Protokoll der Sitzung vom 11.10.2007

Der zur Abstimmung gestellte Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen enthielt einen Formulierungsvorschlag zu den §§ 116 und 123 der Gemeindeordnung, der inhaltlich dem entsprach, was die Koalitionsfraktionen schon Ende Juni angeregt hatten, was aber dann durch den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst in Abstimmung mit der Ministerialverwaltung in eine solide und zustimmungsfähige Rechtsform gebracht worden war. Dieser Änderungsantrag ist dann in der Sitzung am 27. September 2007 beschlossen worden.

Meine Damen und Herren! Im Ergebnis der erschöpfenden Ausschussberatungen über den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen verabschiedete der Ausschuss am 27. September 2007 mit 8 : 0 : 4 Stimmen die Ihnen in Drs. 5/892 vorliegende Beschlussempfehlung. In die Beschlussempfehlung sind die Anhörungsergebnisse auch schriftlicher Art sowie die Anregungen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes eingeflossen.

Im Namen des Ausschusses für Inneres bitte ich um Ihre Zustimmung zu der vorliegenden Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Herr Rothe, für die Berichterstattung. - Für die Landesregierung wird Innenminister Herr Hövelmann sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Rahmenbedingungen für kommunale Unternehmen haben sich verändert. Durch die Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes sind die deutschen Energiemärkte geöffnet worden. Damit endete im Bereich der Energieversorgung die Monopolstellung der kommunalen Versorgungsunternehmen mit abgegrenzten und geschützten Gebieten.

Das Gemeindewirtschaftsrecht ist an den neuen energiewirtschaftlichen Ordnungsrahmen anzupassen, um Wettbewerbsnachteile für kommunale Unternehmen zu vermeiden, die sich nunmehr vermehrt Konkurrenz auf dem heimischen Markt ausgesetzt sehen, sich selbst aber aufgrund gemeindewirtschaftlicher Vorschriften nur erschwert außerhalb der eigenen Gemeindegrenzen wirtschaftlich betätigen dürfen.

Das Ministerium des Innern hat bereits zu Beginn des Jahres erste Gespräche mit den Beteiligten geführt und Vorschläge entwickelt, wie den veränderten Rahmenbedingungen durch eine Änderung der Gemeindeordnung Rechnung getragen werden könnte. Ein entsprechender Gesetzentwurf war nach Abstimmung mit anderen Ressorts so weit vorbereitet, dass er dem Kabinett

vorgelegt werden konnte. Davon wurde dann abgesehen, da bekannt wurde, dass die Fraktionen der CDU und der SPD einen eigenen Gesetzentwurf planten, der inhaltlich dieselben Intentionen verfolgte. Auf diese Weise war auch eine schnellere Umsetzung der beabsichtigten Gesetzesanpassung zu erwarten.

Der nun vorliegende Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres wird dem Anliegen, einen Wettbewerbsnachteil der kommunalen Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen im Bereich der Energieversorgung zu vermeiden, in vollem Umfang gerecht.

§ 116 Abs. 3 der Gemeindeordnung trägt erheblich zur Rechtssicherheit der Betätigung der betroffenen Kommunen und deren Unternehmen bei und reduziert zudem den Aufwand. Die Unternehmen können viel schneller und flexibler reagieren und sich auf sich verändernde Marktverhältnisse sofort einstellen. Die wirtschaftliche Betätigung muss lediglich die berechtigten Interessen der betroffenen Gemeinden wahren, nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen und die Gemeinde muss den Zweck genauso gut und wirtschaftlich wie ein anderer erfüllen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Bedingung ist an und für sich eine Selbstverständlichkeit; denn andernfalls würde die Gemeinde durch ihr Unternehmen unwirtschaftlich tätig sein und Verluste für ihren Haushalt verursachen. Diese Subsidiaritätsklausel - wie diese Vorschrift im Gemeindewirtschaftsrecht etwas schwerfällig genannt wird - ist dabei auf ein normales Niveau zurückgeführt worden, was von mir ausdrücklich begrüßt wird; denn es ist in der Praxis durchaus schwierig nachzuweisen, dass man besser und wirtschaftlicher als ein anderer ist.

