Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei der FDP und von der Regierungsbank)

27 Staaten in einem so engen Verbund und wir, Deutschland, dabei - das war im Jahr 1945 schlicht unvorstellbar.

Sachsen-Anhalt hat - das gilt für die Landesregierung ebenso wie für den Landtag - den Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union von Anfang an - dies kam in mehreren Entschließungen zum Ausdruck - unterstützt: ideell, politisch, aber auch mit konkreten Maßnahmen.

Für uns in Sachsen-Anhalt ist die europäische Einigung ein Teil unserer eigenen Geschichte. Es wäre unredlich gegenüber allen Reformkräften in den Ländern des ehemaligen Ostblocks, wollte man ihnen jetzt, nachdem wir selbst Mitglied sind, den Beitritt zur Europäischen Union verwehren.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie treten damit auch dem Sozialmodell und den Umweltstandards der EU bei.

(Frau Dr. Klein, Linkspartei.PDS: Was für ein So- zialmodell?)

Das ist ein riesiger Erfolg für die Menschen gerade in diesen beiden Ländern. Wer dorthin fährt, kann das nachvollziehen und weiß, wie sich die Verhältnisse vor Ort auch in den Dörfern im Rahmen der Mitgliedschaft in der Europäischen Union ganz konkret verändern werden.

Das, was Sie, Herr Czeke, neoliberalen Druck genannt haben, kommt nicht aus der erweiterten EU, sondern aus Russland und China mit seinen menschenverachtenden Produktionsbedingungen. Darin liegen die Probleme, mit denen die EU insgesamt zu kämpfen hat, nicht im europäischen Sozialmodell selbst.

(Zustimmung bei der CDU)

Gleichwohl hat der Beitritt Bulgariens und Rumäniens auch in der Öffentlichkeit unseres Landes einige Fragen aufgeworfen - einige davon hat Herr Kosmehl eben angesprochen -: Sind beide Länder in der Lage, das EURecht konsequent und auch in der Praxis umzusetzen? Wie sieht es mit der immer noch grassierenden Korruption aus? Die Frage, ob die innere Sicherheit in den übrigen Mitgliedstaaten durch den Beitritt geschwächt wird, wird etwa unter den Stichworten organisierte Kriminalität oder Zunahme des Rauschgiftschmuggels auf der Balkanroute diskutiert.

Diese Fragen verlangen in der Tat eine klare Antwort; denn von der Akzeptanz des Erweiterungsprozesses in

der Öffentlichkeit hängt letztlich auch die Akzeptanz der Europäischen Union insgesamt ab.

Lassen Sie mich deshalb festhalten: Für die Mitgliedschaft Bulgariens und Rumäniens in der Europäischen Union sind in den Beitrittsverträgen zahlreiche Schutz- und Überprüfungsklauseln vorgesehen, die verhindern, dass die Standards des europäischen Rechts durch beide Mitgliedstaaten unterlaufen werden. Dazu zählen beispielsweise die in Artikel 37 der Beitrittsakte aufgeführten so genannten Binnenmarktschutzklauseln oder die in Artikel 38 der Beitrittsakte geregelten Schutzklauseln für die Bereiche Justiz und Inneres.

Für März 2007 wird der nächste Fortschrittsbericht der Europäischen Union erwartet. Dann wird zu entscheiden sein, ob auf der Basis dieser Schutzklauseln Konsequenzen gezogen werden müssen.

Bulgarien und Rumänien sind sicherlich die ärmsten Länder, die jemals in die Europäische Union aufgenommen wurden. Sie haben allerdings beim Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren bemerkenswerte Fortschritte erzielt und haben jetzt Perspektiven, die sie vorher eben nicht hatten. Das zeigen alle Untersuchungen. Auch die von Herrn Schulz vorhin angesprochene Studie zeigt, dass es in allen Staaten, die Mitglied der Europäischen Union geworden sind, zu solchen Expansionen gekommen ist. Überall dort ist eine Aufbruchstimmung erzeugt worden, wie wir sie jetzt auch in Rumänien und Bulgarien allerorten erfahren können.

Gerade wir in Sachsen-Anhalt profitieren von der Osterweiterung. Es ist richtig, in den unmittelbaren Grenzregionen gibt es Probleme, vor allem auch im Dienstleistungsbereich, die aber jedenfalls nicht bis zu uns ausstrahlen.

Herr Tögel hat vorhin das Problem des Braindrain aus Bulgarien und Rumänien angesprochen. Nur dann, wenn dort im Rahmen der Europäischen Union Wachstumsprozesse generiert werden können und auch eine Anpassung der Strukturen an den übrigen europäischen Raum gelingt, werden die jungen Leute in Bulgarien und Rumänien für sich selbst eine Zukunft sehen, die es ihnen ermöglicht, in ihren Heimatländern zu bleiben. Auch dieser Prozess verläuft erfreulich. Immer mehr junge Leute kehren nach Bulgarien und Rumänien zurück und schalten sich in die dortige Entwicklung unmittelbar ein.

