Protokoll der Sitzung vom 18.01.2002

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr. - Wie bereits angekündigt, hat jetzt Herr Sommerfeld das Wort.

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in diesem Hohen Hause schon sehr oft über nachwachsende Rohstoffe diskutiert. Wir haben uns Betriebe und Ausstellungen angesehen und uns sachkundig gemacht. Wir haben Anhörungen durchgeführt.

Jedoch habe ich bei dieser Beschlussvorlage den Eindruck gewonnen, lieber Kollege Barth, dass die SPDFraktion derzeit ihre Schreibtische und Computer leert und in der laufenden Wahlperiode noch ein paar vielleicht „vergessene“ Anträge einbringen will.

(Zustimmung von Herrn Scharf, CDU - Herr Reck, SPD: Egon!)

Meine Damen und Herren! Bereits im Jahr 1992 hatte es die damalige CDU-Regierung verstanden, mit dem Förderkonzept „Nachwachsende Rohstoffe“ einen entsprechenden Rahmen zur Unterstützung des Anbaus in Sachsen-Anhalt zu geben. Ungeachtet der hervorragenden Startbedingungen auf diesem Gebiet hat die CDU in den vergangenen Jahren alles getan, damit die gute Position auf dem Gebiet der nachwachsenden Rohstoffe im Ländervergleich zumindest erhalten bleibt und in der Zukunft weiter verbessert wird. In unserer letzten Initiative, dem Änderungsantrag der CDU vom 13. Oktober 2000 zum Antrag der SPD-Fraktion, wurde ganz konkret darauf eingegangen.

In dieser Legislaturperiode wurde allen Fraktionen mehrfach die Gelegenheit gegeben, der Land- und Forstwirtschaft bei der Förderung von Investitionen zum Anbau, zur Vermarktung und zur Verarbeitung nachwachsender Rohstoffe helfend unter die Arme zu greifen. Das geschah nicht erst seit dem im April 1999 durchgeführten Gespräch mit Vertretern der Beratungs- und Informationsservicegesellschaft „Nachwachsende Rohstoffe“ und mit den Vertretern des Landesbauernverbandes.

Meine Damen und Herren! Jetzt, am Ende der Legislaturperiode, kurz vor den Wahlen ist der Zeitpunkt, um etwas zu bewegen, einfach falsch gewählt. Wir haben den Antrag vom 13. Oktober 2000 zur Nutzung der Chancen regenerativer Energien und nachwachsender Rohstoffe, bei dem auch die Vertreter der Ausschüsse für Umwelt und für Wirtschaft beratend mitwirkten, im Landwirtschaftsausschuss in fünf Sitzungen behandelt. Eine Anhörung dazu fand am 10. Mai des vergangenen Jahres statt.

In der vorläufigen Beschlussempfehlung vom 20. Dezember 2001 - also aus der letzten Sitzung unseres Ausschusses - an die mitberatenden Ausschüsse, die mit 8 : 0 : 1 Stimmen beschlossen worden ist, heißt es unter anderem - ich zitiere, Herr Präsident -:

„Der Landtag der dritten Wahlperiode empfiehlt dem Landtag der vierten Wahlperiode, sich der Thematik regenerativer Energien und nachwachsender Rohstoffe anzunehmen und die weitere Etablierung damit verbundener Technologien zu

unterstützen. Das von der Landesregierung an die ESA in Auftrag gegebene Entwicklungskonzept ist mit den betroffenen Akteuren abzustimmen und zielorientiert umzusetzen.“

Obwohl der besagte Antrag noch nicht abschließend behandelt worden ist - er soll am 28. Februar dieses Jahres erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden -, bringt die SPD-Fraktion in der gegenwärtigen katastrophalen Finanzsituation des Landes erneut einen Antrag zu dieser Problematik ein, der in dieser Wahlperiode, wie gesagt, nicht mehr wirksam werden kann. Das Anliegen der Förderung nachwachsender Rohstoffe ist notwendig und richtig, weil diese für die Zukunft einer modernen Agrarwirtschaft unerlässlich sind. Aus diesem Grund kann ich nur sagen: Es ist ein schöner Antrag, aber zum falschen Zeitpunkt eingebracht. Mein Fraktionsvorsitzender Herr Professor Böhmer würde sagen: Schade ums Papier!

Meine Fraktion ist der Meinung, dass ein Beschluss erst gegen Ende des Jahres 2002 bzw. Anfang 2003 zu den Haushaltsberatungen zum Tragen kommt, wenn im Rahmen der Beurteilung der Halbzeitbilanz der Agenda 2000 die Notifizierungsanträge der Länder möglich werden. Ob dann das Land das Geld dafür hat, ist natürlich von ausschlaggebender Bedeutung.

Bereits in der Sitzung am 7. Juni 2001 hat Herr Minister Keller auf die Finanzprobleme des Landes hingewiesen und ausgeführt, dass eine weitergehende Unterstützung im Haushalt zugunsten der nachwachsenden Rohstoffe im Zusammenhang mit der Errichtung eines Kompetenzzentrums vonseiten des Landes zurzeit nicht möglich sei. Wenn aber trotzdem die Einbringung in die Landesprogramme, den EAGFL erfolgt und wenn eine Aufstockung der veranschlagten Mittel unterbleibt, dann gehen die bisherigen Empfänger mit weniger Geld nach Hause. Ob dies angesichts von BSE und erhöhten Energiepreisen der Agrarwirtschaft gut tut, bezweifle ich.

