Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

Wenn Sie jetzt die Berichterstattung beschließen, was völlig legitim ist, was wir auch mit Sicherheit machen werden, weil ich weiß, dass die meisten Sachen vorher schon so weit abgestimmt sind, dass man jetzt ein Ergebnis zusagen kann, dann habe ich die herzliche Bitte, es an das Ende des ersten Quartals oder auf den Beginn des zweiten Quartals zu verschieben. Denn nach allem, was mir zugearbeitet worden ist, wird die Richtlinie bis dahin so weit fertig sein, dass sie dann tatsächlich auch erlassen werden kann. Dann sind wir bereit, in all den Ausschüssen zu berichten, die Sie heute beschließen werden.

Ich darf Ihnen mit Dank für Ihr Interesse sagen, dass das Sozialministerium am 4. Juni 2008 eine eigene Veranstaltung zum Management der freiwilligen und ehrenamtlichen Tätigkeit durchführen wird. Dazu sind Sie herzlich eingeladen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke, Herr Ministerpräsident. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Tullner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn wir diesmal zu späterer Stunde und vor nicht ganz so vollen Rängen über dieses wichtige Thema sprechen, möchte ich zunächst einmal, wie es Frau Hüskens und der Ministerpräsident auch getan haben, an die Debatte, die wir im Winter 2006 geführt haben - es war eine Aktuelle Debatte -, erinnern. Es war damals ein parlamentarischer Höhepunkt.

Ich erinnere mich immer wieder gern daran, dass Kollege Schomburg damals anhand der preußischen Kommunalreform Stein/Hardenberg das Ehrenamt historisch erklärt hat und uns daran die Bedeutung, die es heute vielleicht sogar in einem stärken Maße wiedererlangt, als es in der Vergangenheit der Fall war, noch einmal deutlich gemacht hat.

Wir haben damals einmütig einen Beschluss gefasst, weil wir alle der Auffassung sind, dass die ehrenamtlichen Strukturen nicht nur wichtig sind, sondern immer wichtiger werden, weil wir alle miteinander spüren und auch unseren Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass sich der Staat auf bestimmte Kernaufgaben zurückziehen muss. Die Allkompetenz des Staates ist einfach nicht gegeben. Deswegen müssen wir das Ehrenamt an den Stellen ein Stück weit fördern, an denen sich der Staat aus verschiedenen Gründen zum Teil zurückziehen muss. Es ist kein reines Verlustgeschäft, sondern es ist auch ein Gewinn, weil das zutiefst demokratische und partizipatorische Element dadurch in unserer Gesell

schaft, denke ich, in einem sehr viel stärkeren Maße betont wird. Aus der Verantwortung nehmen sollten wir uns nicht. Deswegen haben wir damals den Beschluss gefasst.

Ich erinnere mich auch noch an die Worte, die Kollege Rauls zur Einbringung gesagt hat. Ich darf einmal zitieren:

„Die Zuwendungspraxis ist im Interesse des Ehrenamtes zu vereinfachen. Administrative Vorgaben sollen bürgerschaftliches Engagement nicht behindern, sondern fördern. Vereine und Verbände sind bei der Umsetzung von Projekten größtenteils auf Förderungen der öffentlichen Hand angewiesen. Die im Antrag formulierten Vorschläge zur Änderung der Zuwendungspraxis können zudem schnell umgesetzt werden, sodass sie schon im nächsten Haushaltsjahr deutliche Erleichterung bringen können. Sie sind zudem kostenneutral und tragen zur Entbürokratisierung bei.“

Ich muss sagen: Wohl wahr! Wir stehen heute an einem Punkt, an dem wir feststellen müssen, dass in vielen Bereichen etwas geschehen ist. Ich denke, daran, dass damals wie auch heute der Ministerpräsident zu diesem Thema gesprochen hat, kann man die Wertschätzung der Landesregierung erkennen.

