Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte den Punkt des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte noch einmal aufgreifen. Frau von Angern, Sie haben ein bisschen lapidar dargestellt, dass Sie zwar schon sehen, dass es einer erneuten Befassung bedarf, dass also, wenn in Deutschland ein solcher Fall auftreten würde, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erneut entscheiden müsste. Aber Sie sind dann lapidar darüber hinweggegangen und haben gesagt, Sie glaubten, dass keine andere Entscheidung zustande käme als die, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu der französischen Regelung getroffen habe.
Ich glaube, da irren Sie - ein Blick in die Literatur, die seit dem Urteil erschienen ist, wird das auch belegen -, weil das im deutschen Verfassungsrecht verankerte Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung sehr viel höher angesetzt ist als im französischen Recht. Deshalb wird es da, glaube ich, eine andere Entscheidung geben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben solche Abwägungsentscheidungen auch in anderen Fallgestaltungen zu treffen, beispielsweise bezüglich des Auskunftsrechts des Kindes gegenüber seiner Mutter auf Nennung des Namens des leiblichen Vaters. In diesem Fall haben wir ein genau vorgegebenes Verfahren, dass eine Abwägung stattfindet, damit die Rechte der Mutter, anonym zu bleiben, ordnungsgemäß geprüft werden können. Es kann Fälle geben, in denen dieses Recht überwiegt und in denen dann die Entscheidung gegen die Namensnennung fällt. Aber in den allermeisten Fällen fällt die Entscheidung zugunsten des Kindes, damit es seine Abstammung kennt.
Deshalb bin ich der Meinung, es wird auch weiterhin notwendig sein, in Richtung einer geheimen Geburt zu gehen, damit man dem Kind die Möglichkeit eröffnet, seine Abstammung zu erfahren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, letzter Punkt. Frau Ministerin, ich werde die Frage der Verbreitung der Initiative in anderen Landesparlamenten sehr gern aufnehmen. Ich bin mir auch sicher, dass die neu gewählte Regierung von CDU und FDP in Baden-Württemberg, insbesondere Herr Justizminister Goll, dieses wieder aufgreifen wird. Ich zumindest werde ihn ermuntern, das zu tun, damit es über den Bundesrat, sofern das Land Sachsen-Anhalt das nicht selber machen will, eine erneute Initiative zu diesem Thema gibt, damit wir wieder in ein Gesetzgebungsverfahren kommen und am Ende
Herr Kosmehl, Sie sprachen davon, dass in Bayern eine Erhebung gemacht wurde und dass 90 % aller Frauen, die die Pflichtberatung besucht haben, sich für das Kind entschieden haben. Das glaube ich Ihnen. Doch, unabhängig davon, wie wir uns entscheiden werden, meine Meinung geht von der Pflichtberatung weg.
Aber zu dieser Zahl: Haben Sie auch eine Erkenntnis darüber, wovon es 90 % sind? Wie viel Frauen, die das betroffen hat, sind denn zu dieser Pflichtberatung gegangen? Wenn sie erst einmal da sind, kann ich natürlich 90 % aufstellen. Aber wie viel Frauen sind diese 90 %? Wissen Sie, wie viele dort hingegangen sind und wie viele die Pflichtberatung nicht doch gescheut haben und dann zu gar keinem Ergebnis gekommen sind?
Die genaue Zahl aus diesem Begleitprojekt kann ich Ihnen nicht nennen. Ich kann in meinen Unterlagen nachschauen, in denen ich den Auswertungsbericht habe. Wenn ich mich richtig erinnere, war es aber so, dass 90 % der Frauen, die an dieser Beratung teilgenommen haben, ihren Namen genannt und die melderechtlichen Voraussetzungen erfüllt haben. Nur 10 % wollten weiterhin anonym bleiben.
Wie viele Frauen tatsächlich nicht zu der Beratung gegangen sind, ist die Frage. Diese kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich glaube aber, dass, wenn wir es schaffen, den Frauen in einer solchen Konfliktsituation die Möglichkeit zu geben, sich ins Krankenhaus zu begeben, sie dort sowohl medizinisch zu versorgen, aber parallel dazu - entweder vor oder nach der Entbindung - auch ein Beratungsgespräch mit Hilfsangeboten zur Begleitung anzubieten, tatsächlich der Name genannt wird oder über andere Möglichkeiten, wie beispielsweise Adoption, entschieden werden kann.
Mir geht doch nur darum, dass wir letztlich nicht Kinder ohne die Kenntnis ihrer eigenen Abstammung zurücklassen, dass wir also die Anonymität vermeiden und dass wir den Frauen tatsächlich ein Umfeld bieten, in dem sie ihre Kinder ohne Risiken zur Welt bringen können. Darum geht es mir.
Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Ich erteile jetzt Frau von Angern für die Linkspartei.PDS das Wort. Bitte schön.
Auch wenn Sie jetzt hinter mir sitzen, Herr Kosmehl, spreche ich Sie an. - Ich habe schon geahnt, dass heute wieder Ihre Belehrung zum Thema Pflichtberatung und das Projekt “Moses“ ins Spiel gebracht werden. Ähnlich wie Sie heute die Ministerin belehrt haben, haben Sie
mich nämlich schon im Jahr 2005 belehrt. Ich danke Frau Schmidt für ihre Frage; denn darin ist noch einmal ganz deutlich geworden, wo aus unserer Sicht das Problem liegt.
