Protokoll der Sitzung vom 05.03.2004

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Tullner. - Für die SPD-Fraktion spricht Frau Krimhild Fischer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass der im Vermittlungsausschuss erzielte Kompromiss keine Gemeindefinanzreform darstellt, wie sie die rot-grüne Koalition ursprünglich vorhatte, ist unumstritten. Aber als eine gescheiterte Reform kann man das Ergebnis nicht bezeichnen. Sicher, auch ich hätte mir mehr vorstellen können, aber auf dem Weg zu der jetzt vorliegenden Fassung musste der ursprüngliche Gesetzentwurf „Federn lassen“.

Liest man sich den Antrag der PDS-Fraktion durch, stellt man fest, dass er eine Mischung aus pauschalen Aussagen und unrealistischen Forderungen ist, die so nicht unwidersprochen stehen bleiben können.

Unter Punkt 1 des Antrages soll die Feststellung getroffen werden, dass die Gemeindefinanzreform gescheitert sei. Die Gemeindefinanzreform umfasst bekanntlich zwei Kernbereiche: die Reform der Gewerbesteuer und die Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe.

Zunächst zur Gewerbesteuerreform. Dazu ist bereits gesagt worden, dass eine durchgreifende Reform in Form einer Gemeindewirtschaftsteuer nicht beschlossen worden ist. Dass das Ergebnis im Vermittlungsausschuss nicht dem entspricht, was SPD und Grüne gefordert hatten, liegt auch am Verhalten der unionsgeführten Län

der. Eines aber konnte doch verhindert werden: die Abschaffung der Gewerbesteuer in Gänze.

(Zuruf von Frau Dr. Weiher, PDS)

Diesbezüglich sind wir anderer Auffassung als der Finanzminister und die CDU.

Die beschlossenen Regelungen werden den Kommunen insgesamt Mehreinnahmen bringen, und zwar durch die Absenkung der Gewerbesteuerumlage, durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer und nicht zuletzt durch das Wirksamwerden des Mindesthebesatzes von 200 v. H. Damit wird, denke ich, so genannten Gewerbesteueroasen entgegengewirkt.

Leider war die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer insbesondere durch die Einbeziehung der freien Berufe in den Kreis der Steuerpflichtigen im Vermittlungsausschuss nicht konsensfähig. In diesem Punkt, Herr Minister Paqué, stimmen wir nicht überein.

Wir sind der Meinung, dass die Gewerbesteuerreform auch weiterhin auf der politischen Agenda bleiben muss, eben weil das Ergebnis hierbei nicht ganz befriedigend ist. Aber die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat lassen wohl erahnen, dass keine schnelle Einigung über weitere Reformen zu erwarten ist.

Zum Punkt 2 der Gemeindefinanzreform, zur Umsetzung von Hartz IV und zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Der Vermittlungsausschuss hat einen Weg gewiesen, der allen Beteiligten Verantwortung bei der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Überwindung der Arbeitslosigkeit und der Vermeidung anhaltender Hilfebedürftigkeit überträgt.

Die Kommunen werden von den Kosten der Sozialhilfe für Arbeitsuchende entlastet. Der Bund übernimmt die neuen Leistungen Arbeitslosengeld II und Sozialgeld und ist für aktivierende Hilfen zur Eingliederung verantwortlich. Das soll die Kommunen um insgesamt wohl 11,3 Milliarden € entlasten.

Allerdings übernehmen die Kommunen nunmehr die Unterkunftskosten, also die Miete und die Heizungskosten, für die Bezieher von Leistungen nach dem SGB II - das sind etwa 9,8 Milliarden € - und für die Bezieher von Sozialhilfe und Leistungen der Grundsicherung im Alter - das sind 1,3 Milliarden €. Das bisher von Bund und Ländern finanzierte Wohngeld wird gestrichen.

Die Einsparungen und die Mehrausgaben durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und durch die Wohngeldreform halten sich etwa die Waage. Die Bundesländer werden durch den teilweisen Wegfall des Wohngeldes sowie durch den Wegfall bisheriger Eingliederungsleistungen für Sozialhilfebezieher um insgesamt 2,4 Milliarden € entlastet. Diese Einsparungen müssen sie an die Kreise und die kreisfreien Städte weitergeben,

(Frau Dr. Weiher, PDS: Wo steht das?)

damit diese die politisch zugesagte Entlastung um 2,5 Milliarden € auch erfahren können. Dazu haben sich die Länder im Vermittlungsausschuss bereit erklärt.

