Protokoll der Sitzung vom 06.07.2006

Wie läuft nun das Verfahren bei der Entschädigung von Opfern in den anderen Ländern ab? Wer kann eine finanzielle Entschädigung beantragen? - Grundsätzlich muss ein enger Bezug zum jeweiligen Bundesland bestehen. Entweder muss der Bedürftige in dem jeweiligen Bundesland seinen Wohnsitz haben oder die Straftat muss sich dort ereignet haben. Somit ist auch der Anwendungsbereich klar definiert und eingeschränkt.

Weiterhin muss darauf hingewiesen werden, dass es keinen Anspruch auf eine Entschädigung gibt.

Auch bei dem Umfang der Entschädigungsleistung gibt es mehrere Möglichkeiten. In Baden-Württemberg kann neben einem Schadensersatz auch Schmerzensgeld bis zu einer Höhe von 10 000 € gezahlt werden, wohingegen andere Länder den Ersatz auf einen materiellen Schaden begrenzen.

Nachdem ich Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, nun unsere bisherigen Erkenntnisse zu Opferschutzstiftungen in anderen Bundesländern vorgetragen habe, möchte ich nun ein paar Worte darüber verlieren, wie sich die FDP die weitere Vorgehensweise vorstellen bzw. wünschen würde. Lassen Sie uns ohne eine Fest

legung im Vorfeld ergebnisoffen über den Antrag in den Ausschüssen für Recht und Verfassung sowie für Finanzen diskutieren.

Unser Ziel ist es, in einer umfassenden Anhörung zu ergründen, ob durch die Errichtung einer Landesstiftung Opferschutz Sachsen-Anhalt eine positive Weiterentwicklung des Opferschutzes in Sachsen-Anhalt zu erreichen ist. Hierbei sind wir auf die Vorstellungen unseres Justizministeriums gespannt, auf die Erfahrungsberichte aus den Justizministerien der Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen, auf die Stellungnahmen der Opferverbände und all derjenigen, die sich tagtäglich mit dem Opferschutz in Sachsen-Anhalt beschäftigen.

Im Hinblick auf die bevorstehenden Haushaltsberatungen wäre es sicherlich hilfreich, die finanziellen Notwendigkeiten für den Opferschutz in Sachsen-Anhalt unabhängig von der Opferschutzstiftung weiter zu überprüfen. Ich denke, es ist für alle Fraktionen in den Haushaltsberatungen hilfreich, wenn wir - zumindest was den nächsten Haushalt angeht - eine Absicherung des Opferschutzes in Sachsen-Anhalt erreichen können. Vielleicht ist auch leistbar, dass man in den Ausschussberatungen darüber diskutiert, wie wir uns das vorstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In erster Linie verfolgen die Freien Demokraten das Ziel, den Opferschutz in Sachsen-Anhalt langfristig auf sichere finanzielle Füße zu stellen und dabei derzeit noch bestehende Lücken im Opferschutz zu schließen. Dabei kann die Errichtung einer Landesstiftung Opferschutz SachsenAnhalt eine mögliche Variante darstellen.

Wir sollten in die Diskussion über die Verbesserung des Opferschutzes zügig eintreten und uns für die Diskussion die nötige Zeit nehmen, um gemeinsam den Opferschutz in Sachsen-Anhalt finanziell zu sichern und weiter zu stärken. Dies sollte unser aller Anliegen sein. - Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr, Herr Kosmehl, für die Einbringung. - Seitens der Landesregierung hat die Ministerin der Justiz Frau Professor Kolb um das Wort gebeten. Doch zuvor haben wir Freude, zu meiner Rechten Damen und Herren vom Förderverein Gangolfkirche Hettstedt zu begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Ebenfalls auf der Südtribüne haben Damen und Herren einer Gästegruppe aus der Altmark Platz genommen. Seien Sie herzlich begrüßt!

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte sehr, Frau Justizministerin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Justizministerin weiß ich aus einer Vielzahl von Gesprächen und Briefen, die mich erreichen, um die Sorgen und Nöte der Opfer von Straftaten.

Umso mehr waren wir froh darüber, dass es uns gelungen ist, in die Koalitionsvereinbarung Regelungen aufzunehmen, in denen dem Opferschutz in Sachsen-Anhalt eine große Bedeutung beigemessen wird und auch fi

nanziell versucht wird, den Opferschutz in Zukunft zu stärken.