Um den Anschluss an den westeuropäischen Lebensstandard zu schaffen, ist aber ein über Jahrzehnte anhaltendes weit überdurchschnittliches Wachstum erforderlich. Um die hierfür notwendigen Investitionsmaßnahmen zu ermöglichen, erhalten beide Länder erhebliche Unterstützung unter anderem aus EU-Strukturfondsmitteln. Nachholbedarf besteht allerorten: beim Bau von Ver- und Entsorgungsleitungen, beim Straßen- und Schienenbau, aber auch bei Themen wie Wohngebäudesanierung und Energieeffizienzsteigerung - alles Themenfelder, auf denen unsere Unternehmen über eine besondere Expertise verfügen, die sie in den dortigen Entwicklungsprozess einbringen können.

Angesichts dieses gewaltigen Investitionsbedarfes sind beide Länder auch für sachsen-anhaltische Unternehmen ein durchaus interessanter Markt. Sie werden dabei durch die Instrumente des Außenhandels, die wir anzubieten haben, nachhaltig unterstützt.

Meine Damen und Herren! Nicht zuletzt wegen des EUBeitritts rücken Bulgarien und Rumänien verstärkt auch

in den Fokus für eine Zusammenarbeit mit dem Land Sachsen-Anhalt. Zu Rumänien und vor allem zu Bulgarien haben wir schon vor Jahren eine Reihe von Kontakten aufgenommen. Dem Landtagsausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien wurde dazu Ende des vergangenen Jahres ein umfangreicher Bericht übermittelt, auf den ich heute verweisen möchte. Herr Schulz und auch Herr Tögel haben schon eine Reihe von Punkten angesprochen.

Besonders hervorheben will ich allerdings, dass wir in den operationellen Programmen zum EFRE und zum ESF für die Jahre 2007 bis 2013 Vorkehrungen dafür getroffen haben, dass auch Projekte der interregionalen Zusammenarbeit gefördert werden können. Ein großer Teil dieser Mittel soll für die Zusammenarbeit mit Regionen im Ausland zur Verfügung gestellt werden.

Mit dem bulgarischen Ministerium für Regionalentwicklung und Städtebau habe ich Ende Oktober 2006 ein Arbeitsprogramm für die Jahre 2007 und 2008 abgestimmt. Dieses Arbeitsprogramm ist so angelegt, dass es ziemlich zielgenau an dem Handlungsbedarf, den ich eben skizziert habe, anknüpft und dass auch Unternehmen aus Sachsen-Anhalt in die Abwicklung dieses Arbeitsprogramms einbezogen werden, sodass das Arbeitsprogramm tatsächlich - wenn man so will - als eine Art Türöffner für unsere Wirtschaft dienen kann.

Daneben führt das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt verschiedene Twinningprojekte in Bulgarien und Rumänien durch bzw. bewirbt sich um diese. Gerade diese Twinningprojekte sind für die Entwicklung nachhaltiger Wirtschaftsbeziehungen außerordentlich wichtig. Das zeigen unsere Erfahrungen auch mit anderen beigetretenen Ländern.

Zur Begegnungsstätte in Plovdiv hat Herr Tögel ebenfalls schon das Wesentliche gesagt. Wir haben die institutionelle Grundförderung für die Einrichtung durch den Abschluss eines über drei Jahre laufenden Zuwendungsvertrages zunächst einmal bis zum Jahr 2009 gesichert. Es gilt nun, die Arbeit der Begegnungsstätte auf das Ziel auszurichten, die Beziehungen zwischen Sachsen-Anhalt und Bulgarien gerade im wirtschaftlichen Bereich zu intensivieren und sich selbst tragende Projekte zu entwickeln.

Sie sehen, meine Damen und Herren, die Landesregierung nutzt alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, um die Beziehungen von Einrichtungen, Unternehmen, Verbänden und Vereinen aus Sachsen-Anhalt zu Partnern aus Bulgarien und Rumänien zu intensivieren. Letztlich aber liegt es auch an der Wirtschaft und den übrigen Akteuren selbst, diese Chancen zu erkennen und intensiv zu nutzen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Herzlichen Dank, Herr Staatsminister. - Mir liegt noch eine Wortmeldung vor. Der Einbringer wünscht noch einmal das Wort. Bitte schön, Herr Schulz.

Herr Präsident, es gab einige Äußerungen, die will und darf ich, denke ich, nicht so stehen lassen.

