Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Innenminister, es ist schon bezeichnend, dass Sie mich um Schonung bitten. Ich habe vorher, als Sie Ihre Rede gehalten haben, applaudiert, weil ich gedacht habe, dass es meine Rede ist, die Sie da halten, bis zu dem Punkt, an dem Sie plötzlich die Gemeinderäte so hoch gelobt haben, die Sie mit den Einheitsgemeinden ja abschaffen wollen.
Da habe ich gedacht: Es ist doch nicht meine Rede. - Aber ich habe ihm versprochen, dass wir das im nächsten Plenum ausführlicher machen werden.
Ich gebe auch zu, dass ich mit dem Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS meine Schwierigkeiten habe. In juristischen Kreisen gilt es als schlechtes Handwerk, mit Leitsätzen von Urteilen zu argumentieren, deren Begründungen noch gar nicht veröffentlicht sind, und hier sind noch nicht einmal die Leitsätze veröffentlicht.
(Herr Gürth, CDU: Das ist nur Wahlkampftheater der Linkspartei.PDS! Das dürfen Sie nicht ernst nehmen! - Gegenruf von Herrn Dr. Thiel, Links- partei.PDS)
Gerade im Fall des Urteils des OVG Sachsen wäre das wichtig, weil es offensichtlich auf die Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Adressaten von Abgabensatzungen abstellt. Ob es sich dabei allerdings tatsächlich um ein Grundsatzurteil handelt, will ich nicht abschließend beurteilen.
Will man dennoch einen Vergleich zu der Situation in Sachsen-Anhalt ziehen, dann ist festzustellen, dass die Gemeindeordnungen im sächsischen § 73 und im sachsen-anhaltischen § 91 fast deckungsgleich sind. Der gravierende Unterschied ergibt sich formal in § 26 KAG in Sachsen. Da steht bei der Erhebung der Abgaben „können“ und in dem KAG von Sachsen-Anhalt steht „sie erheben“, was ein Muss bedeutet.
An dieser Stelle sei übrigens erwähnt: Die Änderung im Jahr 1999 ist unter Mitwirkung der PDS zustande gekommen. Ich finde es schon erstaunlich, dass man sich jetzt darüber selbst beschwert.
Ob das allein aber auch den Unterschied in der Urteilsfindung bewirkt hat, ist überhaupt nicht klar. Befand sich die Kommune in Konsolidierung? War die Gesamtbetrachtung des Haushalts positiv zu bewerten? Gab es andere positive Zukunftsprognosen? Waren andere Kompensationsmöglichkeiten zu beachten? Und dergleichen.
Sie sehen also: Ohne Kenntnis der Urteilsgründe sind die gestellten Fragen kaum zu beantworten. Im Übrigen befasst sich dieses Urteil lediglich mit Straßenausbaubeiträgen und nicht mit Gebühren.
Meine Damen und Herren! Abgesehen davon, dass der Antrag ein wenig verfrüht erscheint, stellt sich die viel spannendere Frage: Was ist eigentlich der ordnungspolitische Gedanke, den die Linkspartei.PDS mit diesem Antrag verfolgt?
Beim ersten Lesen will man meinen, dass die Bürgerschaft von erhöhten Abgaben verschont bleiben soll. Grundsätzlich wäre dem aus der Sicht der Liberalen zuzustimmen, weil es auch unser politisches Ziel ist, die Bürger von steuerlichen Belastungen zu befreien.
Sieht man etwas genauer hin, erkennt man, dass es in der Begründung nicht allein darum geht. Der Antrag spricht von Grundstückseigentümern und Erschließungsbeiträgen. Da finden sich für Belastungen durch Erschließungsbeiträge Formulierungen wie - ich zitiere - „besonders bei privat genutztem Eigentum“. Diese Belastungen sollen im Sinne des sächsischen Urteils abgemildert werden.
