Frau Schmidt, vielen Dank für Ihren Beitrag. - Für die FDP erteile ich jetzt dem Abgeordneten Herrn Wolpert das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Heute beginnt nun die Fußballweltmeisterschaft in unserem Land. Wie immer bei solchen Großveranstaltungen hat gerade die Debatte über die Sicherheit während der WM uns in den letzten Wochen und Monaten in Atem gehalten.
Die Diskussion über die Zwangsprostitution ist bisher eher am Rande geführt worden. Von anderen Großveranstaltungen wie zuletzt den Olympischen Spielen in Athen wissen wir, dass auch die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen dann sprunghaft ansteigt und - das ist eine traurige, aber bewiesene Tatsache - auch verstärkt Zwangsprostituierte vornehmlich aus Osteuropa eingeschleust werden.
Zwar scheint die von den Medien ins Spiel gebrachte Zahl von 40 000 zu erwartenden Zwangsprostituierten während der WM glücklicherweise nicht den Tatsachen zu entsprechen, doch stellt sich das grundsätzliche Problem der Zwangsprostitution trotzdem schon allein vor dem Hintergrund, dass diese eine besonders schwere Menschenrechtsverletzung darstellt.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass alle Fraktionen sich darüber einig sind, dass dieser Entwicklung begegnet und ihr entgegengewirkt werden muss. Menschenhandel und Zwangsprostitution müssen gerade während der WM, aber auch darüber hinaus konsequent verfolgt und verhindert werden. Ein meiner Ansicht nach vielversprechender Ansatz ist die Informationskampagne „Abpfiff - Schluss mit Zwangsprostitution“, deren Ziel es ist, unter anderem potenzielle Freier für das Thema Zwangsprostitution zu sensibilisieren, wobei ich zugeben muss, dass ein so vielschichtiges Problem weit darüber hinausgehender Maßnahmen bedarf.
In den letzten Jahren hat man auf Bundesebene, aber auch in Sachsen-Anhalt bereits erste Schritte zur Bekämpfung von Menschenhandel gemacht. Nach der Opferrechtsreform von 2004 können Zwangsprostituierte im Prozess als Nebenklägerinnen auftreten. Im Jahr 2005 wurde die Definition des Menschenhandels erweitert und somit eine effektivere Bekämpfung des Menschenhandels erreicht. Gemäß den §§ 180b und 181 StGB drohen Menschenhändlern heute bis zu zehn Jahre Haft.
Durch das Zuwanderungsgesetz wurde die Möglichkeit geschaffen, den Betroffenen eine befristete Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen; das hat der Herr Innenminister bereits ausgeführt.
In Sachsen-Anhalt arbeitet die Beratungsstelle Vera seit über sechs Jahren und unterstützt jährlich ca. 13 bis 16 betroffene Frauen, die sich größtenteils dazu entschlossen haben, vor Gericht als Zeuginnen auszusagen.
Das Innenministerium hat durch Erlass geregelt, dass ausreisepflichtigen Opfern von Menschenhandel eine Frist für die freiwillige Ausreise von mindestens vier Wochen einzuräumen ist. Sofern sie zur Zeugenaussage bereit sind, wird ihnen der Aufenthalt bis zur Gerichtsverhandlung ermöglicht. Nach der Gerichtsverhandlung kann in Einzelfällen ein vorübergehendes Bleiberecht eingeräumt werden, wenn ihnen aufgrund der Zeugenvernehmung in der Heimat eine erhebliche konkrete Gefahr drohen würde.
Im Weiteren wird man in den Ausschussberatungen darüber reden müssen, wie man sich hinsichtlich der Umsetzung der EU-Richtlinie 2004/81/EG, der so genannten Opferschutzrichtlinie, verhält. Die FDP setzt sich bei Umsetzungen von EU-Richtlinien aus Deregulierungsgründen grundsätzlich für eine Umsetzung im Maßstab 1 : 1 ein.
Aufgrund dieser Richtlinie muss ein Aufenthaltstitel für einen vorübergehenden Aufenthalt für die Zeitdauer der Mitwirkung im Strafverfahren unter Befreiung von allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen bewilligt werden. Zudem ist im Aufenthaltsgesetz eine Ausreisefrist von mindestens vier Wochen als Bedenkzeit für eine Kooperation mit den zuständigen Behörden festzulegen.
In beiden Bereichen geht der Antrag der Linkspartei.PDS über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hinaus. Die Bedenkfrist soll sechs Monate betragen. Das Aufenthaltsrecht von Opferzeugen soll unbefristet sein.
