Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

Gesetzentwurf der Landesregierung an, den Herr Dr. Daehre und ich in wie immer sprichwörtlichem Einvernehmen vorbereitet haben, und zwar in Verbindung mit einer deutlichen Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten und damit der Zahl von Schülerinnen und Schülern, die anspruchberechtigt sind.

Erstens soll die Kostenentlastung auf die Schuljahre 11 und 12 der Gymnasien, 11 bis 13 der Gesamtschulen sowie der Berufsfachschulen, der Fachschulen, der Fachoberschulen und Fachgymnasien erweitert werden,

zweitens auf die Schuljahrgänge 11 und 12 der Förderschule für Geistigbehinderte und

drittens auf die Schülerinnen und Schüler der Schulen mit inhaltlichen Schwerpunkten bis einschließlich des Schuljahrgangs 10. Das war im Übrigen ein sehr interessantes und vernünftiges Ergebnis der Anhörung.

Nicht einbezogen in den Regierungsentwurf sind die Schülerinnen und Schüler der Teilzeitbildungsgänge der berufsbildenden Schulen, also Azubis, weil sie eine Ausbildungsvergütung erhalten. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Schülerinnen und Schüler einen Betrag von höchstens 100 € je Schuljahr aufbringen müssen. Das ist rechnerisch, auf das gesamte Jahr verteilt, ein Betrag in Höhe von gerade einmal 8,33 € pro Monat. Das bedeutet, je nach kreisfreier Stadt oder Kreis, eine Entlastung in Höhe von rund 45 % bis 90 % der bisher aufzubringenden Kosten. Ich finde, dass ist mehr als beachtlich.

(Herr Gürth, CDU: Und das verdient einen Ap- plaus, finde ich!)

- Das finde ich auch.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich habe versucht, das hervorzuheben, aber es hat nicht ohne Weiteres funktioniert. Vielen Dank, Herr Gürth.

Die Eigenbeteiligung war uns wichtig. Lieber Herr Höhn, sie ist uns wichtig gewesen, damit wir nicht Leistungen fördern, die möglicherweise nicht in Anspruch genommen werden. Oft bilden die Schülerinnen und Schüler der oberen Klassen Fahrgemeinschaften oder organisieren ihren Schulweg anders als mit der von den Schulträgern angebotenen Schülerbeförderung.

Wenn diese Schülerinnen und Schüler sozusagen vorsorglich eine Freifahrkarte beantragen und sich aushändigen lassen, ohne sie überhaupt bzw. oft zu nutzen, dann würden wir möglicherweise leere Plätze in Schulbussen subventionieren. Ich finde, das dürfen wir mit Steuergeldern nicht machen.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Dr. Daehre)

Außerdem würde dies den Landkreisen die bedarfsgerechte Planung und Bereitstellung von Beförderungskapazitäten sehr erschweren.

Eine weitere Absenkung des Eigenanteils, zum Beispiel auf 5 % der Gesamtkosten, wie sie der Landeselternrat vorgeschlagen hat, würde nicht nur deutlich mehr Landesmittel erfordern, sondern hätte eine ungleiche Eigenbeteiligung zur Folge, und zwar je nachdem, wo der jeweilige Schüler wohnt.

Meine Damen und Herren! Der Regierungsentwurf differenziert also zwischen einer Beförderungspflicht, die par

tiell ausgeweitet wird, und einer um den Eigenanteil zu vermindernden Kostenerstattungspflicht, die für die Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe und an den Vollzeitbildungsgängen der berufsbildenden Schulen eingerichtet wird. Im Kern geht es hierbei um eine Pflicht zur Kostenerstattung.

Die Beförderungspflicht im Sinne von § 71 Abs. 2 des Schulgesetzes, die in dem Gesetzentwurf der LINKEN auf alle Schülerinnen und Schüler aller Schulformen und Bildungsgänge erweitert werden soll, fordert von den Trägern, praktisch nicht nur die Kosten für die Schülerbeförderung zu übernehmen, sondern darüber hinaus auch die Beförderung als solche sicherzustellen. Das wäre bei den allgemeinbildenden Schulen nicht problematisch; denn dahin, wohin die Elfklässler fahren, pflegen in der Regel auch die Schüler der unteren Klassenstufen zu fahren.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU)

Bei den berufsbildenden Schulen würden die Landkreise jedoch vor erheblichen Problemen stehen, und zwar mit nicht abschätzbaren Kostenfolgen. Oft liegt die entsprechend dem gewählten Ausbildungsberuf nächstgelegene berufsbildende Schule nicht im Wohnsitzlandkreis. Sie wissen das. Wenn diese berufsbildende Schule mit dem Linienverkehr nicht in einer zumutbaren Schulwegzeit zu erreichen wäre, dann könnte der Wohnsitzkreis unter Umständen dazu verpflichtet werden, auf der Basis Ihres Entwurfs die betreffenden Schülerinnen und Schüler im freigestellten Schülerverkehr zu befördern, auf gut Deutsch gesagt: möglicherweise mit dem Taxi.

