Protokoll der Sitzung vom 16.11.2007

Herr Daldrup, Sie haben eingangs festgestellt, dass Ihnen, als Sie vor 30 Jahren das Feld der Landwirtschaft betraten, auf den Weg gegeben worden ist, dass die Landwirtschaft nicht in der Lage ist, weltweit die Menschheit zu ernähren. Das wurde 30 Jahre vorweggeschoben, aber es trat nicht ein. Würden Sie diese Aussage auch unter dem Anspruch der heutigen Debatte „global denken“ in dem Wissen aufrechterhalten, dass in dieser von Ihnen benannten Zeit Hungersnot und weltweit Hungertod millionenfach gewachsen ist? Wäre es vielleicht nicht angebracht festzustellen, dass mit der heutigen EU-Agrarpolitik, mit der gemeinsamen Agrarpolitik, der internationalen Agrarpolitik und dem Welthandel dieses Problem nicht zu lösen ist?

Herr Krause, ich schließe daraus, dass wir alles tun müssen, um die Erträge zu steigern und ordentlich zu verteilen und dass wir alle Möglichkeiten wahrnehmen müssen, um die Menschen zu ernähren.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Tullner, CDU: Sehr richtig!)

Herzlichen Dank für Ihren Beitrag, Herr Daldrup. - Meine Damen und Herren! Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Beschlüsse in der Sache werden nicht gefasst. Damit sind wir am Ende des Tagesordnungspunktes 1.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 12:

Zweite Beratung

a) Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Jugendstrafe in Sachsen-Anhalt - Jugendstrafvollzugsgesetz Sachsen-Anhalt (JStVollzG LSA)

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 5/749

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verfassung - Drs. 5/941

Änderungsantrag der Fraktion der FDP - Drs. 5/966

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/971

b) Jugendstrafvollzug

Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 5/120

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verfassung - Drs. 5/942

Die erste Beratung fand in der 24. Sitzung des Landtages am 13. Juli 2007 bzw. in der 5. Sitzung des Landtages am 7. Juli 2006 statt. Der Berichterstatter zu den Tagesordnungspunkten 12 a und 12 b ist der Abgeordnete Herr Dr. Brachmann. Danach wird für die Landesregierung Ministerin Frau Dr. Kolb das Wort ergreifen. Herr Brachmann, Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in meiner Einbringung zunächst mit dem Antrag der Fraktion der FDP in der Drs. 5/120, dem Tagesordnungspunkt 12 b der heutigen Sitzung, beginnen.

Dieser Antrag wurde in der 5. Sitzung des Landtages am 7. Juli 2006 in den Ausschuss für Recht und Verfassung überwiesen. Die Landesregierung wird hierin aufgefordert, dem Landtag zeitnah einen Gesetzentwurf zum Jugendstrafvollzug vorzulegen. Dieser Aufforderung kam die Landesregierung mit dem Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Jugendstrafe in Sachsen-Anhalt - Jugendstrafvollzugsgesetz Sachsen-Anhalt - in der Drs. 5/749 nach.

Dem vorausgegangen war eine Verständigung über die Eckpunkte eines Jugendstrafvollzugsgesetzes, die der Ausschuss für Recht und Verfassung anlässlich eines Besuches bei der Jugendvollzugsanstalt in Raßnitz erörterte. Der Ausschuss - dadurch erklärt sich, dass es nicht ganz so schnell ging - war auch mit der Vorgehensweise einverstanden, dass die Landesregierung in einer Neuner-Arbeitsgruppe mitwirkt, also einer Arbeitsgruppe, in der neun Landesjustizverwaltungen gemeinsam bemüht waren, einen einheitlichen Gesetzentwurf zu erarbeiten.

Auf der Grundlage dieses Neuner-Entwurfes hat die Landesregierung dem Landtag in der Sitzung am 13. Juli 2007 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der zur Beratung in den Ausschuss für Recht und Verfassung überwiesen worden ist. Damit konnte der Antrag der FDP in der 19. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verfassung einstimmig für erledigt erklärt werden. Die Beschlussempfehlung hierzu liegt Ihnen in der Drs. 5/942 vor.

Meine Damen und Herren! Grundlage des vorliegenden Gesetzentwurfs der Landesregierung ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 2006. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber verpflichtet, bis Ende 2007 den Jugendstrafvollzug auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Das Jugendgerichtsgesetz und andere Vorschriften regeln die Rechte und Pflichten der jugendlichen Gefangenen bisher nur rudimentär. Der lückenhafte Rechtsbestand wurde bislang durch bundeseinheitlich geltende Verfahrensvorschriften für den Jugendstrafvollzug ergänzt. Diese reichen als Rechtsgrundlage ab dem 1. Januar 2008 nicht mehr aus. Deshalb ist der Erlass des Gesetzes unumgänglich.

