Protokoll der Sitzung vom 21.11.2003

Meine Damen und Herren! Wenn man diese Begründung liest, muss man sich fragen, wer eigentlich in diesem Lande regiert. Wenn Sie die Sorgen der Kommunen und der Landkreise wirklich ernst nehmen, dann stimmen Sie unserem Antrag zu. Lassen Sie uns in den Ausschüssen eine sachliche Diskussion über die aufgeworfenen Probleme führen, und ich bin mir ganz sicher, dass wir im Sinne der Kommunen zu vernünftigen Lösungen kommen werden. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Herrn Krause, PDS)

Herr Doege, es gibt zwei Fragen. Zunächst bitte Herr Kosmehl.

Herr Kollege Doege, ich habe zwei Fragen. Erstens. Können Sie mir sagen, wer zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Grundsicherungsgesetzes in Berlin die Mehrheit des Deutschen Bundestages getragen hat?

(Herr Reck, SPD: Aber, Herr Kosmehl! - Weitere Zurufe von der SPD)

Zweite Frage: Wollen Sie an Ihrer Aussage, dass die Landesregierung und die Mehrheitsfraktionen im Landtag einzig und allein an der Haushaltsschieflage der Kommunen Schuld sind, auch vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung in Berlin rot-grün ist, immer noch festhalten?

Herr Kosmehl, Frage 1: Sie haben nachgefragt, wer zur Zeit der Verabschiedung des Grundsicherungsgesetzes die Regierungsmehrheit gestellt hat. Es ist korrekt, dass SPD und Bündnis 90/Die Grünen dieses Gesetz verabschiedet haben. Ich habe auch erklärt, was Hintergrund dieses Gesetzes ist. Ich halte es für mehr als überfällig, dass wir für die betroffenen Personen zu einer vernünftigen Lösung gekommen sind, die gerade älteren Menschen und Menschen, die erwerbsgemindert sind, einen angemessenen Lebensstandard sichert, der über dem Sozialhilfeniveau liegt.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

- Herr Borgwardt, dass Sie dieses Grundsicherungsgesetz vielleicht anders bewerten, ist sicherlich nachvollziehbar. Ich persönlich finde es schon etwas peinlich, wenn vonseiten der regierungstragenden Fraktionen dieses Gesetz infrage gestellt wird. Ich glaube schon, dass man zu vernünftigen Lösungen gekommen ist.

Zu Ihrer zweiten Frage. - Ich weiß sie gar nicht mehr genau, muss ich sagen.

(Herr Kosmehl, FDP: Einzig und allein!)

- Ach so. Einzig und allein. Herr Kosmehl, ich gestehe Ihnen zu, dass Sie nicht am Punkt Null gestartet sind. Das ist wohl korrekt. Allerdings muss ich Sie wie meine Kollegen vor mir an Ihre Wahlaussage erinnern. Sie waren es, die im Wahlkampf aufgetreten sind - Sie waren es nicht alleine, auch die CDU ist in Ihren Reihen mitmarschiert - und es so dargestellt haben, als ob die Kommunen künftig mit FDP und CDU ein Wesentliches mehr an finanziellen Spielräumen erwarten könnten. Das ist nicht so, wie jeder im Haushalt nachvollziehen kann. Insoweit müssen Sie sich, wie dies meine Kollegen schon sagten, an Ihren eigenen Aussagen im Wahlkampf messen lassen.

(Beifall bei der SPD - Herr Kosmehl, FDP: Einzig und allein!)

Herr Bönisch hat auf seine Frage verzichtet. Dafür hat Frau Dr. Kuppe noch eine Nachfrage. Bitte sehr.

Herr Doege, können Sie mir darin Recht geben, wenn ich sage, dass der Bund die durch das Grundsicherungsgesetz entstehenden Mehrkosten als Gesamtsumme an die Länder gibt, zur Weiterleitung an die Kommunen, und dass damit die Kommunen nicht zusätzlich

belastet werden, dass aber die Länder natürlich verpflichtet sind, die auf ihrer Seite entstehenden Entlastungen an die Kommunen weiterzugeben?

(Beifall bei der SPD)

Frau Kuppe, ich muss Ihnen Recht geben.

(Lachen bei der FDP - Zuruf von der SPD: Es ist so!)

