Protokoll der Sitzung vom 03.07.2003

Viertens. Schutzbedürftige, die nicht abgeschoben werden dürfen oder können, müssen einen sicheren Aufenthaltsstatus erhalten. Wer das nicht will, der nimmt Menschen ihre Würde. - Wir wollen das nicht.

Fünftens. Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft oder zumindest humaner praktiziert werden. Wer das nicht will, der behandelt Asylbewerberinnen und -bewerber wie Aussätzige. - Wir wollen das nicht.

Der Katalog humanitärer Forderungen - wohlgemerkt: humanitärer Forderungen - ist natürlich länger; denn mit

einem modernen Zuwanderungsgesetz, mit einem republikanischen Staatsverständnis oder mit der Übernahme internationaler Standards hat das nicht allzu viel zu tun.

Herr Abgeordneter Gärtner, sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Kosmehl zu beantworten?

Zum Schluss.

Zum Schluss, Herr Kosmehl.

Meine Damen und Herren! Die Zeiten für ein modernes, humanes Gesetz sind leider lausig. SPD und Grüne sollten zumindest bedenken, ob ihr Kompromisskurs in Richtung CDU/CSU-Spitze inhaltlich etwas gebracht hat. Ich meine, zum jetzigen Zeitpunkt nein, jedenfalls nicht allzu viel Gutes. Der Kompromisskurs war und ist Teil des Problems, auch beim Zuwanderungsthema.

Meine Damen und Herren! Damit komme ich auf Herrn Kosmehl zu sprechen. Wenn Sie von Integration sprechen und in diesem Zusammenhang sagen, Sie wollen Menschen die Anpassung in Deutschland erleichtern, dann, meine ich, hat das nichts mit Integration zu tun; denn Integration hat zwei Voraussetzungen. Die erste Voraussetzung ist, dass die Menschen, die integriert werden sollen, bereit sind, integriert zu werden. Die zweite Voraussetzung ist, dass es eine integrationsbereite Gesellschaft gibt, die bereit ist, Menschen zu integrieren.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Das bedeutet nicht Anpassung. Das bedeutet vielmehr, die Menschen mit ihrer eigenen kulturellen Identität in dieses Land zu integrieren. Anpassung kann nicht das Stichwort sein.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Eine zweite Anmerkung - damit versetze ich mich in die Logik der nützlichen und unnützen Menschen -: Der Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland hat Bedarf; wir brauchen die Zuwanderung aus diesen Gründen. - Das ist nicht meine Logik.

Meine Damen und Herren von der CDU, in diesem Denken sind Ihre besten Partner schon meilenweit voraus. Der Deutsche Industrie- und Handelstag hat genau diese Forderung erhoben und gesagt: Wir brauchen das Zuwanderungsgesetz, weil wir einen Bedarf auf dem Arbeitsmarkt haben. Insofern laufen Sie der Entwicklung hinterher. Ich denke, Sie sind mit Ihrer Einstellung im letzten Jahrhundert stehen geblieben und kommen keinen Schritt voran, selbst mit dieser Logik.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Insofern wird die Debatte weitergehen und, so hoffe ich, bald in ein Gesetz münden, welches ein wirklich modernes und humanes Zuwanderungsrecht enthält. Leider weiß ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch immer nicht, welche Position die Landesregierung im Bundesrat

dazu inhaltlich vertreten wird. Das finde ich schade. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Herr Abgeordneter Gärtner, Sie hatten Herrn Kosmehl gestattet, eine Frage zu stellen. Bitte sehr, Herr Kosmehl.

Herr Kollege Gärtner, Sie haben an mehreren Beispielen breit ausgeführt, was Sie nicht wollen. In Anbetracht der Tatsache, dass Sie zu Beginn Ihrer Rede gesagt haben, wir hätten uns die Debatte schenken können, muss ich sagen: Sie hätten sich Ihren Redebeitrag auch schenken können, wenn Sie nicht sagen, was Sie wollen.

Ein zweiter Punkt. Man kann der Meinung sein, dass man Zuwanderung aus humanitären Gründen, vielleicht auch aus Arbeits- oder Migrationsgründen - dazu haben Sie sehr wenig bzw. gar nichts gesagt - offener gestalten sollte, als es die FDP, die CDU, die SPD oder die Grünen wollen. Man muss aber auch bei dieser offenen Position sagen, welche Ansatzpunkte man im integrativen Bereich erreichen möchte.

(Zustimmung bei der FDP)

Ich verstehe Ihre Wortmeldung eher als eine Zwischenintervention. Ich kann unsere Positionen wiederholen; ich habe sie Ihnen genannt. Ich habe gesagt, welche Forderungen im Hinblick auf den humanitären Bereich wir als PDS in dieses Gesetz einbringen wollen.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Das hat er ausdrücklich ge- sagt! Sie müssen mal zuhören!)

Das sind die Punkte 1, 2, 3, 4 und 5 in meiner Rede. Die Rede kann ich Ihnen gern zur Einsicht geben.

Natürlich hat die PDS Forderungen hinsichtlich der Frage der Zuwanderung erhoben. Natürlich hat die PDS auch ihre Grundposition dazu eingebracht, dass Studentinnen und Studenten sowie Arbeiterinnen und Arbeiter ein Grundrecht auf Zuwanderung haben. Das ist, glaube ich, der große Unterschied. Das habe ich in meinem Redebeitrag betont.

