Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

Meine konkrete Frage: Sie hatten im letzten Jahr dazu ermuntert, Maßnahmenträger für diese älteren Arbeitnehmer zu werben. Das haben viele Bürgermeister aufgegriffen, um unterstützend zu wirken. Sie haben teilweise große Gruppen älterer Arbeitnehmer eingestellt im Zusammenhang mit der Zusage, dass diese Arbeitnehmer im Winter geschult werden. Im Vertrauen darauf hat man sich auch auf größere Gruppen eingelassen; ich sage es einmal so.

Aber aufgrund der Nichtfreigabe der Mittel für die Qualifizierung seitens der Landesregierung waren die Arbeitsämter und die Maßnahmenträger gezwungen, die Maßnahmen für die Arbeitnehmer jetzt ab März bis Ende Mai durchzuführen. Jetzt, wo in den Dörfern Arbeit im grünen Bereich vorhanden ist, sitzen die Leute auf der Schulbank und im Winter sitzen sie in den Stuben der Gemeinden. Die Bürgermeister werden noch schriftlich angewiesen, sie nicht für Pflichtaufgaben wie Schneeräumen und Salzstreuen einzusetzen.

Das ist keine sinnvolle Arbeitsmarktpolitik, und Sie haben das Vertrauen der Bürgermeister, die bereit waren, zahlreiche Arbeitnehmer im Rahmen dieses Programms einzustellen, missbraucht.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Miksch, fraktionslos)

Frau Wernicke, das ist so einfach falsch. Wir haben rund 4 000 Beschäftigte in dem Programm „Aktiv zur Rente“. Das sind Menschen über 55 Jahre, die ansonsten keine Chance im ersten Arbeitsmarkt gehabt hätten und die sinnvolle Tätigkeiten ausführen. Die Qualifizierungsfrage hat sich mit der Einführung des Job-Aqtiv-Gesetzes noch einmal ganz anders gestellt, weil es da eine Verpflichtung gibt. Wir haben als Land notwendige Mittel bereitgestellt, auch die Arbeitsverwaltung musste noch umschichten.

(Frau Wernicke, CDU: Aber erst ab März!)

- Nein, nicht erst ab März, sondern ab Januar. - Es ist bei einigen Programmen, beispielsweise bei den Existenzgründerprogrammen, eine weitere Schleife benötigt worden. Aber auch diese ist gezogen und es konnten Ende Januar/Anfang Februar die neuen Bewilligungen erfolgen.

So wie Sie es darstellen, Frau Wernicke, ist es nicht. Wir können uns gern darüber weiter unterhalten.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Wernicke, CDU: Sie können uns mal besuchen, da können Sie es sich anschauen!)

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Die Fraktion der DVU verzichtet auf einen Redebeitrag, sodass ich jetzt der Abgeordneten Frau Wiechmann für die FDVPFraktion das Wort erteile. Bitte, Frau Wiechmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Kuppe, wenn ein designierter Vorsitzender der Bundesarbeitsverwaltung, wie wir es eben gehört haben, die Situation in den neuen Ländern nicht kennt, dann, meine Damen und Herren von der Landesregierung und meine Damen und Herren von der SPD- und auch von der PDS-Fraktion, ist er ungeeignet, dieses Amt zu übernehmen.

Aber eines werde ich natürlich gern tun: Ich werde Ihnen sagen, wie die Situation im Land Sachsen-Anhalt aussieht, und Sie können es ihm mitteilen, wenn er Ihrer Einladung tatsächlich folgt.

(Frau Fischer, Leuna, SPD: Der kann lesen!)

Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalt ist in allen wichtigen Schlüsselpositionen das Schlusslicht aller Bundesländer. Daran beißt die Maus keinen Faden ab. Das sind Fakten und diese können wir nicht wegreden. Die Arbeitslosigkeit ist Besorgnis erregend hoch und es ist keine Umkehr erkennbar. Die Unternehmenslücke in Sachsen-Anhalt wird immer größer statt kleiner, die ProKopf-Verschuldung hat Rekordhöhe erreicht.

Um die Arbeitslosenzahlen zu schönen, werden Abwanderungsprämien an Fachkräfte gezahlt. Kurzfristig - das ist bereits jetzt klar, meine Damen und Herren - ist mit einem Fachkräftemangel im Land Sachsen-Anhalt zu rechnen, und wir rufen großmundig nach Ausländerzuzug, um diesen Fachkräftemangel zu beheben.

(Frau Lindemann, SPD: Was haben Sie gegen Ausländer?)

Kurz, meine Damen und Herren: Die bisherige Politik der rot-roten Landesregierung des Ministerpräsidenten Dr. Höppner ist in jeder Hinsicht gescheitert. Mehr noch: Sachsen-Anhalt wird in den Ruin regiert.

(Beifall bei der FDVP)

Das Land hat nicht nur innerhalb der Bundesrepublik, sondern auch international an Attraktivität verloren. Investoren - wir haben es immer wieder erlebt - machen einen großen Bogen um unser Land. Gelähmt von einer mit der bloßen Sicherung der Macht beschäftigten Regierung, wurde die Entwicklung des Landes und seiner wirtschaftlichen Strukturen nicht nur vernachlässigt, sondern diese wurden völlig falsch gesetzt. Das Ergebnis haben wir jetzt vor uns liegen.

