Protokoll der Sitzung vom 13.09.2007

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke, Herr Innenminister. - Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Wolpert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das FAG ist ein Gesetz, das sich seit mehr als zehn Jahren als Instrument des Ausgleichs innerhalb der kommunalen Gemeinschaft bewährt hat. Seit dem Inkrafttreten des FAG hat es immer wieder punktuelle Veränderungen gegeben, die dem Geist der Zeit Rechnung tragen sollten. Teilweise ist dies auch gelungen.

Aber, meine Damen und Herren, inzwischen hat es auch viele Veränderungen in der Realität gegeben und gleichzeitig stehen gravierende Änderungen in der absehbaren Zukunft bevor, die es rechtfertigen, über eine grundsätzliche Erneuerung des FAG nachzudenken. Insofern ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE ein richtiges Anliegen.

Durch die Kreisgebietsreform wurde die Anzahl der Kreise verringert und gleichzeitig die Verpflichtung zur Aufgabenübertragung in Form einer Funktionalreform gefordert. Der demografische Wandel wird eine Verschiebung der Einwohnerzahlen innerhalb der kommunalen Familie ergeben. Schließlich ist zu befürchten, dass die Gemeindegebietsreform - gewollt oder nicht gewollt - Auswirkungen haben wird.

Nimmt man die Vorgaben unserer Verfassung bezüglich des Ziels der annähernd gleichwertigen Lebensverhältnisse und des Konnexitätsprinzips ernst - Letzteres sollte man im Hinblick auf das Urteil des Verfassungsgerichts Thüringen tun -, kommt man zu dem Schluss, dass es grundlegende Veränderungen geben muss.

Im Hinblick auf die Vorgaben des Konnexitätsprinzips sind die Kosten der Aufgabenerledigung stärker in den Vordergrund zu stellen. Dabei böte es sich an, dem eine Analyse voranzustellen, bei der in Aufgabengruppen unterteilt wird: Wer nimmt welche Aufgaben wahr - kreisliche und gemeindliche Aufgaben, Aufgaben des eigenen Wirkungskreises und des übertragenen Wirkungskreises.

Die Klassifizierung allein nach der zentralörtlichen Bedeutung würde nicht verschwinden, aber in der Gewichtung geringer zu beachten sein, denn der Aufgabengewichtung ist der Vorrang zu geben.

Auch die Einwohnerzahl darf nicht unberücksichtigt bleiben. Sie ist der wichtige Faktor hinsichtlich der Erfüllung des Ziels der gleichwertigen Lebensverhältnisse. Meine

Damen und Herren! Dabei müssen auch lieb gewonnene Kriterien auf den Prüfstand. Die Binnenverteilung ist aufgabenbezogen zu hinterfragen. Rechtfertigt zum Beispiel die Bevölkerungsschwankung die prozentuale Angleichung oder sind Aufgabenzuwächse eine Voraussetzung für eine Veränderung?

Auch die Entflechtung der Gruppen ist notwendig. Nehmen Sie das Beispiel der von Magdeburg gewünschten Eingemeindung von Barleben. Nach dem Rechenbeispiel des Landkreistages führt die Eingemeindung von Barleben zu einer Verschiebung bei der Zuweisungsmasse in Höhe von 8 Millionen € weg von Magdeburg hin zu Halle und Dessau-Roßlau. Der ordnungspolitische Effekt, Magdeburgs Stadt-Umland-Problematik zu entschärfen, führt zu finanziellen Verlusten bei Magdeburg in Verbindung mit einer Finanzspritze für DessauRoßlau, das zwar auch Probleme hat, aber nicht mit dem Umland. Es wird also deutlich, dass auch hier ein Eingriff notwendig ist.

Noch ein Wort zur Verbundquote. Auch die FDP-Fraktion ist der Auffassung, dass diese nicht abzusenken ist. Auch die Vergleiche mit den anderen Bundesländern und das Ziel, irgendwann einmal auf eine Verbundquote von 18 % zu kommen, werden nicht durch den Hinweis der Landesregierung - dies hat der Ministerpräsident angeführt - gerechtfertigt, dass eine solche Absenkung notwendig sei, um die Mittel beim Land zu belassen, damit möglichst viel Fördermittel für das Land kofinanziert werden könnten.