Es sind nicht die Frauen. Ich finde es gut, dass sich 90 % für ihre Kinder oder für eine Adoption entschieden haben. Aber genau das ist doch das Problem. Was ist mit den Frauen, die nicht in diese Beratung gehen? - Sie haben es ja in Ihrer Antwort relativiert und selbst von „Angeboten“ gesprochen. Genau das streben wir an. Wir wollen Angebote.
Ich muss auch sagen, ich halte es für eine fragwürdige liberale Position, von Pflichtberatungen auszugehen. Ich habe es sehr positiv aufgenommen - ich hoffe, dass ich Sie da richtig verstanden habe, Herr Stahlknecht -, dass Sie sich diesbezüglich auch ein wenig öffnen. Ich habe nun wenig Erfahrung mit Bundesratsinitiativen, die von uns eingebracht werden. Aber nach meiner Auffassung sollte man zunächst mit der Maximalforderung hineingehen.
Ich hoffe, dass wir uns im Ausschuss darauf einigen werden - vielleicht auch mithilfe der SPD -, von einer Pflichtberatung Abstand zu nehmen. Dabei wissen Sie uns dann auf jeden Fall auf Ihrer Seite oder hinter Ihnen. - Danke schön.
Vielen Dank, Frau von Angern. - Damit ist die Aussprache beendet und wir kommen zur Abstimmung. Es wurde beantragt, beide Anträge in den Ausschuss für Recht und Verfassung und zur Mitberatung in den Sozialausschuss zu überweisen. Darüber würde ich jetzt einzeln abstimmen lassen.
Ich rufe zunächst die Drs. 5/21 zur Abstimmung auf. Wer dieser Drucksache zustimmt und eine Überweisung in den Ausschuss für Recht und Verfassung und zur Mitberatung in den Ausschuss für Soziales möchte, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Ich sehe Zustimmung bei allen Fraktionen. Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Auch keine. Damit ist der Überweisung zugestimmt worden.
Ich komme jetzt zur Abstimmung über die Drs. 5/34. Es ist das gleiche Verfahren, ebenfalls eine Überweisung in den Ausschuss für Recht und Verfassung zur federführenden Beratung und zur Mitberatung in den Sozialausschuss. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Stimmenthaltungen? - Keine. Gegenstimmen? - Auch keine. Damit ist auch dieser Überweisung zugestimmt worden und der Tagesordnungspunkt ist abgeschlossen.
Die Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Bull von der Fraktion der Linkspartei.PDS. Es wurde ebenfalls eine Fünfminutendebatte vereinbart. Frau Bull, Sie haben das Wort. Bitte schön.
Meine Damen und Herren! Ich gehöre nun nicht unbedingt zu jenen, die sozusagen im allgemeinen Halleluja ab heute ihr Leben in einen Ausnahmezustand verwandeln. Aber ich finde schon, nachdem die Frauen bereits Weltmeister sind, sollen die Männer jetzt auch eine faire Chance haben.
Dennoch: Zu den sozialen Tatsachen solcher Großevents gehören auch immer allerlei gewöhnungsbedürftige Erscheinungen, aber auch handfeste Probleme, Schwierigkeiten und Absurditäten, die man zur Kenntnis nehmen muss und gegenüber denen man sich verhalten muss.
Zu den gewöhnungsbedürftigen Erscheinungen gehören zumindest für die deutsche Durchschnittsbürgerin die so genannten Verrichtungsboxen, die derzeit - so habe ich das zumindest der „taz“ entnommen - in einigen Austragungsorten der Fußball-WM aufgestellt werden. Die deutsche Durchschnittsbürgerin wird sich fragen: Was um alles auf der Welt treibt eigentlich Männer dazu, etwas in solchen Boxen zu verrichten, was doch in deutlich angenehmerer Umgebung kostenfrei und deutlich unkomplizierter auf dieser Welt zu haben ist? - Aber des Mannes Wille ist sein Himmelreich, wird sie sich antworten, und gut.
Mir, meine Damen und Herren, ist es zu Beginn der Einbringung dieses Antrages wichtig zu sagen: Prostitution wird ja gemeinhin als das älteste Gewerbe der Welt bezeichnet. Verbieten kann und darf man es natürlich nicht. So gesehen will ich die Chance noch einmal nutzen, um zu sagen, dass ich die gesetzlichen Regelungen vor einigen Jahren durchaus als einen zivilisatorischen Fortschritt empfinde.
Aber, meine Damen und Herren, Zwangsprostitution und Menschenhandel sind eine andere Baustelle. Ich will auch gleich mit einem Missverständnis aufräumen: Es geht hier mitnichten darum, die Fußball-WM zu diskreditieren. Aber ich will Sie trösten: Auch in meiner Fraktion kam geradezu reflexartig die bange Frage auf, ob denn ein solcher Antrag geeignet wäre, den göttlichen Tempel des Fußballs zu schänden. - Nein, meine Damen und Herren, natürlich nicht, wie könnten wir?