Leichtfertig, meine Damen und Herren, wird vom Ministerpräsidenten die Zukunft unseres Landes aufs Spiel gesetzt, und Sie, Frau Ministerin Kuppe, spielen den Steigbügelhalter dafür.

(Zuruf von Frau Fischer, Leuna, SPD)

Es hat sich gezeigt, dass mit der Politik der Landesregierung des Ministerpräsidenten Höppner die Überlebensfähigkeit unseres Landes nicht gesichert werden kann,

(Frau Lindemann, SPD: Aber mit Ihnen, oder wie?)

aufgrund deren sich jungen Menschen dann Zukunftschancen eröffneten, die in den Grenzen ihrer Heimat liegen.

Sie reden davon, dass sich die Arbeitslosigkeit reduziert habe. Das liegt daran, dass gerade diese jungen Menschen - das ist ein Grund, warum sich die Arbeitslosigkeit reduziert hat - zu Tausenden das Land verlassen. Und Tausende stehen bereits in den Startlöchern, um ihnen zu folgen.

Dabei, meine Damen und Herren, hat doch SachsenAnhalt einiges zu bieten. Wir haben traditionelle Industriestandorte und Handwerksbetriebe, fleißige und qualifizierte Menschen und eine gute geografische Position.

Aber nach reichlich sieben Jahren rot-roter Regierung unter Ministerpräsident Höppner überwiegen die Schwächen und Nachteile. Wir haben im Land Sachsen-Anhalt - das lässt sich kurz aufzählen - keine Stabilität und Kontinuität in der Wirtschaftspolitik. Wir haben zu hohe Steuern, Gebühren und Abgaben sowie eine staatliche Überregulierung. Wir haben nicht umsetzbare und nicht kontrollierbare Gesetze. Wir haben eine schlechte Zah

lungsmoral, im Besonderen der öffentlichen Hand. Wir haben keine Verzahnung von Wirtschaft, Universitäten und Fachhochschulen. Wir haben eine mangelnde Eigenkapitalausstattung der Unternehmen. Wir haben Strategie- und Marketingschwächen usw. usf.

Ich betone es noch einmal: Das ist nicht etwa so, weil die Menschen in Sachsen-Anhalt schlechter arbeiten, sondern es ist so, weil die Wirtschaftspolitik von Rot-Rot konzeptionslos ist und von einer Fehlentscheidung in die andere stolpert und - das ist das Schlimmste an der ganzen Geschichte - viele Entwicklungen aus ideologischen Gründen nicht berücksichtigt oder gar verschlafen hat.

Da können Sie sich hier hinstellen, Frau Sitte, und sagen, Sie, die PDS, hätten damit nichts zu tun. Sie und die SPD und die Landesregierung,

(Frau Lindemann, SPD: Langsam! Langsam! - Weitere Zurufe von der SPD und von der PDS)

die von Ihnen allen getragen wird - Sie sind ja nun mal der De-facto-Koalitionspartner und das können Sie nicht wegreden -, Sie tragen die volle Verantwortung für die Situation, die wir jetzt im Land Sachsen-Anhalt haben.

(Beifall bei der FDVP - Herr Dr. Süß, PDS: Sie müssen es ja wissen!)

Meine Damen und Herren! Stattdessen wird in diesem Lande und darüber hinaus über die Zukunft der Arbeitsverwaltung lamentiert, werden Aktuelle Debatten geführt, statt wirtschaftliche Fehlentscheidungen endlich zu korrigieren.

Ich habe allerdings gemerkt, Frau Sitte, dass die Aktuelle Debatte, die Sie führen wollten, gar nicht diesem Titel geschuldet war, sondern dass Sie etwas anderes machen wollten. Sie haben auch dargelegt, dass Ihr Thema eigentlich ein ganz anderes ist. Aber Ihnen spreche ich die Kompetenz und auch das Recht ab, genau über dieses Thema zu diskutieren, über die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftssituation in Sachsen-Anhalt, die Sie mit zu verantworten haben.

(Zustimmung bei der FDVP - Unruhe bei der PDS - Zuruf von Herrn Dr. Süß, PDS)

Meine Damen und Herren! Dazu, Fehlentscheidungen in Sachsen-Anhalt zu korrigieren, gehört erst einmal Kritikfähigkeit und diese Kritikfähigkeit spreche ich Ihnen und dieser Landesregierung ab. Stattdessen wollen die politisch Verantwortlichen wieder einmal bei den Ärmsten der Armen, bei den Arbeitslosen ansetzen und die Bezüge kürzen. Quer durch alle politischen Parteien davon nehme ich die CDU ausdrücklich nicht aus - sucht man die Ursachen bei den so genannten Arbeitsunwilligen, aber eigene konzeptionelle Vorstellungen, die Sie in der Begründung Ihres Antrages auf die Aktuelle Debatte einfordern, sind Fehlanzeige.

