Ich habe eine von Arbeitnehmervertretungen erstellte Liste über Verstöße hier vorliegen. Wenn dazu eine Nachfrage kommt, dann kann ich das auch noch vorlesen.
Ich will zu den Unternehmen kommen, die ihrer Verantwortung gerecht werden; denn sie sind an unserer Seite, wenn wir versuchen, die Spielregeln wieder ordentlich einzuführen.
Dabei geht es mir nicht nur um Tarifverträge. Es gibt auch Unternehmen, die den Tarif nicht bezahlen können, die ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jedoch beteiligen, wenn sie zusätzlich Gewinn einfahren. Die gehen ganz solide damit um. Die haben doch auch ein Problem und die sagen das inzwischen auch öffentlich. Die haben nämlich ein Problem, wenn Sachsen-Anhalt mit einem Mal nicht nur als der Standort dasteht, an dem wir früher aufstehen müssen, sondern an dem wir auch weniger Geld bekommen und unsere Rechte nicht einfordern können, und das in Zeiten des Fachkräftemangels, in denen wir darauf angewiesen sind, dass wir Zuwanderung haben oder dass wir Leute hier halten.
Komischerweise produzieren und verkaufen die Unternehmen im Westen der Republik und in den anderen europäischen Ländern für bzw. an die gleichen Leute. Aber im Osten müssen wir immer einsehen, dass wir von allem ein bisschen zurückgehen. Wir probieren hier alles und da sind wir Schmelztiegel.
Die hiesigen Unternehmen, die darauf angewiesen sind und die Spielregeln einhalten, haben das gleiche Problem: Die bekommen keine Leute mehr. Eine Ursache liegt unter anderem darin, wie wohl man sich bei der Arbeit fühlt und wie sicher man dabei ist, dass man seine Rechte einklagen kann.
Ich habe nur noch eine Minute Redezeit, deshalb vielleicht das zum Schluss: Mir würde es schon reichen, wenn die Spielregeln eingehalten werden, die Spielregeln, die wir jetzt haben.
Aber - ich habe es eben schon gesagt - im Osten ist meine Erfahrung seit 1990, dass wir bei allen Erfolgen, die wir haben, oft auch bei den negativen Dingen Vorreiter sind. Die Probleme treten hier stärker zutage: Wir haben immer noch eine extrem hohe Arbeitslosigkeit. Wir haben eine geringe Tarifbindung. Wir haben kaum eine Bindung auf Arbeitgeber- und auf Arbeitnehmerseite. Das ist eine Säule der sozialen Marktwirtschaft. Das geht zulasten der Tarifautonomie.
Deshalb überlegen wir, wie wir es anders regeln können. Mir wäre es doch viel lieber, der Staat müsste dabei gar nichts tun. Ich hoffe auch immer noch, dass es sich dahin entwickelt, dass der Staat nichts tun muss. Deshalb die ersten Schritte über die Allgemeinverbindlichkeit und das Entsendegesetz. Wenn die richtig funktionieren, wenn die Menschen sehen, dass dort etwas für sie passiert, dann dreht sich die Debatte in Deutschland vielleicht auch wieder.
Gerade weil das Problem im Osten gravierender ist, müssen wir von hier aus Vorschläge machen, wie wir die
Herr Ministerpräsident, ich halte das - das habe ich schon beim letzten Mal gesagt - nicht für eine Übergangsphase, die wir überstehen müssen; vielmehr müssen wir jetzt eingreifen. Wir können auch nicht darauf warten, dass die demografische Entwicklung einen Teil des Problems auf dem Arbeitsmarkt, wie es immer so schön heißt - die Formulierung ist schlimm genug -, löst; denn es verschiebt sich nämlich in Richtung Altersarmut.
Dann sind wir wieder bei den Themen Grundsicherung, Finanzierung und Kommunalfinanzen. Das ist nicht eine abgehobene Debatte, sondern das fällt uns vor Ort auf die Füße und das geht uns im Land richtig was an.
Deshalb, meine Damen und Herren, nicht nur ein leidenschaftliches Plädoyer dafür, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass die Spielregeln eingehalten werden - ich will gar keine anderen -, sondern auch die Bitte, gemeinsam den Antrag der LINKEN in den Ausschuss zu überweisen, da er viele wichtige Punkte aufgeführt hat, die so im Detail nur im Ausschuss beraten werden können. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Budde, für Ihren Beitrag. Es gibt zwei Nachfragen, einmal von Herrn Scheurell und einmal von Herrn Gürth. Wollen Sie sie beantworten?
Sehr geehrte Frau Budde, Ihr heutiger Redebeitrag, den Sie sehr leidenschaftlich gehalten haben, spiegelte direkt Ihre Ausbildung wider. Als Diplomingenieurin für Arbeitsgestaltung ist das natürlich Ihr Metier. Ich bedanke mich ausdrücklich bei Ihnen, dass Sie im letzten Teil Ihres Beitrages gesagt haben, dass die überwiegende Mehrheit der Unternehmer vorbildlich und gesetzeskonform handelt.
