Verehrter Herr Kollege Wolpert, weil Sie als Schlusssatz Ihrer Rede noch einmal Ihre Eingangskritik gebracht haben. Sie haben zu Beginn Ihrer Rede kritisiert, dass Gemeinden fusionieren sollen und am Ende weniger selbständige Gebietskörperschaften übrig bleiben. Sie haben außerdem kritisiert, dass aufgrund der Reduzierung weniger ehrenamtliche Gemeindevertreter übrig bleiben, die fortan mitwirken.
Nun möchte ich das gern auch ernst nehmen, was Sie an Kritik bringen. Aber es fällt mir momentan schwer. Wie bringen Sie das in Einklang mit Ihrer Haltung in der vorherigen Wahlperiode? Dort haben wir auch auf Drängen der FDP eine Kreisgebietsreform gemacht, bei der sich die Anzahl der Mandatsträger in den Kreistagen halbiert hat.
Das war auch nicht so lustig. Ich persönlich hatte daran, ehrlich gesagt, gar nicht viel Spaß, gerade in meinem Kreis.
Zum Zweiten, damit Sie wissen, wie das tatsächlich aussieht. Ich bringe einmal aus Ihrem Wahlkreis ein Beispiel. In Bitterfeld-Wolfen und den umliegenden Gemeinden wie Greppin etc. hatten Sie vorher, so glaube ich, in den Gemeinderäten insgesamt 104 Gemeindevertreter. Ich glaube, Sie haben nach der Fusion zu einer neuen Einheitsgemeinde 105 Gemeindevertreter. Das wäre sogar einer mehr. Aber zumindest ist es gleich.
Wenn wir das flächendeckend im Land betrachten, dann stellen wir fest: Wir haben zwar nicht so viele Gemeinde
räte wie bisher, aber wir haben Ortschaftsräte und andere Formen der Mitwirkungsrechte, die auch wahrgenommen werden, und dort, wo das schon passiert ist, sehr ernsthaft. Wie glaubhaft ist die Kritik der FDP gerade in diesem Punkt?
Ich versuche, das zu beantworten. Auch im Rahmen der Kreisgebietsreform hat es einen Abwägungsprozess gegeben. Natürlich hat es auch eine Verminderung der Zahl der Mandatsträger gegeben. Diese ist seinerzeit in Kauf genommen worden. Sie können sich daran erinnern, dass wir versucht haben, eine größere Anzahl von Vertretern in die Kreistage hineinzubringen, um diesen Verlust auszugleichen oder abzumildern.
Diesbezüglich konnten wir uns nicht vollständig durchsetzen. Das wissen Sie selbst ganz genau. Das ist auch teilweise an Ihrer Haltung gescheitert.
Das andere betrifft die Gemeinden. Das ist die Meinung, die wir immer hatten: Man kann auf einen solchen Verzicht eingehen, wenn sich auf der anderen Seite tatsächlich etwas zum Guten ändert. Das findet bei freiwilligen Liebesheiraten zwischen Gemeinden statt, nicht aber bei Zwangsehen. Das ist ein Abwägungsgebot. Die Ortschaftsräte, die Sie angesprochen haben, sind in unseren Augen ein Placebo.
- Ich beleidige hier niemanden. - Aber wenn Sie diejenigen fragen, die in Ortschaftsräten sind, und hören, wie frustriert sie sind und dass sie das nie wieder machen wollen, weil sie nämlich nur 300 € zur Verteilung und ansonsten nichts zu melden haben, dann kommen Sie ins Zweifeln, ob der Ortschaftsrat tatsächlich das geeignete Mittel ist, um Leute für die Demokratie zu begeistern.
Deshalb ist die FDP der Auffassung, dass es mit diesem Gesetz, nach dem zwangsweise Leute nach Hause geschickt werden, etwas anderes ist als bei Leuten, die sagen: Ich gehe das freiwillig ein. Das ist der Kritikpunkt, den wir hierbei vorgebracht haben.
Im Wesentlichen zwei Punkte. Ich frage, ob es nicht vielleicht sinnvoll wäre, dass sich die FDP im Lande noch einmal vor Ort weiter umhört. Denn in Bezug auf die Kreisgebietsreform kann man weiß Gott auch nicht von Liebesheiraten sprechen. Zumindest in meinem Heimatkreis werden wir noch eine Generation brauchen, damit das zusammenwächst und Akzeptanz findet. Daran arbeiten wir alle.