(Zurufe von Frau Lindemann, SPD, und von Frau Fischer, Leuna, SPD)

Das, was jetzt diskutiert wird, meine Damen und Herren, ist die offenbar logische Fortsetzung der FaulenzerDebatte des Kanzlers Schröder. Aber es geht doch nicht darum, Arbeitslose zu diffamieren, Arbeitslosen die Bezüge zu kürzen

(Zuruf von Frau Lindemann, SPD)

und Arbeitsämter umzustrukturieren. Darum geht es doch gar nicht. Hätten wir keine Arbeitslosen, meine Damen und Herren, dann brauchten wir auch keine Arbeitsämter. Die wären dann nicht notwendig, und diese ganze Diskussion, die wir jetzt führen, wäre einfach überflüssig.

(Zuruf von Frau Lindemann, SPD)

Meine Damen und Herren! Nicht das starke örtliche Arbeitsamt, Frau Ministerin Kuppe, ist für mich das Modell der Zukunft. Aktive Arbeitsmarktpolitik - auch an Sie, meine Damen und Herren von der PDS, gerichtet - hat anders anzusetzen. Das Modell der Zukunft für Sachsen-Anhalt sieht für mich anders aus. Eine Planwirtschaft à la DDR - wie Sie, Frau Sitte, es hier wieder vorgetragen haben - ist ein für alle Mal passé, und darüber bin ich auch froh.

Freiheitliche Politik geht davon aus, dass aktive Arbeitsmarktpolitik Wirtschaftspolitik ist, die den Unternehmen genau die Bedingungen schafft, die ihnen die Schaffung von Arbeitsplätzen in Sachsen-Anhalt ermöglichen. Nach unserer Auffassung müssen, wenn es um den Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt geht, den Unternehmen Voraussetzungen geboten werden, die insgesamt zur Wettbewerbsfähigkeit führen; denn nur darauf, meine Damen und Herren, kommt es an. Betriebe siedeln sich nur dann an, wenn sie einschätzen können, dass sie genau an diesem Ort mit ihrem Betrieb vorankommen und erfolgreich sein können.

Um Einkommen und damit auch Arbeitsplätze zu sichern, sind deshalb mit einer künftigen Wirtschaftspolitik Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich wettbewerbsfähige Unternehmen entwickeln können. Dabei auch das muss hier noch einmal gesagt werden - sind kleine und mittlere Unternehmen von enormer Bedeutung.

Aber wenn man den Wirtschaftsteil einer beliebigen Tageszeitung in Sachsen-Anhalt aufschlägt, so findet man ausschließlich Berichte über Großunternehmen: Wie können wir Großunternehmen herholen? Wie können wir Großunternehmen unterstützen? Gesucht werden aber auch nur genehme Betriebe, die Rot-Rot fördern und damit natürlich auch Wettbewerbsvorteile für sich erheischen wollen. Auch das sind keine Ausnahmen.

Meine Damen und Herren! Diese Art der Berichterstattung, die ausschließlich das politische Interesse der Regierung Höppner widerspiegelt, verschweigt aber, dass der eigentliche Motor der Wirtschaft von Sachsen-Anhalt und darüber hinaus die kleinen und mittleren Betriebe sind; denn diese bilden das Rückgrat der heimischen Wirtschaft.

Das Bruttoinlandsprodukt wird zu mehr als zwei Dritteln von kleinen und mittleren Unternehmen erwirtschaftet. Kleine und mittlere Unternehmen schaffen die meisten Arbeitsplätze und sie schaffen rund 80 % aller betrieblichen Ausbildungsplätze. Sie sind Krisennetze, die Kontinuität und Beständigkeit garantieren, und sie sorgen für eine hohe Dichte an Betrieben.

Das macht klar, welche wirtschaftliche und soziale Bedeutung eben diese kleinen und mittelständischen Unternehmen haben und wie stiefmütterlich sie - auch das ist eine Fehlentscheidung dieser Landesregierung im Vergleich zu Großunternehmen von der Politik behandelt werden.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen von der FDVP haben, diesen Umstand erkennend, die derzeitige Situation - es ist auch nicht schwer, sie zu erkennen analysiert und wir haben Forderungen für die Verbesserung der Rahmenbedingungen erarbeitet; denn auch noch so großer unternehmerischer Fleißeinsatz und die grundsätzliche Bereitschaft, persönliches Risiko zu übernehmen, reichen oft nicht einmal aus, um schon bestehenden Betrieben die weitere wirtschaftliche Existenz zu ermöglichen, geschweige denn eine Gründerwelle auszulösen und damit die dringend benötigten Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt zu schaffen.

Dazu wird es eben der Bereitstellung eines gerade auch für die kleinen und mittelständischen Unternehmen tauglichen, zum Beispiel steuerlichen, sozialrechtlichen und unbürokratischen Umfeldes bedürfen, und genau darauf zielt unsere Politik, unsere Wirtschafts- und unsere Arbeitsmarktpolitik, ab.