Hinzufügen möchte ich außerdem, dass der Etat der Landeszentrale für politische Bildung in diesem Jahr um 300 000 € für Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie erhöht worden ist, sodass auch Projekte und Initiativen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit jetzt wesentlich nachhaltiger unterstützt werden können.
Meine Damen und Herren! Ebenso wenig ist ein Antrag der PDS erforderlich, damit wir in der Gedenkstättenarbeit auch berücksichtigen, dass irgendwann einmal authentische Zeitzeugen nicht mehr zur Verfügung stehen werden. In Sachsen-Anhalt existieren fünf landeseigene Gedenkstätten für die Opfer von Gewaltherrschaft. Von diesen beziehen sich drei auf nationalsozialistische Menschenrechtsverletzungen.
Gedenkstätten - das wird in dem Antrag der PDS-Fraktion nicht berücksichtigt - informieren aber auch über die nach 1945 verübten Menschenrechtsverletzungen. In den Gedenkstätten wird mit unterschiedlichen Mitteln Bildungsarbeit mit dem Ziel betrieben, insbesondere die Jugend über die Menschenrechtsverletzungen beider deutscher Diktaturen zu informieren und einen Beitrag zur Stärkung der demokratischen Grundordnung zu leisten.
Die landeseigenen Gedenkstätten berücksichtigen dabei in ihrer Arbeit durchaus, dass irgendwann authentische Zeitzeugen nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Gerade deshalb werden besonders Aussagen ehemaliger Häftlinge und anderer Zeitzeugen in Bild und Ton festgehalten, Interviews geführt, Dokumente der Zeitzeugen archiviert und so für die Nachwelt erhalten. Diese Forderung zur Gedenkstättenarbeit im Antrag der PDS-Fraktion erübrigt sich also.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich als Innenminister noch einige klarstellende Worte zu der Aussage in der Begründung des Antrages der PDS-Fraktion sagen, es sei um die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit auffallend ruhig geworden. Herr Gärtner hat das bei der Einbringung des Antrages auch gesagt.
Die Landesregierung sieht in der Bekämpfung des Extremismus von rechts und links einen Schwerpunkt ihrer Arbeit. Wir werden deshalb politisch motivierter Kriminalität jeglicher Couleur auch weiterhin sowohl repressiv als auch präventiv mit einem Bündel von Maßnahmen entschieden entgegentreten.
Beispielhaft möchte ich in diesem Zusammenhang auf das konsequente polizeiliche Vorgehen bei Bekanntwerden von möglichen Skinhead-Konzerten hinweisen, wodurch diese frühzeitig verhindert werden konnten und können. Die polizeiliche Präsenz an erkannten Schwerpunkten der rechten Szene wird aufrechterhalten und es erfolgt die Fortführung des Aussteigerprogramms für Rechtsextremisten, einer täterorientierten Präventionsarbeit im Hinblick auf die rechte Szene. Auf diese beispielhaften Maßnahmen möchte ich hinweisen.
Der permanent hohe Verfolgungsdruck der Polizei gerade im Bereich der politisch motivierten Kriminalität von rechts wird neben dem allgemeinen Rückgang der rechts motivierten Straftaten durch eine gestiegene Aufklärungsquote verdeutlicht. Im Rahmen des Aussteigerprogramms für Rechtsextremisten sind im vergangenen Jahr über 400 Personen angesprochen worden. Diese Zahl ist ermutigend und macht deutlich, dass die Lan
desregierung in ihren Aktivitäten nicht nachlässt. Die Darstellung in dem Antrag der PDS-Fraktion, in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sei es auffallend ruhig geworden, ist daher unzutreffend.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbstverständlich sind wir gern bereit, über das Gedenkstättenkonzept des Landes Sachsen-Anhalt in den Ausschüssen zu berichten. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident, ich will, bevor in der Debatte die Redner von CDU und FDP sprechen, auf ein Problem aufmerksam machen: Die beiden Fraktionen haben einen so genannten Änderungsantrag zum Antrag der PDS-Fraktion eingebracht, der aber wirklich alle Kriterien des klassischen Alternativantrages erfüllt und als Änderungsantrag ausdrücklich falsch eingeordnet ist. Das hat die Rede des Ministers - ich denke, sie wird sich in der inhaltlichen Aussage nicht so sehr von der der Fraktionen unterscheiden - ausdrücklich noch einmal bestätigt.
