Protokoll der Sitzung vom 17.01.2002

(Herr Dr. Rehhahn, SPD: Hört, hört! - Herr Dr. Bergner, CDU: Freiwillig, Herr Kollege, freiwil- lig! - Unruhe)

Als ich das Foto in der Zeitung sah, fiel mir der Ruf des Kollegen Becker ein: Hände weg von den kleinen Gemeinden!

(Oh! bei der SPD - Herr Oleikiewitz, SPD: Es ging doch nur um das Foto! - Herr Gallert, PDS: Ver- rat! Verrat! - Herr Becker, CDU: Es ist doch frei- willig geschehen! - Unruhe)

Zum Stichwort Freiwilligkeit: Herr Becker, wie ist denn verfahren worden, als Sie Ihre kleinen Gemeinden nach Naumburg geholt haben?

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD und bei der PDS - Herr Becker, CDU: Das war alles frei- willig! - Unruhe)

Hat es in diesem Zusammenhang Bürgerentscheide gegeben?

(Herr Becker, CDU, winkt ab)

Im Fall der Stadt Falkenstein/Harz haben es die Gemeinderäte beschlossen. Das sind demokratisch legitimierte Volksvertreter, wie wir es auch sind. Dabei gibt es die unterschiedlichen Phasen.

(Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Nach Artikel 90 der Landesverfassung kann es Zusammenschlüsse durch Vereinbarungen von Gemeinden geben. Dasselbe ist auf der Grundlage eines Gesetzes gestattet.

Herr Kollege Becker, im Übrigen sehe ich die Gefahr, dass sich Ihre Partei von der Volkspartei zu einer Gewerkschaft ehrenamtlicher Bürgermeister und frustrierter Landräte kleinerer Kreise entwickelt.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und auf der Regierungsbank - Heiterkeit bei der PDS - Herr Dr. Bergner, CDU, und Herr Schulze, CDU, la- chen)

Politisch habe ich eine klare Präferenz für die Einheitsgemeinde. Die Einheitsgemeinde ermöglicht größere Einsparungen im Bereich der Verwaltung der Verwaltung und eine konsequentere Schwerpunktsetzung in der gemeindlichen Entwicklung, die letztlich allen Bürgerinnen und Bürgern zugute kommt.

Nicht mehr akzeptabel ist das bisher praktizierte Modell der Verwaltungsgemeinschaft. Nur wenn sich alle Mitgliedsgemeinden einig sind, können in der Verwaltungsgemeinschaft wichtige Einrichtungen in die gemeinsame Verantwortung überführt werden.

(Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Wenn die Gemeinde A Schulträger ist, dann sind die Gemeinderäte der Gemeinde B, deren Kinder in der Gemeinde A beschult werden, von jeder Mitwirkung ausgeschlossen. Das kann nicht sein. Die Verbandsgemeinde bringt hierbei einen wirklichen Zuwachs an Demokratie.

(Herr Dr. Daehre, CDU, lacht)

Jetzt möchte ich Herrn Professor Böhmer fest ins Auge fassen. Sie haben uns im Frühjahr 2000 für die Zeit nach der nächsten Landtagswahl eine Sanierungskoalition angeboten. Ich für meine Person habe dieses Angebot öffentlich begrüßt. Das gibt mir das Recht, mich heute zu beklagen, dass Sie Ihr Angebot einer Sanierungskoalition inhaltlich nicht untersetzt haben.

Herr Professor Böhmer, vor allem vermisse ich Ihre Zustimmung zur Funktional- und Gebietsreform, also zu unserem Antrag.

(Zurufe von und Unruhe bei der CDU)

Das, was wir hierbei vorhaben, ist doch ein Sanierungsprojekt ersten Ranges. Ich kann mir kein wichtigeres vorstellen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Wir sind doch nicht in der Lage, Waggonbau- und Chemiebetriebe zu sanieren. Wir sind dafür zuständig, unseren eigenen Laden zu sanieren, Herr Professor Böhmer.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU, meldet sich zu Wort)

Herr Rothe, Herr Professor Böhmer möchte eine Frage stellen oder eine Bemerkung machen.

Was immer er will.