Seit dem 1. September 2006 liegt die Zuständigkeit für den Erlass eines solchen Gesetzes bei den Ländern; denn die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug insgesamt ist als Folge der Föderalismusreform auf die Länder übergegangen.

Mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung hat sich der Rechtsausschuss erstmals in seiner Beratung im Juli befasst. Es wurde beschlossen, eine Anhörung durchzuführen. Diese Anhörung fand in öffentlicher Sitzung statt. Es wurden zahlreiche Sachverständige, Vereine, Verbände und Institutionen angehört.

Nach der Anhörung überreichte der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst dem Ausschuss mit Schreiben vom 19. Oktober 2007 eine Stellungnahme sowie eine Synopse zum Gesetzentwurf.

Die Ergebnisse der Anhörung nahm die Ministerin der Justiz Frau Professor Kolb zum Anlass, dem Ausschuss in Vorbereitung dieser Sitzung mit Schreiben vom 16. Oktober 2007 ihre persönliche Einschätzung zu übermitteln und nochmals die Haltung der Landesregierung zu den auch in der Anhörung angesprochenen Fragen zu verdeutlichen. Sie empfahl, den in Rede stehenden Gesetzentwurf in drei Punkten zu verändern.

Zum einen sollte in § 44 ein gesetzliches Gebot der Zusammenarbeit zwischen Vollzug, Bildungs- und Schulverwaltung verankert sein.

Zum anderen könnte das Verbot des Schusswaffengebrauchs aus § 89 in der Tat kürzer und präziser formuliert werden und sollte sich vor allem auch auf ein generelles Verbot erstrecken.

Zum Dritten wurde empfohlen, § 119 um eine Bestimmung zu ergänzen, die auch Vollzugsgemeinschaften ermöglicht.

Diese Anregungen hat die Regierungskoalition mit entsprechenden Änderungsanträgen aufgegriffen.

Mit Schreiben vom 1. November 2007 legte der GBD eine überarbeitete Synopse vor. Vorausgegangen waren noch einmal Abstimmungsgespräche mit dem Justizministerium. Diese Synopse beschränkte sich nicht nur auf rechtsförmliche Änderungen, sondern enthielt auch zu einer ganzen Reihe von Bestimmungen Neuformulierungen.

Zur Beratung am 5. November 2007 lag neben der Stellungnahme des GBD und den schon erwähnten Änderungsanträgen der Regierungskoalition auch eine ganze Reihe von Änderungsanträgen der Oppositionsfraktionen vor.

Meine Damen und Herren! Ich will Ihnen jetzt ersparen - mir natürlich auch -, im Detail auf all diese Änderungsanträge einzugehen. Vielleicht so viel: Es gab eine ganze Reihe von Änderungen am Regierungsentwurf, auf die sich der Ausschuss fraktionsübergreifend verständigte. Diese Änderungen wurden dann auch einstimmig beschlossen. Dies betraf insbesondere inhaltliche Änderungen, die vom Gesetzgebungs- und Beratungdienst angeregt worden waren.

Keine Übereinstimmung gab es freilich zu dem Anliegen der Opposition, zentrale Vorschriften des Gesetzentwurfs zu ändern, so zum Beispiel in § 2 den Erziehungsgedanken als vorrangiges Ziel des Gesetzes herauszustellen oder etwa in § 19 den offenen Vollzug als Regelvollzug festzuschreiben. Dazu liegen Ihnen heute auch

für die Schlussabstimmung nochmals entsprechende Änderungsanträge der Opposition vor.

Hervorhebenswert scheint mir noch der Vorschlag der Fraktion der FDP zu sein, einen neuen § 123 - Berichtspflicht der Landesregierung - in das Gesetz aufzunehmen. Nach dieser Vorschrift berichtet das Ministerium der Justiz dem Landtag in zweijährigem Abstand zur Lage des Jugendstrafvollzuges in Sachsen-Anhalt.

In Auswertung der Anhörungen und der Stellungnahmen und unter Berücksichtigung auch der Einzelabstimmung über die Änderungsanträge hat der Rechtsausschuss am 5. November 2007 abschließend die Ihnen in der Drs. 5/941 vorliegende Beschlussempfehlung mit 6 : 0 : 3 Stimmen verabschiedet. Das Gesetz ist also mit den Stimmen der Regierungskoalition verabschiedet worden; die Opposition hat sich bei der abschließenden Abstimmung der Stimme enthalten.