Ein solches Argument greift nur im Zusammenhang mit einer gleichzeitigen Einsparungsanstrengung auf Landesseite durch Aufgabenreduzierung und anderes. Einen solchen Sparwillen haben wir heute Morgen in den Haushaltsplanentwürfen allerdings noch nicht so richtig erkennen können.

Meine Damen und Herren! Ein Weiteres ergibt sich aus der Natur der Sache selbst. Das FAG abzuändern ist eine Aufgabe im Konsens der Parteien. Es lohnt sich für das Land, den Mechanismus der Verteilung der Mittel auf einer breiten parlamentarischen Grundlage zu erneuern. Es kann nicht alleinige Aufgabe der Landesregierung und auch nicht alleinige Aufgabe der kommunalen Spitzenverbände sein, dies zu tun. An dieser Stelle ist auch und vor allem der Landtag gefragt und in der Pflicht.

(Herr Gürth, CDU: Richtig!)

Dass die in dem Antrag der LINKEN gewählten Prüfaufträge allein zielführend sind, will ich nicht endgültig bestreiten, aber auch nicht befürworten. Mit den Sonderfaktoren habe ich meine Schwierigkeiten, insbesondere damit, inwieweit die kommunale Trägerschaft verantwortlich oder nicht verantwortlich für Arbeitslosenzahlen und Ähnliches ist. Mir fällt es ein wenig schwer, einen solchen Zusammenhang auf Anhieb zu erkennen. Aber ich denke, es kommt auch auf den Zeitpunkt an.

Der Alternativantrag der Koalitionsfraktionen springt an dieser Stelle zu kurz. Es reicht nicht, dass wir einen Bericht zu der jetzigen FAG-Veränderung bekommen. Es ist schon notwendig, dass wir dauerhaft über die Veränderung des FAG im Landtag diskutieren. Deswegen möchte ich von dem Anliegen der LINKEN etwas abweichen und nicht für eine Berichtspflicht im Innenausschuss, sondern eher für eine Überweisung dieses Antrags an den Innenausschuss plädieren, um dort das

weitere Prozedere erörtern zu können, wie sich der Landtag an der Veränderung des FAG dauerhaft beteiligen kann. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Wolpert. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Madl.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der kommunale Finanzausgleich ist ein sehr schwieriges Thema. Das wissen wir alle selbst. Seit dem 1. Januar 1995 beschäftigen wir uns mit dem Thema FAG.

Herr Grünert, Sie sagten, wir brauchen eine grundlegende Strukturreform des kommunalen Finanzausgleichs. Ich denke, das allein reicht nicht aus; denn es ist zu kurz gesprungen, dieses Gebiet abzukapseln und es isoliert zu betrachten.

Meine Vorredner, wie Herr Wolpert und der Innenminister, haben bereits im Einzelnen auf die Aufgabenwahrnehmung abgehoben. Ich denke, das erste und das für mich auch wichtigste Ziel ist die Umsetzung des Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetzes und der Funktionalreform: Wer macht was wann wo? Was machen wir überhaupt noch? Worauf sind wir bereit zu verzichten, um über Deregulierungen einen ordentlichen Finanzausgleich hinzubekommen?

Ich habe festgestellt, dass jedes Mal, wenn wir uns über den Finanzausgleich unterhalten und Gesetzesänderungen vorgenommen haben, alle Zuteilungsberechtigten, also die kreisfreien Städte, die Landkreise und die kreisangehörigen Gemeinden, mit dem Ergebnis nicht zufrieden waren, weil jeder gedacht hat, er sei zu kurz gekommen, und weil jeder gern mehr bekommen hätte. Ich denke, bei einer solchen Strukturänderung, auf die Ihr Antrag abzielt, könnte es genauso kommen. Das Problem ist viel zu komplex, als dass man es nur an einer Strukturreform dieser einzelnen Punkte festmachen könnte.

Der Innenminister hat - Gott sei Dank - auf die zwei Stufen aufmerksam gemacht, die im Koalitionsvertrag niedergeschrieben sind. Wenn Sie sich Ihren Antrag unter den Prämissen des Koalitionsvertrags ansehen, dann werden Sie feststellen, dass sich Ihr Antrag eigentlich erledigt hat - zumindest aus meiner Sicht.

