Wir begrüßen die Tatsache natürlich sehr, dass der Richtervorbehalt im Entwurf ausdrücklich neu ausgebaut werden soll. Ein Aufweichen des Richtervorbehaltes, wie er auch im politischen Raum teilweise gefordert wurde, wäre rechtsstaatlich nicht zu vertreten gewesen.
Auch eine der vorgesehenen Änderungen im Straftatenkatalog halten wir für mehr als überfällig. So soll jetzt klargestellt werden, dass als generelle Voraussetzung nicht nur abstrakt eine schwere Straftat vorliegen muss, sondern dass die Straftat auch im konkreten Fall schwer wiegen muss.
Dessen ungeachtet bleibt eine ganze Reihe von beabsichtigten Regelungen, die hinterfragt werden muss. Diesbezüglich sind der Justizministerin eine Reihe von Fragen mit auf den Weg geben worden.
Nun soll man bitte nicht so tun, als sei der rasante Anstieg der Telefonüberwachungen nur darauf zurückzuführen, dass die Anzahl der Anschlüsse drastisch angestiegen sei. Damit macht man es sich zu einfach. Die Datensammelwut des Staates nimmt beängstigende Ausmaße an. Wenn dem nicht bald Einhalt geboten wird, dann werden wir zu gläsernen Menschen gemacht, wenn wir es nicht schon sind.
Rechtsanwalt Udo Vetter hat in seinem „Volksstimme“Interview auf den Vorhalt, dass doch viele Menschen sagen, wer nichts zu verbergen hat, muss eine Überprüfung nicht fürchten, Folgendes gesagt - ich zitiere -:
„Denjenigen, die da sagen, sie hätten nichts zu verbergen, sage ich, dann gehen Sie doch nackt über die Straße oder hängen Sie Ihre Einkommenssteuererklärung öffentlich aus. Das würde niemand tun, weil es zur Privatsphäre gehört.“
Zum Schluss kann ich es Ihnen nicht kleiner machen. Artikel 5 der Landesverfassung von Sachsen-Anhalt besagt: „Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“ Es sollte unser aller Interesse sein, die Hürde für einen Eingriff in dieses Grundrecht sehr hoch zu hängen. - Danke.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Tiedge. - Für die SPDFraktion spricht jetzt Herr Dr. Brachmann. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frau Ministerin hat soeben noch einmal eine aus der Sicht meiner Fraktion hinreichende Darstellung der Praxis der Telefonüberwachung in Sachsen-Anhalt, der daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sowie zur
vorgesehenen Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung gegeben. Ich kann mich deshalb kurz fassen.
Ebenso wie der Antragsteller sind auch wir der Überzeugung, dass die Telekommunikationsüberwachung einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger darstellt, die verfassungsrechtlich einem besonderen Schutz unterliegt. Zusätzlichen Evaluationsbedarf sehen wir aber anders als die FDPFraktion bei ihrer Einbringungsrede nicht. Es liegen aussagekräftige Materialien vor, die die Praxis der Telefonüberwachung hinreichend aufbereiten. Über die Phase der Evaluierung sind wir hinaus.
Aber es besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Das hat das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen zu dieser Problematik aufgezeigt. Das ist hier schon wiederholt ausgeführt worden.
Inzwischen liegt ein Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium vor, der auch die im Antrag der FDP-Fraktion enthaltenen Fragen aufgreift. Wir sind der Auffassung, dass die in diesem Entwurf enthaltenen Regelungen grundsätzlich positiv zu beurteilen sind. Das klang auch in der Debatte schon an. Der Richtervorbehalt wird gestärkt; die Regelungen zur Benachrichtigungspflicht werden verbessert und schaffen mehr Rechtssicherheit für die Betroffenen.
Was die Katalogstraftaten anbelangt, also jene Straftaten, bei denen es überhaupt zulässig sein soll, dass diese Maßnahmen zur Anwendung gelangen, gibt es sicherlich an der einen oder anderen Stelle noch ein Fragezeichen; aber dieses Fragezeichen werden wir auf der Grundlage eines Referentenentwurfs im Landtag noch nicht auflösen können. Deswegen wird meine Fraktion der Beschlussempfehlung zustimmen. - Vielen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Dr. Brachmann. - Bevor ich dem letzten Debattenredner, Herrn Kosmehl, das Wort erteile, begrüße ich Damen und Herren vom Jugendhilfe- und Ausbildungsverbund des Internationalen Bundes Köthen. Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Stahlknecht, den Hinweis auf die Protokollberichtigung haben Sie schon vernommen. Gleichwohl ist, sagen wir einmal, der Freud mit Ihnen durchgegangen, weil es durchaus immer ein Vorwurf ist, dass einige den Täterschutz vor den Opferschutz stellen würden, wenn wir über Instrumentarien diskutieren, die in unserer Verfassung angelegt sind, die aber der Verfassung auch entsprechen müssen. Ich bin Ihnen persönlich sehr dankbar, dass Sie darauf noch einmal explizit eingegangen sind und gesagt haben, dass sich die CDU dem Rahmen der Verfassung, dem Rechtsstaat beugt und im Rahmen dieser Verfassung Maßnahmen durchführt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind immer wieder - damit kommen wir schon ein bisschen zum
Ausblick - CDU- und SPD-Politiker, die bei jedem kleinen Zwischenfall Gesetzesverschärfungen fordern. Meistens sind es die Innenminister, manchmal sind es auch Justizminister.
