Fragen; aber sie ist uns zumindest von der Sache her genauso wichtig.

Seit Anfang der 90er-Jahre, seit mehr als zehn Jahren, geben wir notwendigerweise sehr viel Geld für die Maßnahmen des zweiten Arbeitsmarkts und die Arbeitsförderung aus. Das ist auch weiterhin notwendig.

Ich habe mit Interesse registriert, dass gestern bei den Haushaltsberatungen von niemandem angesprochen wurde, dass die Ansätze dafür bei Kapital 05 04 gesenkt worden sind. Auch wir haben dies bewusst nicht getan, weil wir wissen, dass das viele Geld - ich habe versucht, es zusammenzuzählen; allein in Sachsen-Anhalt sind es Mittel von mehr als 1,6 Milliarden DM; diese Zahl stimmt wahrscheinlich nicht genau - doch nicht den Erfolg gebracht, den wir uns früher davon erhofft haben. Es hat sehr vielen Menschen geholfen. Wir wissen, dass wir es auch weiterhin brauchen. Aber die Verbindung zum ersten Arbeitsmarkt ist nicht so erfolgt, wie wir es uns einmal gedacht haben.

Es gibt fast unter allen Parteien einen Konsens darüber, dass diese Instrumentarien nicht nur kritisch hinterfragt, sondern in einigen Punkten auch nachträglich geändert werden müssen, um sie neuen Ergebnissen und Erfahrungen anzupassen.

Jetzt haben die Länder Bayern und Thüringen im Bundesrat einen Entschließungsantrag dazu eingebracht. Wir wollten mit diesem Antrag darum bitten, dass der Landtag der Landesregierung empfiehlt, diesen Antrag zu unterstützen.

Wir haben hierin - das will ich zunächst sagen - nicht gefordert, diesem Antrag zuzustimmen; denn es gibt darin einige Punkte, über die vorher noch einmal diskutiert werden sollte. Das Bemühen, dass darüber auch im Bundesrat und in den dortigen Fachausschüssen diskutiert wird und Veränderungen im Bereich des SGB III mehrheitsfähig werden, soll dazu führen, dass die einzelnen Mechanismen und Instrumente des zweiten Arbeitsmarkts an die gegenwärtigen Notwendigkeiten angepasst werden.

Dazu können eigentlich nur die neuen Bundesländer die meisten Erfahrungen einbringen. Die neuen Bundesländer müssen diese Instrumentarien zahlenmäßig am häufigsten anwenden und haben damit die meisten Erfahrungen gemacht. Ich sage ganz deutlich: Die Ergebnisse und die Arbeit mit den Arbeitsförderungsinstrumenten in Ländern mit einer Arbeitslosenquote von über 10 % - Sie wissen, dass wir dazu gehören - sind einfach anders, als würden die Kollegen etwa aus Bayern oder Hessen mit einer aus unserer Sicht sehr niedrigen Arbeitslosenquote über diese Erfahrungen berichten.

In Sachsen-Anhalt erhalten 11 800 Personen Eingliederungszuschüsse auf der Grundlage dieser Instrumentarien und 1 900 Arbeitnehmer Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose. Es gibt 6 300 Personen, die von den Arbeitsämtern nach eigenen Förderprogrammen unterstützt werden, und 8 300 Jugendliche oder junge Erwachsene, die nach dem Jugendsofortprogramm der Bundesregierung gefördert werden. Etwa 2 500 Personen erhalten Überbrückungsgeld bei der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit aus der Arbeitslosigkeit heraus und fast 28 000 sind Teilnehmer von beruflichen Weiterbildungen. Etwa 20 700 Personen stehen in AB-Maßnahmen und 12 200 in SA-Maßnahmen. Fast 18 000 Personen erhalten Arbeitslosengeld unter den so genannten erleichterten Voraussetzungen für Arbeitnehmer ab dem 58. Lebensjahr. Das sind fast 110 000 Personen, die bei uns auf der Basis der Instrumentarien des zweiten Arbeitsmarktes nach dem SGB III gefördert werden.

Das heißt, es gibt eine sehr große Erfahrung in den Arbeitsämtern und bei all denen, die damit arbeiten, sodass wir genügend gute Ideen einbringen können, um an der Novellierung dieses Gesetzes mitzuarbeiten.

Wenn hierin vorgeschlagen wird, dass ein Eingliederungsplan nach spätestens drei Monaten Arbeitslosigkeit erarbeitet werden soll, dann bedeutet das eine individuelle Empfehlung für den jeweiligen Arbeitslosen, die seinen persönlichen Möglichkeiten angepasst sein soll und ihm eher die Chance gibt, eingegliedert zu werden, als würde das mit Pauschalregelungen gemacht werden. Das wird zum Teil auch jetzt schon gemacht. Das ist nicht überall etwas Neues. Aber es ist in dem Gesetz in dieser Weise nicht vorgeschrieben.

