Wir unterstützen auch den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, weil er der Lebensrealität in unserem Bundesland entspricht. Es ist eben nicht mehr üblich, zunächst zu heiraten und dann Kinder zu bekommen. Wir sollten uns solchen gesellschaftlichen Entwicklungen nicht verschließen.
Wir stimmen beiden Anträgen zu. In diesem Sinne geben wir der Landesregierung einen Auftrag, für etwas zu sorgen, was längst überfällig ist. - Ich danke Ihnen.
Herzlichen Dank für Ihren Beitrag. - Jetzt erteile ich noch einmal dem Abgeordneten Herrn Kurze von der CDU das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Schluss noch einige wenige Erläuterungen.
Was die Gesundheitsreform angeht, will ich uns als Koalitionsfraktionen ein wenig aus dem Schussfeld der Linken herausnehmen. Ich habe vorhin versucht, die Fehleranalyse noch einmal zu erläutern. Wir alle sind nur Menschen. Auch wir Abgeordneten, die hier sitzen, sind nur Menschen. Menschen sind keine Roboter. Menschen haben Stärken und Schwächen. Sie treffen manchmal Entscheidungen, über die sie später etwas anders denken. Daher dieser Sinneswandel, daher diese Initiative, um einen Fehler auszumerzen. Ich denke, das ist schon der richtige Weg. Das sollten wir nicht zu ernst sehen.
Zu Ihrem Antrag. Sie haben mich dazu aufgefordert, noch einmal konkret Stellung zu nehmen. Ich muss natürlich sagen, dass Ihr Änderungsantrag den Charme des 21. Jahrhunderts hat. Wir als CDU sind, auch wenn wir konservativ sind, natürlich keine altbackene Volkspartei. Wenn Sie unser Grundsatzprogramm kennen, wissen Sie, dass wir uns auch mit dieser Frage beschäftigt haben.
Sie werden sicherlich verstehen, dass wir der Familie als ureigenster Keimzelle unserer Gesellschaft natürlich oberste Priorität einräumen.
Aber wir wissen auch, wie sich die Welt bewegt und wie die Menschen in unserem Land leben, auch wie sie in ihren Partnerschaften gut leben, auch wenn sie keinen Trauschein haben.
Ich glaube, es war Otto von Bismarck, der gesagt hat: Politik ist der Versuch, das Machbare umzusetzen. - Deshalb ist der erste Schritt zu versuchen, für den Antrag, den wir heute stellen, in unserer Bundesrepublik eine Mehrheit zu finden. Wenn wir die alte Rechtslage grundsätzlich wiederhergestellt haben, sollte es - Sie ha
ben ja einen Jahresrhythmus definiert - zu einem zweiten Schritt kommen; um die Antwort auf Ihre Frage zu geben. Deshalb will ich diese Sache nicht grundsätzlich verneinen.
Aber nehmen Sie bitte hin, dass ich natürlich für unseren Antrag werbe und hoffe, dass er die Zustimmung unseres Parlamentes findet. Wenn wir den ersten Schritt realisiert haben, bin ich offen für Gespräche über die Frage, die Sie thematisiert haben. Wenn ich Ihnen das zusage, stehe ich natürlich auch links an Ihrer Seite.
Frau Dr. Späthe hatte Glück, dass ich sie noch nicht gefragt habe. Mich interessiert natürlich auch die SPDMeinung dazu.
Ich entnehme Ihren Worten, dass Sie mit dem Wort „Paar“ in Ihrem Antrag tatsächlich nur Paare meinen, die verheiratet sind. Sieht das Ihre Sozialministerin auch so?
Ich kann nicht für die Ministerin sprechen. Das wird sie vielleicht selber noch tun. Aber wir verstehen unter dem Begriff „Paar“ das Ehepaar im klassischen Sinne. Denn wir wollen ja die alte Regelung wiederherstellen.
Es ist doch schon ein faires Gesprächsangebot zu sagen, das ist ein erster Schritt, und dann schauen wir, wie es weitergeht.
Vielen Dank für Ihre Schritte. - Bevor wir zur Abstimmung kommen, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schule Quedlinburg auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Eine Überweisung wurde nicht beantragt, sodass wir über den Antrag direkt abstimmen können.
Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in Drs. 5/1300 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei der LINKEN und bei der FDP. Wer stimmt dagegen? - Die Koalition. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt worden.
Ich lasse jetzt über den unveränderten Antrag in Drs. 5/1259 abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich jetzt um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei der Koalition und bei der FDP. Wer lehnt ab? - Keiner. Enthaltungen? - Bei der LINKEN. Damit ist der Antrag in unveränderter Fassung beschlossen worden. Wir können jetzt den Tagesordnungspunkt 19 verlassen.