Meine Damen und Herren! Denkt man diesen Gedanken konsequent zu Ende, kommt man zwingend zu dem Schluss, dass die Linkspartei.PDS dafür plädiert, dass die durch die Erschließung erzielte Wertsteigerung am privaten Eigentum durch die Allgemeinheit finanziert werden soll.
Denn eines ist doch klar: Wenn die Kosten der Erschließung nicht auf den Grundstückseigentümer übertragen werden, verbleibt die Kostentragung für die Maßnahmen bei der Gemeinde und diese erzielt ihre Einnahmen nicht durch eine Gelddruckmaschine, sondern durch allgemeine Abgaben und Steuern.
Meine Damen und Herren von der Linkspartei.PDS, wenn die FDP sich einen solchen Antrag hätte einfallen lassen, dann hätten Sie uns öffentlich dafür gegeißelt, als neoliberale Heuschrecken die Allgemeinheit zugunsten der kleinen Klientel der reichen Grundstückseigentümer zu belasten und damit die Verteilungsgerechtigkeit zu unterlaufen.
Meine Damen und Herren! Damit wir uns richtig verstehen: Die Kritik üben wir an Ihnen, weil wir nicht für Verteilungsgerechtigkeit stehen, sondern für Chancengleichheit.
Aber wenn man lamentiert, dass die Bürger und Bürgerinnen die Sanierung der öffentlichen Infrastruktur finanzieren, ist das zum einen nicht richtig, weil auch juristische Personen und wirtschaftliche Unternehmen daran beteiligt sind. Zum anderen stellt sich schon die Frage: Wer sonst als die Einwohner dieses Landes sollte die öffentliche Infrastruktur finanzieren? Was ist falsch daran, dass der Nutzer einer Einrichtung, die Geld gekostet hat, den Nutzungsvorteil auch entlohnt? Bei der Verrichtung von Tätigkeiten durch Arbeiter und Angestellte ist Ihnen dieses Prinzip nicht fremd.
Meine Damen und Herren! Dazu, dass behauptet wird, dass der Bürger nicht beteiligt werden würde, verweise ich auf § 6d des Kommunalabgabengesetzes. Darin ist die Anhörung der Betroffenen festgelegt. Im Übrigen werden die Maßnahmen von den Gemeinden beschlossen. Dabei erfolgt die Mitbestimmung der Bürger durch
Das Argument des Standortvorteils an Ländergrenzen ist nicht stichhaltig. Entweder wird die Differenz der Kosten vom Land oder der Gemeinde getragen, was wieder die öffentliche Hand zugunsten einzelner Privater belastet, oder die Maßnahme wird einfach nicht durchgeführt. Letzteres ist aber der echte Nachteil, weil es bedeutet, dass es keine Investitionen gibt.
Die Kostentragungspflicht der Bürger für von ihnen selbst gezogene Vorteile verstößt nicht gegen das Solidarprinzip und schon gar nicht gegen das Abgabenrecht. Einzelne Härten, die der Solidarität der Allgemeinheit bedürfen, sind im KAG mit Billigkeitsregelungen berücksichtigt.
Meine Damen und Herren! Der Glaube, eine Änderung des § 6 KAG hin zu einem größeren Ermessensspielraum würde dazu führen, dass die Kommunen nun in die Infrastruktur investierten und der Bürger davon nicht belastet würde, ist vor dem Hintergrund des Zustands der kommunalen Haushalte, gelinde gesagt, naiv. Die Entscheidung des OVG Sachsen ist auch nicht bindend für die Gerichte in Sachsen-Anhalt.
Der Antrag ist und bleibt ein populistisches Pamphlet und deshalb ist er abzulehnen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich den Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS erstmals las und mich daraufhin näher damit auseinander setzte, war ich schon sehr erstaunt. Selbst bei intensiver Suche war es mir nicht möglich, die komplette Entscheidung des sächsischen Oberverwaltungsgerichts, die dem Antrag zugrunde liegt, zu beschaffen. Kurze Zusammenfassungen ja, aber das Entscheidende, die Urteilsbegründung, war nicht ausfindig zu machen, und so, meine Damen und Herren, - wir konnten es hören - ging es wohl nicht nur mir.
