Die Fragen, Herr Kollege Kosmehl, die Sie in Ihren Kleinen Anfragen gestellt haben, sind aus meiner Sicht ordentlich beantwortet worden. Um die Dauer der einzelnen Überwachungsmaßnahmen zu beschreiben, müsste man in der Tat sämtliche Ermittlungsakten durchgehen.
Ich meine, dass die Evaluation in dem Umfang, wie Sie sie beschrieben haben, bereits in den umfangreichen Studien geleistet worden ist. Die Universität Bielefeld ist erwähnt worden, das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht ist erwähnt worden. Allein das Gutachten des MPI ist 474 Seiten stark. Ich denke, wir sollten auch unter dem Aspekt des wirtschaftlichen Umgangs mit den Ressourcen darauf achten, dass wir Doppelarbeiten vermeiden.
Wir sind in der bundesweiten Debatte zum Thema Telekommunikationsüberwachung über das Stadium der Evaluation hinaus. Die Frau Ministerin hat darauf hingewiesen, dass die Bundesjustizministerin in Kürze ihren Gesetzentwurf vorlegen wird.
Ich denke, es wäre ein sinnvoller Umgang mit dem Antrag der FDP, wenn wir ihn zum Anlass nähmen, im Ausschuss für Recht und Verfassung über den Gesetzentwurf zu reden, also den Antrag so lange im Ausschuss zu behandeln, damit es dort auch mit der Landesregierung zu einem fachlichen Austausch über den Gesetzentwurf der Bundesregierung kommen kann, sodass sich die Landesregierung ihre Position, die sie im Bundesrat einnehmen wird, auch im Ergebnis der Ge
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Fragen des Grundrechts und damit vor allem des Persönlichkeitsschutzes - hierin eingeschlossen insbesondere der Schutz des Fernmeldegeheimnisses - sowie die Forderung nach einer Minimierung der Überwachungszahlen stehen in einem latenten Dauerkonflikt zur angenommenen Notwendigkeit einer effizienten Strafverfolgung insbesondere im Bereich der organisierten Kriminalität.
Nach Artikel 10 des Grundgesetzes sind das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich. Beschränkungen dieses Grundrechts dürfen nur auf der Grundlage eines Gesetzes angeordnet werden.
Um den staatlichen Strafanspruch bei schweren Delikten auch bei schwieriger Beweislage durchsetzen zu können, sieht die Strafprozessordnung nur unter strengsten Voraussetzungen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes so genannte verdeckte Ermittlungsmaßnahmen vor. Dazu gehört auch die Telekommunikationsüberwachung - kurz TKÜ genannt - für die Überwachung von Telekommunikationsvorgängen und -inhalten wie das Abhören von Telefongesprächen und das Mitlesen von E-Mails, Kurzmitteilungen und Telefaxen.
Die Telekommunikationsüberwachung stellt somit einen erheblichen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis dar. Sie greift immens in die Freiheitsgrundrechte der Bürgerinnen und Bürger ein. Es handelt sich dabei um einen wesentlichen und tiefen Einschnitt in die Intim- und Persönlichkeitssphäre als dem Kernbereich der Menschenwürde. Umso höher müssen aus unserer Sicht die Hürden für die Anwendung dieser Maßnahme sein.
Wir sollten an dieser Stelle die Sorge der Menschen ernst nehmen, die befürchten - und das wahrlich nicht zu Unrecht -, dass sich der Staat auf diese Weise im Übermaß Informationen über seine Bürgerinnen und Bürger beschafft und sich damit schrittweise zu einem Überwachungsstaat entwickelt. Denn nur wenige wissen: Nicht nur die Polizei, die Strafermittlungsbehörden und die deutschen Geheimdienste, sondern auch das Zollkriminalamt dürfen in Deutschland Telefone der Bürgerinnen und Bürger abhören. Ausufernd wird inzwischen diese Möglichkeit genutzt; zweistellige Zuwachszahlen sind jährlich zu verzeichnen. Die Speicherung der Telekommunikationsdaten der Bürger stellt ganz Deutschland unter einen Generalverdacht.
An dieser Stelle mögen wohl folgende Fragen gestattet sein: Wie effektiv ist die TKÜ wirklich? Wie hoch ist mit ihrer Hilfe die Anklagequote? Wie hoch ist die Verurteilungsquote im Vergleich zum sonstigen Durchschnitt?
Deshalb muss beim Einsatz dieses Instrumentes durch die Strafverfolgungsbehörden ein hohes Maß an gebotener Sensibilität garantiert werden. Aber es gibt bereits jetzt Schwachstellen in der Praxis zu verzeichnen. Zum
einen werden richterliche Anordnungen einer Überwachungsmaßnahme in zu vielen Fällen nur allgemein und ohne hinreichenden Einzelfallbezug begründet. An dieser Stelle mangelt es an der erforderlichen Transparenz und Nachvollziehbarkeit.
