Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Derzeit kommen die meisten Anmeldungen für ein Feststellungsverfahren auf Förderbedarf bereits aus den Kitas und danach aus den Grundschulen; das heißt, hier ist ein Handlungsfeld gegeben. Wir haben bereits sehr viel unternommen bzw. vieles ist in Arbeit. Das geht los mit „Bildung elementar“, Aus- und Weiterbildung des Erziehungspersonals in den Kitas, die Sprachstandsfeststellung mit der sich daraus ergebenden Förderung, personelle Ressourcen in den Kitas usw.

Uns ist aber auch bewusst - das in aller Kürze -: Wollen wir den Kindern helfen, müssen wir zuerst den Eltern helfen. Das soziale Umfeld der Kinder ist ebenso zu betrachten. Hierbei haben wir Möglichkeiten durch KinderEltern-Zentren, Mehrgenerationenhäuser und familienpolitische Maßnahmen.

Starke, aufmerksame Eltern - das sei in alle Richtungen gesagt -, die ihren Kindern vorlesen, statt eine CD einzulegen, sind auch ein gutes Mittel, um Sprachschwierigkeiten von vornherein zu vermeiden.

(Zustimmung bei der SPD)

Die von Praktikern in vielen Gesprächen immer wieder geforderte Maßnahme, die Möglichkeit der Ganztagsbetreuung wieder einzuführen, dürfen wir ebenfalls nicht aus den Augen verlieren.

Fakt ist: Bei vielen hat sich nunmehr die Erkenntnis durchgesetzt, dass Versäumnisse in diesem Zeitraum der Entwicklung sehr schwer, sehr langwierig und nur sehr finanzintensiv wieder aufzuholen sind.

Das zweite Aufgabenfeld bezieht sich auf die Schulen selbst. Dazu gehört ein Hinwirken auf das Umdenken in der Gesellschaft, zu dem die Leiterinnen und Leiter sowie die Mitarbeiter der Förderzentren bereits eine hervorragende Arbeit geleistet haben. Ich möchte das ausdrücklich würdigen, ohne es nochmals auszuführen. Die Ausgangslage war keineswegs günstig, und es sind Verbesserungen eingetreten. Es gibt aber auch noch gravierende Probleme: Qualifikation, Weiterbildung, Einsatz von Sozialarbeitern usw.

Meine Damen und Herren! Keine noch so modern ausgestattete Schule kann ohne motiviertes Personal eine gute Schule sein. Eine gute Voraussetzung für eine engagierte und motivierte Arbeit ist die Planungssicherheit der Schulleitung bezüglich des Lehrerkollegiums.

(Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Diese Sicherheit bietet dann den Raum für gezielte Fortbildungsangebote an den allgemeinbildenden Schulen und an den Förderschulen sowie den Raum für neben

berufliche Qualifikation im Sonderschulbereich, wenn man sie denn auch dort weiter verwenden kann.

Die allgemeinbildenden Schulen sind in sächlicher und personeller Hinsicht zu ertüchtigen, den gemeinsamen Unterricht als Regelfall und nicht als Ausnahme zu gestalten.

Einen Satz möchte ich unbedingt noch anbringen, weil dieses Anliegen in vielen Diskussionen an uns herangetragen wurde: Die besondere Verantwortung für die Weiterentwicklung dieses Prozesses liegt auch bei den Leiterinnen der Basisförderschulen. Das Gehalt dieser Leiterinnen ist aber an die Schülerzahl gekoppelt. Wer sich unter diesen Bedingungen dem Ziel der schülerarmen Förderschule verschreibt, ist selber schuld.

(Zustimmung bei der SPD)

Das ist nicht nachvollziehbar, aber gültig. Die schon oft angemahnte Änderung des Landesbesoldungsgesetzes wird nicht aufgegriffen, vielleicht weil es zu wenige Betroffene sind. Diesbezüglich stehen wir uns mit unseren Gesetzlichkeiten selbst im Weg.

