Protokoll der Sitzung vom 15.03.2002

Die Lösung wird kommen, sie wird auch zu einem Maßstäbegesetz für den Risikostrukturausgleich führen. Erst dann werden wir wieder Ruhe in der Diskussion haben und dann werden Sie mir Recht darin geben, dass in diesem Verfahren niemand die innerdeutsche Solidarität aufkündigen wollte. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr. - Für die FDVP-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Wiechmann.

(Oh! bei der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Na klar ist es Wahlkampf, und ich beteilige mich gern an diesem Wahlkampf, weil eigentlich diese gesamte Plenarsitzung seit gestern hauptsächlich Wahlkampf ist.

Ich möchte aber Folgendes vorwegnehmen. Wir sind für den Solidargedanken. Wir sind dafür möglicherweise mehr, als Sie es sind. Solidarität kann aber nicht immer nur einseitig eingefordert werden.

Ich habe, glaube ich, in der gestrigen Debatte gesagt: Die einzige Leistung dieser Landesregierung besteht offenbar darin, immer nur nach dem Geld anderer zu rufen. Dazu zähle ich natürlich auch die die Landesregierung tragenden Fraktionen der SPD und der PDS. Von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPDFraktion, stammt auch dieser andere Antrag.

Ich habe also kritisiert, dass ständig nach Geld gerufen wird, anstatt einmal ernsthaft darüber nachzudenken, wie wir es in Sachsen-Anhalt schaffen, die Wirtschaft so stark zu machen - auch hierbei komme ich wieder zu dem Thema der Wirtschaft; es endet immer wieder bei der Wirtschaft -, dass die Arbeitslosigkeit in SachsenAnhalt beseitigt wird. Dann gibt es auch wieder mehr Beitragszahler. Dann haben die Kassen auch wieder mehr Geld zur Verfügung und wir brauchen nicht über Beitragserhöhungen nachzudenken. Dazu sage ich aber in der Beratung zu dem nächsten Tagesordnungspunkt mehr.

Ich komme zu der zweiten Möglichkeit, die ich hier auch ansprechen möchte. Anstatt nach Geld zu jammern, würde die zweite Möglichkeit darin bestehen - das ist eine grundlegende Forderung der FDVP -, die dringend notwendige Reform - es sollte aber eine grundlegende Reform sein - der Krankenkassen vorzunehmen.

Meine Damen und Herren! Wer für über 1 500 Krankenkassen ist, der ist auch für über 1 500 Wasserköpfe. Das betrifft die Verwaltung, Fuhrpark und so weiter. Der ist damit natürlich auch für einen riesigen Kostenapparat, der die Beitragsgelder der Versicherten verschlingt.

Wenn ein Direktor, meine Damen und Herren, einer Krankenkasse ein Jahressalär von 300 000 DM erhält man muss sich diesen Betrag mit dem Faktor 1 500 multipliziert vorstellen, das gibt es in der Bundesrepublik Deutschland -, dann braucht mich niemand mehr zu fragen, wo das ganze Geld der Versicherten bleibt. Dann brauche ich auch an dieser Stelle nicht nach Beitragserhöhungen zu rufen.

(Zuruf von Herrn Siegert, SPD)

Wenn Millionen an Beitragsgeldern - auch das gibt es und das geschieht auch in Sachsen-Anhalt - für fremde Leistungen ins Ausland fließen, dann muss mich auch keiner mehr fragen: Was ist eigentlich die Aufgabe unserer Krankenkassen? Wofür ist unser Solidarprinzip in Sachsen-Anhalt und in Deutschland eigentlich da?

Dem Antrag der SPD-Fraktion können wir natürlich nicht zustimmen.

(Zustimmung von Herrn Mertens, FDVP)

Danke sehr. - Für die PDS-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Krause.

Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Es ist nicht das erste Mal, dass wir in diesem Haus über den Risikostrukturausgleich sprechen. Mit dem Risikostrukturausgleich existiert seit dem Jahr 1994 ein gesetzliches Instrumentarium zur Nivellierung der unterschiedlichen Kosten- und Versichertenstrukturen bei den gesetzlichen Krankenkassen.

