Nun möchte ich noch etwas zum Thema Kinderrechte sagen. Ich denke, dass es bei der Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz und auch in die Landesverfassung im weitesten Sinne auch um Kinderschutz geht. Daher passt diese verbundene Debatte heute. Mir ging es am Kindertag aber nicht anders als der FDP-Fraktion: Pünktlich im Jahresrhythmus fordert die Sozialministerin, nun schon zum dritten Mal, die Aufnahme von Kinderrechten in die Landesverfassung. Ich kann Sie verstehen: Steter Tropfen höhlt den Stein - zuweilen.
Nun kann ich mich aber noch gut daran erinnern, was aus der Ankündigung von Frau Dr. Kuppe zur Rückkehr zum Ganztagsanspruch in der Kita geworden ist: leider nichts, ein bunter Luftballon. Die Frage ist berechtigt, ob es den Kinderrechten auch so ergehen soll. Der Redebeitrag von Herrn Kurze lässt es vermuten.
Inzwischen gibt es nun mehrere Vorschläge von SPDMinistern zu Veränderungen in der Landesverfassung. Es gibt den Vorschlag von Herrn Hövelmann zur Aufnahme einer Antifa-Klausel. Ich kann mich an den Vorschlag eines Neuverschuldungsverbotes von Herrn Bullerjahn erinnern. Nun sind es die Kinderrechte. Ich denke, bei dieser Anzahl von Vorschlägen ist es an der Zeit, dass sich die Fraktionen verständigen, damit keine falschen Hoffnungen bei den Menschen durch die Presse erweckt werden. Wir brauchen in diesem Haus eine Zweidrittelmehrheit. Das halte ich auch für gut und richtig und der Stellung der Verfassung in diesem Land angemessen. Ich denke, wir sollten diese Gespräche endlich zu führen beginnen. Das kann sicher nicht allein der Sozialausschuss.
Nun möchte ich Ihnen aber auch noch etwas zum Standpunkt meiner Fraktion zu Kinderrechten in der Verfassung sagen. Ich denke, das Argument, das kürzlich von den Kritikern hervorgeholt worden ist, im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. April 2008, wonach die Kinder bereits nach Artikel 6 des Grundgesetzes unter anderem ein Recht auf Pflege und Erziehung hätten und darüber hinaus auch Rechtssubjekte seien, ist nicht leicht von der Hand zu weisen.
Was wir auf jeden Fall konstatieren müssen ist, dass Kinderrechte keine materielle Wirkung haben. Das ist auch mein Problem: Ein Schritt in die Richtung der Bekämpfung der Kinderarmut ist darin nicht zu sehen. Ich möchte die Wirkung aber auch nicht gänzlich bestreiten.
Ich will dazu das Beispiel des § 1631 BGB heranziehen, in dem es um die gewaltfreie Erziehung geht. Ich denke, dass wir in diesem Zusammenhang durchaus eine Veränderung des gesellschaftlichen Klimas konstatieren müssen und können. Wir haben es damit zu tun, dass Eltern sensibler geworden sind im Umgang mit ihren Kindern. In der Folge haben auch die Aktivitäten bei einem Misshandlungsverdacht zugenommen. Auch Beratungsstellen wurden häufiger in Anspruch genommen. Ich denke, dass ist gut und richtig so, weil Kinder Rechtssubjekte sind. Das sollte diese Gesellschaft auch endlich anerkennen.
Auch hierzu rege ich an, dass wir im Ausschuss für Recht und Verfassung und im Ausschuss für Soziales eine Anhörung durchführen. Dabei können sich auch die Kollegen von der CDU von dem einen oder anderen Argument überzeugen lassen.
Lassen Sie mich vor dem Ablauf der Redezeit in der Gesamtbewertung beider Vorlagen ein Zitat von Herrn Professor Dr. Bosmann von der Martin-Luther-Universität vortragen:
„Was vermag die Gesellschaft zu leisten? - Alles. Und tut immer noch zu wenig und glaubt zu häufig an das Falsche.“
Genau das müssen wir erkennen und an dieser Stelle auch anwenden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau von Angern, für Ihren Beitrag. - Wir kommen jetzt zum letzten Debattenbeitrag von Frau Grimm-Benne von der SPD-Fraktion. Sie haben das Wort. Bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jedes Kind hat ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung und auf ein gesundes Aufwachsen. Jedes Kind hat ein Recht auf die Entwicklung und Entfaltung seiner Persönlichkeit und auf die Integration in die Gesellschaft.
Von diesem Recht haben wir uns bei dem Gesetzentwurf leiten lassen. Keiner von uns hat gesagt - das ist mir bei den Debattenbeiträgen deutlich geworden -, dass wir mit diesem Gesetzentwurf alle Probleme in dem Bereich des Kinderschutzes lösen würden. Wir unternehmen aber den Versuch - darauf bin ich stolz -, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einen wichtigen Baustein zu setzen.
