Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

- danke, Herr Präsident - bei öffentlichen Bauvorhaben wurde beim Ministerium für Wirtschaft und Arbeit eine VOB-Auslegungs- und Beratungsstelle gebildet.

Zu deren Arbeitsgremien gehört neben der Geschäftsstelle ein ehrenamtlich besetzter Ausschuss, der in der Fachöffentlichkeit seit den frühen 90er-Jahren als „Magdeburger VOB-Ausschuss“ überregional bekannt und anerkannt war, Fragen grundsätzlicher Bedeutung erörterte und seine Entscheidungsergebnisse veröffentlichte.

Bauunternehmer beklagen nunmehr, dass im Jahr 2007 keine Beratungen dieses Ausschusses stattgefunden haben und eingereichte Anfragen unbeantwortet blieben.

Ich frage die Landesregierung:

1. Aus welchen Gründen kam die Tätigkeit der VOBAuslegungs- und Beratungsstelle und des daran angeschlossenen VOB-Ausschusses zum Erliegen?

2. Wie wird künftig sichergestellt, dass auch bei Auftreten von behördeninternen Personal- und Organisationsproblemen die insbesondere von der Bauwirtschaft angemahnte Arbeitsfähigkeit der VOB-Stelle und ihres Ausschusses ununterbrochen gewährleistet bleibt?

Vielen Dank. - Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Die Tätigkeit der VOB-Stelle ist eine freiwillige Aufgabe. Sie bezweckt vornehmlich die Streitschlichtung zwischen öffentlichen Auftraggebern und den Auftragnehmern, um oftmals langwierige und kostenträchtige Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang zu verhindern. Außer in SachsenAnhalt gibt es eine vergleichbare Einrichtung nur noch in Niedersachsen. Dort ist die Geschäftsführung jedoch beim Bauindustrieverband Niedersachsen/Bremen angesiedelt.

Die VOB-Auslegungs- und Beratungsstelle in SachsenAnhalt hat ihren Sitz im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit. Sie besteht aus einer ständigen Geschäftsstelle und einem Ausschuss besonders VOB-kundiger Personen.

Die Aufgaben der Geschäftsstelle werden durch das Landesverwaltungsamt wahrgenommen. Soweit die Geschäftsstelle einzelne Sachverhalte dem VOB-Ausschuss

vorlegt, geschieht dies über das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, das die Ausschusssitzungen vorbereitet und den Ausschuss nach Bedarf zu Beratungen einberuft. Die Stellungnahmen des VOB-Ausschusses sowie der Geschäftsstelle haben empfehlenden Charakter und sind für keine Seite bindend.

Die VOB-Stelle besteht seit 1991 und hat zu Beratungs- und Auslegungsfragen der Teile A, B und C der VOB Stellungnahmen abgegeben. Durch die Rechtsprechung der Vergabekammern und der Oberlandesgerichte liegt der Schwerpunkt im Bereich der Vertragsabwicklung, das heißt also der VOB B, und der Abrechnung, also der VOB C.

Die inhaltliche Beantwortung der anhängig gewordenen Anfragen durch die Geschäftsstelle der VOB-Stelle konnte im Jahr 2007 nur sehr eingeschränkt erfolgen. Hierfür gab es auch krankheitsbedingte Ursachen. Zum Erliegen kam die Geschäftsstelle jedoch nicht. Es gingen allerdings auch deutlich weniger Anfragen als in den Vorjahren ein. Von 1991 bis 1994 und dann nochmals bis 1998 wurden jeweils 100 Fälle des VOB-Ausschusses veröffentlicht.

Im Jahr 1999 wurden Vergabekammern eingerichtet, welche Probleme aus dem Bereich der VOB A rechtlich würdigten. Die VOB-Stelle konzentrierte sich von da ab auf die Auslegung der VOB B und der VOB C, also mehr oder weniger auf zivilrechtliche Fragen. Zudem war die Zahl der Anfragen stark rückläufig, sodass dem VOBAusschuss nur noch drei bis acht Anfragen pro Jahr als prägnante Anfragen vorgelegt werden konnten.

Die Landesregierung sieht daher keinen Bedarf, die VOB-Stelle weiterhin als hoheitliche Tätigkeit aufrechtzuerhalten.

Vielen Dank für die Beantwortung.

Die Frage 2 wird vom Abgeordneten Gerald Grünert, DIE LINKE, gestellt und betrifft die Aufschiebung der Bürgermeisterwahl. Für die Landesregierung antwortet der Minister des Innern Holger Hövelmann. Bitte schön, Herr Grünert.

Die Gemeinde Amesdorf, Salzlandkreis, Mitgliedsgemeinde der Verwaltungsgemeinschaft Staßfurt, hatte im November beschlossen, aufgrund einer leitbildgerechten Gemeindegebietsreform die Bürgermeisterwahl aufzuschieben und am 30. März 2008 eine Bürgeranhörung durchzuführen. Die Amtszeit des derzeitigen Bürgermeisters endet am 4. Juli 2008. Eine Eingemeindung in die Stadt Staßfurt ist möglich, da die Gemeinde Neundorf (Anhalt) sich ebenfalls in die Stadt Staßfurt eingemeinden lassen will, somit eine gemeinsame Gemarkungsgrenze mit der Stadt Staßfurt gegeben ist.

