Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Nach der Heftigkeit der politischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Koalitionspartnern CDU und SPD - oder besser: verbissenen Gegnern - und der öffentlichen Wahrnehmung zu urteilen, scheint es nichts Wichtigeres in Sachsen-Anhalt zu geben. Man verbeißt sich fest ineinander oder verteilt heftige Schnabelhiebe.

Nun will ich die Sorgen und Nöte der Hundebesitzer und der Rassegeflügelbesitzer wahrlich nicht kleinreden - und erst recht nicht die Ängste der potenziellen Opfer. Für sie sind es Probleme und Ängste, die es auch ernst zu nehmen gilt.

Aber die Koalitionsfraktionen beschäftigen sich nun bereits seit Jahren mit der Gefährlichkeit von Hunden und bereits seit Wochen mit der Ausnahmeregelung für Rassegeflügelschauen mit Blick auf das Sonn- und Feiertagsschutzgesetz. Dies geschieht in einer Art und Weise, die nicht gerade von einem fairen Umgang miteinander und dem Willen geprägt ist, sich an Sachfragen zu orientieren.

Über kein Gesetz wurde in diesem Landtag so lange und so bissig diskutiert wie über dieses. Wir hätten uns gewünscht, dass über andere Gesetze, etwa das Gesetz zur Gemeindegebietsreform oder das Nichtraucherschutzgesetz, zeitlich und inhaltlich so intensiv diskutiert worden wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber nein, bei diesen wurde leider nicht auf Zeit gespielt, sie wurden hastig durchgewinkt - frei nach dem Motto: Wenn etwas schiefgelaufen ist, existiert immer noch das Landesverfassungsgericht, welches es dann schon richten kann.

Nun bedeuten langwierige Debatten nicht automatisch, dass am Ende Qualität herauskommt. Wenn das so wäre, würden wir das vorliegende Gesetz nicht zur dritten Lesung im Landtag aufrufen müssen. Warten wir erst einmal ab, ob es in der Sondersitzung des Innenausschusses am kommenden Montag wirklich zu einer Beschlussempfehlung für die mitberatenden Ausschüsse kommt - ich sehe da drei Fragezeichen. Man kann es für alle Beteiligten nur hoffen.

Nach wie vor ist im Gesetzentwurf eine versteckte Rasseliste enthalten, die auch heute von uns abgelehnt wird. In jeder Anhörung haben Sachverständige immer wieder darauf hingewiesen, dass sich die Gefährlichkeit von Hunden nicht an einer Rassezugehörigkeit festmachen lässt. Tatsächlich gibt es nämlich keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass bestimmte Hunderassen per se aggressiv sind. Die Gefährlichkeit eines Hundes ist vielmehr durch äußere Einflüsse wie Haltung und Erziehung bedingt und deshalb nur individuell zu beurteilen.

Die pauschale Maßregelung von Hunden anhand so genannter Rasselisten gaukelt damit eine scheinbare Sicherheit vor, ist aber tatsächlich nicht geeignet, den Schutz der Menschen vor gefährlichen Hunden zu verbessern.

(Zustimmung von Herrn Gallert, DIE LINKE, und von Herrn Wolpert, FDP)

Vielmehr sind eine artgerechte Haltung und die Zuverlässigkeit des Besitzers maßgeblich für die Verträglichkeit und das Verhalten der Tiere. Auch der letzte Beißvorfall, von dem leider berichtet werden musste, ist dafür ein beredtes Zeugnis.

Für mehr als problematisch halten wir aus datenschutzrechtlichen Gründen auch die Einführung eines zentralen Registers. Der Datenschutzbeauftragte des Landes hat sehr eindringlich auf die Gründe hingewiesen.

Auch das Problem der zusätzlichen Kosten für die Kommunen ist noch nicht abschließend geklärt, insbesondere hinsichtlich der Höhe. Die Unterschiede der Kostenschätzungen zwischen dem Städte- und Gemeindebund und dem Innenministerium sind gravierend.

