Meine Damen und Herren von der FDP, zu dem zweiten Satz in Ihrem Antrag würde ich als Techniker sagen: Das ist Stand der Technik. Wir haben es auch schon vom Innenminister gehört, dass das Ergebnis eigentlich klar ist. Es ist schon so, dass durch jede Zentralisierung Demokratie abgebaut wird. Übrigens hat das der stellvertretende Bürgermeister von Altenweddingen Herr Rabe auf einer Veranstaltung in Wanzleben, die ich mit Holger Hövelmann besucht habe, ausführlich vorgetragen. In diesem Sinne brauchten wir den Satz in Ihrem Antrag nicht.
Wir wollen uns im Innenausschuss berichten lassen, wie dieser Demokratieabbau durch geeignete Instrumente in dem zu erstellenden Leitbild vermieden werden kann, sodass die Gemeindereform nicht diesen Makel hat, dass Demokratieabbau in der Fläche passiert.
Einen Wilhelm-Busch-Zuschlag. Wilhelm Busch schätze ich sehr. Den, den ich jetzt zitiere, schätze ich auch. Das ist der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz Kurt Beck. Er hat in einer Regierungserklärung am 30. Mai 2006 Folgendes gesagt:
nahe Entscheidungen. Sie sind der Boden, auf dem ehrenamtliches Engagement gedeiht und wo sich die Menschen für ihre Heimat engagieren. Deshalb sagen wir ein klares und deutliches Ja zur rechtlichen Eigenständigkeit der Ortsgemeinden.“
„Dabei werden wir keine Abkehr von unserem kommunalpolitischen Grundverständnis vollziehen. Überschaubare Größenverhältnisse, besondere Bürgernähe und ein grundsätzlicher Respekt vor gewachsenen, auch regionalen Strukturen sind seit jeher ein besonderes Markenzeichen des Landes Rheinland-Pfalz. Deshalb wird es keine Reform vom Reißbrett aus geben. Das ist nicht unsere Methode.“
Herr Madl, ich habe mit Begeisterung mitgelesen. Geben Sie mir darin Recht, dass in Rheinland-Pfalz noch mehr Kleinteiligkeit herrscht als in Sachsen-Anhalt?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Bange, ich komme nicht mit einem Zitat von Beck. Ich beziehe mich auf den Antrag der FDP-Fraktion. Wir werden in der morgigen Debatte noch mehrfach Gelegenheit haben, zu den Äußerungen von Herrn Hövelmann Stellung zu beziehen.
Die Linkspartei.PDS unterstützt natürlich das Anliegen in dem Antrag der FDP-Fraktion. Auch wir wollen eine lebendige kommunale Demokratie und streben eine stärkere Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in die kommunalen Entscheidungsprozesse an.
Das Modell der Bürgerkommune und die Erarbeitung von Bürgerhaushalten in den Kommunen sind für uns mögliche Handlungsfelder. So gehört für uns zur Untersuchung der Wirtschaftlichkeit der Gemeindemodelle selbstverständlich auch die Analyse und die Darstellung von Aspekten der Bürgernähe des kommunalen Han
Mit dieser Absicht stellten wir mit Datum vom 7. Februar 2007 einen Antrag auf Selbstbefassung, den wir in den Innenausschuss einbrachten, der jedoch ohne inhaltliche Würdigung und entgegen den parlamentarischen Gepflogenheiten von den Koalitionsfraktionen abgelehnt wurde. Nur vier Wochen später erschien ein ähnlich gelagerter Selbstbefassungsantrag von der CDU-Fraktion - offensichtlich gibt es diesbezüglich Informationsbedarfe - und diesmal erfolgte keine Ablehnung.
Mit unserem Antrag wollten wir erfahren, unter welchen Prämissen das beabsichtigte Gutachten ausgeschrieben wird und ob dabei die Aspekte der demokratischen Partizipation, Identifikation und Ortsnähe berücksichtigt werden sollen. Aber auch weitere Aspekte sind aus unserer Sicht bei der Erstellung des Gutachtens notwendig. Das sind die Grundsätze in § 123 der Gemeindeordnung, Fragen der Qualifizierung des Ortschaftsverfassungsrechts in den Einheitsgemeinden sowie die Bewertung der so genannten Effizienz der Verwaltung.
