Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

„Der Landtag kann zum Zwecke der Aufklärung eines Sachverhaltes, dessen Untersuchung im öffentlichen Interesse liegt, einen Untersuchungsausschuss einsetzen.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass Vorgänge, in die die Polizei oder Beamte der Polizei involviert sind, im öffentlichen Interesse liegen, ist klar. Wie verhält es sich jedoch mit der Aufklärung eines Sachverhaltes? - Der vorliegende Antrag umschreibt den Untersuchungsauftrag unter Abschnitt I wie folgt - ich zitiere -:

„Der Ausschuss soll untersuchen und klären, ob und in welchem Umfang durch Maßnahmen, Handlungen oder Unterlassungen im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern Vorgängen mit rechtsextremistischem oder fremdenfeindlichem Hintergrund im Verantwortungsbereich der Polizei nur unzureichend oder gar nicht entgegengetreten wurde bzw. rechtsextremistische oder fremdenfeindliche Aktivitäten begünstigt worden sind.“

Danach werden unter einem Abschnitt II sechs Sachverhalte als Beispiele aufgeführt, die zunächst - darauf hat Herr Scharf richtig hingewiesen - im Fokus stehen, was nicht ausschließt, dass weitere Vorgänge hinzukommen könnten. Es handelt sich um Sachverhalte, die bereits bekannt sind. Darauf gehe ich gleich noch ein.

Meine Damen und Herren! Für die FDP-Fraktion stellt sich die Frage, ob die Aufklärung dieser Sachverhalte nur im Rahmen eines Untersuchungsausschusses möglich ist. Die Nrn. 1, 2 und 6 waren bereits mehrfach und ausführlich Gegenstand von Erörterungen im Innenausschuss.

(Zustimmung bei der FDP)

Sicher, in diesen Sitzungen sind noch nicht alle Fragen geklärt worden. Zum Teil sind auch weitere Fragen hinzugekommen. Insbesondere die für uns wichtige Frage nach den Verantwortlichkeiten in den Polizeidirektionen Dessau und Halberstadt und der Begleitung der Aufarbeitung durch die Leitungsebene im Innenministerium ist noch offen. Man hätte aber auch die Aufklärung im Innenausschuss fortführen können.

(Beifall bei der FDP - Herr Bischoff, SPD: Richtig!)

Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP hat sich von Anfang an für eine Aufklärung eingesetzt. Wir wollen eine lückenlose Aufklärung. Wir wollen strukturelle Defizite lokalisieren und erkennen mit dem Ziel, Handlungsoptionen zu entwickeln, um so etwas zukünftig zu vermeiden. Dabei wird es nicht ausbleiben, dass auch Verantwortlichkeiten klar benannt werden müssen.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube auch, dass die Sachverhalte unter den Nrn. 3 bis 5 in Ihrem Antrag im Innenausschuss als Forum der Aufklärung hätten behandelt und aufgeklärt werden können und dass wir auch dort Erkenntnisse hätten gewinnen können.

Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist ein Recht der parlamentarischen Minderheit. Dieses Recht

der Minderheit wird von uns nicht infrage gestellt. Wir stellen aber die Notwendigkeit der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in dem in Rede stehenden Fall infrage.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu dem Inhalt des Antrages zwei weitere kurze Bemerkungen machen. Aus unserer Sicht fehlt es daran, dass Sie klarer formulieren, dass auch Verantwortlichkeiten insbesondere in den Leitungsebenen der Polizeidirektionen, aber auch des Ministeriums des Innern zu untersuchen und zu bewerten sind. Diese Frage konnte in den bisherigen Ausschussberatungen noch nicht hinreichend beantwortet werden. Aus unserer Sicht wird sie deshalb sicherlich den Fokus im Untersuchungsausschuss bilden.