Überweisen wir den Gesetzentwurf also erneut zurück an den Innenausschuss sowie an den Finanzausschuss und harren der Dinge, die dann vielleicht kommen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Rothe.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, dass es eine dritte Lesung geben soll, mit Blick auf die Kosten, die im Finanzausschuss thematisiert werden, und mit Blick auf inhaltliche Änderungen, etwa die Einführung eines zentralen Registers, das zunächst nicht vorgesehen war.

Ich will hier betonen, dass das, was Ihnen in der Beschlussempfehlung in der Drs. 5/1571 in Form einer Synopse vorliegt, ein Kompromiss ist, den wir insgesamt mittragen, zu dem ich aber doch anmerken möchte, dass wir in wichtigen Punkten auch abweichende Vorstellungen in den Verhandlungen geäußert haben.

Die CDU-Fraktion hat es immer wieder abgelehnt, halterbezogene Voraussetzungen für das Halten solcher Hunde festzulegen, die dem Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz unterliegen. Ich meine die Zuverlässigkeit, die persönliche Eignung und die Sachkunde des Hundehalters. Darauf kommt es nach meiner Überzeugung bei diesen Tieren unabhängig von einem bestandenen Wesenstest an.

Nicht für erforderlich hält es die SPD-Fraktion, neben den Vermutungs- und Vorfallshunden auch alle anderen Hunde zu chippen, zu registrieren und mit einer Haftpflichtversicherung zu versehen. Auch halten wir eine Registrierung an zentraler Stelle für verzichtbar.

Ich sage es noch einmal: Wir tragen den Kompromiss, bei dem wir uns in diesen Punkten nicht haben durchsetzen können, mit.

(Herr Kolze, CDU: Das können Sie ja haben!)

Wir haben eine gute Kostenregelung gefunden. Es hat in den Sommermonaten eine Ermittlung der Kosten in Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium und den kommunalen Spitzenverbänden gegeben. Dabei sind Zahlen herausgekommen, die in dieser Höhe nicht vertretbar wären. Es ist uns dann in intensiven Gesprächen zwischen den Koalitionsfraktionen aber gelungen, diese Kosten entscheidend zu senken.

Die größte Sorge der kommunalen Spitzenverbände war, dass die Tierheime mit Hunden gefüllt werden, die von ihren Haltern verstoßen werden, wenn man nun plötzlich für alle vorhandenen Tiere das Chippen, die Registrierung und die Haftpflichtversicherung einführt.

Deshalb beschränkt sich der Gesetzentwurf jetzt darauf, diese Pflichten grundsätzlich nur in Bezug auf nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. März 2009 geborene Hunde einzuführen. Ausnahmen gelten nur für die zahlenmäßig sehr beschränkten so genannten Vorfalls- und Vermutungshunde.

Wir haben uns im Einvernehmen mit dem Städte- und Gemeindebund, der mit einem Vertreter auch an den Koalitionsrunden beteiligt war, auf Pauschalbeträge verständigt, sowohl für die Einführungskosten als auch für die laufenden Kosten. Dies wird, wie auch die übrigen Bestimmungen des Gesetzes, Gegenstand der Evaluierung nach Ablauf von vier Jahren sein. Wir haben das im Entwurf ausdrücklich so formuliert, dass auch rückwirkend die den Kommunen tatsächlich entstandenen Kosten erstattet werden. Es besteht diesbezüglich also keinerlei Risiko für die Kommunen.

Im Übrigen sind die Gebührentatbestände mithilfe des Innenministeriums sorgfältig erarbeitet worden. Das heißt, die Pauschalbeträge gelten für die Kosten, die nicht durch Gebühreneinnahmen der Kommunen abgedeckt sind.

Herr Kollege Kosmehl, den Titel im Einzelplan 13, aus dem die Mittel in Höhe von 100 000 € gezahlt werden sollen, kann ich Ihnen am Montag im Innenausschuss nennen. Ich habe ihn nicht im Kopf. Es wird eine Gegen

finanzierung aus dem Einzelplan 03 - Ministerium des Innern - erfolgen.

Ich denke, wir haben, was die Kosten anbetrifft, auf der Grundlage dessen, was in der Sommerpause in dem Konsultationsverfahren mit den Spitzenverbänden erarbeitet worden ist, eine gute Regelung gefunden und wir brauchen nicht eine erneute Kostenermittlung. Wir können das gern am Montag im Innenausschuss noch vertiefen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Lienau, CDU)

Danke sehr, Herr Rothe. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Kosmehl. Würden Sie die beantworten, Herr Rothe?

