Was für ein Mut! Das hat der Mann vor 200 Jahren in einem totalitären System gesagt, in einer Monarchie, in der es noch nicht einmal die Meinungsfreiheit gab. Wie viel Angst haben wir eigentlich vor Andersdenkenden? Müssen wir uns eigentlich als wehrhafte Demokratie nicht ein bisschen schämen, dass wir keine mutigen Demokraten haben, sondern dass wir versuchen, uns hinter Exekutivbeamten zu verstecken, die mit Gesetzen ausgestattet sind, die dann etwas verbieten, was wir nicht wollen?
Ist es nicht viel besser, dass Andersdenkende demonstrieren dürfen und die Auseinandersetzung mit diesen unsinnigen und teilweise unseligen Parolen, die die haben, in der Öffentlichkeit stattfindet und nicht in den Untergrund abgedrückt wird?
Ich habe die Debatte in Sachsen verfolgt. Das ist das beste Beispiel: Die NPD macht eine Veranstaltung zum
Gedenken an die Bombennacht von Dresden und 50 000 Demokraten stehen da still mit Kerzen in der Hand und demonstrieren dagegen. Das ist das Zeichen, das um die Welt geht. Das ist wesentlich wirksamer, als wenn diese Veranstaltung verboten worden wäre.
Deshalb, nicht weil die FDP dafür ist, dass die NPD eine tolle Partei ist und sich verwirklichen kann, sondern weil wir meinen, dass sich alle so versammeln dürfen sollen, wie es möglich ist, und weil die Auseinandersetzung mit politisch Andersdenkenden von uns nicht gescheut wird, sind wir der Meinung, dass dieses Gesetz untauglich ist. - Danke.
Das war der Debattenbeitrag der FDP. - Ich rufe jetzt auf den Debattenbeitrag der CDU. Herr Bommersbach, Sie haben das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Durch die Föderalismusreform ist es möglich geworden, dass die Länder eigenverantwortlich Gesetzeslagen schaffen können. Ich glaube, das ist auch richtig so. Denn die Problemlage in unserem Land hat dazu geführt, dass hier Regulierungsbedarf entstanden ist und nicht blind zugeschaut werden kann.
Wenn wir sehen, wie sich sowohl am rechten, aber auch am linken Rand - man muss hier beides ausgewogen betrachten - Extreme austoben, muss den Dingen natürlich Einhalt geboten werden. Hier ist das richtig, was der Innenminister in seiner Rede gesagt hat: Wir müssen schauen, dass wir gesetzliche Regelungen haben, die auch tauglich sind, die dem Rechtsstaat auch ein gewisses Handlungskonzept geben. Deshalb glaube ich, dass es notwendig ist, das Gesetz hier vorzulegen.
Gerade in Sachsen-Anhalt ist bei vielen Versammlungen als bedenklich einzustufen gewesen, was passiert ist. Im Hinblick auf extremistische Bereiche und Bestrebungen können doch mithilfe dieses Gesetzes Maßnahmen dagegen ergriffen werden. Extremistische Auswüchse dürfen nunmehr durch die zuständigen Behörden entsprechend den gesetzlichen Regelungen verboten bzw. geregelt werden. Das Prüfungsverfahren, das wir uns da auferlegt haben, taugt letztendlich dazu, um einen entsprechend vernünftigen Aspekt herbeizuführen.
Sicherlich besteht Einigkeit darüber, dass das in der Historie hart erkämpfte Recht auf Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit an dieser Stelle nicht beschädigt werden darf. In diesem Zusammenhang erinnere ich insbesondere an das Hambacher Fest; ein wesentliches Kernstück unserer demokratischen und rechtsstaatlichen Gesellschaft. Hieran möchte ich auch nicht rütteln.
Dennoch gibt es Grenzen, die es zu erkennen und zu wahren gilt, nämlich die Rechte Dritter, derjenigen, deren Würde, Ansehen und Ehre durch Versammlungen vor einem explizit historisch-politischen Hintergrund verletzt werden. Bestimmte Erinnerungsorte und Erinnerungstage, die in § 3 des Gesetzentwurfes explizit aufgelistet wurden, die an historisch einschneidende Eckdaten an die Diktaturen des Schreckens und die Gewaltherrschaft erinnern, dürfen keinesfalls missbraucht werden,
Meine sehr geehrten Damen und Herren! An diesen Orten muss das Gedenken an genau diejenigen im Vordergrund stehen, die die Opfer sind, für die exakt die Erinnerungsorte und Erinnerungstage stehen. Wir müssen sie vor der Achtlosigkeit derer, die diese Orte mit Randale oder mit Verwüstungen überziehen, schützen. Das ist entscheidend und das sichert uns dieser Gesetzentwurf zu.