Insofern bitte ich sowohl die Redner von CDU und FDP als auch Sie, Herr Präsident, darauf Rücksicht zu nehmen, dass das Abstimmungsprozedere natürlich das eines Alternativantrages sein müsste. Darüber hinaus bitte ich die Fraktionen, sich in Zukunft ein bisschen näher an die Geschäftsordnung anzulehnen, als es in diesem Fall offensichtlich passiert ist.
Herr Gallert, wir wissen, dass es des Öfteren schwierig ist, die Grenzlinie zwischen Änderungsantrag und Alternativantrag zu ziehen. Aber wir sind der Auffassung gewesen, dass wir das ursprüngliche Anliegen des Antrages nicht in sein Gegenteil verkehren, sondern es präzisieren und deshalb das Instrument des Änderungsantrages das hinreichende Mittel ist.
Das ist natürlich eine gefährliche Diskussion. Sie beginnen bei der Überschrift, Sie behandeln das Thema, auch was die Zuständigkeiten anbelangt - das hat der Minister gemacht; ich denke, diese Auffassung werden Sie teilen -, ausdrücklich auch auf einem anderen Feld. Sie reden von politisch motivierter Kriminalität, wir reden von Rechtsextremismus. Also wenn das nicht ein deutlich anderer Bezug ist, dann hätten wir wahrscheinlich diese Diskussion gar nicht in dieser Form.
Dazu muss ich ganz deutlich sagen: Wenn wir so herangehen, dann hätten wir das gesamte Instrumentarium des Alternativantrags nicht einführen müssen. In gewis
ser Weise hat auch die einbringende Fraktion - da erinnere ich Sie an das Verfassungsgerichtsurteil aus Nordrhein-Westfalen - ein gewisses Recht, darüber zu entscheiden, ob etwas von ihrem Antrag, wie Sie meinen, präzisiert oder, wie wir meinen, grundsätzlich geändert wird.
Ich tendiere mehr dahin, Herrn Gallert Recht zu geben. Könnten die Fraktionen der CDU und der FDP mit einer Abstimmungsprozedur leben, die diesen Änderungsantrag als Alternativantrag behandelt? - Herr Scharf, bitte.
Herr Präsident, die Sache wird deshalb schwierig, weil unser Antrag automatisch geschäftsordnungswidrig wäre, wenn wir dem zustimmen würden; denn dann würden Sie feststellen, dass er zu spät eingebracht worden sei. Ein Alternativantrag muss vor Beginn der Landtagssitzung eingebracht werden.
Können wir eine kleine Auszeit nehmen? Eine Auszeit von maximal fünf Minuten. - Ich bitte die parlamentarischen Geschäftsführer, zu mir zu kommen; wir werden uns draußen vor der Tür unterhalten.
Im Gespräch mit den parlamentarischen Geschäftsführern bzw. Fraktionsvorsitzenden wurde Folgendes vereinbart: Die PDS-Fraktion als Einbringerin des Antrags verzichtet hinsichtlich des Alternativantrages auf die Einhaltung der Einbringungsfrist. Daraufhin akzeptiert die Koalition die Behandlung des Änderungsantrags als Alternativantrag, sodass wir ganz normal wie sonst auch über Alternativanträge abstimmen und befinden können.
Wir können dann wieder in die Debatte eintreten. Ich rufe als ersten Redner für die FDP-Fraktion den Abgeordneten Herrn Scholze auf. Bitte sehr, Herr Scholze.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist Besorgnis erregend, wenn in Sachsen-Anhalt Menschen von anderen Menschen weggestoßen, ausgegrenzt oder sich selbst überlassen werden: Ausländer, Menschen mit Behinderungen, Obdachlose. Eine liberale Tugend, die Toleranz, scheint Mangelware geworden zu sein.
Noch schädlicher ist es, wenn diese Intoleranz in Gewalt umschlägt, Menschen wegen ihrer Hautfarbe durch Innenstädte oder ihr Wohngebiet gejagt werden oder Menschen wegen ihres sozialen Status auf brutalste Weise zu Tode getreten werden.