Ich bin nur ein Kleinunternehmer und fühlte mich während drei Vierteln Ihres Redebeitrages regelrecht angegriffen;
denn es waren deutliche Unterstellungen dabei. Zumindest für die Unternehmer, die ich in meinem Umfeld, in der Innung, in den Berufsgenossenschaften und in den Verbänden kenne,
(Herr Gallert, DIE LINKE: Wir kennen verschie- dene Leute! Sie kennen immer nur die Guten und wir kennen immer nur die Bösen!)
kann ich Ihnen sagen, Frau Budde: Das ist für mich ein entstellendes und befremdliches Bild. Stimmen Sie mit mir darin überein?
Wir haben in unserem Land ein Institut für globale Ethik. Wenn Sie mit den Mitteln der Fraktionschefin der SPD die Unternehmenskultur und Unternehmensethik nicht nur global, sondern auch auf unser Land bezogen haushalterisch untersetzen würden, damit wir hier nicht nur gefühlte Werte als Fakten verkaufen müssen, sondern wissenschaftlich untersetzte Werte haben, dann können wir eventuell gerade diesem Institut ein Stück weit Leben einhauchen; damit Sie sich nicht nur mit dem Garten Eden befassen müssen, sondern mit dem Vorgarten bei uns zu Hause beschäftigen können, um zu zitieren, was mir jemand einmal ganz nett gesagt hat.
Vielen Dank. - Frau Budde, wollen wir die Frage von Herrn Gürth gleich anschließen, damit Sie im Komplex antworten können?
Frau Kollegin, ich möchte zwei Fragen in Bezug auf die 80%-Zahl der Bertelsmann-Studie, die Sie zitierten, stellen. Sie haben gesagt, dass sich bei diesem Bürgerforum - darüber gibt es eine interessante Abhandlung - nach Ihren Rechnungen 80 % für die Einführung von Mindestlöhnen in Deutschland ausgesprochen haben.
Jetzt frage ich Sie: Ist Ihnen bekannt, ob die Haltungen zur Einführung der Mindestlöhne, wobei man ja oder nein sagen sollte, konditioniert waren oder nicht? Ist Ihnen bekannt, ob die Rahmenbedingungen für die Staaten, die Sie gern zitieren, mit erwähnt wurden, die zur Einführung von Mindestlöhnen führten?
Die Rahmenbedingungen betreffen die Arbeitszeiten. In den USA gibt es im Durchschnitt 300 Sollarbeitsstunden pro Jahr mehr als in Deutschland. Wir haben in Deutschland 43 bezahlte Urlaubs- und Feiertage; in den USA sind es 23. Kündigungsschutz, Arbeitsschutz und verschiedene andere Dinge will ich gar nicht erwähnen, die mit dazu gehören.
Oder ich denke an die Einführung der Mindestlöhne in Großbritannien. Sie wurden erst eingeführt, nachdem die Regierung Thatcher die Gewerkschaften praktisch zerschlagen hatte. Das können wir doch alles nicht wollen.
Meine Frage lautet also, ob bekannt gemacht wurde, unter welchen Bedingungen Mindestlöhne woanders eingeführt wurden.
Die zweite Frage betrifft auch eine 80%-Zahl. Bekanntlich haben bei derselben Studie 69 % der Personen die USA und 11 % der Personen Großbritannien als das Industrieland mit der geringsten sozialen Gerechtigkeit bezeichnet. Das sind auch 80 %. Aber gleichzeitig wird festgestellt, dass 160 000 Fachkräfte, die wir dringend benötigen - die 9 000 deutschen Ärzte, die im Ausland praktizieren, sind noch gar nicht dabei -, gerade in die Länder abwandern, die die Deutschen mehrheitlich als nicht sozial gerecht bezeichnen. Das sind nicht nur Spitzenforscher, sondern das sind viele Facharbeiter. Wie wollen Sie damit umgehen?
Gut, jetzt haben wir die beiden Fragen von Herrn Gürth und von Herrn Scheurell. Frau Budde, Sie beantworten diese jetzt, wenn Sie wollen.
Aber sehr gern. - Herr Scheurell, vielleicht hat das auch etwas mit meiner Ausbildung zu tun; aber in erster Linie hat das etwas damit zu tun, dass ich Sozialdemokratin bin - das sind die Grundsätze, die ich vertrete -, und nicht mit meiner Ausbildung.
Wenn Sie einen Haushaltsvorgriff auf die Finanzierung des Instituts haben wollen, sprechen Sie bitte einmal mit Herrn Tullner. Er hat das Programm gelesen und er ist der finanzpolitische Sprecher Ihrer Partei. Ich sage nur: „Mohr und die Raben von London“. Vielleicht können Ihnen die Finanzpolitiker helfen. Blockieren will ich es nicht.
Ich finde es im Übrigen sehr wichtig. Ich sage das nicht nur mit einem Schmunzeln. Ich habe viele Jahre mit Pater Clemens den Arbeitskreis „Ethik in der Wirtschaft“ organisiert, in dem wir uns mit diesen grundsätzlichen Problemen wirklich befasst haben. Das kommt bei der Alltagspolitik zu kurz. Dieser Vorgarten, wie Sie ihn genannt haben, muss gepflegt werden. Damit haben Sie Recht. Ich bin auch gern bereit, darüber zu reden, wie man das machen kann. Eine Pauschalantwort kann ich Ihnen hier nicht geben.
- Was heißt hier, ich komme wieder zurück? Ich habe immer Kirchensteuer bezahlt, auch zu DDR-Zeiten.