Zur Erreichung dieser Ziele bin ich gespannt auf die Diskussion, die wir im Innenausschuss dazu führen werden. Ich beantrage hiermit die Überweisung dieser Vorlage in den Innenausschuss. - Danke.
Herzlichen Dank. - Wir kommen zu dem Debattenbeitrag der Fraktion DIE LINKE. Herr Gallert, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzentwurf, der uns vonseiten der Regierung vorliegt, hat einen Kernpunkt. Dieser Kernpunkt kommt relativ weit hinten. Es ist der § 5. Er ist überschrieben mit dem Begriff „Einschränkung von Grundrechten“ und darin steht: „Dieses Gesetz beschränkt die Grundrechte nach Artikel 8 Abs. 2 des Grundgesetzes und Artikel 12 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt.“ Das ist der Kern dieses Gesetzes.
Weil dieses Gesetz diesen Kern hat, muss man erst einmal konstatieren - das tue ich wirklich ohne Häme -, dass die Vorlage eines solchen Gesetzes das Konstatieren einer Niederlage ist, und zwar einer Niederlage der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, einer Niederlage der Zivilgesellschaft in Auseinandersetzung mit rechtsextremen Parolen, Losungen, Organisationen und Aufzügen. Dieses Gesetz dokumentiert, dass wir uns gegen die nicht mehr anders zu helfen wissen als mit einem Verbot, und das ist eine zivilgesellschaftliche Niederlage.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ein solches Gesetz vorliegt, dann muss man diesen Punkt erst einmal so definieren. Es ist so. Mit dieser Festlegung, mit dieser Einschätzung sage ich noch nicht, ob es eine falsche Schlussfolgerung ist. Vielleicht ist es so, dass diese Gesellschaft nicht mehr in der Lage ist, sich gegen rechtsextreme Demonstrationen zu immunisieren. Vielleicht sind wir schon an dem Punkt, dass Rechtsextreme in der Lage sind, die Mitte der Gesellschaft nicht nur zu erreichen, sondern für ihre Ziele vielleicht schon rekrutieren, sodass wir uns mit diesem Instrument des Verbotes und der polizeilichen Präsenz, die solche Demonstrationen unterbinden, behelfen müssen.
Ich will allerdings - diesbezüglich spreche ich im Namen meiner Fraktion - diesen Punkt noch nicht erreicht sehen. Ich möchte, dass wir weiter mit zivilgesellschaftlicher Courage und Auseinandersetzung - Herr Wolpert hat das im Wesentlichen beschrieben - versuchen, deren Einfluss zurückzudrängen, zu stoppen, etwas dagegen zu setzen,
weil ich glaube, nur das wird am Ende erfolgreich sein und nicht das Verbot von Demonstrationen an bestimmten Orten an bestimmten Tagen.
Nun weiß ich, dass das ein schmaler Grat ist. Herr Hövelmann, Sie werden mir möglicherweise in den nächsten Wochen durchaus Mitglieder meiner Partei nennen können, die das genauso sehen wie Sie; die kenne ich auch. Gleichwohl weiß ich auch, dass diese Auseinandersetzung zwischen dem unbequemen Weg der zivilgesellschaftlichen Auseinandersetzung und dem vermeitlich doch so nahe liegenden und bequemen Weg des Verbotes natürlich in allen Parteien diskutiert wird und dass Sie in allen Parteien auch Befürworter dafür haben werden. Ein Stück weit reflektieren wir das auch in der Fraktion.
Es muss gleichwohl am Anfang stehen: Wer zu diesem Mittel greift, hat in einer bestimmten Art und Weise schon verloren. Dieses Zugeständnis will ich den Rechten noch nicht machen.
