Es zeigt sich doch immer deutlicher, dass es eben nicht ausreicht, abstrakt ein Prinzip und Zuständigkeiten zu schaffen, sondern dass den Betroffenen - und in diesem Rahmen ist unser Land auch betroffen - ein Klagerecht zur Stärkung der Rechte einzuräumen ist.
Die Lübecker Erklärung kritisiert aus meiner Sicht völlig zu Recht, dass der Kompetenzverlust der Länder durch den Übergang von Hoheitsrechten auf die EU ein bedenkliches Ausmaß erreicht hat. Es wird leider unterschätzt, dass auch diese Kompetenzverschiebung eigenstaatliche Möglichkeiten der Gestaltung aushöhlt. Dennoch ist diese richtige Feststellung des Konventes keine europafeindliche Politik.
Die Koalitionsfraktionen sind der Überzeugung - ich denke, die Opposition ist sich mit uns darin einig -, dass sich die EU auf Ihre Kernaufgaben beschränken muss, wenn sie handlungsfähig bleiben will.
Diese Forderung, die mit Beifall begrüßt wird und auch die der Landtagspräsidenten und der Fraktionsvorsitzenden ist, ist im Hinblick auf die anstehende Erweiterung der EU auf 25 Staaten umso dringlicher. Deswegen war der Beifall an dieser Stelle, denke ich, eine große Hilfe, um diese Forderung noch einmal zu unterstützen.
Eine elementare Forderung zur Sicherung der künftigen Kompetenzordnung der EU spricht der Lübecker Konvent hinsichtlich der Ausgestaltung eines zukünftigen europäischen Verfassungsvertrages aus. Auch darin müssen die Grundsätze der Subsidiarität gewahrt bleiben. Gemeint ist in diesem Fall, dass regionale Probleme so weit wie möglich in der Region gelöst werden sollten, anstatt sie einer entfernten Zentrale zu übertragen und dort auszuführen. Das Ziel ist ein Maximum an Bürgernähe. Außerdem müssen nationale Identitäten und Besonderheiten im Aufbau der Mitgliedstaaten respektiert werden.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin fest davon überzeugt, dass wir erneut vor einem weitreichenden Wandel unserer föderalen Ordnung stehen, um den Herausforderungen auf nationaler und internationaler Ebene entsprechend begegnen zu können.
Lassen Sie mich kurz auf die besondere Verantwortung unseres Landes in diesem Prozess eingehen. Wir müssen die einmalige Chance nutzen, dass ein neues Bundesland federführend den Reformprozess begleiten wird - nicht nur weil die Wiedervereinigung das Erscheinungsbild des Föderalismus in Deutschland entscheidend geprägt hat, sondern auch weil der Einigungsvertrag in Artikel 5 eine Empfehlung zur Überprüfung der bundesstaatlichen Ordnung enthält.
Dieser Empfehlung wird hier ausdrücklich gefolgt. Wir beglückwünschen unseren Landtagspräsidenten Professor Spotka dazu, dass er diesen Reformprozess als Leiter der Verhandlungskommission aktiv begleiten kann.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von Herrn Dr. Püchel, SPD, und von Frau Dr. Sitte, PDS)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Ende meiner Rede möchte ich feststellen, dass der deutsche Föderalismus aus der Sicht der Regierungsfraktionen nicht ein Teil der Krise ist, die wir zurzeit in Deutschland wahrnehmen, sondern vielmehr ein Teil der Lösung. Dazu muss er selbst reformiert und gestärkt werden. Die Lübecker Erklärung ist ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung. Aus diesem Grund müssen wir den Reformprozess begleiten, sowohl federführend im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten als auch im Ausschuss für Recht und Verfassung.
Des Weiteren sehen wir es als spannend an, wenn die Landesregierung im Ältestenrat darüber berichten wird, wie sie als Exekutive es sich vorstellt, die Stellung des Landtages als Legislative im Hinblick auf Bundes- und Europaangelegenheiten zu stärken.
Meine Damen und Herren! Ich könnte mir vorstellen, dass wir in diesem Zusammenhang eine Regelung finden, wie sie der Landtag von Baden-Württemberg in der Landesverfassung vorgesehen hat. Dort ist ausdrücklich bestimmt, dass der Landtag bei EU-Angelegenheiten zu beteiligen ist. Unsere Landesverfassung sieht in dem entsprechenden Artikel lediglich eine Informationspflicht vor.