Die Forderung des Landkreistages, die Bemessungsgrundlage auf 100 % anzuheben, ist für die Landkreise sicherlich charmant. Der Innenminister hat sehr ausführlich dazu gesprochen. Man muss diese Dinge komplex sehen. Das Volumen von 160 Millionen € ist angesprochen worden. In diesem Zusammenhang muss man auch die Konsequenzen für den kreisangehörigen Raum sehen.

Wir haben in der Diskussion seit 1995 an dem Grundsatz festgehalten, dass wir die allgemeinen Zuweisungen prioritär betrachten und nur die zweckgebundenen Zuweisungen als Sonderregelungen vorsehen. Dabei wollen wir bleiben. Ich denke nicht, dass die Forderung oder der Wunsch, den Sie in Ihrem Antrag niedergeschrieben haben, dass für freiwillige Aufgaben ein Spielraum von mindestens 5 v. H. ermöglicht werden sollte,

um die kommunale Selbstverwaltung vor Ort sicherzustellen, zielführend ist. Dass die eigene Steuerkraft als wesentlicher Maßstab Basis bleiben soll, ist Konsens.

Ich will noch etwas zu den zentralörtlichen Funktionen sagen. Das ist eine Geschichte, die sehr schwierig ist. Sie wissen, dass wir rechtlich festgeschriebene zentrale Orte haben. Diese sind im Januar 1996, damals im Kabinett Höppner/Heidecke, festgeschrieben worden. Wir haben seit 1996, also seit elf Jahren, eine Entwicklung in Sachsen-Anhalt vollzogen. Wir haben tatsächliche zentrale Ort, die aber nicht rechtlich festgeschrieben sind.

Ich denke, es ist bei der Beurteilung der Verteilung der Finanzkraft eine sehr wichtige Aufgabe, auch diese Dinge zu beleuchten. Allein die jetzigen zentralen Orte aus dem Landesentwicklungsprogramm herauszunehmen und dafür die Zwischenlösung mit den 4 % und den 8 %, die wir bisher angewendet haben, greifen zu lassen, ist, denke ich, nicht der richtige Weg.

Mit der Problematik der außergewöhnlichen Belastungen habe ich mich sehr schwer getan. In Ihrem Antrag ist zu lesen: „Höhe der Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft, Höhe der Arbeitslosigkeit, Anteil Kinder, Jugendlicher bzw. Studenten usw.“

Die Abkürzung „usw.“ habe ich unterstrichen und mich gefragt: Was heißt „und so weiter“? Diesbezüglich kann man eine Vielzahl von Kriterien formulieren, die man noch aufnehmen könnte. Man könnte auch noch nach Altersgruppen, nach Männchen und Weibchen und nach sonst was differenzieren. Ich glaube jedoch, dass ein solcher Aufwand den Nutzen nicht rechtfertigen würde; denn der Effekt, den wir alle erreichen wollen - ich habe das schon zu Anfang gesagt -, wird dadurch möglicherweise nicht erreicht.

Wir haben aus diesem Grunde einen Alternativantrag eingebracht, und zwar in der Hinsicht, dass wir uns auf der Basis der Verhandlungen zum Koalitionsvertrag, in denen wir sehr intensiv über das Thema diskutiert haben, wie wir mit dem FAG und der Strukturierung umgehen, in den Ausschüssen berichten lassen. Es geht, wie gesagt, um die zwei Schritte, um die erste Stufe am 1. Januar 2008 und dann um die zweite Stufe. Dann können wir über all diese Sachen diskutieren. Ich glaube, dass unser Alternativantrag ausreichend ist und es genügt, die Sache so zu bewerten, wie wir es vorgeschlagen haben. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Danke, Herr Madl. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Schindler.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als die Fraktion DIE LINKE diesen Antrag formuliert hat, müsste der Entwurf des Doppelhaushaltsplans schon vorgelegen haben. Sie werden gesehen haben, dass die 22,3 % bereits Bestandteil des Doppelhaushalts sind. Das haben Sie selbst festgestellt.