Erwähnen wollte ich noch den Modellversuch im nördlichen Sachsen-Anhalt. Herr Professor Olbertz hat das bereits getan. - Ich komme damit aber wirklich zum allerletzten Satz.

Aber wirklich.

Aber wirklich. - Dass Kinder unterschiedliche Stärken und Schwächen haben, mit unterschiedlichen Voraussetzungen in die Schule kommen und unterschiedlich schnell und intensiv lernen können, ist keine Gefahr für den Einzelnen; im Gegenteil: Alle können davon profitieren. - Dieser Satz ist bereits im Jahr 2005 in der SPDBroschüre „Bildungsland Sachsen-Anhalt 2020“ veröffentlicht worden. Unter diesen Bedingungen dürfte es niemanden verwundern, wenn wir aus menschlicher Überzeugung und finanzpolitischer Verantwortung die Empfehlungen des Bildungskonvents nachdrücklich unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Späthe. Das war ein schöner langer Satz, aber doch ein Schlusspunkt. - Jetzt erteile ich dem Abgeordneten Herrn Kley von der FDP-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kley.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wohl kaum ein Thema verleitet so sehr zu Schnellschüssen wie das vorliegende. Jeder kennt die Lösung, jeder kennt die Statistiken, die Sachsen-Anhalt als Schlusslicht ausweisen, und natürlich besteht auch immer wieder die Herausforderung, trotz allem zu dem Ganzen seriös zu debattieren.

Wir haben soeben vernommen, dass es vielschichtige Probleme gibt. Und wir haben auch schon gehört, dass die Analyse, die Ursachenforschung kein klares Bild zeichnet.

Nichtsdestoweniger ist es für uns notwendig, uns verstärkt mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ich freue mich außerordentlich, dass an dieser Stelle die demografische Entwicklung einmal einen positiven Effekt ausstrahlt; denn all jene Kinder, die bisher unbeachtet aus den Schulen entlassen wurden und deren weiteren beruflichen Weg man nur nebenbei verfolgt hat, werden plötzlich für die Industrie interessant. Ja, man stellt fest, man dürfe in diesem Land doch niemanden abseits stehen lassen.

Ich hoffe, dass wir in diesem Bereich endlich ein konzertiertes Vorgehen von Arbeitgebern, Schule, politisch Verantwortlichen und natürlich auch jenen, die im Sozialbereich tätig sind, spüren werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gar nicht wieder auf die Debatte zur Kultur zurückkommen. Wir haben es eben gehört: Wer seinen Kindern vorliest oder vorsingt, tut ihnen etwas Gutes. Auch diese einfachen Kulturtechniken sind es sicherlich, die neben den Programmen, die wir in den Kindergärten haben, neben der Vorverlegung der Einschulungsuntersuchungen und Ähnlichem wesentlich dazu beitragen können, dass nur noch sehr wenige in jene Schulen gehen müssen, die wir Förderschulen nennen, und die natürlich von Zeit zu Zeit für den einen oder anderen unbedingt notwendig sind, um den ihm entsprechenden Förderbedarf abbilden zu können.

Aber es gibt eine große Anzahl von Instrumenten, die miteinander verknüpft werden müssten, um Karrieren in Förderschulen - wir haben der Großen Anfrage entnehmen können, dass dies häufig die Endstation ist - zukünftig gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Es gibt ein großes Engagement der Eltern, die auf gemeinsamen Unterricht drängen, und es gibt ein großes Engagement der bisherigen Förderschulen, die das in Förderzentren sehr gut ausleben. An dieser Stelle geht es auch darum, durch eine mögliche Betreuung, durch frühzeitige Intervention und Ähnliches den allgemeinen Bildungsgang an den Regelschulen wahrnehmen zu können. Das muss das Gebot der Stunde sein.

