Protokoll der Sitzung vom 11.10.2001

(Herr Dr. Bergner, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Ich beantworte die Frage gern, aber erst am Ende meiner Rede.

In Magdeburg besteht seit längerem das Projekt GrafFa. Mit dem Aufbau von drei Freizeiteinrichtungen an verschiedenen Schwerpunkten des Stadtgebietes soll im

Zusammenwirken mit Kindern, Jugendlichen, Ausländern und sozial Benachteiligten der Versuch unternommen werden, künstlerisch orientierte Freizeit- und Interessengemeinschaften zu bilden, mit dem Ziel, illegale Farbschmierereien zu verhindern. In Dessau engagiert sich der Arbeitskreis Sicherheitspartnerschaft der Stadt Dessau auch in dieser Thematik.

In den von mir genannten Beispielen hat sich die enge Zusammenarbeit mit den Kommunen und den Wohnungs- und Bauträgern bewährt. Teilweise bieten die Kommunen sogar Flächen zum Besprühen an.

Ich meine, das sind gute Beispiele für den unabdingbaren Dialog zwischen den jugendlichen Tätern, die an eine sinnvolle Freizeitgestaltung herangeführt werden sollen, und den Erzieherinnen und Erziehern und den Verantwortlichen in den Kommunen, die für die städtische Gestaltung zuständig sind.

Daher nochmals: Die Landesregierung hat sich schon lange für die umfassende Strafverfolgung von unrechtmäßigen Farbsprühereien ausgesprochen. Der Antrag war überflüssig.

Ich möchte an mein letztes Interview mit der Volksstimme erinnern, in dem ich gesagt habe, dass ich auch nicht ungewollt einen Rubens an meinem Haus wiederfinden möchte. - Damit ist, denke ich, alles gesagt.

Wir sind dafür, dass eine Ahndung stattfindet. Wir sind dafür, dass der Schaden wieder gutgemacht wird. Wir sind aber auch dafür, dass den Jugendlichen Alternativen aufgezeigt werden, wo sie auch sprühen können. Ich denke, es ist ein Ausdruck der heutigen Gesellschaft, so etwas tun zu wollen. Man darf es nicht illegal tun, aber dass man ihnen die Gelegenheit bietet, sich entsprechend zu betätigen, ist sicherlich auch wichtig.

(Herr Becker, CDU: Das löst aber das Problem nicht, Frau Ministerin!)

Sie waren fertig, Frau Ministerin?

Ja.

Dann stellen Sie bitte Ihre Frage, Herr Dr. Bergner.

Frau Minister, können Sie sagen, wie hoch der Anteil an der hohen Zahl an Tatverdächtigen ist, die die Polizei ermittelt hat, bei dem tatsächlich von der Staatsanwaltschaft eine strafrechtliche Verfolgung betrieben wird?

Das kann ich deswegen nicht, weil wir keine Statistik erheben, die nach Straftaten detailliert Auskunft gibt. Ich weiß aber, dass unsere Gerichte unterschiedliche Entscheidungen zu diesem Problem getroffen haben, was auch einer der Gründe dafür gewesen ist, dass ich gesagt habe, wir müssen zu einer eindeutigen Definition im Strafgesetzbuch kommen.

Deshalb haben wir gesagt, der Begriff des Verunstaltens ist es zumindest wert, darüber nachzudenken, ob es so

definiert werden kann. Vielleicht finden wir aber im Rechtsausschuss des Bundesrates auch noch eine andere, bessere Definition, die noch besser greift und alle Fälle erfasst.

Frau Ministerin, sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass in unserer Anhörung in Halle der eingeladene Richter feststellen musste, dass er sich die große Zahl der ermittelten Straftäter, von denen die Polizei bei dieser Anhörung sprach, überhaupt nicht vorstellen konnte, weil er in seiner ganzen Praxis als Richter nur ein oder zwei Fälle vor Gericht verhandelt hatte?