Keiner von uns hat gesagt, wir würden uns zurücklehnen und hätten alles getan, wenn das Gesetz in Kraft getreten sei.
Man kann sich sicherlich über vieles streiten, aber was ich an diesen Debattenbeiträgen besonders schade fand, war, dass man sich nur auf einen Punkt beschränkt und suggeriert hat: Gebt den Jugendämtern mehr Geld, dann haben wir auch gleichzeitig mehr Schutz für die Kinder und es wird keine Kindesvernachlässigungen und Kindestötungen mehr geben.
(Zustimmung von Herrn Gürth, CDU - Herr Kurze, CDU: Richtig! - Herr Gallert, DIE LINKE: Wer hat denn das gesagt?)
In den letzten Tagen hat der deutsche Landkreistag, wie ich fand, eine bemerkenswerte Pressemitteilung herausgegeben. Er hat gesagt: Wirksamer Kinderschutz geht uns alle an. - Dazu habe ich heute ein bisschen wenig gehört, auch von den Oppositionsfraktionen.
Er räumt ein, dass der Schutz unserer Kinder vor Vernachlässigungen und Misshandlungen ständig verbessert werden muss. Es handelt sich hierbei um eine gesellschaftliche Aufgabe, die alle angeht und die ein frühzeitiges vernetztes Vorgehen aller Beteiligten erfordert.
Auch und vor allem Familien und Nachbarn müssen sensibilisiert werden, um Gefährdungslagen frühzeitig erkennen zu können.
Aus diesem Grund möchte ich noch einmal auf die zweite Säule unseres Gesetzentwurfs eingehen, auf die lokalen Netzwerke. Wir versuchen gerade dadurch, dass wir den Wortlaut des § 8a SGB VIII noch einmal genau in diesen Gesetzentwurf mit hineingenommen haben, die Jugendämter bei ihrer Aufgabenbewältigung zu stärken, weil in diesem Zusammenhang oftmals gar nicht deutlich genug wird, was Jugendämter machen dürfen, auch in Abgrenzung zu anderen Institutionen, die möglicherweise nicht die Aufgaben des Jugendamtes kennen.
Wir haben in die lokalen Netzwerke die Gruppen hineingenommen, nämlich Ärzte, Krankenhäuser, Schulen, Justiz oder Polizei, damit sie in einem lokalen Netzwerk wirklich voneinander wissen und sensibel dafür gemacht werden, Vernachlässigungen und Beeinträchtigungen von Kindern zu erkennen und zu begegnen.
Ein Punkt ist heute noch nicht deutlich geworden: Wir haben in den Gesetzentwurf auch die Bildung und Weiterbildung der Jugendamtsmitarbeiter mit hineingenommen. Wir wollen, dass sie in die Lage versetzt werden, erst einmal Gefahrenlagen zu erkennen und dann möglicherweise auch präventiv tätig zu werden.
Ich bin stolz darauf, dass wir es im Vergleich mit anderen Bundesländern, deren Kinderschutzgesetze im Entwurf vorliegen, geschafft haben, dass wir insbesondere auch Veränderungen im Kinderförderungsgesetz und im Schulgesetz vornehmen, dass wir auch eine Vernetzung mit den Schulen bekommen.
Eines ist wichtig: Es mag dahingestellt sein, ob man über Früherkennungsuntersuchungen wirklich Vernachlässigungen und Kindesmisshandlungen erkennt; aber Vorsorgeuntersuchungen hören mit der Einschulung sozusagen auf, jedenfalls nimmt der Rhythmus ab. In diesem Zusammenhang ist es gelungen - die Ministerin hat es schon gesagt -, noch einmal einen weiteren Untersuchungstermin zu bekommen. Es wäre aber viel wichtiger, dass man die Kinder auch durch die Schule begleitet; denn die Fälle, die uns bekannt geworden sind, sind insbesondere solche von Kindern im Alter von neun, zehn oder zwölf Jahren. Dafür brauchen wir ein noch viel besseres Intervallsystem der Vorsorgeuntersuchungen.
Dabei geht es uns nicht nur darum, dass man Kindesvernachlässigungen und -misshandlungen begegnet, sondern es geht darum, dass die Kinder gesund aufwachsen. Dazu sollen Vorsorgeuntersuchungen dienen. Das Spektrum ist viel breiter gefächert.
Einen Punkt möchte ich zu unserem Koalitionspartner sagen: Die Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung ist etwas zu kurz gekommen. Das mag an der verbundenen Debatte liegen. Die Ministerpräsidenten von Niedersachsen und von Nordrhein-Westfalen, CDU, machen es vor, wie man Kinderrechte in die Landesverfassung einführen kann.
Danach hat jedes Kind das Recht auf Entwicklung und Entfaltung seiner Persönlichkeit und Integration in die Gesellschaft. Das leitet sich eben nicht nur von den Elternrechten ab.