Obwohl sich die beteiligten Kommunen einig sind, wird eine Aufschiebung der Bürgermeisterwahl durch das Innenministerium ausgeschlossen. Damit entstehen den Kommunen Mehrkosten, die vermieden werden könnten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum und unter welcher Begründung wurde der Verschiebung der Bürgermeisterwahl der Gemeinde Amesdorf nicht stattgegeben?

2. Welche klaren und abschließenden Voraussetzungen ermöglichen überhaupt eine Verschiebung von Bürgermeisterwahlen sowie eine Genehmigungsfähigkeit nach § 60 Abs. 1 Satz 4 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt aus der Sicht der obersten Kommunalaufsichtsbehörde?

Vielen Dank. - Jetzt erteile ich dem Herrn Minister das Wort. Bitte schön, Herr Hövelmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beantworte die Frage des Abgeordneten Grünert namens der Landesregierung wie folgt.

Zu 1: Die Voraussetzungen für eine Verschiebung der Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Amesdorf sind im Gegensatz zu dem, was Sie, Herr Grünert, eben vorgetragen haben, objektiv nicht gegeben. Die Kommunalaufsichtsbehörde des Landkreises Salzlandkreis hat Ende November 2007 berichtet, dass nach ihrer Rechtsauffassung die Voraussetzungen für ein Verschieben der für Anfang 2008 turnusmäßig anstehenden Bürgermeisterwahl nicht vorliegen, da weder die Stadt Staßfurt noch die Stadt Güsten einen Beschluss für die Eingemeindung der Gemeinde Amesdorf gefasst haben. Diese Rechtsauffassung wird von der obersten Kommunalaufsichtsbehörde geteilt.

Eine tatsächlich und unmittelbar bevorstehende Auflösung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt ist nicht gegeben, wenn es keinen entsprechenden Beschluss einer Stadt bzw. Gemeinde gibt, welche die aufzulösende Gemeinde aufnehmen bzw. eingemeinden will.

In Bezug auf die Gemeinde Amesdorf gibt es gegenüber dem Stand von Ende 2007 auch keine neue Sachlage. Die Voraussetzungen für ein Aufschieben der Bürgermeisterwahl sind nicht gegeben. Es genügt also nicht, dass die Gemeinde, die sich eingemeinden lassen will, dies beschließt. Objektiv muss auch der Beschluss der aufnehmenden Gemeinde gefasst worden sein. Dies ist hier noch nicht der Fall.

Zu 2: Ausgehend von dem Grundsatz, dass zum wesentlichen Bestand des Demokratieprinzips das Wahlrecht gehört und dieses beim Hinausschieben fälliger Wahlen verletzt würde, ist das Aufschieben des Wahlzeitpunktes oder die Verlängerung der Amtszeit nur unter sehr begrenzten und engen Voraussetzungen quasi als Ausnahme möglich. § 60 Abs. 1 Satz 4 der Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt stellt einen solchen Ausnahmetatbestand dar. An die Möglichkeit des Verschiebens der Bürgermeisterwahl als Sonderregelung sind dabei gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 der Gemeindeordnung konkrete Anforderungen zu stellen.

Danach muss die Auflösung der Gemeinde tatsächlich und unmittelbar bevorstehen. Die Auflösung muss dadurch erkennbar und dokumentierbar sein, dass der gemeindliche Wille zur Auflösung etwa durch den Auflösungsbeschluss des Gemeinderates und einen Aufnahmebeschluss der Gemeinde, die die aufzulösende Gemeinde aufnehmen will, bzw. einen Neugliederungsbeschluss, wenn eine neue Gemeinde gebildet werden soll, bereits tatsächlich vorliegt, sowie durch den Be

schluss des Gemeinderates über die Durchführung eines Bürgerentscheids oder die Anhörung der betroffenen Bürger.

Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Grünert. Wollen Sie diese beantworten? - Herr Grünert, Sie haben das Wort.

Herr Minister, die Stadt Staßfurt hat bereits signalisiert, dass sie einer Beschlussfassung positiv gegenüberstehen würde. Weil die Amtszeit des Bürgermeisters erst am 1. Juli ausläuft, frage ich, ob für den Fall, dass die Stadt Staßfurt den Beschluss zur Aufnahme von Neuendorf und Amesdorf fassen würde, die Verschiebung der Bürgermeisterwahl möglich wäre.

Dazu müssen wir uns die konkreten Zeitabläufe anschauen. Das kann ich so pauschal nicht beantworten. Ich habe mit dem Bürgermeister der Stadt Staßfurt Herrn Kriesel ein Gespräch geführt, weil er die gleiche Frage an mich gerichtet hat wie Sie heute.