Zum anderen wird in einer nur geringen Zahl von Fällen die gesetzliche Pflicht, die Betroffenen nachträglich über die Maßnahme zu informieren, geprüft und befolgt. Somit wird den Betroffenen die Möglichkeit des Rechtsschutzes und damit das Grundrecht auf rechtliches Gehör ausnahmslos genommen.
Meine Damen und Herren! Abschließend noch einige Bemerkungen zur so genannten präventiven Telefonüberwachung. Das Bundesverfassungsgericht hat im Sommer des letzten Jahres erneut zum Thema Telefonüberwachung geurteilt. So erklärte es in seinem Urteil, welches aus unserer Sicht gut, wichtig und nötig war, die in Niedersachsen bereits gehandhabte vorbeugende Telefonüberwachung für verfassungswidrig und nichtig. Denn in Niedersachsen konnte man bis dato auf bloßen Verdacht hin, ohne konkreten Tatverdacht, abgehört werden. Die Richter stellten einen eindeutigen Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis fest. Dieser Fall zeigt: Die Begehrlichkeiten von Polizei, Zoll und Geheimdiensten sind groß, aber sie dürfen nicht über dem Grundgesetz oder neben ihm stehen.
Fazit: Es gibt eine Menge Fragen und Probleme, die es im Ausschuss zu klären und zu debattieren gilt, ausschließlich im Interesse des Schutzes der Bürgerrechte. Ein Satz zum Schluss: Deutschlands Ziel sollte es wahrlich nicht sein, Weltmeister im Abhören zu werden. Ein Weltmeistertitel im Fußball wäre da wohl eher erstrebenswert gewesen.
Danke sehr, Frau Tiedge. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kolze. Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Nachdem nunmehr die FDP ihren Antrag eingebracht und SPD und Linkspartei.PDS ihre Auffassung dargelegt haben, will ich die Sicht der CDU zu diesem Antrag verdeutlichen.
Den rechtlichen Rahmen hat Frau Ministerin Professor Dr. Kolb meines Erachtens ausreichend gewürdigt. In der Sache stimmen wir ihren Ausführungen weitgehend zu.
Die CDU muss aber betonen, dass wir uns im Rahmen der verfassungsrechtlich gewährten Grundrechte weiterhin für die entschiedene Durchsetzung des staatlichen Strafverfolgungsanspruches einsetzen werden. In modernen Zeiten darf ein Straftäter ruhig wissen, dass den Strafverfolgungsbehörden ebenfalls moderne Strafverfolgungsmittel zur Verfügung stehen.
Bereits in der letzten Wahlperiode haben wir mit der FDP ausreichend über eine in der Sache unterschiedliche Herangehensweise bei der Strafverfolgung diskutiert. Für die CDU gilt der Grundsatz „in dubio pro libertate“ nicht grenzenlos. Im Wahlprogramm der FDP zur diesjährigen Landtagswahl ist nachzulesen: „Wer Bürger
rechte einschränken will, muss nachweisen, dass dies zu einer objektiven Verbesserung der Sicherheit der Bürger führt.“
Wir sind der Auffassung, dass nach dem bereits zitierten Gutachten des Max-Plack-Instituts aus dem Jahr 2003 dieser Nachweis nicht nur möglich ist, sondern als geführt angesehen werden kann. Das Gutachten wurde seinerzeit vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegeben und hat für die geprüften Fälle der strafprozessualen Telekommunikationsüberwachung interessante Ergebnisse geliefert.
Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass die Telekommunikationsüberwachung unzweifelhaft ein unverzichtbares und effizientes Mittel zur Strafverfolgung ist. Es gibt Deliktbereiche, in denen ohne die Überwachung der Telekommunikation eine Strafverfolgung praktisch unmöglich wäre. Dies gilt per se für die organisierte Kriminalität, aber auch für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus.
Die Untersuchung verdeutlicht des Weiteren, dass die Telekommunikationsüberwachung überwiegend bei schweren Straftaten, wie Rauschgifthandel, Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz, bei Menschenhandel, Raub oder räuberischer Erpressung, eingesetzt wird. Die CDU hat überhaupt keine Bedenken, dass in diesen Kriminalitätsbereichen die Möglichkeit bestehen muss, Telefone überwachen zu dürfen.
Weiterhin kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Überwachung von den Ermittlungsbehörden in der Regel sensibel und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingesetzt wird.
Auch die Effektivität der Überwachungsmaßnahmen wird durch das Gutachten nachgewiesen. So lagen die Anklagequoten bei Verfahren, in denen die Telekommunikationsüberwachung eingesetzt wurde, bei 58 % und damit etwa doppelt so hoch wie bei sonstigen Ermittlungsverfahren. Die Verurteilungsquote lag bei 94 % und ist damit außerordentlich hoch.