Es gibt ein zweites Problem, über das ich in der Öffentlichkeit bereits mehrfach geredet habe. Sie haben hier bestimmte Opfergruppen genannt, Sie haben hier bestimmte Gedenkorte genannt und Sie haben hier bestimmte Tage genannt. Es zieht sich durch wie ein roter Faden. Es sind Gedenkorte, die an die Opfer von 1933 bis 1945 erinnern, und dann kommen vor allen Dingen mit Marienborn, aber auch dem Moritzplatz und dem Roten Ochsen Gedenkstätten, die an die Zeit der DDR bzw. der sowjetischen Besatzungszone erinnern.
An dieser Stelle sagen Sie, das ist keine Gleichsetzung. - Jede Gleichbehandlung ist eine Gleichsetzung und an dieser Stelle behandeln Sie sie gleich. In der Konsequenz von endloser Gleichbehandlung steht auch eine Gleichsetzung.
Herr Hövelmann, Sie haben in Ihrer Rede ausdrücklich gesagt, nein, das soll es nicht sein, das wäre auch fatal.
Diesbezüglich sagen wir: Das ist richtig. Sie sagen aber, wir haben ein Interesse, ein Rechtsschutzinteresse hinsichtlich der Würde der Opfer. Dazu sage ich: In Ordnung. Aber die Konsequenz, die Sie ziehen, ist, diese Gedenkstätten hier hineinzunehmen. Es gibt eine Menge anderer Gedenkstätten. Dort hätten wir genauso ein Interesse an einem Rechtsschutz der Opfer. Die stehen nicht darin, die sind nicht erwähnt.
Alberto Adriano in Dessau und Thorsten Lamprecht in Magdeburg-Olvenstedt: Das sind Gedenkstätten, die regelmäßig angegriffen werden, wo die Würde der Opfer von Nazis mit Füßen getreten wird. Die stehen nicht darin. Was unterscheidet die denn nun von den Gruppen, die hierin enthalten sind? Warum nehmen Sie die Zeit der DDR mit hinein und die anderen nicht?
Das ist der entscheidende Punkt. Die Gleichsetzung der Zeit von 1933 bis 1945 und der Zeit bis 1989. Die Typisierung ist es und das andere ist etwas völlig anderes.
Das ist das Problem und dies lässt diese Differenzierung nicht mehr zu. Deswegen wehren wir uns dagegen.
Ein letzter Punkt. Wir haben in diesem Gesetz mehrfach den Begriff „insbesondere, insbesondere, insbesondere“. Das heißt, es gibt die weitgehende Möglichkeit der Exekutive, diese Dinge auszuweiten. Dann wird es Gerichte geben, die sich damit beschäftigen. Dann wird es die Möglichkeit geben, dass die Nazis in Magdeburg nicht an dem Tag demonstrieren wollen, an dem die Bombardierung stattgefunden hat, sondern zwei Tage vorher oder nachher. Dann gibt es möglicherweise das Verbotsverfahren über das Innenministerium. Dann gibt es möglicherweise Klagen und dann redet man darüber: Gehen zwei Tage vorher/nachher, gehen drei Tage vorher/nachher?
Das ist ein Problem. Nur es ist ein Problem, über das wir hier nicht mehr entscheiden, weil wir noch einmal eine zusätzliche Verlagerung aus dem legislativen Bereich in den exekutiven Bereich betrieben haben. - Das sind unsere Kritikpunkte an diesem Gesetz.
Wir sagen ausdrücklich und das ist jetzt die Frage für uns: Wollen wir anhand der Vorlage darüber diskutieren, wollen wir versuchen, die Dinge als punktuelle Bedenken hineinzubringen, oder lehnen wir den Ansatz insgesamt ab? - Das ist eine schwierige Diskussion; übrigens auch bei uns. Die ist noch nicht ausgestanden.
Wir werden uns deswegen heute bei der Überweisung dieses Gesetzes als Fraktion der Stimme enthalten. Sie haben durchaus die Möglichkeit, in den Beratungen den einen oder anderen Punkt der Bedenken, die wir hier artikuliert haben, auszuräumen. Ich sage Ihnen aber ausdrücklich: Die endgültige politisch entscheidende Schlacht, nämlich die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus, werden wir mit diesem Gesetz nicht gewinnen können. - Danke.
Herr Gallert, es gibt zwei Fragen; von Herrn Bischoff und Herrn Wolpert. Wollen Sie sie beantworten?