Was den konkret vorliegenden Antrag betrifft, hat es in der letzten Legislaturperiode einen ähnlichen Antrag der Fraktion der PDS gegeben, der parlamentarisch behandelt und schließlich im Rechtsausschuss abgelehnt worden ist.

Aus der Sicht der Landesregierung verfügt SachsenAnhalt schon heute mit einem starken und flächendeckend präsenten sozialen Dienst der Justiz über ein tatkräftiges Instrument der Opferhilfe. Einen solchen sozialen Dienst der Justiz gibt es in anderen Bundesländern nicht. Mittlerweile fragen Länder wie Niedersachsen bei uns an, wie wir das organisiert haben, und bitten um Unterstützung bei dem Aufbau ähnlicher Strukturen.

Zu den Diensten, die dort angeboten werden, gehören der Täter-Opfer-Ausgleich, die Opferberatung und die Betreuung von Zeugen in Strafverfahren. Komplementär dazu existiert in Sachsen-Anhalt ein gut ausgebautes Netz freier Träger der Straffälligenhilfe. Die freien Träger leisten mit finanzieller Förderung des Justizministeriums im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs ebenfalls Opferhilfe.

Mit diesen Instrumenten steht Sachsen-Anhalt auf einem der vorderen Plätze unter den Ländern bei der Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs und der Opferhilfe.

Lassen Sie mich nun zu den finanziellen Aspekten einer Landesstiftung kommen. Eine gemeinnützige Stiftung müsste mit einem erheblichen Stiftungskapital ausgestattet werden, um die erforderliche Wirksamkeit zu erreichen. Die Zahlen sind genannt worden. RheinlandPfalz beispielsweise hat mit 500 000 € angefangen.

Meine Damen und Herren! Die Haushaltsberatungen, die im Moment in der Landesregierung geführt werden, zeigen auf, dass der Landeshaushalt im Moment nicht über den finanziellen Spielraum verfügt, der erforderlich wäre, um das Grundkapital für eine solche Landesstiftung aufzubringen. Insoweit habe ich auch seitens der FDP-Fraktion Vorschläge vermisst, wo alternativ dieses Grundkapital akquiriert werden könnte.

Ich denke, die Variante, mit weniger Geld anzufangen, würde zulasten dessen gehen, was man mit einer solchen Stiftung erreichen will. In der vergangenen Legislaturperiode hat der damalige Finanzminister, der heute leider nicht anwesend ist, entsprechende Finanzierungsquellen nicht gefunden.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hüskens?

Am Ende.

Am Ende.

Unsere Anstrengungen konzentrieren sich im Moment auf die Sicherung der finanziellen Grundlagen des sozialen Dienstes und auf die finanzielle Unterstützung der freien Träger.

In die Diskussion wird weiter auch die Einrichtung eines Opferfonds eingebracht. Im Hinblick auf die Einrichtung eines Opferfonds bestehen aus unserer Sicht insbesondere rechtliche Bedenken. Darüber ist auch in der vergangenen Legislaturperiode schon diskutiert worden.

Seinerzeit gab es Vorschläge, dass 1 % der Geldbußen und der Gerichtskosten aus Strafverfahren in einen solchen Opferfonds einfließen könnte. Hierdurch würde das Budgetrecht des Landtages eingeschränkt, weil abweichend vom Bruttoprinzip nach § 15 der Landeshaushaltsordnung über Teile der Einnahmen verfügt werden soll. Dies erscheint nicht unproblematisch.

Außerdem würde ein solcher Fonds keine Grundlage für eine verlässliche Finanzierung schaffen, da auf der Einnahmenseite Schwankungen unvermeidbar sind. Nicht vergessen darf man auch, dass die Einrichtung eines Fonds wiederum mit einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand verbunden wäre.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Das bisherige duale System der staatlichen sozialen Dienste der Justiz und der Förderung der freien Träger der freiwilligen Straffälligenhilfe hat auf der Grundlage der jährlichen Haushaltspläne die Arbeit planbar gemacht. In Sachsen-Anhalt steht ein engmaschiges Netz differenzierter Hilfsangebote zur Verfügung. Daran sollte festgehalten werden.