Zwar gibt es in Absatz 3 die Beschränkung auf die Kosten der teuersten Zeitfahrkarte des ÖPNV im Gebiet des Aufgabenträgers, aber es besteht bereits eine Ausnahme: wenn der Träger nämlich keine entsprechende Förderschule hat. Eine vergleichbare Situation könnte bei den berufsbildenden Schulen sehr schnell auch eintreten. Dann wird es richtig kompliziert. Das sage ich deshalb, um einmal die Hintergründe zu erklären.

Würde der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE umgesetzt werden, dann wären die bei den Landkreisen entstehenden und vom Land zu übernehmenden Kosten nicht mehr kalkulierbar. Demgegenüber werden nach dem Gesetzentwurf der Landesregierung, und zwar durch die Neufassung des § 71 Abs. 5, die Kosten nur dann erstattet, wenn der öffentliche Personennahverkehr tatsächlich benutzt wird. Das ist auch ordnungspolitisch eine wichtige Regel.

(Beifall bei der CDU)

Noch ein Blick auf die Kosten. Ohne die vorgesehene Regelung für Schüler an Schulen mit inhaltlichem Schwerpunkt wären nach dem Regierungsentwurf Ausgaben in Höhe von rund 6,5 Millionen € zu veranschlagen, genau genommen 8 Millionen €, aber wir haben geschätzt, dass durch die Eigenbeteiligung ein Betrag von 1,5 Millionen € wieder in die Kasse zurückfließen würde.

Hinzufügen müssen wir allerdings Ausgaben in Höhe von einer Dreiviertelmillion Euro für Schulen mit inhaltlichem Schwerpunkt. Das halte ich für sozial gerecht im Kontext von Begabtenförderung und es ist ein außerordentlich wichtiges Ergebnis der Anhörung. Ich stelle mich ganz und gar dahinter.

Würden, wie bei einem Verzicht auf eine hinreichende Eigenbeteiligung zu vermuten, alle Anspruchsberechtig

ten eine Fahrkarte beantragen, dann käme zu dem Betrag von 8 Millionen € noch eine Risikosumme von 4,5 bis 5 Millionen € hinzu. Das wäre erheblich.

Ein letzter Gedanke. Das Land wird künftig eine beträchtliche zusätzliche Summe aufwenden, um die Eltern bei den Kosten der Schülerbeförderung zu entlasten. So sehr ich mich darüber freue, so wenig könnte ich einem sukzessiven Wechsel von primären zu sekundären Bildungsausgaben zustimmen. Das wäre dann der Fall, wenn wir das erforderliche Geld für diese neuen Ausgaben und Leistungen am Ende bei den pädagogischen Mitarbeitern, bei Schulprogrammen oder sogar bei Förderprojekten für abschlussgefährdete Jugendliche einzusparen versuchten.

(Zustimmung bei der CDU)

Das wäre verheerend. Deswegen mache ich aus meiner Sorge keinen Hehl. Umso wichtiger ist es, in den zuständigen Ausschüssen über alle denkbaren Konsequenzen des Gesetzentwurfes, die gewollten wie die ungewollten, nachzudenken. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zustim- mung von Minister Herrn Dr. Daehre)

Es gibt eine Nachfrage von Herrn Scharf. - Bitte schön.

Herr Minister, Sie erwähnten vorhin Ihre sprichwörtliche Einigkeit mit dem Raumordnungsminister. Es gab ursprünglich eine Kabinettsvorlage aus dem Kultusministerium und dem Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr. Ich nehme an, dass daraus wie immer eine einstimmige Kabinettsentscheidung geworden ist, die dann dem Landtag übermittelt wurde.

Ja, das ist richtig. Ich weiß nicht, ob ich das Recht habe, Rückfragen zu stellen. Wenn ja, dann würde ich fragen: Wie kommen Sie auf diese Frage?

(Heiterkeit bei der FDP)

Weil es meine Aufgabe ist, ein wenig vorauszudenken.