Ich denke, es bleibt spannend in Europa, und ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Wybrands. - Meine Damen und Herren! Es trifft sich gut, dass wir zu diesem Thema auf der Besuchertribüne das ehemalige Mitglied unseres Landtages und jetzige Mitglied des Europäischen Parlaments Herrn Schnellhardt begrüßen können.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident Spotka, Sie haben gesagt, der erste Föderalismuskonvent am 31. März 2003 in Lübeck war ein großer Erfolg. Ich bin etwas vorsichtiger und sage, es war ein viel versprechender Anfang. Es gibt eine parteiübergreifende gemeinsame Erklärung der deutschen Landesparlamente und damit eine gewichtige Basis, eine Chance dafür, die Positionen der deutschen Landtage nachhaltig in die bereits laufende Debatte um eine Reform der bundesstaatlichen Ordnung einzubringen.
Sie haben auch erwähnt, dass wir den Eindruck gewinnen müssen, dass die Ministerpräsidentenkonferenz wesentlich weiter ist. Herr Püchel hat vorhin bereits den Charme des Exekutivföderalismus in sehr positiver Art und Weise erwähnt. Es wird also Zeit, dass die Landesparlamente mit einem gewissen Druck ihre Interessen in dem Gesamtsystem des Föderalismus wahrnehmen.
Allerdings müssen wir, meine Damen und Herren, wenn wir aufrichtig sind, eingestehen, dass uns damit nicht nur eine fachlich herausfordernde Aufgabe bevorsteht, sondern dass wohl auch eine tiefgreifende politische Auseinandersetzung stattfinden wird, wie es die einzelnen Redebeiträge der Chefs der Fraktionsvorsitzendenkonferenzen in Lübeck deutlich gemacht haben. Denn wir alle sind uns hoffentlich darin einig, dass sich diese Reformen, wenn sie wirklich einen Sinn haben sollen, nicht nur auf das Kurieren von Symptomen erstrecken dürfen.
Mir ist klar, dass wir Liberalen dabei in unseren Vorstellungen sehr weit gehen. Wo letztlich mögliche Kompromisse liegen, auch im Ausgleich zwischen West und Ost, werden wohl die weiteren Diskussionen ergeben müssen.
Aus unserer Sicht ist die Entwicklung des Föderalismus in der Bundesrepublik durch drei Tendenzen geprägt: erstens durch die Verlagerung von Kompetenzen der Länder auf den Bund und auf Europa, zweitens durch die zunehmende Vermischung der Aufgaben, der Einnahmen und der Ausgaben von Bund und Ländern und
drittens durch die Überdehnung des horizontalen Finanzausgleichs unter den Ländern, der die Verantwortlichkeiten verwischt.
Meine Damen und Herren! Die sich überlagernden Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden haben das föderalistische System der Trennung zwischen beiden staatlichen Ebenen weitgehend abgeschafft und belasten auch die kommunale Ebene erheblich. Das wurde vorhin schon in einem Beitrag zum Ausdruck gebracht. Es gibt ein undurchsichtiges Mischsystem von Einnahmen, Ausgaben und Aufgaben. Die ausufernden Mischfinanzierungen etwa führen zu mangelnder Transparenz der Umverteilungs- und Finanzströme und zum Verlust klarer Verantwortungen. Es ist eine alte Weisheit, meine Damen und Herren: Wo alle Verantwortung haben, trägt keiner Verantwortung.
Ich möchte an dieser Stelle Frau Wybrands Recht geben: Dem Bürger kann man gar nicht mehr klar vermitteln, wer in Deutschland eigentlich wofür Verantwortung trägt. Ist es der Bund? Sind es die Länder? Sind es die Kommunen? Das wird immer wieder auch bei vielen Debatten hier im Landtag deutlich. Die einen sagen, die Bundesregierung trägt die Verantwortung, die anderen sagen, die Landesregierung trägt die Verantwortung. Es kommt wohl immer darauf an, auf welchen Bänken man gerade sitzt.