Die jetzt vorgesehene Klausel entspricht im Übrigen den Rechtsvorschriften in allen anderen Bundesländern und ist unter dem Aspekt, fairen Wettbewerb für alle Unternehmen zu schaffen, sehr hilfreich.

Gleiches gilt auch für die verbundenen Dienstleistungen in diesen Bereichen. Sie müssen lediglich eine im Vergleich zum Hauptzweck untergeordnete Bedeutung besitzen und die Gemeinde muss in der Lage sein, diese Leistung mindestens genauso gut und wirtschaftlich wie ein anderer anbieten zu können.

So können die Gemeinden mehr Leistungen wahrnehmen, die üblicherweise in diesen Bereichen mit angeboten werden. Dies ermöglicht es den kommunalen Unternehmen, mit den privaten Unternehmen zu konkurrieren, die diese Leistungen ohne Beschränkung anbieten können. Unter dem Aspekt, dass Kunden häufig Angebote aus einer Hand bevorzugen, dient auch diese Gesetzesänderung dazu, möglichst Wettbewerbsgleichheit herzustellen.

Unter diesem Aspekt, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist auch die Änderung des § 123 der Gemeindeordnung zu sehen. In den Bereichen Strom-, Gas- und Wärmeversorgung wird der Zeitpunkt der Anzeigepflicht für mittelbare Beteiligungen vorverlegt. Bislang hatten die Kommunen, die beabsichtigten, sich mittelbar an einem Unternehmen in den genannten Bereichen zu beteiligen, die Pflicht, dies anzuzeigen, nachdem ein entsprechender Gemeinderatsbeschluss gefasst worden ist. Die Anzeige hatte rechtzeitig, mindestens aber sechs Wo

chen vor Vollzug bei der Kommunalaufsicht zu erfolgen. Diese Frist konnte oft nicht eingehalten werden. Sie dehnte sich durch Änderungen der Kaufangebote, fehlende Unterlagen etc. in vielen Fällen noch weiter aus.

Mit der Vorverlegung der Anzeigepflicht kann die Kommunalaufsichtsbehörde bereits vor dem Gemeinderatsbeschluss gewährleisten, dass die Rechte der Kommune gewahrt sind und die Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert wird. Für die Gemeinde bzw. für das Unternehmen hat die Änderung den Vorteil, dass sie schon sehr viel früher den Vollzug der beabsichtigten Maßnahme vornehmen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der beabsichtigten Lockerung des Örtlichkeitsprinzips in den Bereichen Strom-, Gas- und Wärmeversorgung wird erstmals in einem Kommunalgesetz in Deutschland anerkannt, dass sich kommunale Unternehmen außerhalb des eigenen Gemeindegebietes unter den genannten Voraussetzungen betätigen dürfen.