Diese Frage kann man so pauschal nicht beantworten. Wir haben nach dem Wahlgesetz Fristen einzuhalten. Wenn diese Fristen für die letztmögliche Festlegung des Wahlzeitpunktes bereits laufen, kann eine Aufschiebung der Wahl nicht mehr erfolgen. Wenn diese Fristen noch nicht laufen, ist eine Aufschiebung noch möglich, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Ob das im konkreten Fall so ist, kann ich nicht beantworten. Dazu müssen wir uns die Fristenregelung und den Wahlzeitpunkt und die damit verbundene späteste Durchführung der Bürgermeisterwahl in Amesdorf genau anschauen.

Vielen Dank.

Die Frage 3 betrifft die gewerbesteuerliche Veranlagung von angestellten Rechtsanwälten und wird von der Abgeordneten Frau Hüskens gestellt. Die Antwort gibt der Minister der Finanzen, Herr Jens Bullerjahn. Bitte schön, Frau Hüskens.

In der Ausgabe 1-2/2008 der „Neuen Juristischen Wochenschrift“, Seiten 20 bis 23 ist die Auffassung des Oberregierungsrates Christian Sterzinger vom Finanzamt Magdeburg I zur gewerbesteuerlichen Veranlagung von angestellten Rechtsanwälten dargestellt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Macht sich die Landesregierung die in dem erwähnten Aufsatz dargelegte Position zu eigen?

2. Gibt es eine zwischen den fachpolitisch betroffenen Ressorts für Gesundheit, Justiz und Wirtschaft abgestimmte Position für alle freien Berufe?

Vielen Dank. - Herr Minister, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte von vornherein sagen, dass die Antwort jetzt ein bisschen komplizierter wird. Ich bitte Sie trotzdem zuzuhören. Aber Frau Dr. Hüskens hat das mit ihrer Frage auch ein bisschen provoziert.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, Sie beziehen sich in Ihrer Anfrage auf einen Aufsatz zu der steuerlichen Frage der Abgrenzung zwischen einer freiberuflichen und einer gewerblichen Tätigkeit. Ich muss Ihnen sagen, es war für mich spannend, den Prozess der Antwortfindung zu begleiten. Ich weiß auch, dass viele in diesem Raum sitzen, die sich mit diesem Thema schon länger herumschlagen.

Der Autor stellt in dem Aufsatz die für die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes entwickelten allgemeinen Grundsätze dar, die einzuhalten sind, damit bei Anstellung eines Angehörigen eines freien Berufes, zum Beispiel eines angestellten Rechtsanwalts - das ist das Thema, das viele umtreibt -, dessen Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit im steuerrechtlichen Sinne erfasst werden können.

Soweit er hierbei zu dem Ergebnis gelangt, dass für den Freiberufler beim Einsatz fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte, wie es der Autor selbst formuliert, die Gefahr besteht, in die Gewerblichkeit abzugleiten - was, glaube ich, schon vom Begriff sehr fragwürdig ist -, mache ich mir diese Position nicht zu eigen. Sie entspricht vielmehr der gegenwärtigen Gesetzeslage und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtssprechung.

Lassen Sie mich an dieser Stelle nur ganz kurz einige grundsätzliche Aussagen zu der ansonsten sehr komplexen Rechtsmaterie treffen. Alles andere, was darüber hinausgeht, würde den Rahmen hier sprengen.

Ich möchte erstens festhalten, dass die selbständige Berufstätigkeit der Rechtsanwälte grundsätzlich zu Einkünften aus selbständiger Arbeit führt. Ich denke, das ist unstrittig. Diese Einkünfte unterliegen aufgrund dieser steuerrechtlichen Einordnung auch nicht der Gewerbesteuer.

Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn sich ein Angehöriger eines freien Berufes zur Erledigung seiner Aufgaben fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Die Beschäftigung von fachlich vorgebildeten Arbeitskräften steht der Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit im steuerrechtlichen Sinne zwar grundsätzlich nicht entgegen, Voraussetzung dafür aber ist, dass der Freiberufler weiterhin aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig ist.

Die Erzielung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit unterscheidet sich nämlich von der Erzielung gewerblicher Einkünfte dadurch, dass sie durch die unmittelbare persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Steuerpflichtigen selbst geprägt ist. Fehlt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen der Stempel seiner Persönlichkeit, stellt sie keine selbständige Arbeit im Sinne des Einkommensteuergesetzes dar. In diesen Fällen unterliegen die aus dieser Berufstätigkeit erzielten Einkünfte auch der Gewerbesteuer.

Der Bundesfinanzhof, also das oberste Steuergericht, hat in zahlreichen Entscheidungen die Begriffe „leitende Tätigkeit“ und „Eigenverantwortlichkeit“ näher beschrieben. Als Ergebnis dieser Rechtsprechung lässt sich

festhalten, dass sich die Frage, wann eine an sich freiberufliche Tätigkeit durch die Art ihrer konkreten Ausübung einen gewerblichen Charakter erhält, keineswegs schematisch beantworten lässt. Die Beurteilung kann nur anhand der erkennbaren tatsächlichen Verhältnisse jedes einzelnen Falls erfolgen.