Einbringer ist der Fraktionsvorsitzende Herr Wolpert. Bitte schön, Sie haben das Wort. Dann spricht Frau Ministerin Kolb und dann gehen wir in die Debatte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kinderschutz ist heute Morgen ein vieldiskutiertes Thema gewesen. Die Politik hat sich insbesondere bei der Vernachlässigung von Kindern zum Handeln aufgerufen gefühlt und hat auf Bundes- und Landesebene reagiert. Der Bundestag hat am 24. April 2008 das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls verabschiedet. Am vergangenen Freitag hat sich auch der Bundesrat mit diesem Gesetzentwurf befasst.
Als ein weiterer Schritt wird in Berlin derzeit über eine umfassende Reform des Verfahrensrechts im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit diskutiert, wobei ein großer Teil des Reformgesetzes die Familiengerichte betrifft.
Beide Gesetzesvorhaben tangieren Sachsen-Anhalt insoweit unmittelbar, als durch Verfahrensänderungen zusätzliche Lasten auf Land und Kommunen zukommen werden, allein durch steigende Fallzahlen und erweiterte Zuständigkeiten.
Ich will bei beiden Gesetzen nicht auf die rechtspolitische Diskussion eingehen, dass es fragwürdig ist, durch präventive Maßnahmen in die Rechte der Eltern einzugreifen. Artikel 6 des Grundgesetzes schützt die Familie. Wenn Sie dem Staat mehr Zuständigkeiten geben, in diesem Bereich einzugreifen, schränken Sie Freiheitsrechte ein. Prävention wird bei beiden Gesetzen groß geschrieben. Prävention heißt immer, dass Freiheitsrechte eingeschränkt werden, nur auf die Gefahr hin, dass etwas passieren könnte, nicht weil sich eine Gefahr schon verwirklicht hat. Das ist die eine Problematik.
Die andere Problematik ist, dass mit diesen Gesetzen Zuständigkeiten, die derzeit beim Jugendamt liegen, auf das Familiengericht übertragen werden oder familiengerichtliche Zuständigkeiten ergänzt werden, sodass nunmehr Aufgaben der Exekutive durch die Judikative wahrgenommen werden sollen. Das ist eine Vermischung und entspricht nicht dem Gewaltenteilungsgebot, ist aber dem FGG, dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, nicht völlig fremd.
Auch das ist rechtspolitisch sicherlich eine interessante Diskussion. Die kann allerdings auch im Bundestag geführt werden. Das würde uns wahrscheinlich nicht so sehr tangieren. Aber dieses Gesetz enthält eben doch Maßnahmen, die ich Ihnen kurz erläutern will.
Zum einen soll vom Familiengericht als neuer Bestandteil des Kinderschutzverfahrens das Erörterungsgespräch unter Beteiligung des Jugendamtes, der Eltern und gegebenenfalls der betroffenen Kinder auferlegt werden. Es gibt Überprüfungspflichten des Familiengerichtes beim Absehen von Maßnahmen bei einem Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung. Es gibt eine Konkretisierung der möglichen Maßnahmen durch die
Familiengerichte, um die Jugendämter zu motivieren, sich früher an die Gerichte zu wenden, sowie Verfahrensbeschleunigungen.
Hinsichtlich der Konkretisierung von Maßnahmen, die vom Familiengericht zum Kinderschutz ergriffen werden können, stellt sich für uns Liberale die Frage, ob sich die Landesregierung darüber im Klaren ist, dass dadurch Parallelstrukturen aufgebaut werden. Denn in dem eigenen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Schutzes von Kindern und zur Förderung von Kindergesundheit werden beispielsweise durch das mehrstufige Einladungssystem durchaus Überschneidungen von Jugendamt und Familiengericht hervorgerufen.
An dieser Stelle scheint es mir einen Abstimmungsbedarf zu geben, sodass man auch im Ausschuss darüber berichten müsste, was die Landesregierung hiermit tatsächlich vorhat. Letztlich liegt auch nach dem Gesetzentwurf die Entscheidungskompetenz darüber bei den Jugendämtern, in welcher Weise diese bei Nichtbeachtung einer Einladung und einer Erinnerung durch die Eltern reagieren wollen.
Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens wurde seitens der Kinderschutzverbände und anderer Anzuhörender darauf hingewiesen, dass tatsächliche Verbesserungen für den Kinderschutz nur zur verzeichnen sein werden, wenn Familiengerichte und Jugendämter personell ausreichend und - erlauben Sie mir auch diesen Hinweis - qualitativ besser ausgestattet werden.