(Herr Gallert, DIE LINKE: Das war vorher schon nicht so schön zwischen Aschersleben und Staß- furt!)
Aber dabei kann man nicht von Liebesheiraten sprechen. Insofern würde das genauso wenig auf die Reform zutreffen, die die FDP maßgeblich mit betrieben hat und die wir gemeinsam umgesetzt haben.
Das Zweite ist Ihr Placebo-Vorwurf oder die Unterstellung, die Ortschaftsräte seien Placebo-Gemeinderäte.
Ich war im Januar beim Neujahrsempfang der Kirchgemeinde Falkenstein. Das ist eine Gemeinde, die recht frühzeitig, bevor wir damit begonnen haben, aus der Verwaltungsgemeinschaft eine Einheitsgemeinde gemacht hat. Dort, bei der Pastorin waren fast alle Ortschaftsräte anwesend. Dieses Beispiel könnte noch um viele andere ergänzt werden, in denen sich Ortschaftsräte, wenn sie es ernst nehmen, aktiv einbringen und mitgestalten. Insofern wäre es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn die FDP ihre Position zu den Ortschaftsräten noch einmal überdenken würde; denn ich würde die Ortschaftsräte nicht so pauschal abqualifizieren wollen.
Sehen Sie, ich denke, man könnte jetzt viele Beispiele nennen. Ich kann Sülzetal heranziehen, ich kann Barleben heranziehen, wo ich mit den Ortschaftsräten gesprochen und Gegenteiliges gehört habe. Vielleicht sollte die CDU einmal ihre Meinung überdenken. So kommen wir in der Sache wohl kaum weiter.
Sie wissen genau, dass wir uns mit der Kreisgebietsreform schwer getan haben, dass wir das lange abgewogen haben und dass wir auch lange mit der Opposition darüber gestritten haben. Es war ein Abwägungsprozess. Der hat in diesem Fall nicht stattgefunden, zumindest nicht im Landtag. Er mag in den Koalitionsfraktionen stattgefunden haben, aber eben nicht im Gesetzgebungsverfahren. Das ist der Hauptkritikpunkt gewesen.
Als letzten Debattenbeitrag hören wir jetzt den Beitrag der SPD-Fraktion. Es spricht die Abgeordnete Frau Schindler. Bitte schön.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist gesagt worden, es sei eineinhalb Jahre her, ich sage, es ist fast zwei Jahre her, dass die CDU und die SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben, eine Gemeindegebietsreform in Sachsen-Anhalt durchzuführen. Es ist ein wichtiges und, ich sage auch, ein anspruchsvolles Reformvorhaben in dieser Legislaturperiode; denn wir wissen alle, Gebiets- und Verwaltungsreformen sind nicht überall beliebt und stoßen nicht überall auf Gegenliebe.
Immer wenn man in unserem Land von Reformen spricht, wird der eigentliche Ursprung des Ganzen nicht mehr gesehen. Die Ursachenanalyse und die Notwendigkeit von Reformen werden von Hemmnissen und Problemen, die mit dieser Reform einhergehen könnten, überlagert. Sobald jemand von Reformen spricht, sind diejenigen da, die viele Argumente dafür haben, dass eigentlich alles so bleiben kann und soll, wie es ist.
Viele haben in den letzten Tagen im Zusammenhang mit der Gebietsreform natürlich auch ein Auge auf Sachsen geworfen. Gestern hat der Landtag von Sachsen eine Kreisgebietsreform und im Zusammenhang damit eine Verwaltungsreform beschlossen. Auch diese ist sehr umstritten gewesen. Herr Grünert hat in seinem Redebeitrag gesagt, dass dort viel diskutiert worden ist, wie bei uns.
Wir sind also nicht allein auf diesem Weg der Gebietsreform und wird sind auch nicht so vernagelt anzunehmen, dass dieses nur für Sachsen gelten könnte, für Sachsen-Anhalt aber nicht.
