Protokoll der Sitzung vom 12.09.2008

Unser Anspruch ist, an diesen Stellen möglichst nahtlose Übergänge zu organisieren. Henkel hat ein großes Interesse daran, das auch hinzubekommen, weil das Unternehmen schon gemerkt hat, dass erstens die Entscheidung aktienkursmäßig nicht viel gebracht hat und zweitens der Imageschaden, der durch ungünstiges weiteres Abarbeiten entstehen könnte, wesentlich größere Marktnachteile erzeugen könnte, als wenn wir dort eine kooperative Lösung bringen.

Wie gesagt, wir müssen die Rollen ein bisschen verteilen. Der Betriebsrat hat seine Funktion; dann gibt es die Gewerkschafter und Sie als Fraktionen. Ich bin der Verhandlungspartner. Ich will meine Verhandlungsbasis so stark wie möglich halten und möglichst vermeiden, dass die Gesprächsfäden abreißen. Ich habe, wie gesagt, in den letzten Wochen eine dermaßen gute Kooperationsbereitschaft zur Lösung des Problems erfahren, dass ich sage, sie unterscheidet sich auch aus meiner Erfahrung heraus deutlich von anderen Prozessen, die ich hier in Sachsen-Anhalt schon erleben musste. Deswegen muss ich an dieser Stelle meine Emotionen ein bisschen zurücknehmen.

Zu dem, was ich dort gesagt habe, gibt es nur einen Zeugen; das ist Herr Schubert. Aber ich glaube, es ist

auf fruchtbaren Boden gefallen. Das ist nicht ein Unternehmen wie jedes andere. Es gibt ganz wenige Symbole, die wir über die Wende völlig unproblematisch als Bestandteil unseres Lebens, unserer Erfahrung, unseres alltäglichen Daseins mit hinübergebracht haben in die deutsche Einheit. An solchen Symbolen machen wir uns fest. Wenn die wegfallen, ist das nicht nur ein Wegfall von Arbeitsplätzen, was wir vermeiden wollen, sondern es ist auch ein Wegfall von Teilen unserer Identität.

Nun muss nicht jeder seine Wäsche jeden Tag mit Spee waschen, aber es sind Dinge, die zeigen, dass wir auch in den Generationen vor uns Produkte entwickelt haben, die schlicht und einfach lebensnotwendig waren und die heute auch wettbewerbsfähig sind.

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Die sollen hier produziert werden; das ist unser Anliegen. Wie gesagt, wir haben dazu eine Kaskade, was wir an Rang- und Reihenfolge abgearbeitet sehen wollen. Unter dem Strich darf aber arbeitsmarktpolitisch keine Schlechterstellung dieses Standortes herauskommen. Das ist unser Bemühen.

(Zustimmung bei der CDU)

Klares Signal. - Frau Schmidt, Sie haben die letzte Frage an den Herrn Minister. Dann treten wir in die Debatte ein.

Herzlichen Dank für Ihre Bemühungen um den Standort und für die Arbeitnehmer. Nun weiß ich, dass auch meine Gewerkschaft, die IG BCE, dabei eine Rolle spielt. Ich weiß auch, dass Sie jetzt noch in Verhandlungen sind und deshalb wahrscheinlich nicht viel sagen können. Aber auch aufgrund unserer Debatte, die wir im Vorfeld des jetzigen Tagesordnungspunktes geführt haben, habe ich eine Frage. Können Sie schon Auskunft geben, wie viele Arbeitnehmer in den Unternehmen, die dort zukünftig angesiedelt werden, arbeiten könnten?

Meine zweite Frage. Der Standort ist im Chemietarifvertrag tarifgebunden, der nicht der schlechteste ist. Das muss man so sagen. Wie könnte es diesbezüglich in der Zukunft aussehen? Sind die potenziellen Arbeitgeber in Arbeitgeberverbänden gebunden? Besteht die Möglichkeit, wieder in eine Tarifbindung zu kommen?

Letzteres gleich zuerst. Teils, teils. Ein Teil davon ja, ein Teil davon nein. Das hängt auch jeweils von der unterschiedlichen Geschichte der nachgefragten Unternehmen ab.

Rein zahlenmäßig - wir können nur aufnehmen, was angemeldet wurde; es sind zum großen Teil Unternehmen, die schon erfolgreich in Sachsen-Anhalt tätig sind - können wir sagen, dass rein mathematisch mindestens ein Nullsummenspiel möglich wäre. Aber ich sage noch einmal: Ich lasse mich auch nicht binden, wenn es nachher zehn, 20 oder 50 weniger sind. Es können genauso gut mehr sein. Es wäre bezüglich der Beschäftigungsdichte, die dort jetzt vorzufinden ist, sogar das Ziel, noch mehr daraus zu machen.

