Was uns aber darüber hinaus dringend fehlt, ist die Ergänzung in Bezug auf Männer, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind; denn was passiert, wenn Frauen Männer schlagen? In jeder dritten Partnerschaft kommt es zu körperlicher Gewalt. Oft richten sich die Aggressionen - das ist richtig - gegen Frauen und Kinder. Selten ein Thema ist dagegen die Gewalt, die Frauen gegen Männer richten. Gemeint ist nicht etwa die Standpauke eines Bratpfannen schwingenden Hausdrachens, sondern gemeint sind brachiale Ausbrüche mit harten Schlägen - auch das kommt vor -, blutenden Wunden und tiefen seelischen Verletzungen.
Meine Damen und Herren! Die Polizei nimmt derartige Fälle selten ernst; denn wer glaubt schon einem Mann, dass seine Frau ihn geschlagen hat? Gewalterfahrungen männlicher Opfer werden auch hier in diesem Landtag weniger ernst genommen als die von weiblichen.
Das seit dem 1. Januar 2002 geltende Gewaltschutzgesetz erlaubt es der Polizei, gewalttätige Männer vorübergehend aus der Wohnung zu entfernen, doch obwohl das Gesetz geschlechtsneutral formuliert ist, scheint es den von Gewalt bedrohten Männern wenig zu nützen. Zitat, meine Damen und Herren, von Michael Bock, Professor für Kriminologie an der Universität Mainz, der sagt - wenn Sie gestatten, Frau Präsidentin -:
„Tatsächlich schützt es nur Frauen als Opfer, weil nur sie mit ihren Opfererfahrungen Gehör finden.“
Die Polizei und die Gerichte haben nicht selten die Normalitätsvorstellung, dass Männer immer Täter und Frauen auch immer Opfer sind. Die Dunkelziffer der von Gewalt betroffenen Männer liegt aber schätzungsweise bei 40 %.
Der Soziologe Gerhard Amendt von der Universität Bremen hat in einer Studie zur Lebenssituation geschiedener Väter herausgefunden, dass vor Trennungen in jedem vierten Fall die Handgreiflichkeiten von Män
nern, zu 58 % jedoch von Frauen ausgehen. In 17 % der Fälle sind beide Geschlechter für den Ausbruch der Gewalt verantwortlich. Dabei - auch das ist bewiesen greifen Frauen häufiger in ihrer Gewaltausübung zu Gegenständen wie zum Beispiel Messern.
All das Gesagte, meine Damen und Herren, hat uns dazu veranlasst, zu dem Ergebnis zu kommen, dass in diesem Sinne die vorliegende Beschlussempfehlung zu dem PDS-Antrag, wie erwartet, viel zu kurz greift und wir dieser Beschlussempfehlung dementsprechend nicht zustimmen können. - Danke schön.
Die DVU-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Schmidt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, dass der Landtag von Sachsen-Anhalt die Themen „Gewalt gegen Frauen“ und „Gewalt im häuslichen Nahbereich“ in letzter Zeit mehrmals behandelt hat. Das unterstreicht die Bedeutung des Themenkreises.
Mindestens ebenso erfreulich ist es festzustellen, dass auch die CDU grundsätzlich lernfähig ist bzw. dass sich bei ihr im Hinblick auf die Instrumente zur Bekämpfung häuslicher Gewalt gegen Frauen ein der Sache prinzipiell dienlicher Sinneswandel eingestellt hat,
Vor gut einem Jahr, am 25. Januar 2001, hat Frau Liebrecht im Plenum noch gefragt, welche polizeilichen Eingriffsbefugnisse eigentlich zusätzlich zu den im § 36 SOG vorhandenen benötigt würden, und, zugegebenermaßen in Unkenntnis der Realität, dafür plädiert, dass das Opfer bei der Wegweisung des Täters mitentscheiden können müsse und dies nicht ausschließlich in die Entscheidungskompetenz der Polizei gestellt werden dürfe.
Sei es drum. Die CDU hat sich durchgerungen und einen Gesetzentwurf zur Änderung des SOG vorgelegt, mit dem sie die Polizei ermächtigen will, den Gewalttäter bis zu sieben Tagen aus der Wohnung und aus deren Umkreis wegzuweisen. Die Begründung dafür war, den Opferinteressen solle mit dem Gesetzentwurf Vorrang eingeräumt und der Opferschutz entscheidend verbessert werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! An dieser Stelle hört die Lernfähigkeit der CDU leider schon wieder auf. Ich frage Sie: Wie kann man oder Frau, wenn man sich auch nur minimal mit der Problematik der häuslichen Gewalt befasst hat, einen solch minimalistischen Gesetzentwurf vorlegen? Wie kann man nach der qualitativ hochwertigen Anhörung im Innenausschuss zur Frage der Notwendigkeit einer Änderung des SOG und zu den Voraussetzungen für eine wirksame Bekämpfung dieses Phänomens noch an einem derartigen Gesetzentwurf festhalten?