Derzeit ist die Landesregierung nicht in der Lage, die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe in dem notwendigen Umfang kozufinanzieren. Ich frage Sie: Soll mit diesem Antrag bereits das Geld der nächsten Landesregierung ausgegeben werden?

Herr Abgeordneter, ich darf Sie an Ihre Redezeit erinnern. Sie haben Ihre Redezeit bereits um eine Dreiviertelminute überzogen. Ich bin sehr großzügig.

Der vorliegende Antrag kann deshalb nicht ganz ernst gemeint sein. Aus diesem Grund ist er überflüssig. Wir lehnen ihn ab. - Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDVP)

Es ist in Ordnung, Sie haben sich entschuldigt. Es ist fast eine Minute gewesen.

Für FDVP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Mertens. Bitte, Herr Mertens.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade in Zeiten einer ständig steigenden Energieverteuerung, an

der die Landesregierung und Sie von der SPD-Fraktion durch die Befürwortung der Ökosteuer nicht ganz unbeteiligt sind, erleben alte Pflanzenkulturen mit neuen Verwendungsmöglichkeiten und die Verwendung von Holz als zukunftsträchtiger Energielieferant eine neue Blütezeit.

Im Wohnungs- und im Automobilbau werden seit einigen Jahren immer mehr industrielle Dämm- und Baustoffe durch solche aus nachwachsenden Rohstoffen, wie Stroh, Hanf, Schafswolle und Flachs, ersetzt. Raps und andere Ölfrüchte liefern den Rohstoff für Biodieselkraftstoff und Schmierstoffe. Holz gewinnt als Brennstoff im kommunalen Bereich und im privaten Haushalt immer mehr an Bedeutung. Die Aufzählung könnte fortgeführt werden.

Die Energie- und Rohstoffverteuerung sowie die Verknappung bringen einen Strukturwandel in der Wirtschaft mit sich. Besonders in Deutschland als rohstoffarmem Land wird dies immer deutlicher. Der Trend entwickelt sich zu einer wirtschaftlichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe und zum Austausch endender Energieträger.

Hierin sehen wir als Fraktion eine Chance für die Landwirtschaft und die Industrie in Sachsen-Anhalt. Der Standort Sachsen-Anhalt bietet im Bereich nachwachsender Rohstoffe aufgrund der Größe seiner landwirtschaftlichen Fläche, der Bereitschaft der Landwirte zum Anbau entsprechender Pflanzen und der mehr als 50 Institute und Firmen, die sich mit nachwachsenden Rohstoffen beschäftigen, günstige Voraussetzungen, um diesen wachsenden Markt zu beliefern und sich nutzbar zu machen.

Meine Damen und Herren! Die von SPD-Fraktion in ihrem Antrag geforderte Förderung von Investitionen zum Anbau, zur Vermarktung und zur Verarbeitung von nachwachsenden Rohstoffen würde dabei sicherlich hilfreich sein. Aber das Land kann nur finanzielle Mittel bereitstellen, wenn diese auch vorhanden sind. Angesichts der Steuermindereinnahmen in der Größenordnung von einigen Hundert Millionen scheint es bei der Umsetzung noch Probleme zu geben. Die neue Landesregierung wird dann diesbezüglich in der Pflicht stehen. Ich bedanke mich.

(Zustimmung von Frau Helmecke, FDVP, und von Frau Wiechmann, FDVP)

Danke sehr. - Für die PDS-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Krause.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass viele innovative Ideen und Produktentwicklungen auf dem Weg zur Markteinführung an der fehlenden Umsetzungsmöglichkeit scheitern. Als Gründe dafür sind die nicht stimmigen ökonomischen Rahmenbedingungen, die Kapitalschwäche dieser jungen Unternehmen und oft auch die fehlende Risikobereitschaft - nicht der engagierten Menschen vor Ort, sondern der öffentlichen Hand - zu nennen.

Ein weiterer Grund ist die bundesweit prekäre Haushaltslage, die dazu führte, dass sich der Bund aufgrund der Veränderung der Förderprogramme mehr oder weniger aus der Verantwortung stahl. Ich denke dabei an die veränderten Förderkonditionen für Biogasanlagen.

Wenn nachwachsende Rohstoffe und Energieträger auf dem Wirtschaftsmarkt Fuß fassen und künftig eine wachsende Rolle spielen sollen, dann bedeutet dies zugleich, herkömmliche Produkte und Technologien auf der Basis fossiler Energieträger zu verdrängen. Die entsprechenden EU-, Bundes- und Landesförderprogramme sind dafür Weichenstellungen. Sie setzen für viele herkömmliche ressourcenintensive Technologien in allen Bereichen der Wirtschaft neue Maßstäbe und sind verständlicherweise zugleich auch ein Affront für die konservative Wirtschafts- und Finanzlobby, die alles daransetzt, ihre Marktposition zu behaupten.