Nur, eines ist klar: Dazu gehört, dass Henkel die Konditionen mit uns so vereinbart, wie sie es verbal schon an

gekündigt haben. Das heißt, es muss für den Käufer attraktiv sein - bis hin zu Personalübergangsprämien und einer Entflechtung der Infrastruktur unter Zuhilfenahme von Henkel-Geld. Das heißt, die Filettierung des Standortes, der jetzt insgesamt unter Henkel läuft, muss so möglich gemacht werden, dass dort für die potenziellen Neuinvestoren Eigentum erwerbbar ist.

All das ist auch Bestandteil unserer Paketlösung, die wir am Montag auf dem Tisch haben werden. Ich bin, weil die Arbeitsebene von Henkel schon darüber gegangen ist, guter Hoffung, dass wir das am Montag so gut wie 1 : 1 herüberkriegen.

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten jetzt in die Debatte ein. Der erste Debattenredner ist für die SPD-Fraktion Herr Graner. Sie haben das Wort. Dann spricht Herr Dr. Thiel für DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Der Preis für ein Fass Rohöl liegt heute bei 143 US-$.“ - So begründete das Henkel-Vorstandsmitglied Friedrich Stara im Juli die Schließung des Betriebes in Genthin. Das können Sie im „Volksstimme“-Interview vom 11. Juli 2008 nachlesen. Der starke Anstieg der Energie- und Rohstoffkosten beeinflusse Produktions- und Transportkosten massiv. Deswegen sei die Rentabilität des Werkes nicht mehr gewährleistet.

Ich kann Ihnen sagen - Genthin gehört zu dem Wahlkreis, den ich mit betreue -: Diese Aussage ruft heute in Genthin Erstaunen hervor. Der Rohölpreis - ich habe vorhin noch einmal nachgeschaut - liegt heute am Rotterdamer Spotmarkt bei 97,81 US-$.

Dann stellt man also fest, da ist ein großer, international agierender Konzern, der eine Betriebsschließung vornehmen will. Der Minister hat darauf hingewiesen, dass es möglicherweise durchaus Anpassungsnotwendigkeiten gab. Aber dann begründet man das auf diese Art und Weise.

Meine Damen und Herren! Dieses Argument wird von den Menschen vor Ort in Genthin nicht recht geglaubt. Wenn ein großer Konzern die Schließung damit begründet und acht Wochen später ist der Ölpreis um 30 % gesunken, dann steht dieser Konzern ziemlich belämmert da.

Meine Damen und Herren! Lieber Henkel-Vorstand, ich kann Sie nur auffordern - Sie haben zugesagt, dass Sie noch einmal nachrechnen -: Bitte rechnen Sie noch einmal nach!

(Zustimmung bei der SPD)

Ein zweiter Punkt. Die Firma Henkel erhielt kürzlich einen Preis, den Victress Corporate Award. Sie werden diesen Preis möglicherweise nicht kennen. Ich kannte ihn bisher auch nicht. Aber ich habe darüber in der „Wirtschaftswoche“ lesen dürfen, die wir alle ins Fach bekommen. Da steht drin, dass Henkel als besonders familienfreundliches Unternehmen in der Kategorie Großunternehmen ausgezeichnet worden ist.

Meine Damen und Herren! Auch familienfreundliche Betriebe müssen gewinnorientiert arbeiten. Daran will ich hier überhaupt keinen Zweifel lassen. Aber können Sie sich vorstellen, wie diese Preise und Auszeichnungen,

die man sich in der Branche gegenseitig überreicht, dieses Selbstlob für familienfreundliche Unternehmen bei den Arbeitnehmern und ihren Familien in Genthin wirken, die von der Schließung betroffen sind? Ich erlebe dort vor allen Dingen Hohn, Sarkasmus und Kopfschütteln.

Ein Drittes. Ich glaube, dann sind wir auch als Politiker wirklich gefordert. Herr Czeke hat sich die Henkel-Website angeschaut. Ich habe das auch getan. Dort findet sich eine Aussage des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Ulrich Lehner zum Thema Nachhaltigkeit. Ich zitiere:

„Marktwirtschaft und wettbewerbsfähige, langfristig erfolgreiche Unternehmen führen zum Gemeinwohl. Funktioniert die Marktwirtschaft, dann führt Eigennutz zu Gemeinnutz.“

Meine Damen und Herren! Gehen wir jetzt nach Genthin und sagen den Menschen dort: Das ist eben die funktionierende Marktwirtschaft; so ist das; das müsst ihr akzeptieren?

Lehner selbst stellt in dem Interview fest, dass die Menschen vor der Globalisierung auch Angst haben, die sich damit auch auf die Akzeptanz der Marktwirtschaft auswirkt. Wenn man in dieser schwierigen Situation ist, dann kommuniziert ein Unternehmen wie Henkel einen solchen Beschluss nicht anders, als wir das im Juli erlebt haben?

Meine Damen und Herren! Das ist sehr schlecht gelaufen. Das war für den Henkel-Vorstand regelrecht ein Fiasko; denn gefragt wird natürlich: Ist es familienbewusst, den Betrieb zu schließen? Dient die Entscheidung dem Gemeinnutz? Dann wird auch ganz vorsichtig gefragt: Wo bleibt eigentlich das Soziale in der sozialen Marktwirtschaft?

