Protokoll der Sitzung vom 07.07.2006

Im Zusammenhang mit der bevorstehenden Kreisgebietsreform müssen die Einrichtungen bzw. die Träger bei möglichen Zusammenlegungen selbst mit der jeweiligen

Zertifizierungsagentur Absprachen treffen und verhandeln, ob und inwieweit einzelne Programmteile der jeweiligen Bildungseinrichtung anerkannt oder in eine schon vorliegende Anerkennung eingeschlossen werden können.

Darauf werden wir großen Wert legen, damit nicht kurzfristig nicht zertifizierte Einrichtungen entstehen bzw. Außenstellen, die den Qualitätsnachweis plötzlich schuldig bleiben müssen. Hierbei ist die Sorge also durchaus berechtigt. Wir haben ausdrücklich im Auge, Regelungen zu schaffen, dass die Anerkennung entweder ausgedehnt wird oder - wenn ein ganz neues Profil entwickelt wird - schnell ausgesprochen werden kann.

Am wichtigsten für das Anliegen des Antrages und für unsere weiteren Beratungen ist § 2 Abs. 2 des Erwachsenenbildungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt, in dem es heißt: Die staatliche Förderung der Erwachsenenbildung lässt das Recht der Einrichtungen oder deren Träger auf Selbstverwaltung, selbständige Lehrplangestaltung und Auswahl der Leiterinnen und Leiter und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unberührt.

Gerade die Volkshochschulen sind wichtige Multiplikatoren der gesamten Lernkultur in unserer Gesellschaft. Da der vorliegende Antrag von genau dieser Überzeugung und Verpflichtung getragen ist und die dafür erforderliche Begleitung durch das Land thematisiert, bin ich zuversichtlich, dass die Berichterstattung und die Beratungen im Ausschuss zu einem guten Ergebnis führen werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Ich eröffne die Fünfminutendebatte. Als erster Debattenredner hat Herr Kley von der FDP-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf die Tradition der Volkshochschulen und deren Kern für die Erwachsenenweiterbildung ist bereits hingewiesen worden, doch müssen sich die Volkshochschulen heute zunehmend dem Wettbewerb durch andere Anbieter stellen.

Das macht es für uns umso mehr bedeutsam, das Thema des Fortbestandes der Volkshochschulen hier zu debattieren, bieten sie doch viele Weiterbildungslehrgänge an, die für die jeweils in Anspruch nehmende Klientel eminent wichtig sind, zu vernünftigen Preisen zu erhalten sind und die auch eine Qualität haben. Diese Qualität wird nicht nur durch die Zertifizierung nachgewiesen, sondern vielfach auch durch die kommunalen Träger ständig kontrolliert. Deshalb werden die Volkshochschulen auch weiterhin einen wichtigen Part spielen.

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

Aber die Frage ist letztendlich: Was soll dieser Antrag im Landtag? Natürlich ist es wichtig, dass auch der Ausschuss einmal Bericht erhält, was im kommunalen Bereich gemacht wird. Ich finde es aber schon etwas übertrieben, dass im Vorfeld der zukünftigen Kreistagswahlen und bevor es die neuen Kreistage gibt, offensichtlich ein Konzept der Landesregierung verlangt wird, wie zukünftig Standorte der Volkshochschulen aussehen sol

len. Das, meine Damen und Herren, betrachten wir als einen eminenten Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und würden dies selbstverständlich ablehnen.

(Zustimmung von Herrn Wolpert, FDP)

Hierbei ist den Kreistagen freie Hand zu geben. Wer sich heute einmal umschaut, wird feststellen, dass es zwar 25 Volkshochschulen gibt, aber ungleich mehr Standorte. Das heißt, die Diskussion, dass mit der Zusammenlegung von Landkreisen Standorte verschwinden, ist nicht zwangsläufig. Ein Blick in die Realität sollte dies mit dem ersten Augenschein widerlegt haben.

Dessen ungeachtet glauben wir schon, dass es interessant ist, hier auch einmal zu thematisieren, wie viele Einrichtungen die Kommunen vorhalten, die einen Mittelwert zwischen Pflichtaufgabe und freiwilligen Leistungen einnehmen. Wenn publiziert wird, dass die Kommunen ab dem nächsten Jahr 113 Millionen € weniger erhalten sollen, dann muss sicherlich auch die Thematik der Volkshochschulen mit auf der Agenda stehen.

(Herr Kosmehl, FDP: 133 Millionen €!)