- Hören Sie doch einfach noch eine Minute zu! - Ich habe ja ausgeführt, dass die Überprüfung der zu erstattenden Beträge - ein Punkt, den Sie natürlich kritisch sehen - alle zwei Jahre erfolgt. Wir werden bei der ersten Prüfung sehen, was im Ergebnis festgestellt wird. Ich bin mir sicher, dass der Bund zu seiner Verpflichtung steht, den Kommunen diese Mehrkosten zu erstatten. Natürlich fordern wir auch ein, dass sich das Land in diesem Fall nicht auf Kosten der Kommunen entlastet. Das genau findet an dieser Stelle statt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Doege, für die Begründung. - Bevor wir in die Debatte der Fraktionen eintreten, hat die Landesregierung um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Sozialminister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich immer, wenn auch die SPD aus Anschreiben von CDU-Landräten Anträge baut.

(Herr Doege, SPD: Sie machen es ja nicht, Herr Kley! - Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

- Wir lesen diese Schreiben, wir lassen uns nicht vorlesen, auch wenn das Angebot von Ihnen bestand. Sie haben die Adressaten genannt und die Verlesung vorgenommen. Vielleicht könnten wir das immer so halten. Das spart uns Mühe. - Aber wir wollen ja die Kollegen, die vielleicht nicht direkt angesprochen wurden, nicht belasten.

(Unruhe bei der SPD - Frau Budde, SPD: Für das Lesen ist das Kultusministerium zuständig!)

Die Frage nach den Folgen des Grundsicherungsgesetzes und seiner Ausfinanzierung für die Kommunen, die Sie hier stellen, stellt sich ja nicht nur in Sachsen-Anhalt.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Aber auch hier!)

- Aber auch hier. Herr Kollege Püchel, darin stimme ich Ihnen zu. Deswegen diskutieren wir ja über dieses Thema, gestern wie auch heute wieder, und wir werden dieses Thema auch in Zukunft noch behandeln.

Aber es trifft nicht zu, dass der Landesregierung die Zahlen über den aktuellen Abarbeitungsstand der Landkreise, über die Summen, die dort vorgesehen sind, zugehen. Dazu existiert keine Berichterstattungspflicht. Das machen die Kreise im eigenen Wirkungskreis. Nichtsdestotrotz sind wir natürlich seit längerem sowohl mit den Spitzenverbänden als auch mit den Landkreisen und kreisfreien Städten im Gespräch, um zeitnah aktuelle Daten zu erhalten. Ich habe auch die Zusage, dass

wir, sobald belastbare Daten vorhanden sind, erneut über das Thema reden werden.

Was Sie, Herr Doege, vorhin zitierten, sind Schätzungen der Antragseingänge. Wie Ihnen sicherlich bekannt ist oder gesagt wurde, sind nicht alle Anträge bescheidungsfähig. Eine sehr große Anzahl von Anträgen wird abgelehnt, sodass die Anzahl der Antragsteller nichts über die späteren finanziellen Folgen aussagt.

Betrachten wir nun, wie andere Bundesländer mit diesem Bundesgesetz umgehen. Das muss man immer sagen: Hiermit hat der Bund eindeutig zulasten der Kommunen eine neue Regelung gefunden, die - dazu werde ich noch später kommen - nicht im Geringsten das hält, was sie im Titel verspricht.

Nun zur Länderübersicht. Ich möchte nur die Länder mit SPD-Regierungsbeteiligung herausgreifen. Das sind wenig genug, zumal einige Stadtstaaten sind, die keine Regelung brauchen. Brandenburg hat kein Ausführungsgesetz, hat also überhaupt nichts geregelt. MecklenburgVorpommern hat ein Ausführungsgesetz ohne Ausgleichszahlungen des Landes, Nordrhein-Westfalen verteilt lediglich die Bundesleistungen an Landkreise und kreisfreie Städte, Rheinland Pfalz hat keine Ausgleichszahlungen vorgesehen.

Soweit zur Übersicht, wie die SPD in ihren Ländern mit diesem Thema umgeht. Ich denke, hierbei ist eine kontinuierliche Linie vom Bund zu den Ländern zu erkennen. Man definiert zwar vollmundig angeblich neue Leistungen, ist aber keinesfalls bereit, dies entsprechend weiter zu verfolgen und eventuell anders auszugestalten.