Die Idee, eine Gerichtsentscheidung, die in einem anderen Land ergangen ist, auf Sachsen-Anhalt vergleichbar zu übertragen, halte ich nicht für grundsätzlich verkehrt, nur muss diese auch annähernd passen. So wie sich die bisherige Rechtslage hinsichtlich der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen im Land Sachsen-Anhalt darstellt, ist sie eine andere als in Sachsen.
In vielen Bundesländern - zum einen in dem diesem Urteil zugrunde liegenden Land Sachsen, aber auch in Bayern, Hessen, Baden-Württemberg und RheinlandPfalz - obliegt es der Entscheidung der kommunalen Gebietskörperschaften, Beiträge oder Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme oder Errichtung einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage zu erheben, also eine Kannvorschrift. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des sächsischen Oberverwaltungsgerichts nachvollziehbar.
Einer Gemeinde darf es nach sächsischer Rechtslage nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie davon absieht,
ihre Bürger für die Tragung der Kosten heranzuziehen, die infolge der Erneuerung und Verbesserung der in die Zuständigkeit der Gemeinden fallenden Straßen entstehen. Jedoch, meine Damen und Herren, möchte ich hier zu bedenken geben: andere Länder, andere Sitten.
In einigen Bundesländern müssen Beiträge von den Gemeinden für Verkehrsanlagen erhoben werden, soweit kein privatrechtliches Entgelt erhoben wird oder der Vorteil Einzelner auf andere Weise ausgeglichen wird - so auch im Land Sachsen-Anhalt, wo sich eine entsprechende Regelung in § 6 KAG wiederfindet.
Nun könnte die Überlegung angestellt werden: Wenn das KAG eh geändert wird, formuliert man es einfach um. Wir machen aus der Soll- eine Kannvorschrift. - Dabei darf man aber nicht § 91 der Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt ignorieren. Die Vorschrift des § 91 GO verpflichtet die Gemeinden, die ihnen gesetzlich zugewiesenen Abgabenquellen, soweit sich dies als vertretbar darstellt, auszuschöpfen. Die Gemeinde erhebt die Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften.
Für den hier vorliegenden Fall stellt dann wiederum § 6 KAG des Landes die spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage dar, welche die Pflicht der Gemeinden zur Beitragserhebung manifestiert. Diese Anordnung seitens des Landesgesetzgebers, Beiträge zu erheben, ist nicht zu beanstanden und verfassungsrechtlich unbedenklich.
Außerdem, meine Damen und Herren, halte ich vor dem Hintergrund der finanziellen Situation der öffentlichen Haushalte im Land momentan eine Änderung des KAG, die darauf zielt, auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen in Gemeinden verzichten zu können, für absolut unangemessen.
Ich halte es für zwingend erforderlich, sich zunächst umfassend mit der Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2007 auseinander zu setzen. Alle Entscheidungsgründe müssen beachtet und hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit für Sachsen-Anhalt überprüft werden. Das ist allerdings erst möglich, wenn das Urteil insgesamt verfügbar ist. Erst dann kann eine Entscheidung über das Ob und Wie der Übertragung der darin festgehaltenen Erkenntnisse getroffen werden.
Aus diesem Grund weise ich den Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS ab und bitte darum, den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in den Ausschuss für Inneres zu überweisen. - Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon stark, wie man etwas hineininterpretieren kann, was gar nicht gesagt wurde oder was nicht darin steht. Herr Wolpert, ich habe in meinen Ausführungen eindeutig gesagt: trotz berechtigter Eigenanteile auch der Eigenheimbesitzer. Aber die Frage ist doch nicht die, dass ich die im Prinzip ausschließen will. Die Frage ist, inwiefern ich einen generellen Vorteil unterstelle, der gar nicht oder nicht in dem Maße eintritt.