Ich glaube, dass es notwendig ist, dass wir Sachlichkeit in solche Debatten über Instrumente bringen, die wir zur Bekämpfung von Kriminalität brauchen, die wir auch brauchen, um Beweismittel zu sichern. Wichtig ist, dass wir diese Instrumentarien so ausgestalten, dass sie mit der Verfassung im Einklang stehen. Deshalb bin ich dem Ausschuss und insbesondere Ihnen, Frau Ministerin, sehr dankbar dafür, dass wir im Ausschuss eine so gute, sachliche Debatte führen konnten.
Sicherlich hatten Sie zunächst Zweifel, ob die Daten, die wir von der Opposition gern erfahren wollten, auch beizubringen wären. Aber das, was Sie in der Septembersitzung des Ausschusses vorgetragen haben, war mehr, als wir überhaupt erwartet hätten, auch von der Tiefe her. Dafür noch einmal herzlichen Dank, insbesondere natürlich auch an diejenigen, die das vorbereitet haben; denn das bedeutete sicherlich auch eine erhebliche Arbeitsbelastung.
Ich glaube, die Arbeit hat sich gelohnt, weil wir so feststellen konnten, dass wir in Sachsen-Anhalt entgegen den Tendenzen, die aus dem Gutachten herauszulesen waren, tatsächlich eine schnelle Benachrichtigung haben, dass Überwachungsmaßnahmen nur kurze Zeit durchgeführt werden und dass das alles ordnungsgemäß abläuft. Darauf kann man auch stolz sein. Das nehme ich auf jeden Fall aus dieser Debatte mit.
Ich nehme natürlich auch mit, dass Sie im Zusammenhang mit der Anregung, die von meinem verehrten Kollegen Wolpert gegeben wurde und die darauf hinauslief, nachträglich schnell feststellen zu können, ob eine Benachrichtigung erfolgte, in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses berichten konnten, dass diese Anregung aufgenommen wurde und dass man zukünftig in eine Art Checkliste auch diesen Punkt aufnehmen wird, um schnell nachverfolgen zu können, dass alles rechtsstaatlich abgelaufen ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will ganz kurz einen Blick nach vorn werfen, weil die Telekommunikationsüberwachung jetzt nicht aufhört. Der Referentenentwurf, den die Frau Ministerin angesprochen hat, liegt inzwischen vor. Erste belastbare Aussagen und Antworten auf diesen Referentenentwurf sind mittlerweile auch schon im Raum. Dabei machen mir zwei Dinge besondere Sorgen.
Zum einen ist das die etwas unübersichtliche Neuregelung des Straftatenkatalogs. Kollege Stahlknecht, vielleicht kann man das im Wege der Selbstbefassung im Ausschuss irgendwann vor der Bundesratsbefassung noch einmal aufgreifen, damit wir uns anschauen, ob es überhaupt notwendig ist, so viele Straftaten hineinzunehmen. Teilweise ist das unbegründet geschehen, teilweise sind Straftaten gestrichen worden. Meines Erachtens lohnt sich also ein genauer Blick auf diesen Straftatenkatalog.
Sie wissen doch selbst als Jurist, wenn Sie einen Straftatenkatalog haben, der mittlerweile bis zum kleinen Buchstaben t geht,
- da ist noch Platz - muss man auch die Übersicht behalten. Es hat das deutsche Recht lange Zeit ausgezeich
net, dass es die Rechtsetzer des 19. und 20. Jahrhunderts zumindest am Anfang noch geschafft haben, Übersichtlichkeit für die Rechtsanwender zu garantieren.
Der zweite Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Vorratsdatenspeicherung. Auch sie wird in dem Referentenentwurf behandelt. Dabei bin ich auf interessante Aussagen gestoßen, nämlich dahin gehend, dass sich Frau Bundesjustizministerin Zypries offensichtlich sehenden Auges in einen Verfassungskonflikt begeben hat. Wenn sie die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Verbindungsdatenspeicherung ernst nehmen würde, hätte sie der europäischen Richtlinie nie zustimmen dürfen.