Zunächst einmal Folgendes, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Debatten hier im Landtag dienen ja nicht nur dazu, Gesetze zu beschließen, Präsidenten zu wählen oder Ähnliches, sondern vor allem auch dazu, der Öffentlichkeit die Positionen der einzelnen Parteien darzustellen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei Herrn Gallert, Herrn Czeke und Herrn Heft dafür, dass sie der Öffentlichkeit heute einmal ihr wahres Gesicht präsentiert haben. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei der CDU)

Wenn Herr Czeke seine Aussage nicht revidiert, die ich so verstanden habe, dass die Ausländer für den Untergang des Unternehmens Sket verantwortlich seien, dann trägt das gerade dazu bei. Ich will Ihnen einmal einige Zahlen als Gegenargumente liefern. Ich denke, die kennen Sie auch, weil Sie über die Beschäftigung von Migranten in Deutschland sprechen.

(Herr Czeke, Linkspartei.PDS: Weil Sie nie zuhö- ren! - Frau Budde, SPD: Andere haben auch zu- gehört!)

Der Anteil der Migranten aus den zehn neuen EU-Ländern an der Zahl der Arbeitnehmer in Deutschland beträgt lediglich 0,5 %. In Großbritannien beträgt dieser Anteil schon 0,8 %, in Irland 2,4 % und in Österreich 1,3 %. Wenn Sie sich einmal die wirtschaftliche Entwicklung und die Arbeitslosenquoten dieser Länder ansehen und sie mit der in Deutschland vergleichen, dann sehen Sie ganz schnell, welche Vorteile wir auch in Deutschland von dieser Entwicklung haben.

Herr Czeke spricht insbesondere über die Landwirtschaft. Lediglich 10 % der 0,5 % aus den zehn neuen EU-Ländern stammenden Arbeitnehmer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Also so groß, wie Sie es hier darstellen, Herr Czeke, kann das Problem gar nicht sein.

Bei dieser Diskussion ist auch zu beachten, dass die auf unserem Arbeitsmarkt befindlichen Migranten nicht die Arbeitsplätze deutscher Arbeitnehmer übernehmen, sondern in den Arbeitsmarkt gehen, in dem ältere Migranten beschäftigt sind. Deswegen findet keine Verdrängung von deutschen Arbeitsplätzen, so wie Sie es behaupten, statt.

Herr Czeke hat auch in sehr polemischer Weise die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland angesprochen. Ob eine Region von der Osterweiterung der EU profitiert, Herr Czeke, liegt nicht daran, ob es ein ostdeutsches oder ein westdeutsches Bundesland ist oder ob es 10 km oder 500 km von der polnischen Grenze entfernt liegt.

Die Ursachen liegen in den wirtschaftlichen Strukturen der verschiedenen Regionen. Wir müssen unsere Strukturen anpassen, damit wir genauso erfolgreich und wettbewerbsfähig sind wie die Regionen um München, Stuttgart, Hamburg und Hannover. Das war das Thema der heutigen Aktuellen Debatte. Ich denke, damit haben wir auch den Bogen zum Thema der heutigen Veranstaltung geschlossen. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Thema vor. Beschlüsse zur Sache werden nicht gefasst. Damit haben wir die beiden Themen der heutigen Aktuellen Debatte behandelt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Fragestunde - Drs. 5/476

Entsprechend § 45 der Geschäftsordnung des Landtages findet auf Antrag monatlich eine Fragestunde statt. Es liegen Ihnen in der Drs. 5/476 fünf Kleine Anfragen vor.

Ich rufe Herrn Czeke auf. Er wird die Frage 1 zum Thema EU-Schulprojekttag stellen.

In dem Vorbereitungstreffen zur 6. Sitzung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien am 16. November 2006 erfragte die Fraktion der Linkspartei.PDS den Stand zum EU-Projekttag am 22. Januar 2007. Aufgrund der Unkenntnis der übrigen Mitglieder des Landtages wurde der entsprechende Brief der Bundeskanzlerin erwähnt. Auf weitere Nachfrage benannte die Landesregierung die Landeszentrale für politische Bildung als Koordinatorin. Mit Stand vom 10. Januar 2007 konnten wir nur drei Landtagsabgeordnete der Opposition als Teilnehmerinnen und Teilnehmer feststellen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie war das Verfahren durch die Landeszentrale angelegt und warum wurden nicht alle angeschriebenen Mitglieder des Landtages einbezogen?

2. Warum dominierten Kabinettsmitglieder und Abgeordnete der Koalitionsfraktionen die Veranstaltungen, obwohl die Bundeskanzlerin alle im Bundestag vertretenen Parteien um Teilnahme gebeten hat?

Herr Kosmehl, haben Sie eine Frage?

Herr Präsident, ich will mich nur dagegen verwahren, dass mir Unkenntnis vorgeworfen wird.