Neben der Aufklärung des Ablaufes und der Feststellung, welche Personen gehandelt haben, ist es eine wichtige Aufgabe, dass man Probleme und Defizite in den Entscheidungsabläufen klar feststellt, hinterfragt und dann versucht, andere zukünftige Handlungsoptionen zu entwickeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Antragsteller, Sie haben den Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern des einzusetzenden Untersuchungsausschusses mit dem Antrag eine schwere Bürde auferlegt. Die Gefahr, durch den Untersuchungsausschuss die gesamte Polizei Sachsen-Anhalts in ein falsches Licht zu stellen, ist sehr groß. Die Polizei in Sachsen-Anhalt ist nicht rechtsextremistisch oder fremdenfeindlich.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Die Polizei in Sachsen-Anhalt ist auch nicht auf dem rechten Auge blind. Ein solcher Eindruck ist aber zum Teil schon in den Medien erweckt und verbreitet worden. Mit Ihrem Antrag fördern Sie diesen Eindruck.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen mit diesem Untersuchungsausschuss sehr sorgsam umgehen, in ihm also auch entsprechend arbeiten. Die FDP-Fraktion wird sich in diesen Untersuchungsausschuss einbringen. Wir werden uns - weil wir das parlamentarische Minderheitenrecht und auch die Gepflogenheiten in diesem Hohen Hause akzeptieren und respektieren - bei der Beschlussfassung über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses der Stimme enthalten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Gibt es eine Nachfrage?

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ich ziehe meine Frage zurück!)

- Herr Gallert zieht seine Frage zurück. Damit hat sich das erledigt. - Als nächster Debattenrednerin erteile ich jetzt der Vorsitzenden der Fraktion der SPD Frau Budde das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorfall, der den Anlass zu dem vorliegenden Antrag aus den Reihen der LINKEN bildet, ist ein ernster. Frau Tiedge, auch wenn die mediale Ouvertüre zu diesem Tagesordnungspunkt einen gewissen - aus unserer Sicht natürlich

zweifelhaften - Unterhaltungswert hatte, sind die Vorgänge in der Polizeidirektion Dessau alles andere als amüsant. Im Gegenteil, sie sind ernst zu nehmen. Ich denke, in diesem Hohen Hause besteht ein absoluter Konsens darüber, dass diese Vorfälle restlos aufzuklären sind.

Wir müssen und wir werden gemeinsam alles in unserer Macht Stehende tun, damit die Polizei im Kampf gegen den Rechtsextremismus keine Fehler macht. Dazu müssen wir sie aber zuallererst unterstützen und, wenn es im Einzelfall nötig sein sollte, auch streng kontrollieren. Das ist unsere Aufgabe als gewählte Parlamentarier und als Vertreter der demokratischen Kräfte im Land.

Trotz dieses fest gefügten Grundkonsenses haben wir als Koalition eine andere Auffassung bezüglich des weiteren Aufklärungsbedarfes und bezüglich der dafür notwendigen Instrumente. Das hat sowohl sachliche als auch politische Gründe.

Auf der sachlichen Ebene ist aus unserer Sicht das jetzige Verfahren völlig ausreichend. Der Innenausschuss hat sich bereits in zwei Sitzungen mit dem Thema beschäftigt. Er hat ausführliche Berichte vom Innenminister erhalten. Er hat den Rektor der Fachhochschule der Polizei des Landes, der den Bericht zu den Vorgängen verfasst hat, angehört. Dabei wurden den Abgeordneten alle Fragen, die sie gestellt haben, beantwortet.

Das war ein transparentes und ein zielführendes Verfahren. Man hätte es weiterführen und die Staatsschützer im Ausschuss zu ihrer Sicht der Dinge befragen können. Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Weg gemeinsam mit dem Innenminister gangbar gewesen wäre.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Der Innenminister hat mit seinem Vorgehen unter Beweis gestellt, dass er die vollständige Aufklärung der Vorfälle nicht nur vorbehaltlos unterstützt, sondern maßgeblich selbst mit vorantreibt. Wir halten das laufende Aufklärungsverfahren daher für ausreichend. Ein Untersuchungsausschuss ist unserer Auffassung nach nicht notwendig.

