Es war darüber hinaus vorgesehen, der Mutter eine Überlegungsfrist von acht Monaten einzuräumen und ihr so die Möglichkeit zu geben, sich innerhalb dieser Frist zu ihrem Kind zu bekennen. Freiwillig sollte die Mutter für ihr Kind ihre Identität oder eine sonstige Nachricht hinterlassen können, die das Kind ab Vollendung des 16. Lebensjahres herausverlangen können sollte. Die Schwangere sollte sich außerdem über die Auswirkungen einer anonymen Geburt, über die Möglichkeit einer Adoption sowie über andere Hilfsangebote beraten lassen können. Es handelt sich also um eine Sollregelung, nicht um eine verpflichtende Vorgabe.
Um die Anonymität der Mutter zu sichern, sollte der Träger der Anstalt, in der eine anonyme Geburt durchgeführt wird, die Kosten, die aus der Entbindung entstehen, gegenüber der Landeskasse geltend machen, woraus ein Erstattungsanspruch wirksam würde.
In dieser Fassung hat der Gesetzentwurf keine Mehrheit gefunden, sodass die Beratungen im Bundesrat vertagt worden sind. Hintergrund dafür sind verfassungsrechtliche Bedenken, die gegen den Entwurf geltend gemacht worden sind.
Das gesetzgeberische Ziel, Müttern in einer Notlage, in einer Konfliktsituation zu helfen und ihnen Unterstützung anzubieten, ist abzuwägen gegen den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung. In diesem Zusammenhang hat eine Güterabwägung stattzufinden, die in dem ersten Entwurf im Hinblick auf die Rechte des Kindes jedenfalls nach Auffassung der Mehrheit des Bundesrates nur unzureichend vorgenommen worden ist.
In dem Bemühen um eine Lösung, um den Interessen der betroffenen Mütter und auch der betroffenen Kinder gerecht zu werden, hat Baden-Württemberg im Jahr 2004 eine überarbeitete Fassung des ursprünglichen Entwurfes im Bundesrat erneut zur Abstimmung gestellt.
Dieser Entwurf sah insoweit Änderungen vor, als nunmehr verpflichtend eine psychosoziale Beratung der Frau vorgeschrieben war. Die Beratungsstellen sollten die Not- und Konfliktlagen der Frau prüfen, sie sollten die Personenstandsdaten der Mutter aufnehmen und in einem verschlossenen Umschlag an das Standesamt übermitteln.
Das Kind sollte mit der Vollendung des 16. Lebensjahres ein Einsichtsrecht in diese Unterlagen erhalten. Unter bestimmten - allerdings sehr engen - Voraussetzungen ist der Mutter ein Vetorecht eingeräumt worden. Allerdings sollte nur in Fällen, in denen von der Beratungsstelle eine extreme Konfliktsituation festgestellt wurde - man kann sicherlich lange darüber diskutieren, wann eine Konfliktsituation extrem wird -, auf die Aufnahme der Personenstandsdaten verzichtet werden.
Obwohl der überarbeitete Entwurf unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht mehr zu beanstanden war, hat er dennoch im Bundesrat keine Mehrheit gefunden.
Meine Damen und Herren! Es ist Ausfluss unserer Demokratie, dass es nicht in allen Fällen gelingt, das, was wünschenswert ist, auch durchzusetzen. Insoweit ist die Kritik an meinem Vorgänger sicherlich nicht gerechtfertigt. Er hat sich entsprechend den Beschlüssen dieses Hohen Hauses bemüht; die entsprechenden Anträge sind im Bundesrat unterstützt worden. Bisher sind sie leider nicht auf die erforderliche Zustimmung der anderen Bundesländer getroffen. Daher ist es sicherlich wichtig, dass auch in anderen Bundesländern derartige Initiativen ergriffen werden, um die notwendigen Mehrheiten zu bekommen.
Meine Damen und Herren! Ich will auch nicht verhehlen, dass ich für die Pflichtberatung der werdenden Mütter, die der Gesetzentwurf in seiner letzten Fassung vorsieht, wenig Sympathie empfinde. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die Frauen in dieser extremen Lage tatsächlich auch entscheidungsfähig sind und diese Beratung selbstbestimmt in Anspruch nehmen. Ich kann mir vorstellen, dass es oftmals Situationen der Verzweiflung sind, bei denen vielleicht die Überlegung gar nicht zum Zuge kommt bzw. die Zeit bleibt, um sich einer solchen verpflichtenden Beratung zu unterziehen.
Der bisherige Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zeigt allerdings auch, wie schwierig es ist, die Mehrheit für die Genehmigung der anonymen Geburt zu finden. Wir werden in den Ausschüssen die Frage der Pflichtberatung - ja oder nein - diskutieren müssen. Allerdings darf das meines Erachtens nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Mehrheitsfähigkeit im Bundesrat getan werden, sondern es geht darum, dieses Problem einer tragfähigen und auch praktikablen Lösung zuzuführen.