Wenn man Vorschläge macht, dass man bei denjenigen, die Arbeit finden, aber zu einem Lohn beschäftigt werden, der weit unter der Höhe des Arbeitslosengeldes lie

gen könnte, mit einem Zuschlag, der um mindestens 10 % über der Arbeitslosenhilfe liegen muss - der so genannte Kombilohn -, die Eingliederung in den Arbeitsprozess verbessert, dann halten wir das für sehr sinnvoll, aber nicht problemfrei.

Man muss wissen, dass solche Maßnahmen nur in den Regionen möglich sind, die als Förderregion 1 der EU gelten. Sonst werden sie als nicht genehmigte Wirtschaftssubventionen bezeichnet. Wir müssen auch wissen, dass die Neigung der Arbeitgeber, solche Maßnahmen auszunutzen und nur noch solche Arbeiten anzubieten, die von der Arbeitsverwaltung subventioniert werden, eine - ich will es freundlich sagen - allgemein menschliche Eigenschaft ist.

Das heißt, wenn wir solche Instrumentarien einführen, von denen wir meinen, dass sie notwendig sind, müssen sie, um Missbrauch auszuschließen, an bestimmte Bedingungen geknüpft und zeitlich begrenzt werden.

Alle diese Dinge sind meines Wissens wenigstens in der Öffentlichkeit, aber auch unter den Fachleuten noch nicht zu Ende diskutiert. Deswegen sind solche Forderungen aus meiner Sicht mit Sicherheit gut gemeint, aber erst praktisch umsetzbar, wenn die einzelnen Konditionen genauer definiert sind.

Dass die Förderung der beruflichen Bildung mehr an den lokalen Bedarf angepasst sein sollte und dass die Fortbildungsmaßnahmen der Arbeitsverwaltung mit den lokalen Verbänden der Arbeitgeber abgestimmt sein sollten, sagen alle Amtsleiter von Arbeitsverwaltungen. Dies aber praktisch umzusetzen, ist schwierig, solange es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt. Deswegen sollte auch dies bei der Novellierung des SGB III berücksichtigt werden.

Der Vorschlag, Familienzeiten in den Versicherungsschutz mit hineinzunehmen, ist eine aus unserer Sicht seit langem notwendige Forderung, deren Umsetzung aber auch die Änderung einiger Gesetze notwendig macht und die natürlich auch für die Versicherungssysteme finanzielle Konsequenzen hat, die vorher durchgerechnet werden müssen.

Dass auch diejenigen Arbeitslosen, die nur wegen fehlender Bedürftigkeit keine Arbeitslosenhilfe bekommen - das sind überwiegend Frauen -, den Zugang zum Versicherungsschutz haben sollten, ist aus unserer Sicht eine Selbstverständlichkeit - dies wird hierin gefordert -, deren Umsetzung das Eingreifen in eine Reihe von Gesetzen notwendig macht.

Insofern ist der Bereich, der hier angesprochen wird, sehr komplex. Mit einer Bundesratsempfehlung kann sicherlich noch keine Lösung erreicht werden. Dies sehen auch wir so. Aber wir möchten, dass die Lösung befördert wird, dass über diese Problematik in den Fachausschüssen weiter diskutiert wird und dass Möglichkeiten auch für andere Tätigkeiten eröffnet werden.

Zurzeit ist es so, dass Arbeitslose auch ehrenamtlich nicht mehr als 15 Stunden in der Woche tätig werden dürfen. Es gibt keinen Grund, aus dem man sie, solange Eingliederungsabsichten bestehen, individuelle Fördervereinbarungen geschlossen sind, aber, aus welchem Grund auch immer, noch keine Arbeit gefunden wurde, in ihrer bürgerschaftlichen Ehrentätigkeit und ihrem Engagement restriktiv behandeln müsste. Diese Dinge sollten aus unserer Sicht auf jeden Fall gelockert werden.

Was die Förderung des Übergangs zur Selbständigkeit betrifft, ist es denkbar, dass die Bezugsdauer von Mitteln aus Fördermaßnahmen möglicherweise gestaffelt auf zwölf Monate verlängert wird. Das sind Möglichkeiten und Maßnahmen, die mit dem Finanzbudget der Arbeitsverwaltung abgestimmt werden müssen.

Es ist auch wichtig, dass über die Problematik der Zusammenführung der Arbeitslosen- und der Sozialhilfe gründlicher diskutiert wird, als das bisher in der Öffentlichkeit geschieht. Diese Diskussion ist meines Wissens mindestens zehn Jahre alt. Immer wieder einmal kommt eine solche Forderung auf. Sie hört sich gut an, es spricht vieles dafür.