Da Herr Kosmehl angedeutet hat, dass er diese Landesstiftung als eine mögliche Variante sieht, kann ich zumindest versichern, dass wir ein gemeinsames Ziel dahin gehend haben, dass wir im Rahmen der laufenden Haushaltsplanberatungen versuchen werden, den Opferschutz im Rahmen der uns zur Verfügung stehenden Instrumente zu stärken. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Frau Ministerin, wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, würden Sie dem Ansinnen vom Grundsatz her schon zustimmen, sehen aber im Augenblick keine Finanzierungsmöglichkeit. Seitens einer Oppositionsfraktion Vorschläge zum Haushalt zu machen ist erst dann sinnvoll, wenn wir den Haushaltsplanentwurf haben. Wir kennen ihn noch nicht. Wenn wir im Zuge der Haushaltsberatungen einen Vorschlag unterbreiten würden, woher Sie die erforderliche Summe bekommen können, würden Sie zustimmen?

Ich habe zum Schluss gesagt, dass es unsere Priorität ist, das bisherige duale System soziale Dienste der Justiz und Unterstützung der freiwilligen Träger weiter auszubauen. Aus meiner Sicht ist im Moment noch nicht belegt, dass durch die Einrichtung eines solchen Opferfonds automatisch eine Verbesserung der Situation der Opfer eintreten würde. Wir würden lieber das Bestehende weiter ausbauen und nicht noch eine zusätzliche Möglichkeit schaffen.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Danke sehr, Frau Ministerin. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Borgwardt. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegt ein Antrag der Fraktion der FDP zum Opferschutz vor. Als ich ihn las, überlegte ich kurz und dachte: Da war doch was! - Richtig, bereits in Ihrem Wahlprogramm für die Landtagswahl 2006 hat die FDP großes Gewicht auf das Thema des Opferschutzes gelegt. Auch der Wunsch zur Gründung einer Landesstiftung Opferschutz ist bereits im Wahlprogramm zu finden.

Dies ist ein hohes Ziel. Auch die CDU war und ist für einen möglichst umfassenden Opferschutz.

Es stellt sich trotzdem die Frage: Wie stellen Sie sich die Finanzierung vor? Wie wollen Sie im Rahmen der Haushaltsdebatte erreichen, dass ein zur Gründung einer Stiftung hinreichendes Budget vom Land zur Verfügung gestellt wird? Wo wollen Sie das Geld, das überall knapper wird, wegnehmen?

Die Antwort kennt meines Erachtens die FDP. Herr Kosmehl hat aber eingeschränkt, wenn ich das vorhin richtig verstanden habe - offensichtlich hat er schon vorgebeugt -, dass wir den finanziellen Aspekt nicht so sehr in den Mittelpunkt stellen sollen.

(Herr Gürth, CDU: Aha!)

Ich denke, hierbei sollte man realistisch bleiben und sich nicht Illusionen hingeben und, was noch wichtiger ist, den Opfern nicht umsonst Hoffnung machen.

Das Bewusstsein, Opferschutz zu betreiben und sich um Opfer von Straftaten zu kümmern, ist seit geraumer Zeit stärker in das Bewusstsein der Menschen gerückt - ein sehr guter Ansatz; denn die Gestraften einer Tat sind häufig nicht die später verurteilten Straftäter, sondern insbesondere deren Opfer.

(Zustimmung bei der CDU)

Dass diese Einsicht immer mehr Einzug hält, ist richtig. Daher sagt die CDU: Opferschutz muss Vorrang vor Täterschutz haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Schon in unserem Koalitionsvertrag haben wir gemeinsam mit der SPD manifestiert - gemeinsam; ich will das noch einmal betonen, da jemand von der SPD gesagt hat, Sie hätten das hineingebracht -, dass wir eine flächendeckende Opferberatung und Opferbetreuung sicherstellen möchten.

Der Täter-Opfer-Ausgleich im Jugend- und Erwachsenenstrafrecht soll durch den sozialen Dienst der Justiz sowie durch die Vereine der freiwilligen Straffälligenhilfe weiter ausgebaut werden. In allen Landgerichtsbezirken muss die Zeugenbetreuung durch Sozialpädagogen gesichert werden. Das sind Ziele, an denen wir festhalten wollen.