Sehr geehrte Damen und Herren! Es kann an dieser Stelle nicht meine Aufgabe sein, Tatbestände aufzuzeigen und Schuldzuweisungen abzuwägen, um ein Urteil zu fällen. Das haben Sie, verehrte Mitglieder der SPDFraktion, ohnehin bereits getan. Sie haben den Stab über dem Sozialministerium und dem Minister gebrochen,
Glauben Sie mir, verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch wir würden gern in vielen Politikbereichen großzügig Mittel ausreichen, aber ohne den finanziellen Hintergrund wird dies nicht möglich sein.
Gerade diese Ehrlichkeit bei der Feststellung, dass es ohne den finanziellen Hintergrund nicht möglich ist, sind wir den Kindern schuldig, die Ihnen als Aufhänger für die Aktuelle Debatte dienen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich spreche hiermit im Namen der FDP-Fraktion dem Minister Gerry Kley das Vertrauen aus.
(Lachen bei der SPD - Zustimmung von Herrn Dr. Püchel, SPD, und von Herrn Bullerjahn, SPD - Zurufe von der SPD)
Ich danke ihm und den Mitarbeitern des von ihm geführten Ministeriums ausdrücklich für die engagierte Arbeit, gerade in diesen ganz schwierigen Zeiten.
Vielen Dank, Frau Seifert. - Meine Damen und Herren! Für die PDS-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Gallert das Wort. Bitte sehr, Herr Gallert.
Vielleicht sollten wir die Rednerreihenfolge demnächst nach der Größe der Redner festlegen, damit wir hier nicht so lange herumstellen müssen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Bei der heutigen Aktuellen Debatte zur Amtsführung des Sozialministers stellt sich natürlich zuallererst die Frage nach der Motivation der einbringenden Fraktion. Das will ich gleich als Erstes bewerten.
In der Öffentlichkeit stellt sich natürlich die Frage: Ist das tätige Reue oder ist das der Ruf „Haltet den Dieb!“?
Natürlich hat die SPD-Fraktion durch ihre Zustimmung zu diesem Kinderförderungsgesetz ganz wesentlich zu
der Situation beigetragen, die jetzt in den Kindertagesstätten die Aufregung verursacht, die dazu führen wird, dass ein Volksbegehren gestartet wird,
und die dazu führt, dass Eltern sich in diesem Land im Stich gelassen fühlen. Das ist so und darüber sollte man nicht hinwegtäuschen.
Insofern versteht die PDS-Fraktion durchaus die Aufregung bei den Koalitionsfraktionen und auf der Regierungsbank.
Sie haben mit Ihrer Zustimmung zu diesem Gesetz die Option der großen Koalition in die politische Debatte gebracht. Jetzt stehen Sie bitte auch dazu,
und sagen Sie nicht das Gegenteil in dem Augenblick, in dem die öffentliche Meinung offensichtlich nicht der veröffentlichten Meinung im Bereich der Kinderbetreuung gefolgt ist.
(Beifall bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Also es ging Ihnen gar nicht um die Kinder, sondern um Polittalk! Der PDS geht es nicht um die Kinder- betreuung, sondern um Politklamauk, um Polit- strategie!)
Dieses Problem muss aber die SPD letztlich mit sich selbst ausmachen. Auch die tätige Reue ist noch nicht ausgeschlossen: Es gibt nicht wenige SPD-Mitglieder, die Unterschriften sammeln.
Zweitens. Nun komme ich zum eigentlichen Gegenstand bei der Amtsführung des Sozialministers Kley. Ich will versuchen, die Sache in einen etwas größeren Rahmen zu stellen.
Warum gibt es eigentlich diese Aufregung um die Amtsführung des Sozialministers Kley? Ist das nur eine parteipolitisch in die Diskussion gebrachte Debatte, um von Sachthemen abzulenken? - Das ist ja die These der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen.
Dazu sage ich: Allein diese These unterschätzt das politische Urteilsvermögen der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt. Denken Sie denn, die Menschen wären tatsächlich so aufgebracht, nur weil ihnen PDS- oder einige SPD
Sie erfahren nämlich die Situation - als Eltern, als Verwandte, als Großeltern, ja auch als Erzieherinnen in den Einrichtungen.
Sie lassen sich nicht von uns dafür instrumentalisieren. Sie haben ein Recht - das nutzen sie auch -, sich zu artikulieren.
Natürlich haben wir ein Problem in diesem Land. Wir haben spätestens seit der Kanzlerrede und den entsprechenden politischen Entscheidungen - auch auf der Landesebene mit dem Beschluss zum Landeshaushalt 2003 - eine Situation, die darauf hinausläuft, die Schuldigen für Stagnation und Reformstau in dieser Gesellschaft zu definieren. Das sind zum Ersten die Arbeitslosen, die man dazu zwingen muss zu arbeiten, indem man ihnen die Leistungen kürzt. Das sind zum Zweiten die Kranken, die zu viel Geld kosten, und es sind zum Dritten die Familien mit Kindern, die zu hohe Ansprüche an die Gesellschaft haben. Sie sind die Schuldigen in dieser Gesellschaft; man definiert sie dazu.
Das ist die Situation, in der sich große Menschengruppen in der Bundesrepublik befinden. Wenn sich diese Betroffenen dann wehren, wirft man ihnen Jammerei vor. Wenn sie Solidarität aus dieser Gesellschaft erfahren, dann disqualifiziert man diese Solidarität als emotionale Kollateralschäden ab. Man diskreditiert diese Solidarität als irrationales Mitleid, über das sich ein rational denkender Politiker gefälligst hinwegzusetzen hat. Das ist die Situation, in der sich diese Menschen befinden.
Dem Sozialminister wird in seiner Funktion eine Erwartungshaltung entgegengebracht, nämlich dass er zumindest ein Mindestmaß an Distanz zu diesem politischen und gesellschaftlichen Mainstream aufbaut, dass er zumindest ein Mindestmaß an Interessenvertretung für diese Gruppen artikuliert, dass er zumindest versucht, sich in sie hineinzuversetzen, dass er zumindest versucht, ihre Interessen mit zum Ausdruck zu bringen.