Jetzt haben wir diese Richtlinie und müssen sie umsetzen. Niemand weiß, was das für unsere Telekommunikationsunternehmen bedeutet. Sechs Monate Vorratsspeicherung anlassunabhängig, also von jedem! Ich sage Ihnen, bei der Umsetzung dieser Richtlinie muss man sehr genau hinschauen, um festzustellen, ob sie überhaupt notwendig ist, ob sie durchführbar ist und ob sie mit unserer Verfassung in Einklang zu bringen ist. In diesem Zusammenhang hoffe ich natürlich, Herr Kollege Stahlknecht, dass die Rechtsstaatspartei CDU dann auch für die Verfassung und gegen die Vorratsdatenspeicherung votieren wird. - Vielen Dank.
Herzlich Dank, Herr Kosmehl. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen somit zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 5/503. Wir stimmen ab über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verfassung zu dem Antrag in Drs. 5/97.
Wer der Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei den Koalitionsfraktionen und bei der FDP. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Die Linkspartei.PDS. Damit ist der Tagesordnungspunkt 7 erledigt.
Meine Damen und Herren! Weil Sie außerordentlich diszipliniert mitgearbeitet haben, haben wir einen gewaltigen Vorsprung. Ich würde Ihnen vorschlagen, dass wir den Tagesordnungspunkt „Erledigte Petitionen“ noch vor der Mittagspause behandeln, weil dazu keine Debatte vereinbart wurde. - Ich sehe überall Kopfnicken.
Ich darf der Berichterstatterin und Vorsitzenden des Ausschusses für Petitionen, Frau Frauke Weiß, das Wort erteilen. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Ziffer 9 der Grundsätze des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden er
stattet der Petitionsausschuss dem Landtag jährlich einen schriftlichen Bericht über seine Tätigkeit.
Der Bericht über den Tätigkeitszeitraum 1. Dezember 2005 bis 30. November 2006 liegt Ihnen als Anlage 12 zu der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses über erledigte Petitionen in der Drs. 5/494 vor.
Von dem Grundrecht, sich schriftlich mit Bitten und Beschwerden an den Landtag von Sachsen-Anhalt zu wenden, haben im Berichtszeitraum wieder zahlreiche Bürger Gebrauch gemacht. Im Berichtszeitraum gingen beim Petitionsausschuss 705 Bürgerbegehren ein. Davon konnten 549 Vorgänge als Petition registriert und bearbeitet werden. 102 wurden als Eingabe im Sinne der Grundsätze des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden beantwortet. 54 Petitionen wurden an die Volksvertretung eines anderen zuständigen Bundeslandes bzw. an den Deutschen Bundestag weitergeleitet.
Mit 27 % war beim Sachgebiet Inneres und Medien der höchste Eingang an Petitionen zu verzeichnen, gefolgt von dem Sachgebiet Justiz mit 16 %. Der geringste Eingang war im Sachgebiet Finanzen mit 4,4 % und im Sachgebiet Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit 2,2 % zu verzeichnen. Einzelheiten dazu können Sie dem Anhang A zum Tätigkeitsbericht entnehmen.
Viele Bürger nutzten die Möglichkeit der Einreichung von Sammelpetitionen. Dabei handelt es sich um Unterschriftensammlungen mit demselben Anliegen. 22 Sammelpetitionen gingen im Berichtszeitraum ein. Beispielhaft seien die Themen Erhöhung von Heimkosten, die Schließung einer Schule, die Volksinitiative „Allianz für Weißenfels“ und die Umwandlung eines Wohngebietes genannt. Würde man jede Unterschrift als Einzelpetition werten, käme man auf 38 073 Petitionen. 24 Sammelpetitionen wurden abschließend behandelt.
Eine Reihe von eingegangenen Petitionen wurde als Mehrfachpetitionen - also Eingaben mit demselben Anliegen, die individuell abgefasst sind - behandelt. So wurden neun Mehrfachpetitionen mit insgesamt 43 Zuschriften registriert. Sieben Mehrfachpetitionen wurden abschließend behandelt.
In 17 Sitzungen beriet der Petitionsausschuss 655 Petitionen, davon 592 abschließend. Das Sachgebiet Inneres und Medien führt mit 27,7 % der abschließend behandelten Petitionen, das heißt 164 Petitionen. Etwa 19 % der abschließend behandelten Petitionen, also 32 Petitionen, betrafen Ausländerangelegenheiten. Im Sachgebiet Justiz wurden 16,7 % der Petitionen, also 99 Petitionen, abschließend behandelt. 11,5 %, also 68 der abschließend behandelten Petitionen konnten als positiv erledigt angesehen werden - sei es, dass behördliches Handeln korrigiert wurde oder dass ein Kompromiss im Sinne der Petenten gefunden wurde.