Ich muss allerdings auch sagen, dass mich die Antwort auf die Kleine Anfrage im Sozialbereich etwas enttäuscht hat; denn ich entsinne mich, dass die Praxis - Frau Hüskens ist schon darauf eingegangen - in anderen Ministerien funktioniert. Ich vermag an dieser Stelle nicht zu erkennen, warum in einem Ressort, was sicher schwierig ist - der Ministerpräsident hat darauf hingewiesen -, nicht auch diese Elemente angewandt werden können. Ich muss an dieser Stelle auch sagen, wenn wir mit den Fachkollegen im letzten Jahr eine heftige Debatte über den Sinn und Zweck von Selbsthilfekontaktstellen, die nichts anderes tun, als die Hauptamtlichkeit von Ehrenamtlichkeit zu fördern,

(Frau von Angern, DIE LINKE: Nein, das ist es nicht!)

geführt haben, dann wünsche ich mir, dass unsere Fachpolitiker die Debatte im Ausschuss mit genauso viel Leidenschaft und Emotionen führen werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich kann nur darauf vertrauen, dass eine dieser zahlreichen und sicherlich wichtigen Tagungen im Sozialbereich zu den Ergebnissen führt, die dieser Landtag in der letzten Wahlperiode einmütig beschlossen hat. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr, Herr Tullner. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Grünert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit dem Internationalen Jahr der Freiwilligen beantragte die damalige PDS-Fraktion am 29. Juni 2005, das bürgerschaftliche Engagement zu stärken. Nach über einem halben Jahr Diskussionen

fasste der Landtag in der 73. Sitzung den umfangreichen Beschluss - der Ministerpräsident ist schon darauf eingegangen - zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements in Sachsen-Anhalt in Drs. 4/73/2597 B. Nunmehr sind mittlerweile zweieinhalb Jahre vergangen. Wiederholt standen und stehen Fragen der Berücksichtigung und Stärkung ehrenamtlicher Tätigkeit im Fokus des Landtages, sei es das kommunalpolitische, das soziale oder auch die Vernetzung des allgemeinen bürgerschaftlichen Engagements.

Eine erste Berichterstattung der Landesregierung an den Landtag zur Umsetzung des Beschlusses fand am 12. Januar 2007 statt; vorgesehen war das vierte Quartal 2006. In der Berichterstattung wies die Landesregierung darauf hin, dass bis zum Jahresende 2007 noch einige Ergebnisse der Umsetzung zu erwarten sind. Herr Ministerpräsident Böhmer ist darauf eingegangen. Dies betrifft unter anderem das Zuwendungsrecht, die Anerkennung von Arbeitsleistungen von Vereinsmitgliedern als Eigenanteil, die Prüfung eines kostengünstigen Versicherungsschutzes für bisher nicht versicherte ehrenamtlich Tätige, eine Handreichung zum Umgang mit dem Haushalts- und Zuwendungsrecht, um nur einiges zu nennen.

Insofern unterstützen wir die Forderung der FDP-Fraktion auf eine weitere Unterrichtung. Ob sie nun am Ende des ersten Quartals oder im ersten Monat des zweiten Quartals erfolgen soll, ist offen.

Neben diesem formalen Abarbeiten der einzelnen Beschlusspunkte bleibt jedoch der Gesamtansatz, nämlich eine weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement zu erreichen. Das ist aus unserer Sicht ein wichtiger Gradmesser für die parlamentarische Arbeit und für die Regierungsarbeit. Gerade in diesem Bezug stellt die Fraktion DIE LINKE noch erhebliche Reserven fest.

Schauen wir uns zunächst die Stärkung des kommunalen Ehrenamtes an. Allein anstehende Gesetzentwürfe der Landesregierung, so das Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform oder das Zweite Gesetz zur Änderung des Landesplanungsgesetzes des Landes SachsenAnhalt, führen zu einem weiteren Abbau demokratischer Mitspracherechte und damit verbunden zu einer Aushöhlung des kommunalen Ehrenamtes. So findet generell das Ortschaftsverfassungsrecht in Verbandsgemeinden keine Anwendung, soll mit der Einführung eines Ortsvorstehers - aufgrund der Haushaltssituation vieler Kommunen - die Ablösung des Ortschaftsrates möglich sein oder wird das Entscheidungsrecht über die Wahl eines Verwaltungsmodells nur in der freiwilligen Phase erlaubt.