Bei dem Thema der Notwendigkeit einer Gebietsreform sind sich sogar die Gutachter einig. Wir sind hier oft gescholten worden, dass wir dieses nicht beachteten. Auch die Gutachter bestätigten einhellig, dass diese Reform für Sachsen-Anhalt notwendig ist.
Selbst die Vertreter der Volksinitiative sagten, dass die jetzigen Verwaltungsstrukturen qualifiziert werden sollten. Über die Vorgehensweise herrscht dann natürlich Uneinigkeit.
Ich betone an dieser Stelle noch einmal: Es geht nicht um eine Reform der Reform wegen. Nein, unsere Gemeinden sollen für die Anforderungen der Zukunft gerüstet sein und brauchen dafür effiziente und effektive Strukturen. Die SPD sieht diese Effizienz- und Effektivitätsvorteile genau in diesen neu gefundenen Strukturen. Diese bestehen unter anderem in der Bündelung von Verwaltungsaufgaben, in der Verringerung von Verwaltungsaufwand und in dem effizienten Einsatz von Personal. Effizienz sehen wir auch in der Konzentration der zur Verfügung stehenden Mittel.
In meiner Rede vor einem Jahr zum Thema Gutachten zur Wirtschaftlichkeit von Einheitsgemeinden verwies ich bereits auf ein Argumentationspapier des brandenburgischen Innenministers Schönbohm aus dem Jahr 2000
mit dem Titel „Starke Gemeinden für Brandenburg“. Auch in diesem Papier wurden all die Argumente vorgetragen, die wir in den letzten Wochen und Monaten hörten. Die Antworten sind ebenfalls meistens die gleichen.
Es sind Argumente für und gegen eine Gebietsreform. Auch bei uns ist zu hören und zu lesen, dass mit der Gebietsreform Hunderte Gemeinden von der Landkarte verschwinden würden. Wir sagen aber, die Kirche bleibt im Dorf und auch der ganze Ort bleibt da, wo er ist. Selbst die Namen der Orte leben in Ortsteilnamen weiter. Auch in Ortsteilen werden künftig Ortsjubiläen gefeiert werden.
Viele sagen, in größeren Gemeinden gebe es weniger Engagement der Bürger und wir würden mit sinkender Wahlbeteiligung der Bürger die Quittung dafür erhalten. Wir sagen, das bürgerschaftliche Engagement besteht vor allem in Vereinen, in Heimatvereinen, in Sport- und Kulturvereinen. Letztere machen auch heute nicht an Ortsgrenzen halt und auch künftig werden sie wie bisher vor Ort verwurzelt sein.
Bei den zurückliegenden Kommunalwahlen waren es gerade die kleinen Gemeinden, die Probleme damit hatten, für die Besetzung der Gemeinderäte genügend Personen aufzustellen. Selbst für Bürgermeisterwahlen war es manchmal schwer, Kandidaten zu finden. Größere Gemeinden haben zwar relativ weniger Gemeindevertreter, der Bürger erhält aber eine größere Auswahl an Bewerbern.
Nicht zuletzt wird immer wieder von der Zwangsenteignung der Gemeinden gesprochen. Eigentum der Gemeinden geht doch aber nicht verloren, verschwindet nicht und löst sich auch nicht auf. Es wird Eigentum der größeren Gemeinde, zu der dann die jetzige Gemeinde gehört, die dann ebenso Miteigentümer ist.
Lassen Sie mich noch auf den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE eingehen. Zur Änderung in Artikel 1 Nr. 1: Die in dem Gesetzentwurf definierten Ziele sind umfassend beschrieben und beinhalten auch die von Ihnen geforderte interkommunale Funktionalreform. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von einer Stärkung der Verwaltungskraft. Deshalb muss das nicht explizit aufgeführt werden.
Die von Ihnen unterbreiteten weiteren Änderungsvorschläge, über die wir weiß Gott auch in den Koalitionsfraktionen diskutiert haben, beinhalten eine weitere Ausweitung der Zahl der Mitgliedsgemeinden in Verwaltungsgemeinschaften, die Möglichkeit der Ortschaftsverfassung in Verbandsgemeinden sowie die Erhöhung der Anzahl der Mitglieder im Verbandsgemeinderat. Sie haben es aufgezählt.