Nichtsdestotrotz werden wir in Sachsen-Anhalt im nächsten Jahr bei der Ausgestaltung des Umgangs im Bereich der Sozialhilfe versuchen, an anderer Stelle eine finanzielle Entlastung der Landkreise und kreisfreien Städte durchzuführen, um die von uns sehr wohl erwarteten Mehrkosten bei den Kommunen zu kompensieren. Wie die Vorschläge im Einzelnen aussehen, soll in den nächsten Tagen noch im Innenausschuss und im Finanzausschuss beraten werden.

Wir putzen das Thema nicht einfach weg, sondern sehen sehr wohl, dass Handlungsbedarf besteht. Für uns ist - das haben Sie richtig zitiert - die Handlungsfähigkeit der Kommunen von jeher ein ganz wichtiger Punkt gewesen und wird es auch weiterhin sein.

Die direkten Daten, die uns zugänglich sind, werden vom statistischen Landesamt leider erst zum 31. Dezember 2003 erhoben. Wir erhalten sie erst im ersten Quartal 2004, weshalb wir vorher keinen exakten Bericht erstatten können. Ich habe aber dem Ausschuss bereits zugesagt: Sowie die Landkreise ihre Zahlen belastbar melden, werden wir im Sozial- und Gesundheitsausschuss darüber reden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Grundsicherungsgesetz hat die Lebenssituation alter und dauerhaft erwerbsgeminderter Menschen nicht deutlich verbessert, da es Lücken und Mängel aufweist. Wir werden auch jetzt in den aktuellen Beratungen im Vermittlungsausschuss zur Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie zum SGB XII darauf drängen, dass im Bereich der Unterstützung Bedürftiger wieder ein einheitliches Maß gefunden und dass dieser Fremdkörper einer Überprüfung unterworfen wird.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Fremdkörper! Na so was!)

So fehlt unter anderem im Grundsicherungsgesetz eine dem § 23 Abs. 4 BSHG entsprechende Regelung, nach der unter anderem kranke und behinderte Menschen einen Mehrbedarfsanspruch haben, wenn sie einer kostenaufwendigen Ernährung bedürfen. Diesbezüglich besteht eine Schlechterversorgung durch das Grundsicherungsgesetz.

Das Grundsicherungsgesetz führt weiterhin zu einer Ungleichbehandlung von unterhaltsverpflichteten Eltern und Kindern. Kinder und Eltern von Sozialhilfeempfängern sind weiterhin zur Unterhaltsleistung verpflichtet, wenn sie finanziell dazu in der Lage sind. Kinder und Eltern von Empfängern von Grundsicherung werden bis zu einem Jahreseinkommen von 100 000 € von dieser Verpflichtung freigestellt. Bis zu dieser Grenze bleiben Unterhaltsansprüche unberücksichtigt.

Sie sehen also: An dieser Stelle wurden Ungleichbehandlungen geschaffen, die eigentlich durch nichts zu rechtfertigen sind, bei denen man sich fragen muss: Was sollte das Ganze? Das heißt, abseits der Lage von Kommunen und der neuen Umverteilung von Lasten muss man einmal darüber nachdenken, ob die Situation von Hilfebedürftigen durch geschickte Namensfindung wirklich verbessert wurde. Wir werden das Thema, wie gesagt, im Auge behalten und werden auch im Bundesrat dafür sorgen, dass das Sozialhilferecht in Deutschland wieder für alle gleich ist,

(Frau Bull, PDS: Gleich schlecht!)

dass sich aber auch für die Hilfsbedürftigen bessere Möglichkeiten ergeben, so wie wir dies auch gestern diskutierten, zum Beispiel durch Pauschalierungen.

Ich bitte, den vorliegenden Antrag abzulehnen und den Alternativantrag von CDU und FDP anzunehmen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von der SPD: Das darf doch nicht wahr sein!)

Danke, Herr Minister. - Wir beginnen jetzt mit der Debatte der Fraktionen. Als erste Debattenrednerin wird die Abgeordnete Frau Dr. Hüskens für die FDP sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht das wiederholen, was Herr Minister Kley inhaltlich ausgeführt hat.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Dr. Püchel, SPD: Lieber nicht! Das war nicht so schön!)

Ich möchte nur ganz kurz einige Bemerkungen zu unserem Alternativantrag machen.