Aber - ich glaube, das ist auch wichtig - das darf nicht verkrampft geschehen. Wer behauptet, das ginge mit allen Kindern, und dabei auf Länder im nordischen Bereich oder ähnliche Länder verweist, der möge sich auch anschauen, wie dort schon vorher selektiert wird, wie über Kliniken, Heime und Ähnliches ein Großteil der Schüler herausgefischt wird, die bei uns - das finde ich sehr vernünftig - noch verantwortungsvoll beschult werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Man muss die OECD-Statistiken immer bewusst lesen. Man muss hinterfragen, wo das ist. Und man sollte sich nicht zu früh Asche aufs Haupt streuen, wenn man sich wirklich um jedes Kind kümmert. Dass dann natürlich der Gesamtanteil an der Kohorte derer, die dort beschult werden, etwas größer ist, ist nicht nur ein landesspezifischer Effekt, sondern das ist das Ergebnis dessen, dass wir keinen stehen lassen. Ich glaube, das muss in der Debatte auch einmal positiv erwähnt werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass sich einiges verbessern ließe, möchte ich nachher im Zusammenhang mit unserem Antrag noch bringen, der - so

glaube ich - deutlich darauf hinweist, dass die Praxis vielfach jenes genutzt hat, was ihr die Politik angeboten hat. Vor Ort findet schon viel mehr statt, als es die simplen Statistiken ausdrücken.

Der Stand 2007, der in der Großen Anfrage abgebildet ist, ist sicherlich nicht mehr repräsentativ für das, was wir im Jahr 2008 erleben. Wer durch das Land fährt und sich anschaut, was für unsere Kinder und Jugendlichen getan wird, der stellt fest, dass sich ein zunehmend größeres Interesse bei den beteiligten Institutionen an einem gemeinsamen Unterricht, an der Möglichkeit einer zukünftigen Entwicklung im allgemeinen Schulsystem vernehmen lässt. Ich glaube, das sollte auch ein Ergebnis dieser Debatte sein, die wir zu dieser Großen Anfrage führen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Schöne an diesem Bereich ist natürlich, dass sich Finanzpolitik und inhaltliche Politik eigentlich vereinen lassen. Wenn man einmal auf die hohen Kosten schaut, die ein Platz in einer Förderschule verursacht, und sich überlegt, dies auf drei oder vier verschiedene Betreuungssysteme aufzuteilen, um abzusichern, dass die Schülerinnen und Schüler im allgemeinen Zweig bleiben, dann sieht man für alle einen Gewinn. Diese Chance sollten wir unbedingt nutzen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kley, herzlichen Dank für Ihren Beitrag - Jetzt erteile ich Frau Feußner von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Frau Feußner.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Antwort auf diese Große Anfrage ist eine Vielzahl von statistischen Materialien zu der Thematik der sonderpädagogischen Förderung bzw. der Förderschulen zusammengetragen worden. Eine ergebnisorientierte bzw. eine genaue Erfassung ist, wie man der Großen Anfrage entnehmen kann, erst seit dem Jahr 2000 möglich, weil vorher noch keine konkreten Daten vonseiten des Ministeriums erfasst worden sind.

Anhand dieser nun vorhandenen Daten kann man die positive Entwicklung der Förderschulen bzw. der Förderzentren, aber auch der gemeinsamen Beschulung ablesen. Deshalb war die Erfassung dieser Daten in der Antwort auf die Große Anfrage sehr dienlich.

In den letzten Wochen und Monaten stand die Diskussion um die Förderschulen, Förderzentren und die integrative Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ständig im Fokus verschiedener Veranstaltungen und Debatten. Ich erinnere dabei nur an den Bildungskonvent. Lassen Sie mich deshalb kurz einen historischen Abriss der Entwicklung der Förderschulen im Lande geben. Ich halte das an dieser Stelle für sehr wichtig.

Seit 1990 wurde die sonderpädagogische Förderung in Sachsen-Anhalt grundsätzlich umgestellt - so steht es im Einführungssatz der Großen Anfrage. Ich würde eher sagen, sie wurde nicht umgestellt, sondern sie wurde grundsätzlich aufgenommen. Ich möchte daran erinnern, dass es zu DDR-Zeiten Hilfsschulen gab, die eher mit den heutigen Lernbehindertenschulen vergleichbar sind.