Im Jahr 1999 wurde die Trennung in einen westlichen und einen östlichen Ausgleich per Gesetz beseitigt. In den Jahren 2001 bis 2007 - darauf hat Professor Böhmer hingewiesen - soll der Ausgleich schrittweise auf das bundeseinheitliche Niveau angehoben werden.

Vollständig zufrieden - das muss man ehrlicherweise sagen - war mit dem Risikostrukturausgleich bisher niemand. Über diesen wurden jährlich 13 Milliarden € zwischen den Krankenkassen umverteilt. Allerdings war dies mit vielen Problemen behaftet.

Es muss aber auch gesagt werden, es mangelt bisher an Alternativen, um die offenkundigen Wettbewerbsnachteile für Kassen mit ungewöhnlich vielen schlechten Risiken, mit Alten, Kranken oder Geringverdienenden, auszugleichen.

Die ostdeutschen Krankenkassen, aber auch einige im Westen haben ungünstige Risiken zu verkraften. Geringen Beitragseinnahmen aufgrund von Arbeitslosigkeit, von niedrigen Löhnen und Gehältern, aufgrund der Ausdehnung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse gerade im Osten, stagnierender oder zurückgehender Reallöhne, von Verlusten von Mitgliedern durch einen marktwirtschaftlichen Wettbewerb um Junge und Gesunde stehen Ausgaben gegenüber, die sich in den vergangenen Jahren dem Westniveau angenähert haben oder die aufgrund der speziellen Erkrankungshäufigkeit höher sind.

Der gleiche Zugang zu einer modernen medizinischen Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrem Einkommen ist jedoch - das möchte ich als eine grundsätzliche Position der PDS hier erneut betonen - eine unverzichtbare Voraussetzung für die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse in ganz Deutschland.

Niemand darf eine schlechtere medizinische und gesundheitliche Versorgung in Kauf nehmen müssen, nur weil er beispielsweise in Sachsen-Anhalt oder in Mecklenburg-Vorpommern wohnt. Deshalb ist der Risikostrukturausgleich bei allen Mängeln ein auf dem Solidarprinzip innerhalb der GKV beruhender Transfer, ohne den vor allem die Krankenkassen im Osten vor dem Aus stehen würden.

Ich möchte namens unserer Fraktion deutlich sagen: Der Risikostrukturausgleich ist als bundesweiter Ausgleich unterschiedlich belasteter Kassen notwendig.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Zustim- mung von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Eine Regionalisierung würde zu extremen Verwerfungen im Gesamtsystem der gesetzlichen Krankenversicherung der Länder führen.

(Herr Prof. Dr. Böhmer, CDU: Wer will denn das?)

Die Notwendigkeit des Risikostrukturausgleichs schließt jedoch nicht aus - auch das möchte ich sagen -, dass auch die Allgemeinen Ortskrankenkassen der Länder über ein internes Solidarsystem, wie es die Ersatzkassen bereits praktizieren, zu diskutieren haben.

Mit der unter der Federführung der Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Normenkontrollklage gegen den Risikostrukturausgleich soll insbesondere der OstWest-Finanzausgleich bei den gesetzlichen Krankenkassen ausgehebelt werden. Es ist schon eine Provokation - das möchte ich an dieser Stelle deutlich sagen -, wenn der Kanzlerkandidat der CDU/CSU dieses Ansinnen, das bei einem Erfolg der Klage die bereits genannten Verluste mit sich bringen würde, als Frage der Gerechtigkeit bezeichnet.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Zustim- mung von Ministerpräsident Herrn Dr. Höppner und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Wenn dies das „Neue für den Osten“ sein soll, meine Herren und Damen von der CDU, dann möchte ich das doch sehr infrage stellen.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Jetzt machen Sie aber Wahlkampf! - Herr Bischoff, SPD: Es ist auch Wahlkampf!)