Die rechtsförmlichen Hinweise des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes fanden bei der Erarbeitung der Beschlussempfehlung an den Landtag Eingang. Soweit jedoch vom GBD auch inhaltliche Änderungen vorgeschlagen wurden, konnten diese - wie bereits erwähnt - nur zum Teil Berücksichtigung finden.

Sehr geehrte Damen und Herren! An dieser Stelle möchte ich noch auf eine redaktionelle Berichtigung hinweisen. Sie betrifft die Formulierung in der Beschlussempfehlung zu § 96 Abs. 4. Diese ist so abzuändern, dass analog der Formulierung in § 82 Abs. 3 der § 96 Abs. 4 folgende Fassung erhalten sollte:

„Die Entscheidung wird dem Gefangenen vom Anstaltsleiter mündlich eröffnet und schriftlich begründet.“

Meine Damen und Herren! Im Namen des Ausschusses für Recht und Verfassung bitte ich um Zustimmung zu den Ihnen in den Drs. 5/941 und 5/942 vorliegenden Beschlussempfehlungen mit der hier von mir vorgetragenen zusätzlichen Änderung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Dr. Brachmann, für die Berichterstattung. - Jetzt erteile der Ministerin Frau Professor Dr. Kolb das Wort. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Recht muss beständig sein, ohne zu erstarren. Das gilt auch und gerade in Zeiten des Umbruchs. Der vorliegende Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz will deshalb nicht nur den Jugendvollzug auf eine gesetzliche Grundlage stellen. Er will auch Ausgangspunkt sein für einen zeitgemäßen, modernen und humanen Strafvollzug und verknüpft daher Bewährtes mit zahlreichen konkreten Verbesserungen. Diese möchte ich an dieser Stelle nur beispielhaft aufzählen, weil alles andere den Rahmen sprengen würde:

Die Unterbringung in kleinen Wohngruppen ist im Jugendvollzug unseres Landes bereits seit Jahren Standard.

Ein besonderer Schutz gegen Übergriffe unter den Gefangenen ist durch die Einzelunterbringung im gesamten Jugendvollzug gewährleistet.

Ein probates Mittel, die Rückfallgefahr zu verringern, ist die Sicherstellung von Außenkontakten, die mit dem vorliegenden Entwurf des Jugendstrafvollzugsgesetzes von derzeit einer Stunde auf künftig vier Stunden monatlich erweitert werden.

Spezifische Betreuungsmöglichkeiten bietet die im Jahr 2013 einzurichtende Jugendsozialtherapie. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle, dass der Gesetzentwurf einen Rechtsanspruch für geeignete Jugendliche im Hinblick auf die Inanspruchnahme einer solchen Sozialtherapie einräumt.

Die Entlassungsvorbereitung bis hin zur Möglichkeit der Nachbetreuung in Einzelfällen gehört ebenfalls zu den notwendigen Standards im Jugendstrafvollzug. Einer unserer politischen Schwerpunkte ist der Aufbau von Netzwerken mit Stellen außerhalb des Vollzuges, die eine erfolgreiche Vorbereitung der Entlassung und die kontinuierliche Betreuung und Nachsorge auch über den Entlassungszeitpunkt hinaus gewährleisten und in Zukunft noch verstärkt werden. Damit sollen die im Moment noch bestehenden Betreuungsbrüche in Zukunft verhindert oder zumindest verringert werden.

Die kriminologische Forschung und eine Pflicht des Justizministeriums, diesem Hohen Haus alle zwei Jahre über den aktuellen Stand im Jugendstrafvollzug zu berichten, sollen dazu beitragen, die gesetzten Standards wirkungsvoll umzusetzen und auch transparent zu zeigen, inwieweit unsere Bemühungen tatsächlich von Erfolg gekrönt werden.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Der befürchtete Wettlauf um den billigsten Strafvollzug ist nicht eingetreten. Der Erziehungs- und Förderauftrag des Entwurfs geht vielmehr von der Notwendigkeit aus, insbesondere jungen Gefangenen einen kontinuierlichen und individuellen Vollzugsweg aufzuzeigen. Viele jugendliche Straftäter haben bis dahin von Erziehung überhaupt noch nichts gehört. Hier setzen wir an und wollen versuchen, den Jugendlichen während ihrer Inhaftierung vor allen Dingen Werte wie Rücksicht, Disziplin, Ordnung und Mitmenschlichkeit zu vermitteln,

(Herr Tullner, CDU: Sehr gut!)

aber auch Defizite in der Elementarbildung zu beseitigen. Denn nur wer einen hinreichenden Schulabschluss und einen Abschluss in der Berufsausbildung hat, der hat auch eine wirkliche Chance auf Wiedereingliederung.