Auch Bundespräsident Rau hat das, glaube ich, sehr deutlich zum Konvent gesagt. Er hat Deutschland mit einem Marmorkuchen verglichen und hat gesagt: Aus diesem Marmorkuchen müssen wir wieder eine Schichttorte machen. Genau deshalb ist für die FDP das Prinzip des Wettbewerbsföderalismus - das ist ein Begriff, der in der Debatte bis jetzt noch nicht erwähnt worden ist - ein sehr wichtiges Instrument auf dem Weg zum nächsten Föderalismuskonvent. Frau Wybrands, diesen Begriff hat im Übrigen Ihr Chef der Fraktionsvorsitzendenkonferenz in Lübeck auch verwendet; Sie sind leider nicht darauf eingegangen.
Mir ist klar, dass diese Forderung gerade im Hinblick auf die Ostländer mit Augenmaß verfolgt werden muss und dass wir noch auf lange Sicht zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen benötigen werden. Hierbei muss man sich über geeignete Formen und Methoden in der Zukunft verständigen und darf Artikel 72 Abs. 2 des Grundgesetzes - Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse - nicht aus den Augen verlieren. Das sage ich hier sehr deutlich und das habe ich auch meinen acht Kollegen Fraktionsvorsitzenden, die allesamt aus den Westländern kommen, in der innerparteilichen Auseinandersetzung zu diesem Problem deutlich zu machen versucht.
Das Prinzip, meine Damen und Herren, ist unserer Auffassung nach richtig. Wir wollen durch Dezentralisierung und klare Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden dem Prinzip des Wettbewerbs auch im politischen System mehr Geltung verschaffen. Beispielsweise soll der Druck, das Ausgabeverhalten zu überprüfen oder die Kosten staatlicher Leistungen zu reduzieren oder die Steuerlasten zu mindern, erhöht werden. Eine politische Gestaltung soll verstärkt möglich sein. Gute, weil problemangemessene Politik muss auch stärker belohnt werden.
Die wirtschaftlichen Prinzipien sind entsprechend durchzusetzen. Die Zunahme des Gestaltungsraumes in einem solchen auch auf Wettbewerb gegründeten Föderalismus bietet langfristig auch für die wirtschaftlich noch schwächeren Regionen, etwa die neuen Länder, die
Chance, durch auf ihre konkreten Bedingungen besser abgestimmte Regelungen viel angemessener reagieren zu können, als dies gesamtdeutsch erdachte und beschlossene Regelungen je könnten. Deshalb halte ich zum Beispiel unseren Antrag für eine Modellregion Sachsen-Anhalt für eine sehr vernünftige und diesem Sinn entsprechende Initiative.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sollten deshalb den Mut zu mehr Eigenständigkeit aufbringen. Ich bin davon überzeugt, dass sich dies auch für Sachsen-Anhalt langfristig auszahlen wird. Ein gutes Stück Arbeit wartet also auf uns, vielleicht auch ein Stück Gemeinsamkeit in diesem Hause, was ich mir sehr erhoffte.
Lübeck hat diese Aufgabe angenommen. Dass Lübeck seine Fortsetzung in Magdeburg finden wird, sollte gerade unserem Landesparlament ein großer Ansporn sein. Unserem Landtagspräsidenten wünsche ich dabei jedenfalls eine glückliche Hand und ich sichere ihm jedwede Unterstützung der FDP-Landtagsfraktion zu. - Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU, von Herrn Dr. Püchel, SPD, und von Herrn Buller- jahn, SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst auch von mir eine Vorbemerkung zu dem Föderalismuskonvent in Lübeck. Eine erste Aufgabe kann tatsächlich als erfüllt gelten: Es ist ein gemeinsamer Minimalkonsens gefunden worden.
Das ist aus meiner Sicht schon ein sehr erstaunlicher Akt; denn die Interessendifferenzen sind vielfältiger Natur. Da haben wir die parteipolitischen Differenzen; wir haben die Differenz zwischen reichen und armen Ländern; wir haben die Differenz zwischen Ost und West und wir haben natürlich den klassischen Konflikt zwischen EU und Bund und Ländern und Kommunen. Dies alles ist dann noch einmal in der Auffächerung in Exekutive und Legislative zu sehen und letztlich mit der Frage zu verbinden, wie die Mitbestimmung von Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich gewährleistet werden kann.
Lübeck ist ein wichtiges und richtiges Signal in Richtung der Landesregierungen. Lübeck ist letztlich möglich geworden, weil - das ist hier schon konstatiert worden - das Kräfteparallelogramm zwischen Bund und Ländern und Kommunen empfindlich ungleichgewichtig ist.
