Protokoll der Sitzung vom 11.10.2001

Meine Damen und Herren! Die in diesem Hohen Haus die linksextremistische PDS vertretende und zu SEDZeiten als Jugendstaatsanwältin wirkende Abgeordnete wird in ihren der Stasi zugearbeiteten Berichten kaum gegen diese inhumane Justiz protestiert haben.

Meine Damen und Herren! Am diesjährigen Tag der Einheit strahlte der MDR wiederum zu nachtschlafender und kaum quotenträchtiger Zeit zwischen 23.30 Uhr und 0.30 Uhr eine Dokumentation über den Werdauer Oberschülerprozess vom Oktober 1951 aus. 19 junge Oberschüler wurden zu drakonisch harten Strafen verurteilt, weil sie in einer Flugblattaktion ihre Opposition gegenüber schulischen Vorgängen und gegen geistige Gleichschaltung im Sinne der SED-Doktrin ausdrückten und zugleich die Einheit Deutschlands in Freiheit forderten.

(Herr Oleikiewitz, SPD: Was hat das mit dem An- trag zu tun?)

Ihr damaliger Werdauer Schuldirektor Heß verkündete mit leuchtenden Augen und erhobener Stimme triumphierend den anderen Schülern in der Aula die Terrorurteile von insgesamt 130 Jahren Zuchthaus. Es ist nicht auszuschließen, dass dieser Heß noch heute mit leuchtenden Augen vom Rechtsstaat DDR sabbelt und den Ewiggestrigen und Bekennenden seiner PDS begeistert von diesem Leben in der DDR berichtet.

Das Schicksal dieser Werdauer Oberschüler ist in den Dokumenten des Zeitgeschichtlichen Forums in Leipzig dargestellt. Einer der damals verurteilten Oberschüler kam nach der Wende nach Werdau und setzte sich dafür ein, eine Gedenktafel anzubringen. Es dauerte zwei Jahre, ehe das geschah, weil sich das Kommunalparlament in seiner Zusammensetzung dagegen sträubte

kein Wunder, denn die so genannte SED-Nachfolgepartei PDS musste der eigenen Schandtaten gedenken.

Ein ebenfalls zu dieser Zeit politisch Verurteilter schrieb dem einstigen Oberschüler aus Werdau in einem Brief, der in der Bundesratsdrucksache 457/99 über inhaftierte Schüler in der DDR nachzulesen ist, die bitteren, zynisch klingenden Worte - ich darf zitieren, Frau Präsidentin -:

„Hätten Sie, statt demokratisch motivierten Widerstand zu leisten, als kleiner Junge einmal an das Fenster eines NSDAP-Büros gespuckt und nach 1945 kräftig in der FDJ und in der SED mitgemacht, wären Sie von der SED zu einem Kämpfer gegen den Faschismus deklariert worden und bekämen jetzt eine monatliche Zusatzehrenrente von 1 400 DM auf Kosten des dummen Steuerzahlers. Außerdem wären Sie nicht eingesperrt worden, im Gegenteil. Sie hätten im Apparat der DDR große Karriere gemacht, hätten ein wunderschönes Wassergrundstück in Berlin und brauchten sich nicht um einen Hauch von Gerechtigkeit zu bemühen.“

Nein, meine Damen und Herren, bei allem Zynismus, bei aller Bitterkeit dieses Briefes eines langjährig politisch Verfolgten oder Verurteilten an einen Leidensgefährten es geht nicht um die Schmähung des ehrenhaften Widerstandes von Menschen zwischen 1933 und 1945. Es geht auch darum, die Zeit danach mit all ihren Grausamkeiten und ihrem roten Terror nicht zu verschweigen.

Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren: Was wissen unsere Kinder und Jugendlichen von dieser Zeit? Was steht in den wenigen Abschnitten der Schulbücher und Arbeitshefte über diese grausame Zeit nach 1945?