Wir wollen nicht, dass sozusagen nach Gutdünken entschieden wird. Wir wollen vielmehr rechtlich klare Positionen in einem Zuwanderungsgesetz haben, welches den Menschen das Grundrecht einräumt, sich in Deutschland aufzuhalten. Dafür gibt es Eckpunkte.

Leider ist das, was in dem Gesetz bislang enthalten ist, eben kein Grundrecht. Vielmehr entscheidet der deutsche Gesetzgeber, wer wann in diesem Land leben darf. Das ist eine grundsätzlich andere Position. Insofern unterscheiden sich unsere Auffassungen.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Ich sage aber auch - das würde ich auch meiner eigenen Partei immer wieder empfehlen -: Wenn es auch nur ansatzweise einen Punkt gibt, bei dem wir sagen können, hiermit stoßen wir eine Tür in eine Richtung auf, die die Chance einräumt, das Zuwanderungsrecht auszubauen, dann sollten wir einer solchen Position im Bundesrat zustimmen; denn dies eröffnet die Möglichkeit, von dieser Seite aus weiterzudiskutieren. Das wäre ein Meilenstein,

auf dem man aufbauen kann. Insofern würden wir uns dem nicht entgegenstellen. Wir werden nicht eine Blockadepolitik, wie sie die CDU/CSU und die FDP betreiben, vertreten. - Vielen Dank.

Herr Abgeordneter, es gibt noch zwei weitere Fragen. Sind Sie bereit, die Fragen zu beantworten?

Zunächst Herr El-Khalil, bitte.

Herr Kollege Gärtner, zunächst ein Kommentar. Es kommt mir wirklich so vor - Sie können mir glauben, ich verstehe von Immigration nach Deutschland etwas mehr als Sie; denn ich habe sie, im Gegensatz zu Ihnen, hinter mir -, als würden Sie sagen: Immigranten dieser Welt vereinigt euch, aber alle in Deutschland - aus welchem Grund auch immer. So kommt es bei mir an.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich komme zu meiner Frage. Sie unterscheiden zwischen Integration und Anpassung. Ich möchte von Ihnen etwas genauer wissen, was für Sie Integration heißt. Sie sagten, integrieren unter Beibehaltung aller kulturellen Identitäten und so weiter und so fort - d’accord. Aber würden Sie das auch auf Menschen beziehen, die aus einem Kulturkreis kommen, in dem es die Vielehe und Ähnliches gibt? Sollen wir das hier auch einführen? Sollen wir das auch akzeptieren? - Das sind Fragen, die für Sie scheinbar lächerlich sind. Diese Fragen sind aber wichtig.

Herr El-Khalil, ich bitte Sie, die Frage zu stellen.

Okay. - Die Frage: Erklären Sie mir bitte ganz genau, was Sie mit Integration meinen. Ich meine nicht Assimilation, sondern Integration. Was verstehen Sie wirklich darunter?

(Beifall bei der FDP - Herr Gallert, PDS: Mano- meter! - Frau Dr. Sitte, PDS: Das hat er ja nun ausführlich gesagt!)

Zur ersten Frage. Ich weiß nicht, ob Sie die Gesetzeslage der Bundesrepublik Deutschland kennen. Ich weiß auch nicht, was Sie bezüglich der Änderungen des Asylrechts in den 90er-Jahren wissen. Die damals geschaffene Drittstaatenregelung hat verhindert, dass Menschen über ein Drittland nach Deutschland kommen dürfen.

Die Drittstaatenregelung - das dürfte Ihnen vielleicht bekannt sein - führt dazu, dass Menschen, die über ein anderes Land hierher kommen wollen, in Deutschland abgewiesen werden und sofort wieder zurückgeschickt werden. Das hat dazu geführt, dass die Flüchtlingszahlen in erheblichem Maße zurückgegangen sind.

Insofern kann ich Ihre Frage eigentlich nur als zynisch und menschenverachtend zurückweisen.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Oh! bei der CDU)

Herr Abgeordneter Gärtner, sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Stahlknecht zu beantworten?

Bitte sehr, Herr Stahlknecht.

Herr Gärtner, Sie jonglieren bei Ihren Ausführungen mit den Begriffen „Grundrechte“ und „Vertrag“. Was wollen Sie eigentlich? Wollen Sie eine Grundrechtsänderung? Sind Sie sich der Konsequenzen Ihres Ansinnens bewusst? Ist Ihnen klar, wie so eine Grundrechtsänderung zustande kommen muss? Oder wollen Sie über ein Zuwanderungsrecht in Form eines Vertrages zu uns sprechen?

Sie haben es richtig formuliert. Ich stelle es richtig: Ich möchte, dass es ein Recht auf Zuwanderung in diesem Gesetz gibt. Sie haben insofern Recht, als der Begriff „Grundrecht“ missverständlich ist. - Vielen Dank.

Ich bedanke mich.

Danke sehr, Herr Abgeordneter Gärtner. - Meine Damen und Herren! Zum Abschluss der Debatte haben die Vorsitzenden der Fraktionen der CDU und der SPD noch einmal um das Wort gebeten. Ich erteile zunächst dem Abgeordneten und Fraktionsvorsitzenden Herrn Jürgen Scharf das Wort. Bitte sehr, Herr Scharf.