- Ich bin gerade berichtigt worden, es sind 133 Millionen €; aber da uns der Haushaltsplanentwurf noch nicht vorliegt, sehr geehrter Kollege Kosmehl, wollen wir uns darüber nicht streiten. Vielleicht verändert sich die Zahl noch. Der Innenminister kümmert sich. Er wird Einsparungen an anderer Stelle zeigen. Vielleicht hilft dieser Antrag, dass die Existenz der Volkshochschulen gesichert wird

(Herr Scharf, CDU: Die FDP findet noch Geld für die Volkshochschulen!)

und zumindest in den Genehmigungsverfahren der Kreishaushalte dieser Punkt besondere Berücksichtigung findet.

Wir würden uns freuen, wenn die Erwachsenenweiterbildung nicht nur im Koalitionsvertrag, sondern auch in der Realität weiterhin die Unterstützung aller Parteien in diesem Hause erhalten würde.

(Zustimmung bei der CDU)

Nichtsdestotrotz, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir uns den Bericht im Ausschuss sicherlich anhören; aber wir sollten davon abkommen, Themen zu diskutieren, die zum falschen Zeitpunkt kommen, das heißt, bevor die zuständigen Gremien installiert wurden, und die sich im Wesentlichen unserer Zuständigkeit entziehen. Wir unterstützen die Weiterbildung, aber wir schützen auch die kommunale Selbständigkeit. - Danke sehr.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kley. - Als nächstem Debattenredner erteile ich Herrn Graner von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Gorr, es freut mich, dass Sie als Mitglied der CDU-Fraktion hier so intensiv aus dem Koalitionsvertrag zitiert haben. Das finde ich gut. Das zeigt, dass wir uns darin einig sind.

Es ist bisher sehr viel über die Bedeutung der Volkshochschulen und der Erwachsenenbildung gesagt worden. Das will ich an dieser Stelle nicht wiederholen. Lassen Sie mich deshalb etwas konkreter auf die Aufgaben der Volkshochschulen eingehen.

„Ich will schreiben lernen“ - so hieß eine Aktion des Bundesministeriums für Forschung und Bildung. Unter dieser Adresse finden Sie im Internet ein Portal. Das umfasst eine Aktion für Menschen, die nicht schreiben können. Diese Aktion wird begleitet von den Volkshochschulen. Sie können sich dazu im Internet informieren und Kurse an den Volkshochschulen belegen.

Das ist eine sehr wichtige Aktion, denn sie geht auf Menschen zu, die ohne ein gutes Bildungsangebot in unserer Gesellschaft vermutlich keine Chance haben werden; denn wer nicht schreiben kann, der hat keine Chance auf dem Arbeitsmarkt, der hat keine Chance in der Gesellschaft. Ich denke, diese Aktion zeigt sehr deutlich die Bedeutung der Arbeit der Volkshochschulen. Sie haben ein wirklich problemlos zugängliches, niedrigschwelliges Bildungsangebot.

Nun hat der Kreistag in seiner vergangenen Wahlperiode eine Kreisgebietsreform beschlossen, von der auch die Volkshochschulen betroffen sind.

(Herr Kley, FDP: Der Landtag!)

- Der Landtag, Entschuldigung. Danke. - Ich wollte aber auf den Kreistag gleich eingehen, Herr Kley. Denn dabei teile ich Ihre Meinung nicht. Ich bin auch Mitglied im Kreistag, und es ist sehr wohl wichtig, dass man weiß, welche Vorstellungen die Landesregierung in Bezug auch auf die Erwachsenenbildung hat.

Wenn wir uns also in einem fusionierten Kreistag im kommenden Jahr auch mit den Volkshochschulen beschäftigen müssen, dann ist es schon ganz wichtig, dass man weiß, wie die Landesregierung etwa das Erwachsenenbildungsgesetz oder Durchführungsverordnungen oder Ähnliches gestalten will, welche Maßnahmen es dabei gibt. Deshalb halte ich den Antrag für sinnvoll, die Landesregierung aufzufordern, im Ausschuss über die Einzelheiten zu berichten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Graner. Das war Ihre erste Rede hier im Landtag. Herzlichen Dank dafür. Wir freuen uns auf weitere gute Reden.

(Zustimmung bei der SPD)

Als nächstem Redner erteile ich für die Linkspartei.PDS Herrn Mewes das Wort. Bitte schön, Herr Mewes.

Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es ist meine erste Rede hier in diesem Hohen Hause. Ich kann es eigentlich ganz kurz machen: Alles, was bisher angesprochen wurde, ist aufgeklärt worden.