Der Nachteil liegt eindeutig bei den Ländern, dort wiederum sind die Kommunen die letzten in der Kette und haben in ihrer Selbstverwaltung erhebliche Grenzen gesetzt bekommen. Auch dort, sowohl bei den Ländern als auch bei den Kommunen, ist wiederum die exekutive Ebene eindeutig im Vorteil gegenüber den Parlamenten, soweit es den Landtag betrifft, eindeutig im Vorteil gegenüber den gewählten Gremien, soweit es die kommunale Ebene betrifft.
Das alles, diese Gemengelage und diese Gründe sind der Ausgangspunkt für die bemerkenswerte Einigkeit aller Vertreterinnen und Vertreter der Landesparlamente in Lübeck. Dennoch fragt man sich natürlich - das ist schon angedeutet worden -, wie lange diese Einigkeit währen
wird; denn immerhin haben die Landesregierungen in den Parlamenten immer noch starke Mannschaften in Gestalt der Regierungsfraktionen. Die können selbstverständlich jede Abseitsfalle der Landesregierung in der Ministerpräsidentenkonferenz verhindern, indem sie einfach mit auflaufen. Das begründet am Ende nach meiner Erfahrung die Befürchtung, dass diese parlamentarische Mehrheit sich im Zweifelsfall immer für die Unterstützung ihrer Landesregierung entscheiden wird. Ich hoffe, dass wir diesen Konflikt hier nicht erleben.
Ich will aber trotzdem erläutern, warum ich diesen Aspekt erwähne. Im Vorfeld der Debatten um Lübeck hat es mehrere Entwürfe zur Lübecker Erklärung gegeben. In diesen ersten Entwürfen tauchte eine lange Liste von ganz konkreten Verhandlungspunkten auf. Diese wurden dann im Interesse dieses Minimalkonsenses herausgenommen. Das bedeutet, wenn man es jetzt anschaut, dass diese Punkte nicht verloren gingen, sie müssen schließlich doch beredet werden. Aber sie tauchen nicht mehr auf der Debattenebene der Länder auf, sondern sie tauchen bei der Ministerpräsidentenkonferenz auf in den Leitlinien, die die Ministerpräsidentenkonferenz vor dem Lübecker Konvent verabschiedet hat.
Wenn es nun darum geht, eine Verhandlungskommission einzusetzen, dann bedeutet das für uns, dass wir erheblich schlechtere Startbedingungen haben, um uns gleichberechtigt in die Gesamtdebatte einzubringen und auch ein Gegengewicht gegenüber der Landesregierung und gegenüber der Ministerpräsidentenkonferenz zu bilden.
Einige Anmerkungen zur Reformierung des föderalen Systems. Sicherlich stellt die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung deutlich mehr dar als eine strukturelle Aufgabe. Diesbezüglich sind wir uns völlig einig.
Wie stellt sich dieses System zurzeit aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger dar? Wir hatten gerade gestern mit dem KiFöG ein Beispiel dafür. Für die Besucher möchte ich anmerken, KiFöG heißt Kinderförderungsgesetz. Wenn der Bürger also nachvollziehen will, wer die jeweils Verantwortlichen sind, dann laufen die Spiele „Schraps, du hast den Hut verloren“ oder „Stille Post“. Keiner ist so recht für irgendetwas zuständig oder verantwortlich. Am Ende kommt man nach einer 360-GradDrehung wieder am Ausgangspunkt an. Von einer echten Transparenz der Entscheidungswege und der Kompetenzen kann heute nicht die Rede sein. Wer was wirklich macht, bleibt unklar.
Deshalb ist es notwendig - an diesem Punkt stimme ich meinen Vorrednern zu -, eine klare Abgrenzung von Kernaufgaben und Verantwortlichkeiten als eine Voraussetzung für eine effektive Mitbestimmung zu schaffen. Demokratie konditionieren - das ist die große Überschrift, unter der das Wirken im Föderalismuskonvent stehen sollte. Die Bürgerinnen und Bürger und die Parlamente, die sie wählen, müssen sich wieder auf Augenhöhe begegnen.
Beispielsweise wurde auf dem Konvent viel über Subsidiarität gesprochen. Jetzt gehen wir hinaus auf die Straße und machen eine Umfrage in der Bevölkerung dazu, was unter Subsi- -
(Heiterkeit bei allen Fraktionen - Herr Gallert, PDS: Worunter jetzt? - Heiterkeit bei der PDS und bei der SPD)