Oder - das möchte ich Ihnen eigentlich nicht unterstellen - geht es der CDU in erster Linie gar nicht um die Opfer,
sondern eventuell um ein wahltaktisches Manöver? Das wäre im höchsten Maße zu bedauern, ja schlimm; denn dafür steht für die Betroffenen zu viel auf dem Spiel.
Hierbei geht es um Schicksale von misshandelten Menschen, Frauen und Kindern, an denen wir alle, Politikerinnen und Politiker, grundsätzlich etwas zum Guten ändern können. Aber dann muss man es richtig anpacken und nicht etwas tun, was ihnen mehr schaden als helfen wird.
Eines ist sicher, meine Damen und Herren von der Opposition, und die angehörten Expertinnen und Experten haben es Ihnen mehr als deutlich gesagt: Ein effektives Konzept zur Bekämpfung häuslicher Gewalt ist nicht einfach durch das sofortige Erlassen eines neuen Rechts zu verwirklichen, sondern bedarf flankierender Instrumente und sorgfältiger Vorbereitung. Diese Aussage traf ein Vertreter des Justizministeriums aus Österreich.
Der Entwurf eines Gewaltschutzgesetzes, den die CDULandtagsfraktion im Mai 2001 eingebracht hat, ist in mehrfacher Hinsicht kritikwürdig. So soll die Befugnis zur Wegweisung neben der Polizei auch den Verwaltungsbehörden übertragen werden. Jede kleine Verwaltungsgemeinschaft nimmt Aufgaben der Gefahrenabwehr als allgemeine Verwaltungsbehörde wahr.
Als es vor zwei Jahren um die Videobeobachtung bestimmter öffentlicher Plätze ging, haben wir den Vorschlag der CDU-Fraktion verworfen, diese Befugnis neben der Polizei auch Verwaltungsbehörden einzuräumen. Dies muss hier erst recht gelten, weil es um einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung geht.
Die Bedrohung des Opfers muss klar und stark sein, damit es gerechtfertigt ist, den Täter aus der Wohnung zu weisen. Wenn dies geschieht, bedarf es verfahrensrechtlicher Regelungen, die sowohl dem Opfer als auch dem Täter ein Höchstmaß an effektivem Grundrechtsschutz gewähren. Dazu ist in dem Entwurf der CDUFraktion nichts zu lesen.
Im Kern geht es darum, dass künftig nicht mehr das Opfer dem Täter, das Recht dem Unrecht weichen muss. Der Minister sprach über die Befugnisse der Polizei und auch über die inneren Probleme, die viele Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte dabei haben. Inzwischen wird es langsam besser. Aber bisher haben die Opfer eine klare staatliche Bewertung des Fehlverhaltens vermisst. Sie fühlen sich im Stich gelassen. Statt dem Täter eine deutliche Grenze aufzuzeigen, hielt sich der Staat zurück und überließ es dem Opfer, das Feld zu räumen. Sie müssen ins Frauenhaus oder irgendwo anders hingehen.
Mittlerweile tut er das immer weniger. Ich verweise auf das Modellprojekt in Halle mit den entsprechenden Ergebnissen. Statt wie bisher faktisch das Opfer einen Platzverweis erleiden zu lassen, soll dieser künftig dem Täter erteilt werden. Das ist völlig richtig. Es soll auch geschehen, aber nicht zu diesem Zeitpunkt und nicht mit diesem Gesetzentwurf.
Der Wohnungsverweis ist auch der Grundgedanke des vom Bund erlassenen, zum Jahresanfang in Kraft getretenen Gewaltschutzgesetzes. Es enthält zivilrechtliche Regelungen, die aber erst greifen können, nachdem ein Gericht tätig geworden ist.
Es ist in Ordnung, dass die Justiz über eine längerfristige Zuordnung der Wohnung an das Opfer und über einen Ausschluss des Täters nicht von heute auf morgen entscheidet. Aber solange noch keine Erfahrungen mit diesem Gesetz vorliegen, ist es schwer abzuschätzen, welchen Zeitraum die Entscheidung des Gerichtes in Anspruch nehmen wird.
Die CDU hat bei der abschließenden Beratung ihres Entwurfs im Innenausschuss vorgeschlagenen, anstelle der vorgesehenen siebentägigen Dauer der Wohnungsverweisung und des Rückkehrverbots 14 Tage vorzuschreiben. In Nordrhein-Westfalen hat man sich sogar für 20 Tage entschieden, wenn ein Antrag auf zivilrechtlichen Schutz gestellt, aber noch nicht beschieden wurde.
Es geht bei der Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes auch darum, einen zeitlichen Lückenschluss zu vollziehen. Zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Polizei vor Ort ist, und dem Zeitpunkt einer gerichtlichen Entscheidung bzw. der Entscheidung, das Gericht nicht anzurufen, soll die gefährdete Person in ihrer Entscheidungsfreiheit vor Einwirkungen durch den Täter geschützt werden. Es geht darum, das Zeitmaß zu finden, das den Lückenschluss gewährleistet.