Bereits bei einer früheren Änderung der Gemeindeordnung wurde das Recht von Bürgerinitiativen, den Gemeinderäten Vorschläge zu unterbreiten, gestrichen. Im Gesetzentwurf zum Landesplanungsgesetz wird das Recht zur Entsendung von Vertretern in die Regionalversammlungen für Kommunen mit bis zu 10 000 Einwohnern abgeschafft und nur noch Mittelzentren zugestanden. Das führt zu einer weiteren erheblichen Schwächung des ländlichen Raums und seiner kommunalpolitischen Vertretungen. Wer annahm, dass das Gesetz eine Ausweitung des Entsenderechts der nun größeren Landkreise in die Regionalversammlung vorsehen würde, der wird enttäuscht.

Dies sind nur einige Beispiele, bei denen bestehende Mitwirkungsbedingungen ausgehöhlt werden. Eine quali

tative Erweiterung ehrenamtlichen und auch kommunalen Engagements ist nicht zu erkennen.

DIE LINKE unterstützt den Ausbau einer lebendigen kommunalen Demokratie als Bestandteil der Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements. Gerade darum sind weiter gehende Überlegungen der Landesregierung, aber auch des Landtages in Umsetzung des eingangs genannten Beschlusses unerlässlich.

Nach wie vor sind die Fragen nach der Anerkennung unbarer Leistungen - darauf ist schon eingegangen worden - bei der Förderung von Vereinen gerade im sozialen Bereich, die Anerkennung von Aufwandsentschädigungen ehrenamtlich Tätiger auf Leistungen nach dem SGB II oder der Planungssicherheit der unterschiedlichsten ehrenamtlichen Akteure, welche an die Genehmigung kommunaler Haushalte gebunden sind, offen. An dieser Stelle ist der Unterschied. Nicht die Verabschiedung des Landeshaushaltes, Herr Ministerpräsident, sondern insbesondere die folgenden Nichtgenehmigungen von kommunalen Haushalten bringen soziale Vereine, bringen bürgerschaftliches Engagement oftmals nicht in die Form, in der wir sie eigentlich haben wollen und wo sie auch einer Unterstützung bedürfen.

Abschließend sei erwähnt, dass auch der parlamentarische Umgang mit der Volksinitiative erhebliche Defizite aufzeigte. So wurde, wie es das Volksabstimmungsgesetz bei Volksinitiativen ohne eigenen Gesetzentwurf vorsieht, die erste Lesung dem Petitionsausschuss übertragen. Er überwies das Anliegen in die Fachausschüsse. Über die Qualität der Erörterung möchte ich mich an dieser Stelle nichts ausführen. Tatsächlich fand eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Begehren der Volksinitiative erst in der zweiten Lesung im Landtag statt. Da waren allerdings die Messen schon gesungen.

Bei dieser Art und Weise des Umgangs mit ehrenamtlichem Engagement sind also noch erhebliche Reserven vorhanden. Aus diesem Grund unterstützen wir als LINKE den Antrag der FDP-Fraktion. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Dr. Fikentscher. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDPFraktion engagiert sich für das bürgerschaftliche Engagement. Das ist sehr gut, aber nichts Besonderes; das tun wir alle seit Jahren. Wir müssen auch feststellen, dass in unserem Land das bürgerschaftliche Engagement in vielen Bereichen sehr gut vorangekommen ist.

Allerdings ist es eine ständige Aufgabe, an der wir alle weiter arbeiten müssen, und jeder, der kritisiert, dass es noch nicht gut genug ist, nicht weit genug ist, hat von vornherein Recht. Bürgerschaftliches Engagement ist ein so weiter Begriff und eine so vielfältige Aufgabe, dass man damit nie gänzlich zufrieden sein kann, höchstens in Teilbereichen.

Wie wir gerade von Herrn Grünert gehört haben, kann man den Begriff natürlich auf jegliche politische Tätigkeit ausweiten, von der Kommune bis zum Land. Wenn wir in diesen Bereich hineinkommen, dann wird es immer

strittig bleiben. Aber dass das bürgerschaftliche Engagement etwas Wichtiges ist, darüber brauchen wir im Grunde nicht zu reden. Auch nicht darüber, was alles dazu gehört. Dazu wäre die Debatte hier viel zu kurz.