In vielen zurückliegenden Beratungen, Konferenzen und Arbeitsgesprächen, an denen wir teilgenommen bzw. die wir selbst organisiert und durchgeführt haben, haben Fachleute aus der Landwirtschaft, der Wirtschaft und der Wissenschaft wiederholt auf die besonderen Schwierigkeiten der Entwicklung und der Einführung neuer Technologien und Produkte hingewiesen.

Die bisherigen Erfahrungen - ob in Cobbelsdorf oder bei Vernaro in Gardelegen - haben gezeigt, dass die Umsetzung der besten Projekte nur dann gelingt, wenn mutig, risikobereit und entschlossen handelnde Menschen vor Ort sowie Investoren vor allem in fast regelmäßig wiederkehrenden schwierigen Phasen nicht allein gelassen werden. Genau an dieser Stelle ist die Risikobereitschaft der öffentlichen Hand, der Bundes- und der Landespolitik gefragt.

Sehr verehrte Damen und Herren! Bedauerlicherweise ist die Risikobereitschaft aber genau an dieser Stelle oftmals zu vermissen, an der Stelle, wenn es um den wirklichen Durchbruch auf dem Markt geht. Viele Projekte, die bis dahin Millionen verschlungen haben, kommen bei diesem Punkt nicht weiter.

Genau dann, wenn es um diesen entscheidenden letzten Punkt in der Förderung geht - um die Markteinführung größeren Stils -, lässt eigenartigerweise die Risikobereitschaft nach. Es wird dann erklärt, wie viele Fördermittel man schon investiert habe, dass man nicht unendlich fördern könne und dass eine weitere Förderung zu einer Wettbewerbsverzerrung führen würde.

Schließlich wendet man sich einem neuen Projekt zu und dasselbe Prozedere wiederholt sich genau bis zu diesem Punkt.

Sehr verehrte Damen und Herren! Ich wollte die Debatte zu dem vorliegenden Antrag nutzen, um deutlich zu machen, dass trotz einzelner erfolgreich umgesetzter Förderprogramme zur Markteinführung neuer Produkte und Technologien noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns liegt und der Erfolg auch davon abhängen wird, ob es uns gelingt, die Förderpolitik darauf auszurichten.

Mit dem vorliegenden Antrag soll die Förderung von Investitionen zum Anbau, zur Verarbeitung und zur Vermarktung nachwachsender Rohstoffe und Energieträger mit der Aufnahme in das operationelle Programm erweitert werden.

Das unterstützen wir; dennoch komme ich nicht umhin, unsere Verwunderung darüber zum Ausdruck zu bringen, dass die gesamte Palette dieser Förderung nicht Bestandteil des Antragspaketes des Landes für das operationelle Programm war. Das ist für uns neu und erst mit diesem Antrag zutage getreten.

Sehr verehrte Damen und Herren! Neben der Ausschöpfung aller Fördermöglichkeiten ist vor allem aus arbeitsmarktpolitischer Sicht die Wirksamkeit des gesamten

Volumens unserer Förderprogramme nicht nur auf diesem Gebiet zu erhöhen. Für uns heißt das, die interministerielle Zusammenarbeit zu verbessern, die finanziellen Möglichkeiten und fachlichen Potenzen der unterschiedlichen Ressorts zu bündeln und nach dem Beispiel von Thüringen und Mecklenburg ein wissenschaftliches und fachliches Gremium außerhalb der ministeriellen Strukturen zu installieren.

Mit dem Ruf nach einem Kompetenzzentrum für nachwachsende Rohstoffe ist der politische Wille bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht worden. Jetzt muss endlich auch gehandelt werden.

(Beifall bei der PDS)

Danke sehr. - Für die SPD-Fraktion spricht nochmals der Abgeordnete Herr Barth und im Anschluss daran der Landwirtschaftsminister.

(Zuruf von Minister Herrn Keller)

- Sie möchten vor Herrn Barth sprechen? - Nein. Herr Barth, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte eigentlich nicht noch einmal reden, aber ich muss natürlich auf das, was mein verehrter Kollege Herr Sommerfeld gesagt hat, reagieren.

Mein lieber Egon, wir beide stammen aus der Landwirtschaft, und du weißt genauso gut wie ich, dass im Frühjahr wieder die Bestellung erfolgt, und aus aktuellem Anlass habe ich diesen Zeitpunkt gewählt. Nicht weil wir Wahlen haben,

(Herr Dr. Keitel, CDU, lacht)

sondern weil es bei einer bestimmten Firma vor Ort Probleme gibt, Anbauflächen in genügender Weise zu finden, um die Produktionspalette nachher absichern zu können.

Gerade auch dieser Antrag soll dazu beitragen, den Landwirten, die jetzt noch überlegen, ob sie Hanf anbauen oder nicht, zu helfen. Natürlich ist mir klar, dass das erst im nächsten Haushaltsjahr relevant sein könnte, wenn wir das Geld dafür finden. Aber wir Landwirte sind erfinderisch und werden das schaffen.