Bereits im Zuge der Erarbeitung der Gesetzesgrundlagen der sich nunmehr vollziehenden Kreisgebietsreform hat unsere Fraktion konkrete Vorschläge zum Erhalt des kommunalen Ehrenamtes unterbreitet, wohl wissend, dass die Kreisgebietsreform zu einer drastischen Reduktion der Anzahl der Kreistagsmitglieder führen wird. Unsere damaligen Vorschläge wurden negiert.
Nunmehr sollen flächendeckend rund 10 000 Mandatsplätze durch die Einführung von Einheitsgemeinden abgebaut bzw. in ihrem Wirkungsumfeld erheblich geschwächt werden, nämlich durch die Umwandlung von Gemeinderäten in Ortschaftsräte und durch die faktische Abschaffung der ehrenamtlichen Bürgermeister.
Dies geschieht, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ohne die Wirkungsbedingungen der Tätigkeit ehrenamtlicher Mandatsträger, egal ob in der Gemeinde oder im Kreistag, nachhaltig zu qualifizieren. Das geht einher mit einer tatsächlichen Entmündigung der vormaligen Gemeinderäte und künftigen Ortschaftsräte, da sie in ihrer Mandatswahrnahme nur noch dem Aufgabengebiet des Ortschaftsverfassungsrechts nach den §§ 86 ff. der Gemeindeordnung unterliegen und dazu abhängig von der Haushaltslage der jeweiligen Gemeinde über finanzielle Ressourcen verfügen dürfen.
Mit der so genannten Entmündigung des Ortschaftsrates geht unserer Auffassung nach eine generelle Einengung des Ehrenamtes einher; denn wenn bürgerschaftliches Engagement keine Bezugspersonen mit Entscheidungsrecht vorfindet, dann stellt sich schon die Frage der Sinnhaftigkeit ehrenamtlicher Tätigkeit.
Meine Damen und Herren! In der öffentlichen Wahrnehmung entsteht außerdem der Eindruck, dass an den Stellen, an denen sich demokratische Strukturen auflösen, Platz für rechtsextremistische Strukturen ermöglicht wird. Diese Wahrnehmung bestätigt sich teilweise bereits in Ergebnissen.
Aus diesem Grund sind bei der Erarbeitung des Gutachtens auch und in besonderer Weise die demokratischen Teilhabemöglichkeiten konkret zu untersuchen und abzuwägen. Man kann nicht auf der einen Seite die Wichtigkeit von Demokratiebilanzen hervorheben, wie es die
Mit dem Alternativantrag der Koalition wird beabsichtigt, dieses Thema erst in das Leitbild einfließen zu lassen. Untersuchungen im Rahmen des Gutachtens werden jedoch nicht abverlangt, jedenfalls nicht nach der notwendigen Maßgabe. - Ich denke, das muss nicht kommentiert werden.
Wir als Linkspartei.PDS sprechen uns für eine positive Ausgestaltung des Ortschaftsverfassungsrechts aus. Die Ortschaften der Einheitsgemeinden brauchen ein eigenes Budget, das den Verantwortungsträgern vor Ort tatsächliche Handlungsmöglichkeiten verleiht. Insbesondere die gemeindlichen Entscheidungsfindungen wollen wir ortsnah gestaltet wissen. Ortsnähe, kurze Kommunikations-, Beteiligungs- und Entscheidungswege fördern aus unserer Sicht sowohl flexible Lösungen als auch eine bessere Identifikation und bürgerschaftliches Engagement.