Die FDP-Fraktion hat sich als echte Opposition erwiesen, als Kontrolleur der Regierung, und hat den Finger auf eine Stelle gelegt, wo die Arbeit der Regierung noch nicht so gut ist, wie sie sein sollte. Das ist die Modernisierung der Verwaltungs- und Zuwendungspraxis. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass anstelle des Wortes „Modernisierung“ auch einmal das Wort „Verbesserung“ oder das Wort „Erleichterung“ gestanden hätte. Denn ich bin nicht der Meinung, dass eine Modernisierung immer automatisch zu einer Verbesserung oder einer Erleichterung führt - aber das nur am Rande.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD - Heiterkeit bei der FDP - Herr Prof. Dr. Paqué, FDP: Das stimmt!)

In den vergangenen zweieinhalb Jahren hatten wir das Thema schon öfter; das ist schon erwähnt worden. Die Anträge unterschieden sich höchstens darin, dass die einen davon sprechen, bürgerschaftliches Engagement zu stärken, während die anderen von einer Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements sprechen. Aber sie sind dann immer auf einen gemeinsamen Nenner gekommen.

Ich glaube, damals hat Herr Schomburg das bei der Einbringung seines Antrags abschließend sehr schön formuliert; es gab wegen der allgemeinen Einigkeit keine große Debatte dazu. Er sagte damals, den ehrenamtlich Tätigen im Land Sachsen-Anhalt, ob im Sport, in der Jugendarbeit oder in der Kulturarbeit, sei Hilfestellung zu geben, damit sie effizienter, effektiver und mit mehr Anerkennung ihre Arbeit verrichten könnten, auf die wir alle auch angewiesen seien.

Genau das ist der Punkt. Deswegen sind wir auch der Meinung, dass es richtig ist, dass wir uns auf diesen Punkt konzentrieren, den die Landesregierung bei dem umfangreichen Bericht am Anfang dieses Jahres offen gelassen hat und zu dem sie ganz bewusst gesagt hat, dass Ende des Jahres - dieses Jahr ist noch nicht ganz um - ein weiterer Bericht zur Ergänzung angefügt werden solle.

Wir sind deswegen auch der Meinung, dass es durchaus reicht, wenn im Ausschuss für Finanzen darüber berichtet wird; denn dort ist die Grundlage für alles Weitere, nämlich die Regelungen im Zuwendungsrecht usw., zu schaffen. Das, was dort besprochen wird, strahlt auf alle anderen Bereiche aus; wir müssen dabei nicht alle anderen Ausschüsse mit durchziehen.

Wir haben also in unserem Änderungsantrag Ihren ursprünglichen Antrag etwas abgespeckt. Ein Ausschuss soll sich ordentlich damit beschäftigen. Wir werden gespannt sein, was die Landesregierung von dem, was sie in Aussicht gestellt hat, in diesem Jahr geschafft hat. Vielleicht muss der Ausschuss mit seinen Beratungen noch etwas nachhelfen, das kann ich nicht vorhersehen.

Auf jeden Fall ist es tatsächlich ein Punkt, an dem noch weiter gearbeitet werden muss. Wir sind bereit, das zu tun, weil unser gemeinsames Interesse darin besteht, das bürgerschaftliche Engagement zu stärken.

(Zustimmung bei der SPD, von Herrn Stahlknecht, CDU, und von Herrn Steinecke, CDU)

Danke sehr, Herr Dr. Fikentscher. - Frau Dr. Hüskens hat noch einmal die Möglichkeit zu erwidern. - Das möchte sie nicht.

Dann kommen wir zum Abstimmungsverfahren. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drs. 5/970 ab. Wer stimmt diesem zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Enthält sich jemand der Stimme? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag angenommen worden.

Wir stimmen jetzt über den Antrag der Fraktion der FDP in der Drs. 5/950 in der soeben geänderten Fassung ab. Wer stimmt diesem zu? - Das sind der Antragsteller, also die FDP-Fraktion, und die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Antrag in der soeben geänderten Fassung angenommen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 8.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Zweite Beratung