Aus der Sicht der FDP müssten wir uns also eigentlich über die restlichen 48 % der Überwachungsmaßnahmen unterhalten, in denen es nicht zur Anklage gekommen ist. Nun glaube ich persönlich nicht, dass in diesen 48 % erwiesenermaßen nur Unschuldige abgehört worden sind. In diesem Zusammenhang ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Anordnungsbefugnis derzeit dem Richter zusteht bzw. die Anordnung binnen drei Tagen vom Richter zu bestätigen ist.
Aber auch der Richter kann die Überwachung nicht ohne entsprechende Voraussetzungen anordnen. Der bekannteste, in der Praxis am häufigsten vorkommende Fall einer Telekommunikationsüberwachung ist eine Überwachung gemäß den §§ 100a und 100b der Strafprozessordnung. Darin ist festgeschrieben, dass die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation angeordnet werden darf, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter die Straftaten, die in der Norm enumerativ aufgelistet sind, begehen wird oder diese bereits begangen hat. Es müssen also bestimmte Tatsachen vorliegen und auch aktenkundig gemacht werden, damit überhaupt erst ein Verdacht entstehen kann und damit ein Eingriff in Grund
Für die Durchführung einer Telekommunikationsüberwachung gibt es neben der Strafprozessordnung noch weitere Rechtsgrundlagen. Kollege Kosmehl hat sich im Juli des letzten Jahres über ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum niedersächsischen Polizeigesetz geäußert. Damals hat das Gericht geurteilt, dass Eingriffen in die Bürgerrechte unbeteiligter Dritter Einhalt geboten werden muss, und es hat die entsprechende Norm des niedersächsischen Polizeigesetzes für verfassungswidrig erklärt.
Ich begrüße es außerordentlich, dass Kollege Kosmehl damals erklärt hat, er sehe in Sachsen-Anhalt keinen Handlungsbedarf. Wenn nunmehr die FDP die Zukunft der Telefonüberwachung diskutieren will, erwarte ich und gehe davon aus, dass sie dies ergebnisoffen tut.
Was aber wird sein, wenn bestätigt wird, dass die Anwendung der Telefonüberwachungsmaßnahmen eine sehr zielführende und erfolgreiche Maßnahme ist? Dann werden wir gespannt darauf schauen, ob sich die FDP einer Ausweitung dennoch verschließen wird.
Ich möchte gern auf ein weiteres Ergebnis der Studie des Max-Planck-Institutes eingehen. Bedenkenträger monieren, die Telekommunikationsüberwachung sei eine Standardermittlungsmaßnahme geworden. Betrachtet man als Beispiel das Jahr 2004, stellt man fest, dass in diesem Jahr in ganz Deutschland insgesamt 29 017 Telefonüberwachungsmaßnahmen angeordnet wurden.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist lediglich die Anzahl der Anordnungen, nicht jedoch die Anzahl der Personen, gegen die jene Maßnahmen ergriffen wurden. Die Zahl derer ist rückläufig. Eine Erklärung für die in den letzten Jahren ansteigende Zahl an Überwachungen ist die im Vergleich dazu außerordentlich rapide erfolgte Zunahme und Verbreitung der Telekommunikationstechnik. Heute gibt es nicht mehr nur einen ganz normalen analogen Festnetzanschluss je Haushalt. Nach meinem Eindruck haben auch immer mehr Bürger mehr als nur ein Handy.
Die Möglichkeiten, mit der Außenwelt in Verbindung zu treten, werden weiterhin zunehmen. Damit steigt auch die Notwendigkeit, im Einzelfall mehrere Überwachungen einzurichten. Ich möchte damit sagen, dass es bei der Strafverfolgung nicht nur einen Anschluss pro Person gibt, der überwacht werden darf, sondern häufig gleich mehrere Anschlüsse.
Die CDU ist der Auffassung, dass es auch zur Vorbeugung von Straftaten wichtig ist, alle vertretbaren Möglichkeiten einzusetzen.
Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade in der heutigen Zeit in der gesamten Bevölkerung Angst vor kriminellen Akten und selbst vor terroristischen Übergriffen besteht. Es gilt, den Menschen ein Stück weit diese Angst zu nehmen. Das kann nur erreicht werden, wenn effektive Strafverfolgungsmaßnahmen angeordnet werden dürfen.
Die Angst vor einer Überwachung wird unter diesem Aspekt der Angst vor kriminellen Übergriffen weichen.
Die CDU-Fraktion stimmt der Überweisung in den Ausschuss für Recht und Verfassung zu. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit trotz überzogener Redezeit.