Frau Dr. Hüskens, die FDP in Niedersachsen ist auch weiter, als Sie es hier sagen wollen; denn die haben genau das mit aufgenommen.
Sie haben vor allen Dingen einen weiteren Punkt bei den Kinderrechten mit hineingenommen, nämlich Bildung. Erziehung und Ausbildung sind bereits in unserer Landesverfassung enthalten. Wir möchten das gern um Bildung erweitern.
Wir hatten in der letzten Landtagsdebatte das Thema Kinderarmut. Bildung ist sozusagen das Kernelement, um Kinderarmut zu begegnen. Deswegen, denke ich, gehört es auch in die Landesverfassung. Wir haben schon vor einem Jahr einen Fraktionsbeschluss dazu gefasst.
Herr Professor Olbertz hat mich vorhin ganz erstaunt angeschaut, als es um die Überweisung an die Ausschüsse ging. Natürlich wollen wir diesen Gesetzentwurf auch in den Bildungsausschuss überweisen. Ich habe gestern zwar gelernt, dass der Finanzausschuss eigentlich immer zu beteiligen ist, aber ich beantrage dennoch hier noch einmal auch die Überweisung an den Finanzausschuss. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank, Frau Grimm-Benne. - Wir sind am Ende der Debatte. Die Landesregierung wünscht noch einmal das Wort. Es gibt aber zuvor noch eine Nachfrage. Bitte schön.
Nein, ich hätte jetzt als Fraktionsvorsitzender gesprochen. Wenn die Landesregierung aber jetzt sprechen möchte, dann warte ich das noch ab.
Dann bitte, Frau Ministerin. Sie wissen, dass Sie die Debatte jetzt wieder eröffnen, aber das ist nun einmal so bei so einem Gesetz. Anschließend wird der Fraktionsvorsitzende der LINKEN das Wort nehmen. Bitte schön, Frau Ministerin.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Mein Beitrag ist dem Umstand geschuldet, dass Frau Hüskens den Antrag der FDP-Fraktion zu den Kinderrechten erst in Ihrem Redebeitrag eingebracht hat. Deswegen konnte ich darauf bei der Einbringung des Gesetzentwurfes noch nicht Bezug nehmen. Das möchte ich jetzt tun.
Ich möchte aber zu der Debatte, die gerade geführt worden ist, noch zwei Bemerkungen machen: Mit dem Gesetzentwurf und den meisten dort getroffenen Regelungen wollen wir das Frühwarnsystem für den besseren Schutz von Kindern komplettieren. Wir wollen verhindern, dass zum Beispiel aus einer Nachlässigkeit, hinter der überhaupt kein böser Wille der Eltern steckt, eine Vernachlässigung mit den entsprechenden Folgen wird. Das ist der Grundgedanke.
Frau Hüskens, ich muss Ihnen eines sagen: Durch Ihren Beitrag zog sich im Wesentlichen das Argument, dass allein mehr Geld alle Probleme lösen würde. Diese Auffassung teile ich überhaupt nicht.
Nun zu den Kinderrechten. Eines schicke ich voraus - Herr Kurze hat es schon dargestellt -: Der Koalitionsausschuss hat sich am Montag dieser Woche mit der Aufnahme von zusätzlichen Kinderrechten in die Landesverfassung befasst. Der Koalitionspartner CDU hat dabei deutlich gemacht, dass er in dieser Legislaturperiode eine Änderung der Landesverfassung generell ablehne, unabhängig von dem Thema Kinderrechte.
Bei der SPD gibt es demgegenüber einen Fraktionsbeschluss - Frau Grimm-Benne hat es erwähnt - zugunsten der Erweiterung der Landesverfassung um Kinderrechte. Es gibt also in dieser Frage unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koalitionspartnern. Das ist aber legitim.
Zum Inhalt. Die Koalitionsvereinbarung vom April 2006 enthält im Kapitel „Kinder und Familie“ einen Prüfauftrag:
„Die Koalition wird die Notwendigkeit und die Umsetzung der Aufnahme der Kinderrechte auf Bildung und Integration in die Verfassung prüfen.“
Diese Prüfung habe ich mit Fachleuten meines Hauses vorgenommen. Dabei sind in zahlreichen Fachgesprächen Analysen und Bewertungen vorgenommen worden hinsichtlich der Kinderrechtekonvention der Vereinten Nationen, des aktuellen Verfassungsvertrages der Europäischen Union, der auf Bundesebene geführten Diskussionen über die Ergänzung des Grundgesetzes und die Verankerung von Kinderrechten in anderen Landesverfassungen. Wir haben Gutachten und Studien zurate gezogen.
Das Prüfergebnis sieht so aus, dass ich empfehle und zur Diskussion stelle, die Landesverfassung im Grundrechtekatalog und in den Einrichtungsgarantien um weitere Kinderrechte zu ergänzen.