Ein großer Teil der Schülerschaft, vorwiegend diejenige Schülerschaft, die heute die Förderschule für Geistigbehinderte besucht, galt zu DDR-Zeiten als nicht beschulbar und unterlag nicht der Schulpflicht. - So viel zu den Menschenrechten zu DDR-Zeiten.

Man kann froh darüber sein, dass heute jedes Kind das Recht hat, die Schule zu besuchen, und darüber, dass man - damit meine ich den Staat - für gute Lernbedingungen in diesen Schulen sorgt, indem man für eine Vielzahl der Behinderungen entsprechende Unterrichtsmaterialien zur Verfügung stellt. Auch im Hinblick auf den Ausstattungsgrad und den Sanierungsgrad von Schulgebäuden sollte man einmal vergleichen, was hier in den vergangenen 18 Jahren geschafft bzw. nachgeholt wurde.

(Zustimmung bei der CDU und von der Regie- rungsbank)

Nun wird in einigen politischen Kreisen über die vollständige Abschaffung der Förderschule diskutiert. Ausgerechnet die Partei, die zu DDR-Zeiten nicht einmal allen Kindern eine Beschulung zugestanden hat, stellt diese Forderung. Es ist schon bezeichnend, wenn sie heute von einer Ausgrenzung der Schüler spricht, die die Förderschule besuchen, obwohl diese Kinder vor 20 Jahren nicht einmal das Recht hatten, in einer Schule zu lernen.

Nun kann man nicht wegreden, dass Sachsen-Anhalt gegenüber anderen Bundesländern einen sehr hohen Anteil an Förderschulen aufweist. Daran müssen wir weiter arbeiten und das tun wir bereits sehr intensiv. Das zeigen - das ist auch der Antwort auf die Große Anfrage zu entnehmen - die Ergebnisse in den letzten Jahren. Die Zahlen muss ich an der Stelle nicht wiederholen, aber der positive Trend ist eindeutig erkennbar.

Die zahlreichen Bemühungen der Erweiterung des gemeinsamen Unterrichts durch die Konzeption der Förderzentren haben bereits Früchte getragen. Aber wer glaubt, wenn man die Förderschule mit einem Federstrich abschafft, seien auch die Probleme gelöst, der irrt. Ich gehöre zu denen, die froh darüber sind, dass man den Benachteiligten und Behinderten heute so viel individuelle Förderung zukommen lässt. Das heißt nicht, dass wir auf der Stelle treten sollen und dass wir an dieser Stelle auch schon zufrieden sind. Natürlich sind diesbezüglich weitere Anstrengungen nötig.

Das Ziel, noch mehr Schüler als bisher gemeinsam im Unterricht der allgemeinbildenden Schule zu unterrichten, steht und wird auch beharrlich weiter verfolgt und begleitet. Dies sind aber langwierige Prozesse, bei denen viele Beteiligte gefragt sind - nicht nur die Politik, sondern auch die Betroffenen, die es vor Ort umsetzen müssen. Diesbezüglich reichen nicht Gesetze und Verordnungen; vielmehr müssen die Schulen intensiv darauf vorbereitet werden.

Dazu gehört natürlich ausreichend Personal, das eine entsprechende Qualifikation, nämlich die sonderpädagogische Ausbildung, vorweist. Die sonderpädagogische Ausbildung ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für die integrative Beschulung.

Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass der gemeinsame Unterricht erst im Jahr 2001 in das Schulgesetz aufgenommen wurde. Förderzentren haben erst im Schuljahr 2004/2005 ihre Arbeit aufgenommen. Das heißt, dieses Problem wurde lange Zeit - aus welchen Gründen auch immer - nicht thematisiert.

Auch die damalige PDS hat dies in der Zeit von 1994 bis 2002, in der sie aktiv an der Regierungspolitik beteiligt war, nicht aufgegriffen. Umso mehr wundere ich mich darüber, wie intensiv sie das heute begleitet.