In der unlängst veröffentlichten Broschüre des Kultusministeriums von Sachsen-Anhalt mit dem Titel „Kultur in Schule und Verein“ gibt es zwar einen kleinen Abschnitt zur Geschichte und Heimatpflege, aber die Zeit nach 1945 wird wohlweislich ausgeklammert. Die Schüler wissen dann zwar - so die Projekte - über die Ernährung im Mittelalter und über die damalige Herstellung von Kleidern Bescheid, aber sie werden nie erfahren, warum nach 1945 auch Schüler, die genauso alt waren wie sie, Zuchthauskleidung tragen mussten, warum sie in den Todeslagern des NKWD litten oder gar verhungerten.

Wie viele Lehrer gibt es, die selbst Kenntnis darüber besitzen und diese vermitteln? Ist es nicht vielmehr so, dass die Mehrzahl der Lehrer diese Themen scheut, dass sie sich nicht den Fragen stellt, weil es Fragen zum eigenen Verhalten als Lehrer in der damaligen Zeit sind?

Der ehemalige Staatsbürgerkundelehrer, inzwischen mit dem abstrusen Geschichtsbild der PDS vertraut, sägt doch nicht an dem eigenen Ast, auf dem er sicher thront. Besonders sicher thront er im Land Sachsen-Anhalt; er träumt von der Machtergreifung der PDS, die den politisch linken Flügel so genannter Sozialdemokraten ins Brautbett zerrt. Er träumt davon, genau am Jahrestag der Zwangsvereinigung von SPD und KPD, die am 21. April 1946 stattfand, nun frech-dreist die Liebesehe zu vollziehen, gegen die sich einst Sozialdemokraten von anderem Schrot und Korn zu wehren wussten und bitter, bitter mit Verfolgung, Zuchthaus und Tod dafür bezahlt haben.

Wenn es nach den rot-roten Kungelplänen von SPD und PDS gehen würde, dann würde die Geschichte so um

gebogen und mit neuen Legenden versehen, um diese Kungelherrschaft als Gesetzmäßigkeit der Geschichte zu bezeichnen. Auch wenn sich Tausende ermordete Sozialdemokraten, Verfolgte des roten Terrors im Grabe umdrehen würden - was juckt es schon die machtgierigen Höppner & Co.? Wie schrieb doch ein sich gegen diese angestrebte Ehe wehrender und sich verwahrender Sozialdemokrat in diesen Tagen? - Sie wollen, dass ich die Mörder meiner Eltern küsse.

Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen übertrug der Deutschlandfunk ein Gespräch zwischen dem ExBND-Chef Heribert Hellenbroich und dem Mielke-Stellvertreter Markus Wolf. Eine Zeitung berichtete anschließend, mit welcher Verzückung ehemalige hauptamtliche Mielke-Knechte ihrem Herrn und Meister und nun zum PDS-Rat der Alten gehörenden Markus Wolf zu Füßen saßen. Ein einst von den Mielke-Schergen gequälter und verurteilter und nun kopfschüttelnder Zuhörer dieser Rechtfertigungsrunde des Markus Wolf äußerte nur noch resignierend: Das wird immer schlimmer. Keiner will sich erinnern, wie es wirklich in der DDR war.

Meine Damen und Herren! Demokratie bedarf der Erinnerung. Wir müssen all unsere Kräfte einbringen, damit diese Erinnerung nicht verblasst, dass diese Erinnerung an die schreckliche Zeit des roten Terrors niemals unerwähnt bleibt.

Dass diese Bedenken berechtigt sind, möchte ich hier unterstreichen. Anfang Mai dieses Jahres erhielten alle Fraktionen dieses Hohen Hauses einen Brief des Dokumentationszentrums des Bürgerkomitees SachsenAnhalt e. V. In diesem Brief wurde das Angebot unterbreitet, vorliegende Sonderausstellungen zu zeigen, um eine breite Öffentlichkeit durch Wand- und Flurgestaltung und in Veranstaltungsräumen zu Diskussionen und zum Nachdenken anzuregen.

Die Fraktion der FDVP reagierte auf das Angebot und bat um eine der zahlreichen Sonderausstellungen: „Zum Schweigen verurteilt - Die Todeslager des NKWD“. Wohlgemerkt: Wir waren die einzige Fraktion des Landtages, die überhaupt reagierte, antwortete und die Ausstellung zeigte.