Meine Damen und Herren! Vier Wochen Bedenkzeit sind aus der Sicht der Opferzeugen ein kurzer Zeitraum, um die Tat zu verarbeiten und zu entscheiden, ob die Zusammenarbeit mit den Behörden die Gefährdung des eigenen Lebens rechtfertigt. Auf der anderen Seite sind sechs Monate Bedenkzeit für die Staatsanwaltschaft einfach zu lange, um zu erfahren, ob in dem Ermittlungsverfahren eine Belastungszeugin vorhanden ist oder nicht. Allein die Frist für die Untersuchungshaft endet nach sechs Monaten. Die vermeintlichen Täter wären unter Umständen schon auf freiem Fuß, bevor der Staatsanwalt wüsste, ob er überhaupt einen Belastungszeugen hätte.
Auch die Forderung nach einem automatisch gewährten unbefristeten Aufenthaltsrecht nach einem Prozess ist nicht gerechtfertigt. Die Regelung zielt nämlich vornehmlich auf den Schutz der Zeugen ab. Dafür bedarf es aber des Nachweises, dass eine konkrete Gefährdung der Zeugin nach dem Verfahren in ihrem Heimatland besteht und diese Gefährdung eine andere ist als die in Deutschland; denn die Annahme, dass die Vernetzung der Menschenhändler in Deutschland keinen „langen Arm“ hätte, der die Zeugin gefährden könnte, und nur in Deutschland eine Sicherheit vorhanden ist, aber im Heimatland nicht, bedarf auch des Nachweises. Wenn eine solche Gefährdung festzustellen wäre, dann müsste man eher über Zeugenschutzprogramme nachdenken, wenn man so etwas möchte. Nur automatisch anzunehmen, dass jemand, wenn er in Deutschland bleibt, sicher ist, und wenn er nach Hause geht, nicht sicher ist, glaube ich, ist der falsche Schluss. Das kann so nicht funktionieren.
Ich denke, es ist richtig, dass wir hierbei auf eine Einzelfallentscheidung abzielen. Besteht eine Gefahr, stellt sich die Frage: Wie konkret ist sie und ist es zumutbar, diese hinzunehmen?
Ich möchte noch auf einen anderen Aspekt aufmerksam machen. Die Bedenkzeit passt nicht ganz in unser Rechtssystem. Andere Zeugen haben keine Bedenkzeit dafür, zu entscheiden, ob sie vor Gericht aussagen wollen. Sie haben nur in seltenen Ausnahmefällen Zeugnisverweigerungsrechte. Es stellt sich da nicht grundsätzlich die Frage, ob sie verweigern dürfen oder nicht. Auch diese Privilegierung ist eine Besonderheit in unserem Rechtssystem und bedarf der Erörterung.
Deswegen lassen Sie mich für die FDP anregen, dass dieser Antrag auch in den Rechtsausschuss überwiesen wird, weil diese Problematik dort mit erörtert werden soll. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wolpert. - Für die CDUFraktion erteile ich jetzt Herrn Kolze das Wort. Bitte schön, Herr Kolze.
Sehr geehrter Herr Präsident! Da ich die Ausführungen meiner Vorredner nicht unnötig wiederholen möchte, bitte ich Sie, mir zu gestatten, meine Rede zu Protokoll zu geben.
„Die Welt zu Gast bei Freunden“ - so lautet unser Motto zur Fußballweltmeisterschaft. Weil Deutschland diesem Motto gerecht werden will, wird alles getan, um Menschenhändlern und Zwangsprostitution wirksam zu begegnen. Alle Ebenen sind beteiligt.
Dazu zählen zahlreiche polizeiliche Maßnahmen sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen BKA, der Polizei, Europol und Interpol. Daneben fließen finanzielle Mittel auch in Präventionsmaßnahmen der Herkunftsstaaten. Zusätzlich erhalten Opfer bereits jetzt finanzielle Hilfe zur freiwilligen Rückkehr.
Vor einigen Wochen hat unser Kollege Stadelmann für das Land Sachsen-Anhalt einer Resolution des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas zugestimmt, in der man sich für zahlreiche Maßnahmen zur Eindämmung der Zwangsprostitution ausspricht.
All dies zeigt, dass Deutschland - und auch SachsenAnhalt - der Bekämpfung der menschenverachtenden Zwangsprostitution einen besonders hohen Stellenwert einräumt.
Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt die Kampagne „Abpfiff - Schluss mit der Zwangsprostitution“, weil sie auch dazu beitragen wird, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass es noch viele weitere Projekte gibt. Allein die zehnseitige Übersichtstabelle des KOK, des bundesweiten Koordinierungskreises gegen Frauenhandel und Gewalt und Frauen im Migrationsprozess, spricht Bände.
All dies sind gute Ansätze. Dennoch muss ich auch an dieser Stelle erneut darauf hinweisen, dass das Phäno
men des Menschenhandels nicht neu und schon gar kein Thema nur für sechs Wochen der Fußballweltmeisterschaft sein darf. Daher wird die Linkspartei in ihrem Antrag der Not der Frauen nicht gerecht. Denn auch nach der WM ist zu befürchten, dass es diese menschenverachtenden Taten in Deutschland weiter geben wird. Wir müssen feststellen, dass kein anderes Verbrechen so lukrativ wie dieses ist.