Am Rande bemerkt, finde ich es ebenso wie der Vertreter des nordrhein-westfälischen Innenministeriums erstaunlich, mit welch kurzer und knapper Formulierung im Vergleich zum Umfang sonstiger polizeilicher Befugnisnormen die CDU-Fraktion den Eingriff in bedeutende Grundrechte, wie Freizügigkeit und Unverletzlichkeit der Wohnung etc., abdecken will. - Das war die polizeirechtliche Seite.
Zur Notwendigkeit flankierender Maßnahmen. Bei unterschiedlichen Anlässen ist betont worden - die Expertinnen und Experten haben es in der Anhörung ebenso bestätigt -, dass wir eine ganze Interventionskette benötigen, wenn wir Frauen und Kinder wirklich vor häuslicher Gewalt und den Folgen der Gewalt schützen wollen. Das heißt, wir benötigen eine Beratungsinfrastruktur für Frauen, wenn die polizeiliche Intervention nicht ins Leere laufen soll bzw. die Wegweisung nicht zu einer zusätzlichen Gefährdung für die Frauen führen soll.
Der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf ist nicht nur wegen inhaltlicher Mängel - ein Stichwort ist die unzureichende Siebentagefrist -, sondern auch wegen der fehlenden Einbettung in das Gesamtkonzept abzulehnen. Seine In-Kraft-Setzung zum jetzigen Zeitpunkt wäre fahrlässig.
Die vorliegende Beschlussempfehlung des Gleichstellungsausschusses hingegen ist ausdrücklich zu begrüßen. Sie unterstützt die Auffassung, dass es bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen eines umfassenden Gesamtkonzepts bedarf, um einen nachhaltigen Erfolg zu erzielen. Das schließt die Wegweisung aus der Wohnung ein.
Die vorliegende Beschlussempfehlung nimmt unter anderem, aber nicht ausschließlich die strukturelle Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen ins Visier, sowie darüber hinaus, wie auch im Landesprogramm dargelegt, Gewalt gegen spezielle Gruppen von Frauen, die nicht nur auf
grund ihres weiblichen Geschlechts der Gewalt ausgesetzt sind, sondern auch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Im Einzelnen handelt es sich zum Beispiel um ältere Frauen, um Frauen und Mädchen mit Behinderungen, um ausländische Frauen und um Frauen aus gleichgeschlechtlichen Beziehungen.
Mit der vorliegenden Beschlussempfehlung des Gleichstellungsausschusses wird diesem Anliegen Rechnung getragen. Deshalb bitte ich, beiden vorliegenden Beschlussempfehlungen zuzustimmen. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich meine Fraktionskollegin Brunhilde Liebrecht entschuldigen, die gern unser Gewaltschutzgesetz verteidigt hätte und auch gern zum Landesaktionsplan gesprochen hätte. Leider ist sie durch einen unaufschiebbaren Krankenhausaufenthalt heute verhindert. Ich möchte ihr an dieser Stelle unsere besten Genesungswünsche ausrichten.
Meine Damen und Herren! Gewalt gegen Frauen und Gewalt in der Familie ist leider ein altes Problem, das uns immer wieder beschäftigt. Die Formen der Gewalt gegen Frauen sind sehr vielschichtig. Sie beschränken sich nicht allein auf Angriffe auf die körperliche und seelische Unversehrtheit der Frau; sie betreffen auch subtile Formen der Gewaltausübung durch Verhaltensweisen, die die Entwicklung und Äußerung eines eigenen Willens der Frau behindern und die ihre Bedürfnisse und Empfindungen ignorieren.
Die CDU hat sich ausdrücklich die Überwindung struktureller Gewalt zum Ziel gesetzt und bereits im Jahr 1985 in ihren Essener Leitsätzen der Gewalt gegen Frauen ein eigenes Kapitel gewidmet. Darin steht: „Die körperliche und seelische Misshandlung von Frauen und Mädchen wurde lange Zeit bagatellisiert und verschwiegen.“
Dieses Thema, meine Damen und Herren, darf nicht länger tabuisiert werden. Wie ich höre, wenn Sie so mitreden, sind Sie alle bestens über dieses Thema informiert.
Die immer noch bestehenden Vorurteile gegenüber den Opfern - auch auf der Seite der Behörden und Gerichte müssen beseitigt werden. Dazu sind gezielte Fortbildungsmaßnahmen von Polizei, Justiz und Ärzteschaft notwendig, damit diese ihrer Aufgabe gegenüber den Opfern besser gerecht werden können. Auch eine breite Aufklärung ist notwendig und erforderlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Wiedervereinigung stellte die Bundesregierung im Jahr 1991 im Rahmen eines Sonderprogramms zur Anschubfinanzierung von Frauenhäusern in den neuen Bundesländern 1,2 Millionen DM zur Verfügung, mit denen 47 neu ge
gründete Frauenhäuser finanziell unterstützt wurden. Noch im Jahr 1992 startete das Bundesministerium für Frauen und Jugend die Aktion „Keine Gewalt gegen Kinder - Signale sehen, Hilferufe hören“.