Die Gemeindeordnungen in anderen Bundesländern treffen hierzu entweder keine Regelungen oder sehen Restriktionen wie bislang auch in Sachsen-Anhalt vor. Tatsächlich ist jedoch ein Tätigwerden kommunaler Unternehmen außerhalb des Gemeindegebietes auch länderübergreifend in fast allen Bundesländern festzustellen. Mit diesem Gesetzentwurf wird diese Betätigung für die sachsen-anhaltischen Gemeinden auf eine rechtlich einwandfreie Basis gestellt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte ausdrücklich die Gelegenheit nutzen, mich bei all denjenigen zu bedanken, die den Gesetzentwurf mit erarbeitet und mit darüber diskutiert haben. Für die kommunalen Unternehmen ist das eine wichtige gesetzgeberische Entscheidung, die heute getroffen wird. Ich darf Sie daher bitten, der Empfehlung des Innenausschusses zu folgen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Danke sehr, Herr Innenminister. - Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kosmehl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Landtagssitzung am 14. Juni 2007 ist der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden. Damals hatte der Kollege Miesterfeldt ausgeführt, dass es sich um eine zügige Beratung handeln müsse und dass eine Verabschiedung im JuliPlenum anzustreben sei und dass das bis dahin hinzubekommen sein müsste.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe bereits in der damaligen Sitzung des Landtages darauf hingewiesen, dass wir dennoch ein ordnungsgemäßes Verfahren mit Anhörung etc. einhalten sollten. Wie sich im Nachgang gezeigt hat, war dieses Verfahren richtig, denn in der Tat hat die Anhörung einige wichtige Hinweise ergeben. Mit dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst haben wir in diesem Hause ein Instrumentarium, das uns sehr gute Hinweise gegeben hat, auch was Rechtsförmlichkeit und Formulierungen betrifft.

Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass die Zusammenarbeit zwischen dem GBD und dem Innenministerium sehr gut geklappt hat, sodass man uns am Ende für die Sitzung am 27. September eine abgestimmte Beschlussempfehlung erarbeitet hat, die eine gute Grundlage für unseren Beschluss gebildet hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Thema ist wichtig. Wir müssen unsere kommunalen Unternehmen im Bereich Strom-, Gas- und Wärmeversorgung wettbewerbsfähig machen. Wenn Wettbewerber von außen auf den Markt drängen, können unsere kommunalen Unternehmen nicht dazu gezwungen werden, an ihrer Gemeindegrenze aufzuhören und sich sozusagen dem Wettbewerber von außen zu beugen. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir in diesem Bereich das Örtlichkeitsprinzip ein Stück weit außer Kraft setzen, es aufweichen und unsere kommunalen Unternehmen in diesem Bereich tatsächlich wettbewerbsfähig machen.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird die FDP-Fraktion, wie ich bereits im Innenausschuss angedeutet habe, heute dieser Beschlussempfehlung zustimmen,

(Zustimmung von Herrn Gürth, CDU)

nachdem die Fraktion nunmehr auch den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, der sehr spät kam, beraten konnte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin mir sicher, dass unsere kommunalen Unternehmen mit dieser Möglichkeit sehr sorgsam umgehen werden, dass sie sich genau überlegen werden, weiterhin wirtschaftlich und ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend zu handeln, dass es also nicht ein Auf-den-Markt-Drängen aus den großen Städten oder Ähnliches geben wird, sondern dass man sich sehr genau überlegen wird, wo man sich engagieren kann. Das wird gut sein und unsere kommunalen Unternehmen stärken.

Lassen Sie mich zum Abschluss einige Bemerkungen zum Verfahren machen. Sie, Kollege Miesterfeldt, haben in der 22. Sitzung des Landtages am 14. Juni 2007 gesagt, dass eine gründliche Beschäftigung mit dem Gesetzentwurf aufgrund der personellen Zusammensetzung des Innenausschusses garantiert sei. Für die Zügigkeit sorge die Beteiligung der FDP, weil Sie sich überhaupt nicht vorstellen könnten, dass die FDP in diesem Lande etwas tun werde, was die Kommunen oder ihre Unternehmen schädigen könnte.

Sie haben in Teilen Recht gehabt. An der FDP hat es nicht gelegen, dass es so lange gedauert hat,

(Herr Miesterfeldt, SPD: An der SPD auch nicht!)

sondern an der Zusammensetzung des Innenausschusses, der zeitweise wegen der mangelhaften Anwesenheit der Vertreter der Koalitionsfraktionen nicht beschlussfähig war. Zum anderen gab es zwischen den Koalitionsfraktionen auch noch erheblichen Gesprächsbedarf. Das ist in Ordnung, wenn am Ende ein Ergebnis herauskommt, mit dem wir alle zufrieden sein können. Das ist heute der Fall.