(Beifall bei der SPD)

Es geht nicht darum, irgendwelche Beschlüsse, die notwendig geworden sind, nicht zu fassen. Wir alle kennen das. Wir müssen Beschlüsse zu Schulschließungen vertreten. Wir müssen Gemeindefusionen vertreten. Wir müssen Leistungskürzungen vertreten.

Aber solche Beschlüsse müssen immer vor Ort kommuniziert werden. Man muss den Menschen erläutern, warum bestimmte Beschlüsse gefasst werden. Das ist die Aufgabe derjenigen, die das tun. Dieser Aufgabe hat sich die Wirtschaft nicht gestellt.

Umso mehr begrüße ich es, dass der Wirtschaftsminister direkt nach Genthin gefahren ist und an dem Fackelumzug teilgenommen hat. Auch viele aus dem Hohen Hause haben daran teilgenommen. Das ist wichtig. Das ist auch eine Unterstützung für die Menschen.

Wenn Sie morgen Vormittag noch nichts vorhaben und vielleicht ein bisschen sportlich interessiert sind: Morgen ist wieder Spee-Cup, zum 17. Mal Radrennen in Genthin. Vielleicht hat der eine oder die andere Lust, dahin zu fahren.

Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Schluss kommen. Welche Konsequenzen müssen wir aus diesen Vorgängen ziehen?

Wir sollten noch mehr daran arbeiten, dass Betriebe und Konzerne, die hier produzieren, nicht nur hier produzieren, sondern hier auch ihren Firmensitz haben. Wenn schon der Firmensitz nicht hier ist, dann sollte wenigstens der Bereich Forschung und Entwicklung hier sein.

Das hat zum Beispiel der Schutzhelm-Hersteller Schuberth vor wenigen Tagen vorgemacht, indem er seine Forschungs- und Entwicklungsabteilung nach Magdeburg verlegt hat. Das ist ein großer Erfolg für Magdeburg. Das ist auch ein Erfolg für die Ansiedlungspolitik.

Wir müssen uns zweitens intensiv um die Betriebe kümmern, die vor Ort sind. Es reicht nicht aus, nach einer erfolgten Ansiedlung die Hände in den Schoß zu legen und zu sagen: Das war es dann. Wir haben getan, was wir tun konnten. Jetzt ist der Betrieb auf sich allein gestellt. Nein, meine Damen und Herren, die Betriebe müssen dauerhaft weiter begleitet und gefördert werden. Das ist wichtig.

Drittens und letztens. An dieser Stelle spreche ich auch in eigener Sache. Der Standort Genthin und das gesamte nordöstliche Jerichower Land müssen gefördert und gestärkt werden. Da muss man gar nicht mit vielen Millionen Euro ein Ansiedlungsprogramm machen. Der Herr Minister hat dankenswerterweise schon einige Ansätze aufgezeigt. Es kommt einfach auch darauf an, die bestehenden Kontakte und Netzwerke zu nutzen, die Kontakte zu intensivieren und damit für den Standort Genthin auch Alternativen herzustellen.

(Zuruf von der CDU)

- Eben. Das stelle ich in dieser Weise auch noch einmal fest.

Meine Damen und Herren! Die Stimmung in der Bevölkerung in Genthin ist nach wie vor sehr skeptisch. Falls die Entscheidung Bestand hat und falls keine zukunftsweisenden Alternativen aufgezeigt werden, ist der Standort wirklich in den Grundfesten erschüttert. Das betrifft nicht nur die Stadt, sondern auch die ganze Region. Deswegen setzen die Menschen ihre Hoffnung auf die Landesregierung und auf den Landtag, auf dieses Hohe Haus. Sie hoffen, dass etwas passiert.

Wir werden als SPD-Fraktion in den Wirtschaftsausschuss einen Selbstbefassungsantrag einbringen, damit wir die Erfolge und die Maßnahmen, die die Landesregierung trifft, weiter begleiten können.

Wir wollen auch prüfen, inwieweit das, was dort getan wird, ausreicht, um den Standort zu erhalten. Das soll in den nächsten Wochen im Wirtschaftsausschuss geschehen. Ich wünsche mir, dass es uns auf diese Weise gelingt, wirklich etwas für die Menschen in Genthin zu tun und damit einer Abwanderung aus der Region entgegenzuwirken. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank für Ihren Beitrag, Herr Graner. - Der nächste Debattenredner ist Herr Franke von der FDP-Fraktion. Bevor ich Herrn Franke das Wort gebe, begrüße ich Damen und Herren der CDU-Seniorenunion WittenbergGräfenhainichen auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Jetzt haben Sie das Wort, Herr Franke.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, alle in diesem Haus waren am 7. Juli 2008 betroffen und schockiert von der Nachricht, dass Henkel in