Ja.

Herr Kosmehl, bitte.

Herr Kollege Rothe, meine Frage schließt an das an, was ich den Kollegen Kolze gefragt habe. Es ist nicht so, dass ich in den Kollegen Kolze nicht das Vertrauen hätte, dass er mit dem Innenminister zusammen das Kind oder den Hund schon schaukeln könnte, aber ich würde gern auch Sie mit in die Verantwortung nehmen.

Sind auch Sie als Vertreter der SPD-Fraktion bereit, dafür Sorge zu tragen, dass die Opposition zeitnah, aber spätestens zu Beginn der Sondersitzung am Montag darüber informiert wird, wie die Kostenberechnungen zustande gekommen sind, und dass uns das, was der Herr Minister bereits in der letzten Innenausschusssitzung und - bezüglich der alten Berechnung - auch schon vor der Sommerpause zugesagt hatte, tatsächlich zur Verfügung gestellt wird?

An die Zusage einer neuen Kostenberechnung erinnere ich mich nicht, Herr Kollege Kosmehl. Es gibt das Papier aus dem Referat 21 des Innenministeriums vom 29. August 2008 nebst Anlagen, das alle Mitglieder des Ausschusses zur Verfügung gestellt bekommen haben. Es gibt kein neues solches Papier.

Es gab allerdings Gespräche, die Kollege Kolze und ich im Beisein von Herrn Wolf vom Städte- und Gemeindebund geführt haben, in denen wir einvernehmlich zu den Kostenfestlegungen gekommen sind, wie sie jetzt im Gesetzentwurf enthalten sind. Ich denke, wenn wir das am Montag noch etwas ausführlicher besprechen, als das hier möglich ist, dann wird deutlich, dass das auch aus Ihrer Sicht eine nachvollziehbare Regelung ist.

Danke sehr, Herr Rothe. - Damit ist die Debatte beendet und wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 5/1571 ein. Der Ausschuss für Inneres empfiehlt zwei Dinge: erstens den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drs. 5/284 für erledigt zu erklären und zweitens

den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drs. 5/1011 erneut zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und zur Mitberatung an den Ausschuss für Finanzen zu überweisen.

Ich lasse zunächst über die Empfehlung abstimmen, den Gesetzentwurf der Landesregierung für erledigt zu erklären. Wer dieser zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Damit ist das so beschlossen.

Nun kommen wir zur Rücküberweisung. Wer dieser zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die FDPFraktion. Damit ist der Landtag der Beschlussempfehlung gefolgt.

Wir kommen nun zum nächsten Tagesordnungspunkt. Danach werden wir übrigens noch den Tagesordnungspunkt 22 und den Tagesordnungspunkt 15 behandeln.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Landesverfassungsgerichtsgesetzes

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU, DIE LINKE, der SPD und der FDP - Drs. 5/1566

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Dr. Brachmann. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gehört zu den Grundpfeilern des demokratischen Rechtsstaates, dass es neben der Legislative und der Exekutive ein von diesen beiden Gewalten unabhängiges und selbständiges Verfassungsorgan gibt, das über die Einhaltung der Landesverfassung wacht. Dies ist die Aufgabe der Landesverfassungsgerichte.

Das Verfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt besteht seit 1993. Damals hatte der Landtag das Gesetz über das Landesverfassungsgericht, das Aufgaben, Besetzung und Verfahren des Gerichts regelt, verabschiedet. Seither ist es, von marginalen, eher rechtstechnischen Änderungen abgesehen, weitgehend unverändert geblieben. Nur einmal, im Jahr 1996, hat es aus gegebenem Anlass eine Änderung gegeben, und zwar die Streichung der Vorschrift, wonach das Amt des Verfassungsrichters dann endet, wenn ein Richter aus seinem Hauptamt ausscheidet.

Dass es seither keiner grundlegenden Änderungen mehr bedurfte, zeigt, dass wir ein gutes Gesetz haben, das sich im Grundsatz bewährt hat, was nicht heißt, dass es nicht doch an der einen oder anderen Stelle noch verbessert werden kann.