In dem Gesetzentwurf wird darüber diskutiert, ob es möglich ist, Familienrichter zu zwingen, sich für ein sozialpädagogisches Gespräch fortzubilden. Ich halte es für notwendig und ein guter Familienrichter wird das auch ohne Zwang tun. Aber ich denke auch an eine andere Seite. Ich will Ihnen einmal ein Beispiel erklären. Das hat weniger mit der Vernachlässigung der Kinder zu tun. Es geht vielmehr um das Unterhaltsrecht. In diesem Zusammenhang ist es mir klarer geworden.
Eine alleinstehende Mutter, die versucht, Unterhalt für ihr Kind zu bekommen, ist, wie wir wissen, sehr stark von der Armut bedroht. Herr Ministerpräsident hat heute Morgen gesagt, es wäre ihm lieb, wenn die Väter den Unterhalt bezahlen würden. Diese Mutter geht zum Jugendamt. Das Jugendamt wird den Vater anschreiben und den Unterhalt verlangen. Der schreibt zurück, er sei arbeitslos und könne nicht zahlen. Daraufhin wird das Jugendamt einen Mindestsatz festlegen und der Mutter empfehlen, diesen anzunehmen. Im Übrigen gäbe es für eine gewisse Zeit den Unterhaltsvorschuss.
Was beim Jugendamt nicht gemacht wird - das liegt nicht daran, dass das nicht gewollt ist, sondern das liegt daran, dass manche Jugendamtsmitarbeiter nicht ausgebildet sind -, ist, den Müttern zu erklären, dass der Vater nur ablehnen kann, den Mindestsatz zu bezahlen, wenn er nachweist, dass er monatlich 30 Bewerbungsabsagen hat, dass er verpflichtet ist, alles zu tun, um Erwerb zu erlangen, dass er sich fortbilden muss, dass er sogar umziehen muss und dass das alles gerichtlich durchsetzbar ist. Das erklären die Jugendämter aber nicht. Folglich gehen die Mütter mit einem Unterhaltssatz von 150 € nach Hause, obwohl sie 300 € bekommen könnten.
Dass das Ganze, sofern es der Vater nicht tut, auch strafbar ist und strafrechtlich zu verfolgen ist, und dadurch ein erheblicher Zwang durch den Staat gegeben ist, um das durchzusetzen, wird auch nicht erklärt. Eine
Beratung durch einen Rechtskundigen ist aber nicht möglich, weil Beratungshilfe in diesem Bereich abgelehnt wird, da die Jugendämter diese Beratung durchführen.
Jetzt komme ich auf den Punkt, den ich meine. Es reicht nicht allein, Familienrichter fortzubilden. Sie müssen, sofern die Situation so ist, auch die Mitarbeiter der Jugendämter fortbilden, sowohl in diesem sozialpädagogischen Bereich als auch in dem rechtlichen Bereich. Das ist die Aufgabe, die durch dieses Gesetz auf das Land zukommt. Das kostet Geld. Im Doppelhaushalt ist das nicht enthalten.
Wir machen es uns sehr leicht, indem wir sagen, die Jugendämter haben dafür Sorge zu tragen, dass derartige Vernachlässigungen nicht passieren, und sie müssen die Hilfe der Gerichte in Anspruch nehmen. Wenn wir aber feststellen, dass ein Achtstundentag für einen Mitarbeiter des Jugendamtes nicht ausreicht, um alles Elend, das ihn in seinem Bereich betrifft, zu beseitigen, dann sind wir gehalten, daran zu denken, dass das Geld kostet und wir das nachlegen müssen. Auch damit beschäftigt sich das Gesetz.
Nun gibt es ein weiteres Gesetz, das in Arbeit ist. Das ist das Gesetz zur Veränderung der Verfahren im FGG, im Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit. Hierbei stellt sich die Frage - diese ist rechtlich interessant -: Ist das überhaupt ein zustimmungspflichtiges Gesetz?
Der Bundesrat hat die Bundesregierung aufgefordert nachzuweisen, welche Kosten auf die Länder zukommen, weil er schon ahnt, dass es kommt. Wenn in einem solchen Gesetzentwurf bereits vorgesehen ist, dass wir so genannte Große Familiengerichte einführen, dann stellt sich für uns Sachsen-Anhalter die Frage, was mit unserer gerade beschlossenen Justizstrukturreform passiert. Denn ein Großes Familiengericht ist an einem Amtsgericht mit vier Richtern nicht einzurichten, an dieser Stelle braucht man mehr.
Heißt das, dass wir dort wieder anfassen müssen? Heißt das, dass wir die Kosten hinnehmen werden, die dadurch verursacht werden? Heißt das im Endeffekt, dass die Landesregierung in Erwägung ziehen wird, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, um bei diesem Gesetz mitbestimmen zu dürfen?