Zur Eröffnung der Ausstellung „Zum Schweigen verurteilt - Die Todeslager des NKWD“ im Landtagsflur unserer Fraktion sagte ich:

„Nüchtern und mit sachlicher Darstellung der belegbaren Fakten, mit den Wortmeldungen der Überlebenden oder deren Angehörigen offenbart sich uns das Leid und das Schicksal von Menschen, über das Jahrzehnte lang nicht gesprochen werden durfte; denn jeder wusste, dass das herrschende System einer kommunistischen Ideologie und Diktatur ebenso, wenn auch kaschiert, zuschlagen konnte und jeden erbarmungslos verfolgte, als Lügner und Verleumder hinstellte, der es wagte oder nur andeutete, zu schildern, was ihm und anderen geschah.

Darum sollten wir alle Anstrengungen unternehmen, damit auch künftig keine geschönten und weglassenden Geschichtsbilder und neuen Legenden verbreitet werden, die dieses dunkle Kapitel unserer Nachkriegsgeschichte verschweigen. Betrachten wir diese Ausstellung als Mahnung für unser Denken und Handeln, um derer in Ehren zu gedenken, die hier in Wort und Bild oder namenlos und einst entwürdigt vorgestellt werden.“

Wenn Sie, Herr Innenminister Dr. Püchel, zutiefst schockiert und fassungslos darauf reagierten, dass wir, die Fraktion der FDVP, im Landtag von SachsenAnhalt die Ausstellung zeigten, dann zeugt Ihr Verhalten entweder von politisch kleinkarierter Denkweise oder von maßloser Arroganz, wenn Sie gewählten Abgeordneten und unserer Fraktion das Recht absprechen, eine derartige Ausstellung zu zeigen.

Der Diplomtheologe, meine Damen und Herren, und mit der PDS kungelnde stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion Bischoff trat gar aus dem Bürgerkomitee aus. - Herr Bischoff, niemand hinderte Sie daran, diese Ausstellung in den Landtag zu holen. Niemand hinderte Sie - ebenso wie Herrn Dr. Püchel nicht - daran, den Blutsbrüdern von der PDS zu empfehlen, diese Ausstellung in ihren Fluren zu zeigen. Aber vielleicht sind bei Ihnen, Herr Bischoff, im Unterbewusstsein noch Restspuren von Scham vorhanden, die Sie ermahnten, diese Ausstellungsempfehlung an die PDS zu unterlassen.

Die regierungsamtliche Sprechblase des Herrn Dr. Höppner, ein gewisser Stänner, Franz, der ansonsten nur die gescheiterte Politik seines Herrn und Gebieters schönreden muss, ließ gar im Medienmagazin „Journalist“ sein Entsetzen darüber verkünden, dass die „Magdeburger Volksstimme“ auf der ersten Seite eine Anzeige der FDVP-Fraktion abdruckte, die auf die Ausstellung verwies. Drohend fügte der wachsame Stänner, Franz hinzu, dass die Zeitung den Imageschaden selbst verantworten müsse.

Kollegin Wiechmann, Sie liegen weit außerhalb der Redezeit. Ich bitte Sie, Ihre Rede zu beenden.

Das weiß ich; ich habe die Uhr nämlich beobachtet. Sie lief gar nicht von Anfang an.

Sie liegen jetzt 40 Sekunden außerhalb der Redezeit, Kollegin Wiechmann.

Ich werde mich beim nächsten Mal gleich melden.

Entschuldigung. Mir wurde soeben bestätigt, dass es stimmt. Das konnte ich nicht wissen.

Danke. - - dass die „Magdeburger Volksstimme“ auf der ersten Seite eine Anzeige der FDVP-Fraktion abdruckte, die auf die Ausstellung verwies. Drohend fügte, wie schon gesagt, der wachsame Stänner, Franz hinzu, dass die Zeitung den Imageschaden selbst verantworten muss.

(Herr Sachse, SPD, Herr Oleikiewitz, SPD, und Herr Kühn, SPD, lachen)

Dieses Franzl vergisst, dass die Zeiten vorbei sind, in denen das frühere Bezirksorgan nur die Verlautbarungen der Hauptabteilung für ewige Wahrheiten abzudrucken gezwungen war.