(Heiterkeit)

Herr Präsident, ich beantrage, nach den Ausführungen von Herrn Rothe eine Intervention machen zu dürfen.

Gut, also danach. - Herr Rothe, Sie können fortsetzen.

Meine Damen und Herren! Gerade CDU-Politiker beklagen den Rückgang der Höhe der Finanzzuweisungen des Landes an die Kommunen. Das ist aber im Rahmen einer seriösen Finanzpolitik unvermeidbar.

(Unruhe bei der CDU - Zuruf von Herrn Becker, CDU)

Es gibt nur einen Weg, um den Handlungsspielraum der Kommunen zu erhöhen, nämlich indem effizientere Strukturen geschaffen werden, innerhalb deren mit den begrenzten Mitteln mehr veranstaltet werden kann. Diesen Weg wollen wir beschreiten.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Böhmer, wenn es Ihnen mit dem Angebot einer Sanierungskoalition ernst ist, dann sollten Sie hierbei mitgehen.

(Zurufe von der CDU und von Frau Theil, PDS)

Meine Damen und Herren! Als am 3. März 2001 die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU in Magdeburg tagte, hat Innenminister Köckert aus Erfurt, ein Parteifreund von Herrn Hardraht aus Dresden, erklärt, er würde sich freuen, wenn Herr Polte als Missionar für die

Notwendigkeit einer Gemeinde- und Gebietsreform nach Thüringen käme.

(Herr Bischoff, SPD, lacht)

Ich weiß nicht, ob Willi Polte schon dort war, aber er wird Ihnen demnächst hier im Landtag sicherlich die Leviten lesen. Darauf freue ich mich heute schon.

(Heiterkeit - Zustimmung bei der SPD - Herr Dr. Daehre, CDU: Oder Ihnen!)

Bitte laden Sie zu diesem Thema auch einmal den brandenburgischen Innenminister Schönbohm nach Sachsen-Anhalt ein. Herr Schönbohm hat ausrechnen lassen, wie viel durch die von ihm vorangetriebene Gemeindegebietsreform an Finanzmitteln eingespart und für sinnvollere Zwecke verwandt werden kann.

Die westlichen Länder haben ihre kommunalen Gebietsreformen schon längst hinter sich. Als im Herbst der Landkreistag in Aschersleben tagte, hat dort der frühere bayerische Innenminister Dr. Bruno Merk, natürlich von der CSU - er ist jetzt im 80. Lebensjahr -, mit Begeisterung von seiner kommunalen Gebietsreform in den 70erJahren berichtet

(Herr Becker, CDU: Ja!)

und darüber, wie er damals in den Ämtern angefeindet wurde und heute überall freundlich begrüßt wird und dass entgegen allen Unkenrufen die Reform der CSU bei den nachfolgenden Wahlen nicht geschadet habe.

(Herr Becker, CDU, meldet sich zu Wort)

Herr Präsident, Herr Becker hat eine Frage.

Herr Rothe, sind Sie bereit zu antworten?

Natürlich.

Bitte, Herr Becker, stellen Sie Ihre Frage.

Herr Kollege Rothe, Sie sprachen gerade die bayerische Gebietsreform an. Ist Ihnen zum Beispiel bekannt, dass der Kreis Lindau 72 000 Einwohner hat und auch ganz gut lebt oder dass es etwa im Bayerischen Wald, in der Oberpfalz oder in anderen Teilen Bayerns kleine Kreise gibt?

Herr Kollege Becker, Ihnen ist sicherlich nicht unbekannt, dass in Bayern auf der Regierungsbezirksebene ebenfalls Selbstverwaltungsaufgaben erledigt werden und dass es auch Bezirkstage gibt, die dafür verantwortlich zeichnen, dass also ein wesentlicher Teil der Aufgaben, die bei uns von Kreisen wahrgenommen werden, dort auf einer höher angesiedelten Bezirksebene mit entsprechend großen Einzugsbereichen wahrgenommen wird. Wenn man diesen strukturellen Unterschied berücksichtigt, dann gehen die Vorschläge unseres Innenministers nicht über das hinaus, was in Bayern Herr Dr. Merk schon realisiert hat.