Mit dem Ansinnen dieser Klage ist nicht nur die Existenz der Ostkassen gefährdet, sondern auch eine erhebliche Verschlechterung des Wirtschaftsstandortes Ostdeutschland vorprogrammiert. Sehr deutlich möchte ich aber auch sagen, dass darüber hinaus die Struktur der gesetzlichen Krankenversicherung infrage gestellt und deren entscheidende Grundlage, das Solidarprinzip, angegriffen wird. Einer Entsolidarisierung der Versichertengemeinschaft in Ost und West wird damit wiederum Vorschub geleistet.

Nun mag dies vielleicht sehr gut in die Vorstellungen Ihrer Partei und anderer Parteien über eine Gesundheitsreform passen - das weiß ich -, die vorrangig auf eine weitere Privatisierung von Krankheitsrisiken durch eine höhere finanzielle Belastung der Versicherten orientiert. Die PDS - das möchte ich deutlich sagen lehnt eine solche Entwicklung ab und unterstützt deshalb den Antrag der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Herr Präsident, gestatten Sie mir noch ein paar persönliche Worte?

Ja, bitte.

Ich möchte am Ende meiner letzten Rede, wie schon einige Abgeordnete gestern, einige persönliche Worte

zur Verabschiedung aus der parlamentarischen Politikgestaltung an Sie richten, da ich die Entscheidung getroffen habe, nicht mehr zu kandidieren.

Die vergangenen acht Jahre waren ein für mich interessanter und lehrreicher Lebensabschnitt mit vielen Erfahrungsgewinnen. Einer der wesentlichsten Erfahrungsgewinne war und ist es für mich, auch wenn sich das gestern und heute etwas anders darstellte, dass Abgeordnete auch unterschiedlicher Parteien prinzipiell, aber sehr sachgerecht, sehr kollegial, den anderen und die andere in seinen und ihren Ansichten achtend, über politische Lösungen streiten und daran auch arbeiten konnten. Dafür möchte ich meinen persönlichen Dank insbesondere an alle aktiv wirkenden Abgeordneten des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales richten.

Als stellvertretende Ausschussvorsitzende möchte ich aber auch unserer Ausschusssekretärin Frau Lahne und den Damen vom Stenografischen Dienst einen besonderen Dank sagen.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Darüber hinaus ist es mir persönlich wichtig, ein Dankeschön auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung zu übermitteln, deren Wirken ein aus meiner Sicht unverzichtbarer Beitrag zu unserer Abgeordnetentätigkeit war und ist.

Einzelne Abgeordnete haben gestern in ihrer persönlichen Verabschiedung Wahlwünsche geäußert. Dies ebenfalls tuend, wünsche ich mir ein sehr klares, eindeutiges Wählervotum, das klarstellt, dass der künftige Landtag von Sachsen-Anhalt und darüber hinaus das Land Sachsen-Anhalt eine rechts orientierte, fremdenfeindliche, völkische Partei weder braucht noch will.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Mir bleibt für die letzten Wochen, den Wiederkandidierenden vor allen Dingen für die kommenden fünf Wochen ein gutes Durchstehvermögen zu wünschen, natürlich mit den Vorstellungen, die Sie als Kandidaten haben. Allen Anwesenden im Saal und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung möchte ich für die Zukunft persönliches Wohlergehen und Gesundheit wünschen.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Zustim- mung bei der CDU und von der Regierungsbank)

Danke sehr. - Die Debatte wird beendet mit dem Beitrag des Abgeordneten Herrn Bischoff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich ist Wahlkampf. Das ist keine Frage. Im Wahlkampf wird vieles pointiert und teilweise auch verkürzt gesagt. Das ist auch richtig. Aber bei der Frage des Risikostrukturausgleiches muss man genauer hinsehen. Das habe ich auch gemacht. Viele haben nachgesehen.

Nachdem der Bundeskanzler die eingereichten Klagen deutlich kritisiert hatte, haben viele auf eine Reaktion aus Bayern gewartet und darauf, was der Ministerpräsident und Kanzlerkandidat nun sagt. Am 28. Februar kam direkt aus Bayern eine Meldung der dortigen Ge

sundheitsministerin. Ich habe sie vorhin nicht zitiert. Sie sagte: