Protokoll der Sitzung vom 07.10.2005

Aber wir haben auch schon regelrecht gegen eine solche Handlungsmaxime verstoßen, wenn man nur an das Feststellenprogramm denkt, das im Jahr 2003 ausgelaufen ist. Die VE wird nicht eingestellt. Ehe das Fachkräfteprogramm angelaufen ist, verging eine ganze Zeit und es konnte tatsächlich nicht ausgeschrieben werden. Es ging erst im März bzw. April los. Insgesamt muss man wirklich abgleichen, an welcher Stelle dem entsprochen wird.

Im Wesentlichen gehen wir aber immer mehr zur Projektförderung über, bei der diese Verstetigung ein ganz schwieriges Problem ist. Wenn man sich den Haushaltsansatz im Kinder- und Freizeitbereich anschaut, der nur noch aus Einnahmen nach dem Lotto-Toto-Gesetz gespeist wird, dann kann man dem Parlament zunächst keinen absoluten Vorwurf machen. Vielmehr muss man feststellen, dass das die realen Bedingungen sind. Man muss aber auch fragen, was man abgesehen von Geld und von vielen anderen Dingen, von denen der Ministerpräsident bereits einige aufgeführt hat, dagegensetzen kann.

Ich denke, ein Appell ist gut. Das ist Kür; die Pflicht ist tatsächlich der nächste Haushalt. An dieser Stelle kann man sagen: Sie haben Gott sei Dank einen Doppelhaushalt und brauchen das jetzt nicht zu machen. Wir müssen dann einmal gucken, wie es in der nächsten Legislaturperiode sein wird. Aber dann sollte der Landtag schon eine ziemlich feste Position haben, wie er damit umgehen will.

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns im Ausschuss darüber verständigen, die Fachbereiche detaillierter betrachten und sehen, was die Landesregierung dazu tut, kann der Maßstab auch der Koalitionsvertrag sein. Wir hatten in Vorbereitung des heutigen Tages einmal dort hineingeschaut. Dort gibt es an vielen Stellen zum Kultur- und Jugendbereich und zu anderen Bereichen ziemlich eindeutige Aussagen darüber, was man alles machen möchte, um das zu fördern.

Der Ministerpräsident hat auch gesagt, dass im Kultusministerium einiges passiert ist. Andererseits bekommen wir gerade aus dem Kinder- und Jugendbereich signalisiert - man muss prüfen, ob das stimmt -, dass manche Anträge zwei Seiten länger geworden sind. Das muss man einfach prüfen. Das liegt sehr häufig nicht an der Politik, sondern daran, dass sich manche Bereiche ein bisschen verselbständigen, wenn man nicht aufpasst.

Abschließend möchte ich als Mitglied des Ausschusses für Inneres und weil mir das Thema sehr am Herzen liegt, auf Folgendes hinweisen: Wir haben alle von der Bürgergesellschaft und von bürgerschaftlichem Engagement gesprochen. Nicht alle sprechen von einer Bürgerkommune. Der Städte- und Gemeindebund hat es in seiner letzten Denkschrift gemacht. Die Linkspartei.PDS spricht auch schon eine ganze Weile von der Bürgerkommune und muss dafür arbeiten, dass es umgesetzt wird und dass man dafür auch Partner findet. Der Städte- und Gemeindebund spricht - darauf habe ich bereits in der Anhörung aufmerksam gemacht - nach meiner Meinung sehr konservativ von der Bürgerkommune.

Auch darüber sollten wir diskutieren. Wir haben jetzt eine gute Gelegenheit dazu. Wir ändern nämlich das Kommunalrecht. Spätestens bei der Diskussion über die Gleichstellungsbeauftragten haben wir gemerkt, dass wir doch ganz schön an der Oberfläche schwimmen, wenn es um aktuelle Prozesse geht. Die Frage ist nicht nur: Gleichstellungsbeauftragte, ja oder nein? Die Frage lautet vielmehr: Wie manage ich innerhalb einer Kommune Ehrenamtsarbeit? Das sind nämlich auch die Rahmenbedingungen.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Mir bleiben noch die letzten vier Sekunden, um Ihnen zu sagen, dass wir von der Oberfläche in die Tiefe abtauchen sollten. Dann haben wir vielleicht noch einmal einen Grund, zu medienwirksamer Zeit über das Ehrenamt zu reden. - Danke schön.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS und bei der SPD)

Frau Dr. Paschke, sind Sie bereit, eine Frage der Abgeordneten Frau Dr. Hüskens zu beantworten? - Bitte sehr, Frau Dr. Hüskens.

Dann haben Sie auch noch ein bisschen mehr Zeit als vier Sekunden. - Frau Dr. Paschke, wenn ich das, was

Sie gesagt haben, richtig verstanden habe, gehen Sie davon aus, dass man definitiv einen Hauptamtlichen braucht, der das Ehrenamt organisiert. Ich habe das gerade hier in der Stadt erlebt. Es gibt in Magdeburg eine ganze Reihe von hauptamtlichen Organisationen von Ehrenamt. Haben Sie nicht die Sorge, dass die Menschen in diesem Fall zu einer Veranstaltung gehen, dort ein bisschen herumreden und dann dem Hauptamtlichen sagen: Nun mache es mal. - Das verstehe ich nicht so richtig unter Engagement.

Haben Sie nicht die Sorge, dass Sie auf diese Weise das Engagement platt machen? Wir bekommen das eigentlich nur dann hin, wenn man Strukturen schafft, in denen sich der Bürger engagiert, und zwar ohne die Verwaltung, weil er ein Interesse daran hat und weil er versucht, sich aus seinem Interesse heraus zu engagieren. Ich muss ganz offen gestehen: Ich habe häufig den Eindruck, dass die Hauptamtamtlichen genau das Engagement niedermachen, weil es irgendwie auch ihre eigene Existenz gefährdet.

Ich denke, es ist weder das eine noch das andere. Das muss man sehr wohl im Blick haben. Diese Frage, ob das überhaupt deren Aufgabe ist, wurde auch während der Anhörung im Innenausschuss gestellt. Zunächst sind in weiten Teilen Selbsthilfe und Selbstorganisation ansagt. Aber wir haben Bereiche des Ehrenamtes, die Rahmenbedingungen brauchen, in denen vernetzt und geholfen wird.

Ich sehe zum Beispiel, was die Selbsthilfegruppen leisten. Sie haben aber definitiv nur die Möglichkeiten, die sie sich selber organisieren. Sie haben zu großen Teilen nicht die Kraft, Qualifizierung zu organisieren, sich untereinander zu vernetzen und Ähnliches. Wenn dieses Bedürfnis da ist - am Tag des Ehrenamtes wurden im Landtag immer solche Fragen angesprochen -, dann brauchen sie einfach Ansprechpartner.

Wir dürfen, so glaube ich, auch nicht so tun, als ob die Verwaltung und die Politik - damit meine ich auch die Kommunalpolitik - schon immer erkannt hätten, wie wichtig Bürgerengagement ist. In der Verwaltung und in der Politik blockiert man häufig auch Bürgerengagement. Ich denke, an dieser Stelle braucht man Leute, die von dem, was sie sagen, wirklich Ahnung haben, und die sich auch innerhalb der Struktur durchsetzen können.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Paschke. - Die Debatte wird fortgesetzt mit dem Beitrag der CDU-Fraktion. Es spricht zu Ihnen Herr Abgeordneter Schomburg. Bitte sehr, Herr Schomburg.

Danke schön, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Bürger ist in die Politik zurückgekehrt. Während in der DDR, aber auch in den 70er- und 80er-Jahren in der alten Bundesrepublik das ehrenamtliche Engagement eher an den Rand der politischen Aufmerksamkeit rückte, ist spätestens seit dem Jahr 2001, dem Internationalen Jahr der Freiwilligen, das ehrenamtliche Engagement wieder in den Fokus des politischen und sozialwissenschaftlichen Interesses zurückgekehrt. Der Bundestag gründete eine EnqueteKommission zur Zukunft des bürgerschaftlichen Enga

gements, Freiwilligenbüros schossen aus dem Boden und Bürgerpreise wurden seither gestiftet.

Die Ursache für das neue Interesse am Ehrenamt liegt in der Krise des herkömmlichen Systems wohlfahrtsstaatlicher Sicherung in Deutschland und in den tiefgreifenden Wandlungsprozessen, denen die bundesrepublikanische Gesellschaft derzeit unterliegt. In dieser Situation versprechen die Konzepte einer neuen Bürgergesellschaft oder Zivilgesellschaft neue Perspektiven gesellschaftlicher Gestaltung, die den aktuellen Krisen und Verwerfungen Rechnung tragen sollen, so der Sozialwissenschaftler Christoph Sachse.

Liebe Frau Paschke, der Grund, warum wir uns zu dieser morgendlichen Stunde zu diesem Thema zusammenfinden, ist, so denke ich, verständlich. Wie oft werden solche Themen am Donnerstagabend um 18.30 Uhr oder 19 Uhr verhandelt, fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit?

(Zustimmung bei der CDU)

Deshalb war es durchaus berechtigt, diesen Kunstgriff der Aktuellen Debatte zu wählen, um dieses Thema einmal zu einer attraktiven Zeit, zu der, wie ich hoffe, auch die Presse anwesend ist, zu erörtern.

(Zustimmung bei der CDU)

Woher kommt die Idee des Ehrenamtes? Wo sind seine Wurzeln? - Die kommunale Selbstverwaltung in Deutschland verdankt ihre Entstehung der Preußischen Städteordnung vom November 1808. Diese zielte auf die Integration des aufstrebenden Bürgertums in den absolutistischen Staat durch das Angebot der Verwaltung der lokalen Angelegenheiten durch die Bürger selbst.

§ 191 bestimmte, dass die Bürger zur Übernahme öffentlicher Stadtämter verpflichtet waren, ohne dafür ein Entgelt beanspruchen zu können. Diese Regelung bildete gleichsam die Geburtsstunde des bürgerlichen Ehrenamtes. Die Entstehung des Ehrenamtes war somit untrennbar mit der Lokalgemeinschaft verbunden.

Das soziale Ehrenamt wurde im Jahr 1853 durch das später berühmt gewordene „Elberfelder System“ geschaffen, das die Durchführung der öffentlichen Armenpflege als Teil der kommunalen Verwaltung auf der Grundlage der Preußischen Städteordnung zur ehrenamtlichen Aufgabe der männlichen Bürger machte. Die entscheidende Qualifikation des Armenpflegers bestand in seiner Eigenschaft als Bürger und Nachbar und seiner lokalen Vertrautheit und Präsenz.

In den 1890er-Jahren begannen die deutschen Großstädte, die herkömmliche Armenpflege zur kommunalen Sozialpolitik auszubauen. Damit wurde zugleich ein Schub der Bürokratisierung und Professionalisierung in Gang gesetzt, der langfristig diesen Typus ehrenamtlicher Tätigkeit aushöhlte. Kommunale Verwaltung ist heute Bürokratie wie jede andere auch.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geht man durch das Land und spricht mit ehrenamtlich Engagierten, so hört man häufig von Problemen bei der Nachwuchsgewinnung. Viele Vereine sind überaltert. Gewerkschaften, aber auch Parteien und Kirchen haben immer mehr Probleme, Jugendliche und junge Erwachsene zum Mittun zu ermuntern.

Ist dieser vielfach subjektiv empfundene Schwund an Ehrenamtlichkeit auch objektiv nachweisbar? - Alle Erhebungen der letzten Jahre, auch der FreiwilligenSurvey „Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaft

liches Engagement“ - ich nehme einmal die Zahlen des Jahres 1999 - brachten das Gegenteil zutage. Nie waren mehr Menschen in ihrer Freizeit für die Gesellschaft und ihre Mitmenschen tätig als derzeit.

68 % der Bevölkerung in den alten und 55 % der Bevölkerung in den neuen Ländern sind ehrenamtlich tätig. Der Unterschied zwischen den alten und neuen Ländern ergibt sich wohl aufgrund der differierenden sozialen Situation, die ehrenamtliches Engagement einschränkt, weil die Sorge um den Lebensunterhalt und der dazu notwendige Aufwand weitaus höher ist als in den alten Ländern. Sachsen-Anhalt liegt im Übrigen mit 58 % Engagierter über dem Durchschnitt der neuen Länder.

Wo finden wir nun die Freiwilligen, wo engagieren sie sich?

7,6 Millionen im Sport, – 4 Millionen für Schule und Kindergarten, – 3,8 Millionen für Freizeit und Geselligkeit, – 3,7 Millionen in den Kirchen, – 3,4 Millionen für Kultur und Musik, – 2,8 Millionen im sozialen Bereich, – 1,9 Millionen in politischen Interessenvertretungen, – 1,6 Millionen in beruflichen Interessenvertretungen, – 1,5 Millionen bei Feuerwehr und Rettungsdiensten, – 1,1 Millionen jeweils für Jugendarbeit/Erwachsenenbildung und Umwelt/Naturschutz.

Im Schnitt leisten die Freiwilligen 23 Stunden im Monat, insgesamt also etwa sechs Milliarden Stunden im Jahr. Als Vergleich dazu mag die Zahl der in der Volkswirtschaft erbrachten Stunden dienen. Das sind 56 Milliarden. Also mehr als 10 % der in der Volkswirtschaft erbrachten Stunden werden im ehrenamtlichen Bereich geleistet. Das soll die volkswirtschaftliche Bedeutung der Ehrenämter noch einmal verdeutlichen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wo sind nun die Konfliktpunkte im Ehrenamt zu sehen? - Die Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement wie auch die Motivation sind pluraler und differenzierter geworden. Es gibt kein einheitliches Muster des Ehrenamtlichen mehr. Hier zwei Beispiele: Während bei älteren Ehrenamtlichen noch eher altruistische Motive gefunden werden können, verknüpft sich ehrenamtliches Engagement bei jüngeren auch schon oft mit beruflichen oder politischen Ambitionen oder dient in einem gewissen Maß auch der Selbstverwirklichung in Ergänzung zur beruflichen Karriere.

Ein zweites Beispiel. Bei der Bewertung von Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeit findet man nebeneinander die Auffassung „das ist Ausdruck von Wertschätzung“ wie auch die Aussage „das ist eine Entwertung des persönlichen Engagements“.

Die Frage des Miteinanders von Hauptamt und Ehrenamt hat in den letzten Jahren verstärkt an Bedeutung gewonnen, sowohl innerhalb von Verbänden als auch zwischen ehrenamtlich Tätigen und hauptamtlichen Verwaltungen. Natürlich hängt dies mit einem gewachsenen Selbstbewusstsein der Ehrenamtler zusammen, die häufig über ihren Beruf Kompetenzen ins Ehrenamt mit einbringen, die denen des Hauptamtlers nicht nachstehen.

Dort, wo ehrenamtliche Strukturen durch das Hauptamt getragen werden, gibt es auch immer wieder den Konflikt der Substitution des Hauptamtes durch das Ehrenamt. Diese Diskussionen sind in Zeiten zurückgehender finanzieller Möglichkeiten nicht zu umgehen. Zwei Aspekte sind dabei zu berücksichtigen: Gut vorbereitete

Ehrenamtliche sind in der Lage, mehr zu leisten, als ihnen von vielen Hauptamtlichen zugetraut wird. Und: Eine vollständige Substitution hauptamtlicher Strukturen, insbesondere auf Landes- oder Bundesebene durch Ehrenamtliche ist illusorisch und würde deren Leistungsmöglichkeiten vielfach überfordern.

Viel wird heute über die Gewinnung von neuen Ehrenamtlichen diskutiert. Es gibt dafür kein Patentrezept. Wichtig ist zunächst einmal eine positive Einstellung derjenigen zum Ehrenamt, die neue Mitstreiter gewinnen wollen. Die persönliche Ansprache von potenziellen Ehrenamtlichen und das Vorhandensein einer konkreten und eingrenzbaren Arbeitsaufgabe sind nach den Erfahrungen gute Möglichkeiten, Ehrenamtliche zu gewinnen. Die kontinuierliche Begleitung, geeignete Fortbildungsangebote oder eine angemessene Form des Dankes sind wichtige Faktoren zum Erhalt der Bereitschaft der Ehrenamtlichen.

Insbesondere im Hinblick auf den enorm hohen Anteil von Frauen bei den freiwilligen sozialen Diensten ist es notwendig, dass Frauen gleichberechtigt an verantwortlichen Positionen in ihrem Tätigkeitsbereich teilhaben. Vielfach ist es heute so, dass die Männer die Richtung bestimmen und die Frauen die Arbeit machen.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU)

Das kann nicht unsere Vorstellung von gleichberechtigter Teilhabe an diesem Bereich sein.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

- Guten Morgen! - Weiterhin ist es notwendig, dass eine neue Aufteilung von Aufgaben zwischen Mann und Frau stattfindet und dass freiwillige, unbezahlte Arbeit nicht als Ersatz für den Anspruch auf Erwerbsarbeit angesehen wird, dass Frauen nicht zu alleinigen Trägern ehrenamtlicher Dienste werden, sondern auch Männer sich verstärkt daran beteiligen, dass ehrenamtliche Tätigkeit Anrechnung in späteren beruflichen Tätigkeiten findet bzw. als Vorbereitung für den Wiedereinstieg in die Erwerbstätigkeit dient.

Die zeitliche Inanspruchnahme durch Ehrenämter muss überschaubar und berechenbar sein. Viele Menschen sind heute eher bereit, sich in befristeten Projekten zu engagieren, als unbefristete Verpflichtungen einzugehen. Die projektorientierte Mitarbeit auf Zeit wird sicherlich zunehmen.

Die Bereitschaft vieler junger Menschen, in unserer demokratischen Gesellschaft mitzuwirken und Verantwortung zu übernehmen, zeigt aber auch die Notwendigkeit zu einem Mut zur Erziehung. Denn konkrete Mitwirkung und Übernahme von Verantwortung werden nur dann gelingen, wenn sie verbunden werden mit Tugenden wie Fleiß, Ordnung, Pflichterfüllung.