Gleichwohl sollte das nicht der Regelfall werden. Insbesondere sollte es nicht zum Regelfall werden, dass man eine Sondersitzung eines Ausschusses anberaumt und dann einen der beiden Tagesordnungspunkte, für die diese Sitzung anberaumt war, von der Tagesordnung

nimmt, weil man sich nach einer achtwöchigen Sommerpause immer noch nicht geeinigt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Verfahren wäre schneller möglich gewesen, aber das Gesetz wird noch so rechtzeitig beschlossen, dass unsere kommunalen Unternehmen die Möglichkeit haben, sich im Wettbewerb zu bewähren. Das werden sie auch tun. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Frau Fi- scher, SPD, und von Herrn Rothe, SPD)

Danke sehr, Herr Kosmehl. - Bevor Herr Gürth für die CDU-Fraktion spricht, haben wir die Freude, Seniorinnen und Senioren aus dem Heimatverein Spora bei uns begrüßen zu können. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Gürth, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer höhere Energiepreise beklagt - das tun wir alle -, der muss etwas dagegen tun. Die heutige Beschlussfassung zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts ist ein kleines Mosaiksteinchen auf dem Weg zu wirtschaftlich vernünftigen Energiepreisen in Sachsen-Anhalt durch mehr Wettbewerb.

Wir haben in der Energieversorgung derzeit keinen funktionierenden Wettbewerb, so wie wir als CDU uns ihn ordnungspolitisch vorstellen. Mit der Liberalisierung des kommunalen Wirtschaftsrechts haben wir den Stadtwerken, den kommunalen Versorgern ein Stück weit neue Instrumente in die Hand gegeben, um im Wettbewerb stärker aufzutreten, als das bisher der Fall war.

Insofern bin ich sehr froh, dass nunmehr auch die FDPFraktion diesem Anliegen im Ergebnis der Ausschussberatungen zustimmt. Ich bin gespannt, wie sich die Fraktion DIE LINKE dazu abschließend äußern wird.

In der neuen Regelung gibt es zwei Festlegungen, auf die ich noch hinweisen möchte. Das erste ist, dass wir die Liberalisierung mit Augenmaß vorgenommen haben. Ich sage das aus einem ganz besonderen Grund; denn dieses Hohe Haus hat vor wenigen Jahren das kommunale Wirtschaftsrecht erst neu justiert, und zwar aus gutem Grund.

Wir haben jetzt eine Lösung gefunden, die beides ermöglicht: sich einerseits als kommunales Unternehmen im Bereich der Energieversorgung mit leitungsgebundenen Energien stärker zu betätigen, aber andererseits einen hinreichenden Schutz vor einer Verzerrung des Wettbewerbs durch die eben genannten Unternehmen zu gewährleisten. Wir müssen auch daran denken, dass ein Unternehmen mit einem Gesellschafter Kommune im Vergleich mit jedem anderen privaten Dienstleister im mittelständischen Bereich eine Marktmacht besitzt und mit Dienstleistungsangeboten jemanden, der sein Eigentum verpfändet hat, um auf dem Markt tätig zu sein, aus dem Markt verschwinden lassen kann.

Das Austarieren dieser beiden Ziele ist, denke ich, in dem vorliegenden Gesetzentwurf gut gelungen. Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen im Innenausschuss,

dem GBD und den mitwirkenden Häusern, die das möglich gemacht haben.

Wir haben abschließend festzustellen, dass wir eine gute Lösung gefunden haben. Wahrscheinlich wird nur die PDS diesem Gesetzentwurf in der zweiten Lesung nicht zustimmen. Ich bin gespannt, wie sie reagieren wird. Aber wer so ein kommunales Wirtschaftsrecht wie die PDS wünscht,

(Herr Gallert, DIE LINKE: DIE LINKE!)