Herr Dr. Bergner, ich verfüge über mehr als 600 Richter. Wenn sich einer davon an die Zahl nicht erinnern kann, heißt das noch nicht, dass bei uns nicht konsequent gearbeitet wird.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Danke, Frau Ministerin. - Für die Fraktion der DVU hätte jetzt der Abgeordnete Herr Buder gesprochen. Er bittet seine Rede zu Protokoll geben zu dürfen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

(Zu Protokoll:)

Graffitis sind ein großes Ärgernis für alle Betroffenen, unabhängig davon, ob diese sich als „künstlerisch“ auf privaten Hauswänden befinden oder an gewerblich genutzten Gebäuden wirtschaftlichen Schaden anrichten. Nach wie vor wird das unsägliche Treiben so genannter Sprayer als Kavaliersdelikt behandelt. Doch der Schaden, den diese Schmierer mit ihren Verschandelungen anrichten, ist immens.

Besonders in den Innenstadtbereichen tobt sich die „Graffiti-Szene” aus, und ihr Treiben, sehr verehrte Damen und Herren, geschieht nicht nur nachts. Zigtausende dieser Schmierereien treten in abstoßender Weise an Häuserfassaden, Denkmälern, öffentlichen Gebäuden, öffentlichen Verkehrsmitteln, privaten Pkws usw. auf.

Auch ein anderer Aspekt ist nicht von der Hand zu weisen: Bei der Bevölkerung entsteht der objektive Eindruck der Verwahrlosung, hervorgerufen durch die verunstaltenden Graffitis. Lebensfreude, meine Damen und Herren, hat auch etwas mit der Wohnqualität in den Städten und Gemeinden in Sachsen-Anhalt zu tun. GraffitiSchmierereien wirken dort also kontraproduktiv.

Aus diesem Grunde sollte im Strafrecht unmissverständlich zum Ausdruck kommen, dass diese rechtswidrigen Graffiti-Schmierereien als schwere Sachbeschädigung geahndet werden. Nach Angaben des Haus- und Grundstückseigentümerverbandes beläuft sich der Schaden durch diese „Graffiti-Sprayer“ jährlich auf mehrere Millionen D-Mark.

Als negatives Beispiel stellt sich hierzu das von Linken alternativ genutzte Jugendzentrum in Dessau dar. Wurde dieses Haus vor einigen Monaten mit über 1 Million DM saniert, so präsentiert sich dieses Objekt nach wenigen Wochen rein äußerlich wieder als Saustall, und das in einem Sanierungsgebiet wie Dessau-Nord. Ob

wohl diese Schmierereien eindeutig den dort lebenden Bewohnern zuzuordnen sind, gehen diese Leute wie immer straffrei aus. Besucher sowie Einwohner der Stadt machen sich dazu ihre eigenen Gedanken.

Dem Antrag der CDU wird hiermit zugestimmt.

Für die Fraktion der FDVP spricht jetzt der Abgeordnete Herr Wolf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wachsender Druck zu diesem Thema ist gut. Das GraffitiUnwesen hat in einem Maße zugenommen, das nicht mehr überschaubar ist. Nagelneue Häuser werden beschmiert, die Beseitigungskosten wachsen ins Unermessliche, private Hauseigentümer geraten durch wiederholte Aktionen von Sprayern direkt in existenzielle Schwierigkeiten.

Durch die Verschärfung des Strafgesetzbuches soll erreicht werden, dass Graffiti-Sprayern auch dann eine Strafe droht, wenn durch die Farbschmierereien kein bleibender Schaden an der Bausubstanz entsteht. Bisher gehen die Täter in einem solchen Fall straffrei aus, weil das Verunstalten eines Gebäudes allein noch kein Vergehen ist. Derzeit können Graffiti-Schmierereien nur unter bestimmten Voraussetzungen als Sachbeschädigung geahndet werden. Der Nachweis einer Sachbeschädigung ist allerdings schwierig. Darüber sprachen wir bereits.