(Frau Dr. Weiher, PDS: Aber nicht mehr! Das ist nur eine Bereitschaftserklärung!)

- Ja, dann müssen wir dafür sorgen, dass das auch umgesetzt wird und dass die Gelder dort ankommen, wo sie hingehören.

Aufgrund der großen Anzahl von Arbeitslosenhilfeempfängern in Ostdeutschland und der damit verbundenen hohen finanziellen Belastung unserer Kommunen bei der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gibt es einen Ausgleich in Form von Sonderbedarfs-Ergänzungszuweisungen in Höhe von insgesamt 800 Millionen €, davon 187 Millionen € für Sachsen-Anhalt.

Wir sollten hier im Hause aufpassen, dass dieser Betrag auch tatsächlich und ohne Abstriche an die Kommunen durchgereicht und entsprechend der Anzahl der Empfänger von Arbeitslosengeld II gerecht verteilt wird. Unsere Aufgabe in diesem Prozess wird es also sein, darauf zu achten, dass das Geld auch wirklich dort ankommt, wo es hingehört und dringend gebraucht wird, nämlich bei den Kommunen.

Ich bin mir sicher, dass es zum jetzigen Zeitpunkt fast unmöglich ist, die Auswirkungen von Hartz IV für Sachsen-Anhalt in Zahlen zu fassen, weil wir noch gar nicht abschätzen können, mit wie vielen Fällen man rechnen muss, und weil auch noch nicht genau berechnet werden konnte, wie hoch zum Beispiel die Unterkunftskosten sein werden. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Kommunen unter dem Strich mit einem Plus rechnen können.

Die im Vermittlungsausschuss beschlossenen Regelungen lassen noch viele Fragen offen. Wir haben mit dem Landkreistag, mit dem Städte- und Gemeindebund und mit den Arbeitsagenturen gesprochen und unsere Unterstützung angeboten.

Meine Redezeit ist leider zu Ende. - Ursprünglich hatten wir beabsichtigt, den Antrag der PDS-Fraktion abzulehnen. Ich bin aber der Meinung, dass es durchaus sinnvoll ist, ihn in den Finanzausschuss zur weiteren Beratung zu überweisen. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Fischer. - Für die FDP-Fraktion spricht Frau Dr. Hüskens.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Grundanliegen stimmen sicherlich alle Landtagsfraktionen überein. Wir müssen dafür sorgen, dass die Kommunen im Land zukünftig auskömmliche Steuereinnahmen haben. Wir stimmen auch darin überein, dass sie diese nicht oder zumindest nicht zum überwiegenden Teil auf Kosten des Landeshaushalts haben können.

Vor diesem Hintergrund kann man sagen, dass der Schritt, der im Vermittlungsausschuss gegangen wurde, ein erster Schritt war. Er geht auch in die richtige Richtung. Aber wenn man die Signale aus Berlin richtig deutet, bleibt das im Augenblick auch der letzte Schritt und ein Anlauf zu einer richtigen Steuerreform scheint nicht gemacht zu werden.

Unabhängig von der Bewertung im Einzelnen, die Minister Paqué schon ausführlich vorgenommen hat, zeigt die Erfahrung aus den letzten Jahren - dabei nehme ich nicht einmal die Zeiten von CDU/CSU-FDP-Regierungen im Bund aus -, dass wir an einem Punkt angekommen sind, an dem es keinen Sinn mehr macht, an den verschiedenen steuerrechtlichen Vorschriften herumzudrehen, zu schrauben, zu tackern und zu heften.

Wir brauchen eine grundlegende Steuerreform, die den einzelnen Bürgern möglichst viel Geld in der Tasche lässt und nicht über einen kosten- und personalintensiven Transfer das Geld aus der einen Tasche nimmt, es veredelt und dann deutlich weniger Geld in die andere Tasche zurückgibt. Die erheblichen Verluste auf der Strecke finanzieren dann unsere überbordende Bürokratie.