Was die geforderte Informationskampagne betrifft, möchte ich darauf hinweisen, dass das Ministerium für Gesundheit und Soziales bereits jetzt Informationsmöglichkeiten für Frauen in Notlagen anbietet. Auf den Internetseiten wird auf die Konfliktberatungsstellen und auch auf Beratungsangebote der katholischen Kirche, zum Beispiel das Netzwerk Leben, hingewiesen.
Wir werden darüber hinaus im Ausschuss diskutieren, inwieweit es tatsächlich Möglichkeiten gibt, die betroffenen Frauen, die sich in einer solchen Notlage befinden,
zu erreichen, um ihnen Alternativen aufzeigen zu können und ihnen in dieser schwierigen Situation zur Seite zu stehen bzw. sie an dieser Stelle begleiten zu können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Ministerin, vielen Dank für den Bericht der Landesregierung. - Ich eröffne hiermit die Aussprache. Das Wort hat die CDU-Fraktion. Herr Stahlknecht, bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, im Ergebnis sind wir uns alle einig, dass etwas getan werden muss. Das, was meine drei Vorrednerinnen gesagt haben, ist, jedenfalls im Ergebnis, auch die Meinung der CDU.
Ich will, weil viel Richtiges und Wichtiges gesagt worden ist, drei strittige Bereiche herausnehmen. Das eine ist in der Tat die Frage der Beratungspflicht. - Sie haben es angesprochen, Frau Ministerin.
Ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich von hier vorn, ich selbst bin mir auch nicht ganz sicher, ob eine Beratungspflicht aus der Sicht einer Frau, die sich in einer Ausnahmesituation befindet, der richtige Weg ist, weil möglicherweise eine Hemmschwelle organisiert wird, die dann eben zu einer Kindestötung führen könnte. Das ist sicherlich ein Punkt, den man aus der Sicht der betroffenen Frau bei der Abwägung aller Güter berücksichtigen muss.
Auf der anderen Seite benötigt man - das ist auch angesprochen worden -, wenn man so ein Gesetz mehrheitsfähig vom Bundesrat in den Bundestag ein- und durchbringen will, die erforderliche Mehrheit. Zurzeit sind es Baden-Württemberg und Bayern, die sich an die Spitze der Bewegung gestellt haben, und die fordern eine solche Beratungspflicht.
Ich glaube, diese beiden Bundesländer wird man als Motoren brauchen, um endlich ein solches Gesetz durchbringen zu können, sodass man wahrscheinlich diese - aus Ihrer Sicht - Kröte wird schlucken müssen, nämlich eine Beratungspflicht einzuführen, um dieses Gesetz endlich durchzukriegen. Das werden wir sicherlich noch im Ausschuss diskutieren.
Der zweite Bereich ist das Recht eines jeden von uns, die eigene Abstammung zu kennen. - Frau von Angern, ich fand Ihre Äußerung, ein totes Kind hat kein Interesse mehr daran, seine eigene Abstammung zu kennen, an dieser Stelle - sagen wir es aufgrund des ernsten Themas höflich - etwas überzogen.
Es ist nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der UN-Kinderkonvention festgestellt worden, dass jeder von uns ein garantiertes Recht hat. Dieses abstrakte Recht wird irgendwann von einem heranwachsenden Menschen auch ein konkretes Bedürfnis, nämlich zu wissen, woher er kommt. Das ist menschlich normal.
Wenn man die Erkenntnisse der Adoptionsberatungsstellen bei dieser Diskussion zu Hilfe nimmt, wird man feststellen, dass diese jetzt schon mitteilen, dass sie
mehr mit Suchanfragen beschäftigt sind als mit neuen Vermittlungen. Das muss man an dieser Stelle einfach berücksichtigen.
Der dritte und letzte Teil - das ist sicherlich der unspannendste innerhalb der Emotionalität, aber trotzdem überdenkenswert - ist die Frage der Kostenfolge. Sie sagen in Anlehnung an Baden-Württemberg, sämtliche Kosten, die entstehen, sollen länderseitig getragen werden. Wir denken, dass in dem Fall, in dem die Mutter das Kind annimmt - was in der Tat der bessere Weg wäre -, sie die Kosten trägt. In dem Fall, dass die Kinder adoptiert werden, werden die Kosten von den Adoptiveltern getragen. Wenn keiner der beiden Fälle eintritt, übernehmen die Länder die Kosten subsidiär.
Wir wollen hoffen, dass wir im Ausschuss relativ zügig zu einem Konsens kommen, damit wir die Landesregierung beauftragen können, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, sodass ein evident wichtiges Gesetz auf den Weg gebracht werden kann.