Ich komme zu meinem letzten Satz. Der heißt: Der Antrag ist spannend, da mit der Beantwortung der vier Fragen des Antrages durch die Landesregierung im Ausschuss mindestens acht neue Fragen aufgeworfen werden. - Ich gebe meine Ausarbeitung zu Protokoll.

(Zu Protokoll:)

Mit dem Antrag in der Drs. 5/115 der Fraktionen der CDU und der SPD wird die Landesregierung aufgefordert, die möglichen Perspektiven der Volkshochschule vor dem Hintergrund der bevorstehenden Kreisgebietsreform zu untersuchen.

Um es vorwegzunehmen: Die Volkhochschulen werden sich auch in Zukunft als kommunaler Dienstleister für Bürger und Bürgerinnen der Landkreise und kreisfreien Städte verstehen. Sie stehen in der Tradition eines humanistischen Menschenbildes, getragen von Toleranz, Offenheit und Gleichberechtigung und werden getragen vom Lernen Gleichgesinnter. Kurz die Volkshochschulen sind ein Ort der Begegnung und der Kommunikation. Es soll auch schon vorgekommen sein, meine Damen und Herren, dass sich beim gemeinsamen Lernen Bünde für das Leben gefunden haben.

Der ganzheitliche Bildungsansatz der Erwachsenenbildung ist im § 1 des Gesetzes zur Förderung der Erwachsenenbildung beschrieben und nachzulesen.

Zum Punkt 1 des Antrages. Stichwort flächendeckendes Angebot der Volkshochschulen. Nach der Kreisgebietsreform werden elf Kreise und drei kreisfreie Städte entstehen. Folgt man dieser Logik - bezogen auf die Volkshochschulen - heißt das, die Standorte von bisher 25 Volkshochschulen könnten sich um elf VHS verringern. Schulen müssten unter dem Zwang der Kreisgebietsreform fusionieren.

An diesem Punkt müssen die neuen Landkreise und die alten kreisfreien Städte ihre Hausaufgaben machen. Sie werden die Fusionen begleiten müssen, die mit Sicherheit nicht ohne Reibungen ablaufen werden. Ich nenne aus der Erfahrung der Zusammenlegung von Schulen in der Stadt Magdeburg nur zwei Probleme:

Erstens. Welcher Standort ist für die neue Einrichtung geeignet? Bereits getätigte Investitionen werden bei der Entscheidungsfindung ein wichtiges Kriterium sein.

Zweitens. Wie sehen die Nachnutzungskonzepte für die leer gezogenen Gebäude der Volkshochschulen aus? Oft sind es altehrwürdige Gebäude, die dem Denkmalschutz unterliegen.

Wir als Land müssen uns Gedanken machen, wie der zukünftige Personalschlüssel definiert wird.

Die empirischen Untersuchungen zu den Volkshochschulkunden haben ergeben, dass vorwiegend die Angehörigen der Altersgruppe der 51- bis 65-Jährigen die Angebote der VHS nutzen. Die Fragen, die ich hier nicht beantworten möchte, die sich aber stellen werden, sind: Nehmen die Kursteilnehmer und -teilnehmerinnen einen längeren Anfahrtsweg in den Abendstunden und die entstehenden finanziellen Mehraufwendungen in Kauf? Wie verträgt sich ein eventueller Rückgang an Kunden mit der Forderung nach dem lebenslangen Lernen?

Die große Zielgruppe der Erwachsenbildung sollten Menschen mit einer ersten abgeschlossenen Berufsausbildung sein. Die rasante Dynamik der Entwicklung der Produktivkräfte macht die berufliche Weiterbildung zu einem Arbeitsmarktinstrument und zu einem Teil der sozialen Integration. Bildungszugang für alle, ob Jung oder Alt, ob Arm oder Reich, ist eine Frage sozialer Gerechtigkeit.

Jeder erfolgreiche Lehrgangsbesuch, jedes erworbene Zertifikat wird zum Bestandteil der persönlichen Biografie. Diese Entwicklung gilt es weiter zielstrebig zu befördern. Das setzt unter anderem voraus, dass qualifizierte Bildungsangebote auch in ländlichen Räumen mit vertretbarem Aufwand genutzt werden können.

Zum Punkt 2 des Antrages. Stichwort aufgabengerechte Finanzierung der Volkhochschulen. Dieser Punkt ist nach meinem Verständnis unter anderem durch die Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Förderung der Erwachsenbildung im Land Sachsen-Anhalt geregelt, die jedoch in den Ausschüssen neu diskutiert werden muss.