Dabei bin ich absolut dagegen, die Gewerbesteuer in dem ursprünglich diskutierten Sinn zu revitalisieren. Wir wollen - Minister Paqué hat das schon gesagt - eine Kommunalsteuer, die die Kommunen bei der Einkommen- und der Körperschaftsteuer mit einem eigenen Hebesatz versieht, und eine spürbare Erhöhung des kommunalen Anteils an der Umsatzsteuer. So soll erreicht werden, dass die Kommunen zukünftig Einnahmen auf einem vernünftigen Niveau haben und dass sich diese Einnahmen verstetigen.

Ich habe den Diskussionsbeiträgen entnommen, dass wir uns über das Ziel im Plenum einig sind, dass der Weg dahin allerdings außerordentlich unterschiedlich bewertet wird. Die FDP-Fraktion hält es deshalb für sinnvoll, sich vor allen Dingen über den Weg im Finanzausschuss zu verständigen. - Danke.

(Zustimmung bei der FDP)

Frau Dr. Hüskens, möchten Sie eine Frage von Frau Dr. Weiher beantworten?

Bitte schön, fragen Sie.

Frau Dr. Hüskens, Sie haben zu der Frage der Modernisierung der Gewerbesteuer im Rahmen der Gemeindefinanzreform erklärt, dass Sie mit einer Kommunalsteuer mit entsprechenden Hebesätzen auf die Einkommen- und die Körperschaftsteuer einverstanden wären.

Ihnen ist sicherlich bekannt, dass bei den Einnahmen aus der Körperschaftsteuer im Land Sachsen-Anhalt im letzten Jahr ein Minus, ich glaube, in Höhe von 65 Millionen € zu verzeichnen war. Wie sollte in einem solchen Fall ein Hebesatz aussehen? Ich sage es einmal so: Wenn der Betrag null ist und Sie einen Hebesatz festlegen, kommt letztlich null dabei heraus. Wie könnte es Ihrer Meinung nach gelingen, dass hierbei ein Plus für die Kommunen herauskommt?

Frau Weiher, ich denke, auch darüber können wir uns im Detail noch unterhalten. Ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer auf Dauer nicht bei null bleiben werden. Aber gerade die Mindereinnahmen bei der Körperschaftsteuer sind ein signifikantes Beispiel dafür, was geschieht, wenn man - ich sage einmal: sicherlich mit gutem Vorsatz - an verschiedenen einzelnen steuerrechtlichen Regelungen her

umschraubt und dann eben zu entsprechenden Ergebnissen kommt.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Die Debatte wird abgeschlossen durch den Beitrag von Herrn Grünert für die PDS-Fraktion.

Ich möchte zunächst aber noch Schülerinnen und Schüler des Markgraf-Albrecht-Gymnasiums in Osterburg auf der Besuchertribüne begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun bitte Herr Grünert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ankündigungen der Bundesregierung, aber auch der Landesregierung, dass es mit der Gemeindefinanzreform zu einer spürbaren Entlastung der Kommunen kommen wird, ist seit dem 17. Dezember 2003 eine herbe Ernüchterung bei den Kommunen eingetreten.

Meine Kollegin Frau Dr. Weiher ist bereits auf die Ergebnisse auf der Bundesebene eingegangen. Deshalb beschränke ich mich in meinen Darlegungen auf die von der Landesregierung und dem Landtag zu beeinflussenden Bereiche.

Übrigens, Herr Minister Paqué, zu dem Populismus, den Sie der PDS unterstellen, rate ich Ihnen, einmal in die Geschichte zurückzugehen. Seit 30 Jahren versuchen der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag eine Veränderung herbeizuführen, auch mithilfe einer Gewerbesteuerreform. Sie haben aber auch die Meinung vertreten, dass das ständige Abschneiden der Gewerbesteuer erst zu dieser drastischen Situation geführt hat.

Erstens. Die Landesregierung hat im Jahr 2003 versprochen, im Rahmen der Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes eine Umschichtung von zweckgebundenen Mitteln zugunsten der allgemeinen Zuweisungen vorzunehmen. Die Hoffnungen der Kommunen in Bezug auf diese Novellierung wurden nicht erfüllt.

Zwar ist die Landesregierung noch Anfang 2003 dafür eingetreten, möglichst 300 Millionen € aus den Zweckzuweisungen in die allgemeinen Zuweisungen umzuschichten, aber mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Vereinfachung des Finanzausgleiches waren es null. Es wurde auch festgestellt, dass es im Jahr 2004 keine Fortführung des kommunalen Investitionsprogramms geben wird.