Es ist schön, wenn die Fraktion DIE LINKE die diesbezügliche Regierungsarbeit unterstützt. Wir können das nur begrüßen. Also erwarten oder hoffen wir, dass Sie zumindest diesem Teil des Haushaltsplans ohne Pro

bleme zustimmen werden. Vielleicht kommen aber auch während der Haushaltsberatungen andere oder neue Forderungen. Ich hoffe aber, nicht in diesem Punkt.

Zum zweiten Punkt Ihres Antrags. Sie haben festgestellt - das ist auch in den Reden des Ministers und meines Vorredners festgestellt worden -, dass die Regierung und auch die die Regierung tragenden Fraktionen in diesem Punkt schon einen Schritt weiter sind. Wir haben natürlich auch erkannt, dass der Finanzausgleich in Sachsen-Anhalt nach dem Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs neu bewertet und evaluiert werden muss.

In einem ersten Schritt - das wurde von dem Herrn Minister dargestellt - wurde bereits ein Konsultationsverfahren zwischen der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden vereinbart. Dass die Regierung mit den Spitzenverbänden in einen intensiven Austausch getreten ist, konnten viele Mitglieder dieses Hauses in der letzten Woche am 7. September 2007 feststellen.

Nun ist auch ein Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes in Vorbereitung. Dieses wird in Kürze in den Landtag eingebracht werden. Das ist die erste Stufe einer Änderung. Bei der Beratung über diesen Gesetzentwurf können Sie, so denke ich, Ihre Vorstellungen gut einbringen.

An den von Ihnen genannten Schwerpunkten für eine Änderung habe ich jedoch meine Zweifel. Ich halte sie für sehr ungenau. Sie schreiben im ersten Anstrich unter Punkt 2:

„Das Verhältnis zwischen allgemeinen und zweckgebundenen Zuweisungen ist so zu bemessen, dass die kommunale Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze wahrgenommen werden kann...“

Eine solche Verpflichtung besteht ohnehin aufgrund der geltenden gesetzlichen Regelungen. Die Landesregierung stellt sich mit der Aufstellung eines jeden Haushalts erneut dieser Aufgabe.

Sie schreiben weiterhin, „ein Spielraum an freiwilligen Aufgaben von mindestens 5 v. H.“ soll ermöglicht werden. Eine prozentuale Festlegung für freiwillige Aufgaben, wie man es manchmal auch für den Landeshaushalt diskutiert, ist - so sage ich - an dieser Stelle trügerisch. Ein Anteil von 5 % wovon? Ein Anteil von 5 % vom Gesamthaushalt kann sehr wenig oder sehr viel sein. Das sagt noch nichts über die tatsächliche Höhe aus.

In Bezug auf Ihren vierten Anstrich stimme ich meinem Vorredner zu. Ich habe mich schwer getan mit der Definition „außergewöhnliche Belastung“. Es wird schwierig sein und es wird kritisch zu bewerten sein, wenn Sie gerade die in Ihrer Aufzählung genannten Kriterien zur Definition machen wollen, und zwar - so verstehe ich es - dann auch differenziert nach den verschieden Kommunen und nicht nach den Kommunen insgesamt.

Sie sprechen davon, dass diese außergewöhnlichen Belastungen durch die kommunalen Träger nicht zu verantworten sind. Auch in diesem Punkt stimme ich Herrn Wolpert zu: Wie ist denn Kommunalpolitik zu verstehen, wenn das alles nicht zu verantworten ist oder wenn man darauf überhaupt keinen Einfluss haben soll, nämlich auf die Anzahl von Kindern, auf die Arbeitslosigkeit vor Ort und auch - Sie haben es selber gesagt - auf die Anzahl der Älteren in einem Ort? In einem kleinen Ort, der ein Pflegeheim hat, zählen die Bewohner des Heimes dann

mit. Ist das eine besondere Belastung? Ich möchte Kinder und Ältere nicht als eine besondere Belastung für eine Kommune verstehen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Minister Herrn Hövelmann)

Eine Belastung sachgerecht und richtig zu definieren und nicht neue Ungerechtigkeiten zu schaffen, halte ich daher für sehr schwierig. Die SPD-Fraktion wird daher den Antrag der Fraktion DIE LINKE ablehnen und bittet um Zustimmung zu dem vorgelegten Alternativantrag.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)