Straftaten vor dem Hintergrund eines politischen Extremismus, unabhängig davon, ob dieser von rechts oder von links kommt, belegen Defizite in der Erziehung zur Demokratie. Einfache und einseitige Erklärungs- und Lösungsmodelle bringen uns an dieser Stelle in keiner Weise weiter. Als nichts anderes muss ich aber den Antrag der PDS-Fraktion verstehen, der der Landesregierung unterstellt, nichts zu tun, wenn dort steht, dass es um die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit auffallend ruhig geworden sei.
Das Gegenteil scheint mir vielmehr der Fall zu sein. Ein Bündel von Maßnahmen, zum Teil schon von Herrn Minister Jeziorsky erwähnt, belegt das auch. Beispiele: Die Koordinierung des Landesprogramms für ein weltoffenes, demokratisches Sachsen-Anhalt erfolgt nunmehr über die Landeszentrale für politische Bildung. 300 000 € wurden zur Stärkung von Toleranz und Demokratie zusätzlich in den Haushalt der Landeszentrale für politische Bildung eingestellt. Über die in den Sozialhaushalt eingestellten Summen im Kapitel Jugendarbeit wurde während der Haushaltsberatungen hinlänglich diskutiert.
Fünf Gedenkstätten informieren über die Opfer von Gewaltherrschaft in der deutschen Geschichte und auch der Rechtsstaat geht sowohl präventiv als auch repressiv gegen politisch motivierte Kriminalität vor.
Um wieder auf die einfachen Erklärungs- und Lösungsmodelle des PDS-Antrages zurückzukommen: Sollen es wirklich nur die Gedenkstätten des Nationalsozialismus sein, die es zu erhalten und zu pflegen gilt? Oder war es nicht der Sozialismus mit seinen autoritären Strukturen, der zu einem Wertevakuum geführt hat, welches nach dem Umbruch im Jahr 1989 bei manchen Menschen durch rechtsextremes Gedankengut ausgefüllt werden konnte?
Die Koalition unterstreicht mit ihrem Alternativantrag ein ganzheitliches Konzept im Kampf gegen den politischen Extremismus, unabhängig davon, ob von rechts oder links. Deswegen setzen wir auch weiterhin auf eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit Extremismus und Fremdenfeindlichkeit.
Deswegen muss unsere Jugend Bildung über historische Zusammenhänge und die Folgen von Diktatur und Gewaltherrschaft in Gedenkstätten erfahren können. Es sind doch die Bildung und das Sammeln von Erfahrungen und Eindrücken, die es uns ermöglichen, bestehende Vorurteile kritisch zu prüfen und Ängste abzubauen.
Zum Thema Vorurteile und Klischees gibt es auch noch etwas zu sagen. Das ist schon in der Einbringungsrede angedeutet worden. Denn Klischees und Vorurteile werden mancherorts gepflegt und auch bewirtschaftet. So konnte man eben in einem Interview mit einem Wissenschaftler in der „Volksstimme“ am 7. April lesen, dass die Altmark ein rechtes Aufmarschgebiet sei, dass es in Gardelegen Angstzonen im Bereich des Marktplatzes gebe, zu denen sich selbst normale Bürger nicht mehr begeben würden. Ein empörtes Dementi folgte gleich am nächsten Tag in derselben Zeitung, nicht nur durch den
Jeder Abgeordnete wird wissen, wie schädlich rechtsextreme Gewalt für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft ist, wie hartnäckig ein Negativimage für eine Region wirken kann. Müssen wir aber ein solches Klischee ständig auch aus dem eigenen Land bedienen lassen, frage ich.
Wir müssen der Jugend vielmehr Chancen geben, ihre Fähigkeiten zu entfalten und eine Aufgabe zu haben. Dazu gehört die Stärkung des Ehrenamtes in unserer Gesellschaft, dazu gehören Kultur, Sport, gesellschaftliches Engagement.
Nicht nur der Staat ist gefragt, für ein positives Image und ein tolerantes, weltoffenes und demokratisches Sachsen-Anhalt zu sorgen, sondern auch jeder Einzelne. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Scholze. - Für die SPD-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Krimhild Fischer das Wort.