Eine Beschädigung der Sache liegt vor, wenn der Täter auf die Sache als solche dergestalt einwirkt, dass ihre Substanz, Beschaffenheit, äußere Erscheinungsform oder bestimmungsgemäße Brauchbarkeit nicht unerheblich beeinträchtigt ist. Die bloße Erscheinungsform einer Sache ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofes in aller Regel noch keine Sachbeschädigung, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um eine auffällige, belangreiche Veränderung handelt. Auf ästhetische Gesichtspunkte kommt es dabei leider nicht an.

Im Übrigen wird meistens darauf abgestellt, welcher Instandsetzungsaufwand zur Beseitigung der Einwirkung notwendig ist. Im Regelfall ist die Einholung eines teuren Gutachtens notwendig.

Begrifflich werden vom § 303 aber nicht alle GraffitiTätigkeiten als Sachbeschädigungen erfasst. Das ist wohl der Punkt.

Möglich erscheint durch das Graffiti-Unwesen auch eine Zerstörung von Sachen. Zerstört wird eine Sache, wenn sie in ihrer Existenz vernichtet oder derart wesentlich beschädigt ist, dass sie ihre Gebrauchsfähigkeit völlig verliert.

Das Resultat ist: Weder das Tatbestandsmerkmal des Beschädigens noch das Tatbestandsmerkmal des Zerstörens erfasst im Regelfall das Graffiti-Unwesen. Deshalb bietet sich im Rahmen der bereits erwähnten §§ 303 und 304 des Strafgesetzbuches ein weiteres Tatbestandsmerkmal, nämlich das des Verunstaltens einer Sache, geradezu an. Damit würde die vorhandene Strafbarkeitslücke vernünftig geschlossen werden.

Weitere Ausführungen möchte ich an dieser Stelle nicht machen. Ich würde mich wiederholen, denn das, was in der Sache gesagt werden musste, wurde bereits seit

Jahren vorgetragen. Aber ob Sonderkommission, ob Bundesratsinitiative - es muss etwas geschehen. TäterOpfer-Ausgleich ist auch gut, da fehlt uns aber etwas der Glaube.

Gleichwohl entspricht der Antrag der CDU-Fraktion unserer kriminalpolitischen Überzeugung und verdient deshalb die Zustimmung der Fraktion der FDVP. Stadtgestaltung wie in Dessau - oben klassisch, unten chaotisch - muss aufhören. Sie widerspricht den Bürgerinteressen in schlimmer Weise.

Wir merken es: Die Töne werden schärfer, denn die Wahlen kommen. - Danke.

(Beifall bei der FDVP)

Frau Tiedge hat jetzt für die PDS-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst zum wiederholten Male einige Bemerkungen zum Begriff „Graffiti“, aber manchmal hilft ja Wiederholung. Nimmt man den Titel des CDU-Antrages ernst, so bedeutet er, dass gegen eine Kunstrichtung vorgegangen werden soll.

(Herr Scharf, CDU, lacht)

In jedem Kunstlexikon ist vermerkt, dass Graffiti eine eigene Kunst- und Kulturform ist, die es seit zweieinhalb Jahrtausenden gibt. Zugegeben, sie ist bisher nicht gesellschaftlich etabliert. Nun mag sie einem gefallen oder nicht, aber an dieser Tatsache kann auch die CDUFraktion nicht vorbei. Es darf nicht Angelegenheit der Politik sein, sie als Verunstaltung oder als Verschönerung zu beurteilen.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Daher ist in diesem Zusammenhang eine drastische und mit Klischees und Vorurteilen behaftete Sprache völlig fehl am Platze.

(Beifall bei der PDS - Herr Scharf, CDU: Ihre Re- de würden wir gern in der „Magdeburger Volks- stimme“ veröffentlichen! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Warten Sie doch einmal ab.

Wir haben selbstverständlich auch vollstes Verständnis dafür, dass Eigentümer von Gebäuden, ob nun Privatpersonen, Genossenschaften oder Wohnungsbaugesellschaften, verärgert sind über Beschmierungen - ich benutze hierbei ausdrücklich nicht das Wort „Graffiti“ -, die sehr kostenintensiv beseitigt werden müssen.