(Zustimmung bei der SPD)

Der politische Grund, warum wir dem Antrag nicht zustimmen können, liegt im Instrumentarium des Untersuchungsausschusses als solchem. Der Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert der Opposition; das ist so. Er stellt das Minderheitenrecht sicher, dass die Opposition ihrer verfassungsmäßigen Aufgabe der Kontrolle der Regierung nachkommen kann, wenn sich die Regierung dieser Kontrolle vehement verweigert.

Aber zum einen verweigert sich die Regierung in diesem Fall nicht der Offenlegung ihrer Arbeit - sie betreibt dies im Gegenteil offensiv -, und zum anderen lehrt die Erfahrung aus allen bisherigen Untersuchungsausschüssen - ich kenne einige in diesem Landtag -, dass sich dieses Schwert nicht gegen die Institutionen, sondern gegen die politisch verantwortlichen Akteure richtet.

Auch wenn ich der Linksfraktion abnehme, dass sich ihr Antrag nicht zuvorderst gegen Holger Hövelmann richtet, richtet sich ein Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen bei der Polizei per se gegen den Innenminister. Einer solchen impliziten Anschuldigung oder Anklage gegen den Innenminister, der seit Beginn seiner Amts

zeit immer eine klare Linie verfolgt hat, wenn es um den Kampf gegen den Rechtsextremismus ging, können wir uns nicht anschließen und werden wir uns nicht anschließen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Herrn Kur- ze, CDU)

Wir werden deshalb auch dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen. Wir respektieren aber aus voller Überzeugung das Minderheitenrecht der Opposition. Es ist ein wichtiger Baustein unserer parlamentarischen Demokratie. Wir akzeptieren, dass bei der Fraktion DIE LINKE der Aufklärungsbedarf offensichtlich nicht vollständig gedeckt ist. Wir werden daher als Koalition nicht gegen den Antrag stimmen, sondern uns der Stimme enthalten, und wir werden im Untersuchungsausschuss natürlich auch aktiv mitarbeiten.

Denn über allem steht das gemeinsame Ziel: der Kampf gegen den Rechtsextremismus. Dabei ziehen wir an einem Strang. Die Unterstellung aber - Frau Tiedge, ich habe mir Ihren Schlusssatz genau angehört -, die Landesregierung müsse den Eindruck beseitigen, dass die Maßnahmen des Innenministeriums und damit der Landesregierung nur für die Galerie seien, finde ich unglaublich. Ich glaube, dies bedarf keines weiteren Kommentars.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Frau Budde, für Ihren Debattenbeitrag.

Bevor ich noch einmal der LINKEN das Wort erteile, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Braunsbedra auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Zum Abschluss der Debatte erteile ich noch einmal der LINKEN das Wort. Es spricht die Abgeordnete Frau Tiedge. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass niemand meiner Rede zugehört hat, zumindest nicht von denjenigen, die außer mir geredet haben.

(Beifall bei der LINKEN - Oh! bei der CDU)

Herr Scharf, nicht der Untersuchungsausschuss gefährdet das Ansehen dieses Landes, sondern das Ansehen dieses Landes wurde durch Vorkommnisse in Polizeidirektionen gefährdet, durch das Agieren oder Nichtagieren von Polizeibeamtinnen und -beamten in diesem Land, die dank der Medien - ich glaube, Medienschelte ist an dieser Stelle nun wirklich völlig fehl am Platze - aufgedeckt werden konnten. Wir haben im Innenausschuss eben leider nicht die erforderlichen Antworten auf das bekommen, was wir dort gefragt haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach dem Motto zu handeln, wenn wir nicht darüber reden, ist das alles schon nicht so schlimm - ich glaube, das ist der völlig verkehrte Weg im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Dabei reiben sich die anderen die Hände, aber nicht die - und dabei beziehe ich das ge

samte Haus mit ein -, die gegen den Rechtsextremismus vorgehen wollen.

(Frau Feußner, CDU: Das hat doch niemand ge- sagt! Unterstellen Sie doch nichts! - Herr Stahl- knecht, CDU: Das hat doch niemand gesagt! Da haben Sie uns nicht zugehört!)