Die Fraktion der Linkspartei.PDS wird den Antrag der FDP aus den genannten Gründen unterstützen, wenngleich sie mit ihrem Antrag „Zukunftsfähigkeit der gemeindlichen Strukturreform sichern“ dem Landtag von Sachsen-Anhalt heute noch einen weiter gehenden Antrag vorlegen wird. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Grünert. - Nun erteile ich Frau Schindler das Wort. Sie spricht für die SPD-Fraktion. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Anträge haben die Überschrift: „Kommunalpolitisches Ehrenamt erhalten“. Der erste Satz in dem ursprünglichen Antrag und auch in dem Alternativantrag lautet:
„Der Landtag von Sachsen-Anhalt bekennt sich zum Ehrenamt als Mittel der demokratischen Mitgestaltung auf kommunaler Ebene.“
Natürlich können alle in diesem Hohen Hause ohne Vorbehalte diesem Satz zustimmen. Alle meinen es auch so. Sehr intensiv sind wir vor Ort mit dem Ehrenamt verbunden. Fast jeder hat auch eigene ehrenamtliche Erfahrungen. Wir wissen, dass vieles vor Ort ohne die vielen ehrenamtlich Tätigen nicht möglich wäre.
Allerdings ist der zitierte Satz auch ein Satz aus so genannten Sonntagsreden. Oft entsteht der Vorwurf, dass zwischen diesen Sonntagsreden und dem tagtäglichen Handeln eine große Lücke klafft. Dieser Vorwurf steht auch in dem Antrag der FDP-Fraktion, zwar versteckt, aber trotzdem ersichtlich. Ich glaube aber, dass Sie das nicht so meinen.
Auch die Koalitionsfraktionen scheuen sich nicht davor, bei der Gemeindegebietsreform die Aspekte des Ehrenamtes intensiv zu beleuchten und zu beachten. Wir haben soeben von Herrn Hövelmann gehört, dass dieser Aspekt auch in dem zu erstellenden Gutachten beleuchtet werden wird.
Neben der Erstellung des Gutachtens ist es aber auch wichtig, die Erkenntnisse in diesem Leitbild und die
Schlussfolgerungen für die folgende Kommunal- und Gebietsreform umzusetzen. So ist auch unser Alternativantrag zu verstehen.
Nun zurück zu dem versteckten Vorwurf. Bei der Diskussion im Land, die nun intensiv geführt wird, wird oft das Argument des Verlustes der Identifikation und des Nachlassens von ehrenamtlicher Tätigkeit vor Ort vorgebracht. Dieses Argument wird in Verbindung mit der Bildung der Einheitsgemeinden geäußert. Konkrete Beweise dafür sind jedoch noch nie vorgelegt worden; sie sind mir jedenfalls nicht bekannt.
Ich kenne eher Gegenbeispiele. Im September 2006 durfte ich zum Beispiel an der Verleihung des Europäischen Dorferneuerungspreises in Ummendorf teilnehmen. Der Wettbewerb zeigte, wie Dörfer sich den Herausforderungen des ständigen Wandels stellen. In der Wettbewerbsbeschreibung steht unter anderem:
„Denn allzu vieles ist in den vergangenen Jahrzehnten über die Dörfer Europas hereingebrochen, das tiefe Spuren hinterlassen hat. Doch gab es vielerorts Menschen, die darauf nicht mit Scheuklappen, Resignation oder Flucht reagiert haben, sondern zur bewussten Gestaltung und Entwicklung ihres Lebensraums aufgebrochen sind.“
Sie werden nun fragen: Was hat das mit diesem Antrag zu tun? Viel hat es damit zu tun; denn unter den in Ummendorf ausgezeichneten 30 Preisträgern aus verschiedenen Ländern Europas waren mehr als die Hälfte Ortsteile von größeren Gemeinden.
Die Siegergemeinde war die Ortsgemeinde Koudum aus den Niederlanden. Ein Gemeinderat ist bei diesen Initiativen natürlich sehr aktiv. Er kann unterstützend wirken, aber er ist nicht alles für diese Entscheidung.
In der schon oft als Beispiel angeführten Einheitsgemeinde Sülzetal hat sich nach der Bildung der Einheitsgemeinde die Zahl der Vereine stetig erhöht. Wenn vorher in lediglich zwei Gemeinden Heimatvereine vorhanden waren, bestimmen jetzt acht Heimatvereine das örtliche Leben.