Auch scheint den Antragstellern von der Linkspartei vollkommen entgangen zu sein, dass es bereits seit 1997 die Arbeitsgruppe „Frauenhandel“ im Bundesfrauenministerium gibt. Diese haben CDU und CSU während unserer Regierungszeit bereits eingerichtet.
Im Jahr 2004 wurde das Thema Menschenhandelsdelikte im Deutschen Bundestag beraten und eine Reform der Straftatbestände beschlossen. Im Jahr 2005 haben wir von der Union einen Antrag zur Freierstrafbarkeit eingebracht. Dieser Antrag konnte wegen der vorgezogenen Bundestagswahl nicht mehr beschlossen werden, aber unsere Forderung hat Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. Dort heißt es:
„Ebenso werden wir Opfer von Zwangsprostitution mit den Möglichkeiten des Strafrechts noch besser schützen und die Strafbarkeit der Freier von Zwangsprostitution regeln.“
Man sieht: Für die Union ist die Bekämpfung ein Dauerthema. Denn Zwangsprostitution verstößt in eklatanter Weise gegen das ethische Grundverständnis unserer Gesellschaft und missachtet das Selbstbestimmungsrecht der Frauen.
Der zu debattierende Antrag der Linkspartei weist starke Bezüge zur anstehenden Umsetzung der so genannten Opferschutzrichtlinie der EU auf. Dabei wissen alle genau, dass sich nach der Umsetzung der Richtlinie viele der Forderungen des Antrages der Linkspartei erledigt haben. Ich bin mir sicher, dass Sie den Referentenentwurf zur Umsetzung in das nationale Recht kennen. Darin ist vorgesehen:
Ich weise darauf hin, dass ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in den Richtlinien der EU nicht ohne Grund nicht vorgesehen ist. Ich denke, es ist offensichtlich, dass die Missbrauchsgefahr im Hinblick auf ein dauerhaftes Bleiberecht schlicht zu groß ist. Eine solche Regelung wird deshalb von der Union strikt abgelehnt. Ein großzügig ausgestaltetes Bleiberecht gibt ein falsches Signal und birgt die Gefahr einer Sogwirkung für Migranten in sich, die sich mit der wahrheitswidrigen Behauptung, Opfer von Menschenhandel zu sein, in Deutschland ein dauerhaftes Bleiberecht verschaffen wollen.
Der Antrag der Linkspartei greift in vielen Punkten zu kurz. Es findet sich nicht ein Wort darüber, dass es sich beim Menschenhandel um ein Delikt handelt, das keine Grenzen kennt, und dass wir bei der Bekämpfung nur
dann erfolgreich sein werden, wenn wir weltweit agieren und die Zusammenarbeit auch auf internationaler Ebene erfolgt.
Sinnvoll wäre es auch, die Lebensbedingungen der Frauen in den Herkunftsländern zu verbessern, um ihnen dort eine Lebensperspektive zu geben. Dort muss die Prävention ansetzen. Aber auch darüber findet sich nichts im Antrag der Linkspartei.
Es reicht eben nicht aus, nur die Öffentlichkeit hier vor Ort über Hintergründe und Erscheinungsformen von Zwangsprostitution aufzuklären. Auch in den Herkunftsländern muss seriös und flächendeckend darüber informiert werden, welche Methoden die Menschhändler anwenden. Nur so werden potenzielle Opfer geschützt.
Was wir strukturell verbessern müssen, ist der Opferschutz; denn dieses Delikt wird oft noch im Rahmen allgemeiner Kriminalität bearbeitet und nicht immer von speziell ausgebildeten Fachleuten. Aber gerade die Befragung von Opfern oder von Tätern aus diesem Deliktbereich erfordert eine hohe Sensibilität, langjährige Erfahrung und vor allem auch Fachwissen rund um das so genannte Rotlichtmilieu. Hier müssen Profis ran; denn wer da nur ein oder zwei Fälle im Jahr bearbeitet, wird von den Tätern regelrecht vorgeführt. Deshalb geht die Forderung in die richtige Richtung, Fortbildungsprogramme und Sensibilisierungsmaßnahmen für die mit dem Thema Menschenhandel befassten Berufsgruppen zu schaffen.
Doch wo bleiben bei den beiden Anträgen eigentlich die Täter? Beide Anträge enthalten nichts über die menschenverachtenden Handlungen der Freier. Der Freier trägt aber eine Mitverantwortung für das Verbrechen Menschenhandel. Die Freier sind diejenigen, die die sexuellen Ausbeuter sind. Hier müssten dringend gesetzliche Regelungen geschaffen werden. Mit dieser Forderung stehen wir nicht alleine da. Die Kirchen und Opferschutzorganisationen sehen es ähnlich.