Herr Dr. Püchel und noch andere aufgeplustert aufgeregt Reagierende, trösten Sie sich. Sie und andere haben mit Ihren öffentlichen Äußerungen die größtmögliche Werbung für diese sehenswerte Ausstellung betrieben. Sie ersparten weitere Anzeigen und damit Kosten. Sie erwiesen sich als kleiner großer Werbeträger. Eigentlich gebührt Ihnen dafür Dank und wir rechnen natürlich auch weiterhin mit Ihnen.

Meine Damen und Herren! Die Ausstellung wird sehr gut besucht. Sie erreicht genau das gesetzte Ziel bei den Besuchern, nämlich dass niemand und nichts vergessen wird. Vielleicht würden den roten Kungelbrüdern dieses Hohen Hauses bei einem Ausstellungsbesuch und bei Gesprächen mit den Besuchern die Augen dafür geöffnet, welch verhängnisvollen Weg sie für dieses Land eingeschlagen haben. Ob die Kungelbrüder geläutert würden und schamvoll die Ausstellung verlassen würden, bezweifeln wir.

Herr Dr. Püchel, Herr Bischoff und der Stänner, Franz sind allerdings herzlich eingeladen, die Ausstellung „Zum Schweigen verurteilt - Die Todeslager des NKWD“ im Landtag zu besuchen, um so vielleicht ihr verquastes Demokratieverständnis wieder auf die Höhe der Zeit bringen zu können. - Danke schön.

(Beifall bei der FDVP)

Danke für die Einbringung. Ich bitte nochmals um Entschuldigung, bei mir war eine andere Zeit angezeigt. Meine Damen und Herren! Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion in der Reihenfolge SPD, DVU, PDS, CDU und FDVP vorgesehen. Als erste Rednerin spricht für die SPD - - Wer spricht für die SPDFraktion? Frau Leppinger? - Sie verzichtet. Die DVUFraktion hat ebenfalls Verzicht gemeldet.

(Herr Bischoff, SPD, meldet sich zu Wort)

- Herr Bischoff spricht für Frau Leppinger.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich spreche jetzt nicht für Frau Leppinger; denn Sie könnte für sich selbst sprechen. Vielleicht ist es am Ende doch gleich. Ich wollte das nicht so stehen lassen.

Frau Wiechmann, aus Ihrem Mund ehrliches Mitleid gegenüber den wirklichen Opfern zu hören, ist pure Heuchelei.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Herr Wiechmann, FDVP: Das darf doch wohl nicht wahr sein!)

Sie schildern heute das Schicksal von DDR-Bürgern, die tatsächlich Opfer des DDR-Regimes geworden sind. Ich frage Sie: Wo war Ihr Protest damals? Wo haben Sie gelebt? Was haben Sie wirklich gemacht? Wo haben Sie sich befunden?

(Frau Hajek, SPD: In welcher Partei waren Sie?)

Wenn Sie heute dieser Opfer gedenken wollen, empfinde ich das so, als würden Sie diese Opfer nachträglich verleumden und abwerten. Diese Art von Betroffenheit verurteile ich als besonders verwerflich.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Herr Wiechmann, FDVP: Das ist eine Unverschämt- heit! Hier werden die Opfer abgewertet! Sie soll- ten sich schämen! Ich denke, Sie sind Pfarrer! - Zuruf von Herrn Weich, FDVP)

- Ich schäme mich überhaupt nicht. Wenn Sie meinen Werdegang kennen, dann wissen Sie, dass ich mich nicht zu schämen brauche.

(Herr Wolf, FDVP: Sie verdrehen die Geschichte! - Weitere Zurufe von der FDVP)

- Sie verdrehen die Geschichte, weil Sie die wirklichen Opfer für Ihre politischen Ziele missbrauchen; denn wer ständig nationalistisches Denken und Fremdenfeindlichkeit in seinen Reden vor sich herträgt, der schafft die Voraussetzung dafür, dass Diktaturen und Unrecht entstehen können;

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Frau Wiechmann, FDVP: Wer mit den Roten kungelt wie Sie, ist mitschuldig!)