Da die beiden gestellten Anträge in sich etwas divergierend sind, müssen sie in die Ausschüsse überwiesen werden. Wir würden einer Überweisung beider Anträge in den Rechtsausschuss zustimmen bzw. es beantragen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank, Herr Stahlknecht. - Ich erteile dem SPD-Abgeordneten Herrn Brachmann das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein Verdienst der beiden Oppositionsfraktionen, ein sehr sensibles Thema wieder aufgegriffen zu haben, das bislang keiner zufrieden stellenden politischen Lösung zugeführt worden ist. Es muss uns alle in diesem Hohen Hause umtreiben, wenn wir immer wieder Meldungen vernehmen, dass Mütter in einer Zwangssituation und in Not ihre neugeborenen Kinder aussetzen und im schlimmsten Fall sogar töten. Es ist deshalb ein berechtigtes Anliegen, auf eine gesetzliche Regelung zu der anonymen Geburt zu drängen.
Darauf zielen die beiden Anträge ab. Insoweit ist ihnen beizutreten. Das Thema - das ist von meinen Vorrednerinnen und meinem Vorredner hinreichend deutlich gemacht worden - ist nicht neu. Der Landtag hat sich zuletzt am 11. November 2005 im Plenum mit dem Thema befasst. Es gibt dazu einen Beschluss des Landtages. Vorausgegangen waren mehrere Beratungen im Rechtsausschuss und eine umfängliche Anhörung.
Ich habe mir diese Unterlagen noch einmal angesehen. Über das Ob bestand schon damals Einigkeit in diesem Haus. Der Streit richtete sich in der Tat auf die Frage: Beratungspflicht, ja oder nein? - Für mich gibt es aus heutiger Sicht keine neueren Argumente, von der Position unserer Fraktion - Beratungsangebot ja, aber Beratungspflicht nein - abzurücken.
Aber - das ist auch deutlich geworden - es geht in der Politik häufig nicht nur um das Wünschenswerte, sondern auch um das politisch Machbare. Insoweit - Frau
Ministerin hat das aufgezeigt - werden wir in der Tat abwägen müssen, ob wir eine Regelung überhaupt wollen und, wenn ja, wie sie dann aussehen kann.
Insoweit bin ich sehr dafür, dass wir beide Anträge zur federführenden Beratung in den Rechtsausschuss überweisen und dort möglichst bald zu einem Konsens darüber finden, wie ein vertretbarer Weg aussehen kann. Dabei müssen wir natürlich auch eine verfassungsrechtliche Güterabwägung vornehmen, aber auch die Frage in die Debatte einbeziehen: Was bekommen wir bundespolitisch hin, wie kann der Weg zum Erfolg führen? Insoweit müssen wir auch eine politische Abwägung vornehmen.
Ich bin des Weiteren für eine Überweisung in den Sozialausschuss zur Mitberatung. Denn in dem Antrag der FDP - Frau Ministerin hat dazu Stellung genommen - war von einer Kampagne die Rede. Ob man eine Kampagne dazu braucht, darin bin ich mir auch nicht sicher. Aber nur auf das Beratungsangebot auf Internetseiten hinzuweisen ist mir doch ein bisschen zu wenig; denn die betroffenen Frauen schauen nicht unbedingt dorthin. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Brachmann, für Ihren Beitrag. - Für die FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Kosmehl das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will meinen Debattenbeitrag vom 11. November gar nicht wiederholen, will aber auf einige wenige Punkte erneut eingehen.
Thema Pflichtberatung. Das scheint ein bisschen der Konflikt innerhalb der neuen Regierungskoalition zu sein, weshalb man eine Überweisung in den Ausschuss favorisiert, statt dem Antrag der FDP zuzustimmen.
Bezüglich der Pflichtberatung, Frau Ministerin, empfehle ich noch einmal die Auswertung des Projektes „Moses“ aus dem Freistaat Bayern. Dort ist festgestellt worden, dass sich bei einer Pflichtberatung 90 % der Frauen, glaube ich, für das Kind entscheiden, demzufolge auch ihre Angaben machen und nicht anonym bleiben wollen. Insofern sieht der Freistaat Bayern - das war auch der Auslöser dafür, dass Bayern einen Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf des Landes Baden-Württemberg gestellt hat - schon einen Zusammenhang zwischen Pflichtberatung und Vermeidung von anonym geborenen Kindern. Deshalb glaube ich, dass eine Pflichtberatung sinnvoll ist.
Ich glaube auch, dass diese Beratung - das ist in der neuesten Fassung des Gesetzentwurfs durchaus abgewogen worden - zu einem bestimmten Termin nicht vor der Entbindung, sondern auch nach der Entbindung stattfinden kann und dass es durchaus eine Situation gibt, in der eine, wie Sie das nannten, selbstbestimmte Entscheidung von einer Frau zu treffen ist.
Wir sollten von der Pflichtberatung nicht abgehen, zumal wir - Herr Kollege Stahlknecht hat darauf hingewiesen -, wenn wir eine gesetzliche Regelung der anonymen Geburt in Deutschland erreichen wollen, an der Pflichtbera
tung, zumindest nach dem derzeitigen Stand, nicht vorbeikommen. Ich halte sie auch für notwendig und sinnvoll.