Beide Hilfen sind gerechtfertigt, wenn eine Bedürftigkeit nachgewiesen wird, und beide Hilfsmaßnahmen sind steuerfinanziert. Sie sind sich also ähnlich. Aber die Zugangsberechtigung ist nicht die gleiche, und die Finanzierungslast liegt einmal bei der Arbeitsverwaltung - damit ist der Bund nachschusspflichtig, wenn das Geld fehlt - und die andere Hilfe, die Sozialhilfe, kommt von den Kommunen.

Das, was ich wenigstens aus den alten Bundesländern erfahre, hört sich so an: Die Kommunen sind wohlhabend genug. Sie können das zusammen übernehmen. Wir können Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenführen. Die Kommunen können das tragen.

Ich will ihnen das ja nicht absprechen, aber die Kommunen in den neuen Bundesländern können das nicht tragen. Dies muss deutlich im Gesetzgebungsverfahren gesagt werden. Deswegen halten wir diese Dinge für diskussionswürdig, aber auch unter dem Aspekt der neuen Bundesländer, in denen diese Hilfen zahlenmäßig viel häufiger angewandt werden müssen als in den alten Bundesländern. Deswegen ist es uns wichtig, dass sich insbesondere die neuen Bundesländer in diesen Diskussionsprozess einbringen und sich daran beteiligen.

Wenn wir mehr Zeit hätten, hätten wir den Vorschlag umformuliert und vorgeschlagen, dies auch bei uns im Ausschuss zu diskutieren. Denn das sind ja unsere Probleme, die wir auch hier im Land mit anpacken sollten und bei denen wir uns mit unseren Erfahrungen einbringen sollten. Da aber der Bundesrat, wie wir gehört haben, am 27. September abschließend dazu beraten will, haben wir heute nur die Möglichkeit, für die Annahme dieses Antrages im Plenum zu werben und darum zu werben, dass sich unsere Landesregierung mit unseren Erfahrungen in den neuen Bundesländern in diese Diskussionen einbringt. Eine Diskussion bei uns im Rahmen der Selbstbefassung ist damit ja nicht ausgeschlossen.

Wir sind davon überzeugt, dass in diesem Bereich Novellierungsbedarf besteht. Wir haben mindestens zehn Jahre Erfahrungen mit der Anwendung der Instrumentarien der Arbeitsförderung gesammelt und sollten diese so umsetzen, dass die erkennbaren Aufgaben und Probleme der nächsten Jahre einfacher und mit verbesserten gesetzlichen Möglichkeiten gelöst werden können. Deswegen bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Professor Böhmer. - Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Dr. Kuppe das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Der Bundesarbeitsminister hat im Mai des Jahres 2001 ein Eckpunktepapier für eine Reform des Arbeitsförderungsrechts vorgelegt, und die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen in Berlin werden sich in den nächsten Wochen darauf verständigen, wie der Gesetzestext aussehen soll. Das parlamentarische Verfahren für diese Gesetzesinitiative hat also noch gar nicht begonnen, wird aber unmittelbar nach der Beschlussfassung der Fraktionen und der Bundesregierung aufgenommen werden. Dieses Job-AQTIV-Gesetz wird uns dann beschäftigen.

Herr Professor Böhmer, Sie haben in Ihrer Begründung zu dem Antrag eine ganze Reihe von bestehenden Problemen dargelegt, die uns bekannt sind, die hier im Landtag auch schon öfter erörtert wurden; aber Sie haben überhaupt nicht deutlich gemacht, warum wir als Landtag von Sachsen-Anhalt ausgerechnet die Vorschläge von Bayern und Thüringen, die in dem Entschließungsantrag für den Bundesrat niedergelegt sind, unterstützen sollen. Sie sagten nicht „zustimmen“, sondern „unterstützen“, aber Sie haben keine Punkte aufgelistet, die in dem Antrag vorkommen und die aus Ihrer Sicht wirklich unterstützenswert erscheinen, und das schon gar nicht begründet.

In diesem Entschließungsantrag werden Forderungen aufgemacht, die sich nach meiner Einschätzung in drei Kategorien einteilen lassen. Dies sind einmal Punkte, die von der Bundesregierung bereits in den Eckpunkten zum Job-AQTIV-Gesetz berücksichtigt worden sind. Eine bessere Recherche durch die Länder Bayern und Thüringen - Sachsen hat unterdessen noch einen Änderungsantrag gestellt - wäre also hilfreich gewesen.

Zweitens werden in dem Entschließungsantrag Fragen erörtert, die überhaupt noch nicht entscheidungsreif sind. Das haben Sie jetzt vage angedeutet.

Drittens sind Punkte angesprochen, die sich, so wie Bayern und Thüringen sie beschreiben, überhaupt nicht umsetzen lassen.