Nein, es geht um Folgendes: Freier haben oftmals den einzigen Zugang zu Betroffenen von Zwangsprostitution und Menschenhandel. Das ist eine ziemlich schwierige Angelegenheit. Es ist außerordentlich schwierig, dort heranzukommen. Insofern finde ich das schon recht pfiffig, wenn ich es einmal so sagen darf, während der Anwesenheit von - mit Verlaub gesagt - potenziellen Freiern in einer so großen Zahl die Chance zu nutzen, auf das Thema aufmerksam zu machen, für das Thema zu sensibilisieren. Vielleicht gibt es auch den einen oder anderen, der mit ein bisschen Zivilcourage ausgestattet ist und guckt, ob eine Prostituierte freiwillig arbeitet oder ob sie das eben nicht tut.
Zwangsprostitution ist eine schwere Menschenrechtsverletzung und mithin auch eine schwere Straftat. Ich denke, jede Chance muss genutzt werden, um darauf aufmerksam zu machen. Meine Herren, ich denke schon, die Fußball-WM wird es aushalten.
Einen kurzen Aufriss zur Situation: Jährlich wird ein polizeiliches Lagebild zum Thema Menschenhandel erstellt.
Im Jahr 2004 war dem zu entnehmen, dass es sich von Jahr zu Jahr immer um ungefähr 1 000 Betroffene handelt, einmal mehr und einmal weniger. Die Dunkelziffer ist naturgemäß unbekannt. Es sind überwiegend Betroffene nichtdeutscher Herkunft, vor allem aus den mittel- und osteuropäischen Staaten kommend. Natürlich sind die Betroffenen auch meistens weiblich und zwischen 15 und 30 Jahren alt. Deswegen nennen auch internationale Nichtregierungsorganisationen die Sache beim Namen, wenn sie von „Frauenhandel“ sprechen.
Das ist nur ein annäherndes Bild. Ich sagte es schon, die Dunkelziffer ist viel höher. Es liegt - man traut sich das immer kaum zu sagen - auch in der Natur der Sache, weil zum einen - das ist sicherlich Konsens - diese ganze Sache auf der prekären rechtlichen und sozialen Lage in den Herkunftsländern beruht. Armut und Migration sind seit jeher ein signifikanter Zusammenhang. Das hat auch ein Stück weit mit Bildung und Aufklärung zu tun, keine Frage.
Aber zum anderen - das sollte uns hier in Deutschland angehen - sind es auch andere kulturelle Erfahrungen mit Behörden und Polizei, Erfahrungen mit dem Rechtsstaat, die oft fehlen. Es ist auch nahezu eine Unmöglichkeit, legal in Deutschland zu arbeiten.
Der Dreh- und Angelpunkt ist der illegale Aufenthaltsstatus der Betroffenen; denn der treibt sie in ein perfides und subtiles Netz von Abhängigkeitsverhältnissen zwischen Tätern und Opfern. Das ist mit Gewalt verbunden. Die Frauen sind sehr häufig stark traumatisiert. Ich vermute, das kann sich von uns hier gar keiner vorstellen. Sie sind demzufolge auch meist kaum handlungs- und orientierungsfähig.
Es hat natürlich auch mit viel Scham und Angst zu tun. Prostitution ist in Deutschland nach wie vor mit einem großen Makel behaftet. Nicht einmal Freier bekennen sich in der Regel dazu.
Es gibt auch die unsägliche Tradition, Opfer von Zwangsprostitution in erster Linie auf die Rolle als „Täterinnen“ zu reduzieren. Ein deutliches Indiz dafür ist, dass es sich hier um ein typisches Kontrolldelikt handelt. Das heißt, in den seltensten Fällen kommen die Betroffenen und stellen Strafanzeige.
Meine Damen und Herren! Dem Deutschen Frauenrat und dem Deutschen Fußballbund sowie allen anderen Beteiligten sollten wir danken. Das ist heute die letzte Gelegenheit, um insbesondere auch dem Deutschen Fußballbund zu danken - den musste man ein bisschen zum Jagen tragen, na ja, mein Gott -; denn ich denke schon, dass es wichtig ist, das Problem zu thematisieren und dafür zu sensibilisieren. Ich vermute, deshalb wird auch zu Punkt 1 unseres Antrages in allen Fraktionen weitgehend Konsens bestehen.
Aber es wäre schon ein bisschen dünn, wenn wir den Betroffenen nicht auch sagen könnten, was wir ihnen zu bieten hätten, um ihren Schutz oder ihre Rechtsstellung zu stärken, und dass wir ihnen selbstverständlich auch die Infrastruktur bieten, um ihre soziale Lage zu verbessern.
Ein zentraler Punkt - ich will ausdrücklich sagen, dass ich mich aus diesem Grunde darauf konzentrieren möchte, obwohl es sehr viel mehr dazu zu sagen gibt; das sollten wir sicherlich dann im Ausschuss tun - wäre tatsächlich die Verbesserung der Rechtsstellung der Betroffenen, der möglichen Opfer; denn ihr illegaler Status