Ach so. Es ist genau so, wie Herr Scharf das vermutet hat. Es war eine gemeinsame, einvernehmliche Kabinettsvorlage, die wir gemeinsam und einstimmig durch das Kabinett bekommen haben.

(Zustimmung bei der FDP - Minister Herr Dr. Daehre: Jawohl!)

Es gibt eine weitere Nachfrage. - Frau Dr. Klein, bitte.

Herr Minister, ich habe eine Frage bezüglich der Wirtschaftlichkeitsberechnung. Ich nehme an, es liegt schon eine Wirtschaftlichkeitsberechnung darüber vor, was es denjenigen kostet, diese 100 € einzusammeln. Wer soll das tun? Sollen das die Verkehrsbetriebe machen, soll

das der Landkreis machen oder sollen das die Schulen machen? - Es müsste ausgewiesen werden, wie teuer dieser Verwaltungsaufwand sein wird. Wenn Sie es jetzt nicht beantworten können, dann wäre es schön, wenn wir diese Frage im Finanzausschuss behandeln könnten.

Ich habe versucht zu erläutern, dass diese Eigenbeteiligung keineswegs nur finanzpolitisch begründet ist - das ist eher sekundär -, sondern eher ordnungspolitisch, auch in Bezug auf die Notwendigkeit, nicht Leistungen zu subventionieren, die möglicherweise nicht in Anspruch genommen werden. Das ist ein schwerwiegendes Argument, finde ich, das man zumindest gegen das Ergebnis einer solchen Feinberechnung, die in der Tat noch nicht vorliegt, abwägen müsste.

Deswegen ist das Ziel meiner Ansicht nach allemal vernünftig, selbst wenn mit einer solchen Pauschale ein gewisser Aufwand verbunden ist. Der Aufwand ist mit Sicherheit aber geringer, als wenn man einen Prozentsatz genommen und stark variierende Werte hätte.

Ich glaube, dass man dieses Verfahren relativ schnell standardisiert und zugeordnet bekommt. Das wird nicht übermäßig teuer sein. Es würde uns viel teurer kommen, wenn wir Leistungen förderten, die nicht in Anspruch genommen würden, und damit eine gewisse Haltung befördern würden, dass man für immer weniger zuständig ist, insbesondere nicht für seine Kinder.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Herr Minister, es gibt noch eine weitere Frage von Frau Dr. Hüskens. - Eigentlich wollte der Minister aufhören, aber er kommt trotzdem noch einmal zum Rednerpult.

Darum fühle ich mich jetzt sehr geschmeichelt.

Herr Minister, Sie haben relativ ausführlich dargestellt, dass man vorhat, nur Leistungen zu bezahlen, die auch in Anspruch genommen worden sind. Kann ich daraus entnehmen, dass das Land bei der Schülerbeförderung vorhat, künftig nur noch dann zu zahlen, wenn die Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen fahren - auch wenn das jetzt noch nicht vorgesehen ist -, und nur noch die Karten zu bezahlen, die auch wirklich abgenommen werden?

Daran schließt sich eine weitere Frage an. Was, vermuten Sie, wird das für Auswirkungen auf das Gesamtvolumen der Mittel haben, die wir derzeit für die Schülerbeförderung einsetzen?

Das ist natürlich nicht auf Klassen bezogen, sondern auf einzelne Schülerinnen und Schüler. Wer einmal Gymnasien oder auch vollzeitschulische Bildungsgänge in den Berufsschulen besucht, der wird sehen, dass dort eine Menge Kleinkraftfahrzeuge, wie es so schön heißt, vor der Tür parken, die von den Schülerinnen und Schülern genutzt werden, um den Schulweg individuell zu bewältigen. Es gibt auch eine Reihe von Autofahrern, die Fahrgemeinschaften bilden. Die jungen Leute sind übrigens unglaublich kreativ darin, dies ökonomisch, auch

zeitökonomisch zu regeln. Deswegen würden wir es auf die einzelnen Schüler beziehen.

Wir wollen mit dieser Eigenbeteiligung die Familien dazu veranlassen, zu entscheiden, was sie machen wollen. Sie sollen sich überlegen, was für sie sinnvoller und preiswerter ist und was von den jungen Leuten bevorzugt wird. Das hat auch eine starke sozial-kommunikative Basis in den Peergroups. Angebot A: Sie bezahlen 100 € und bekommen über das gesamte Jahr hinweg die Freifahrt für die Schülerbeförderung. Dann ist das erledigt. Angebot B: Sie verzichten darauf und finanzieren diese Fahrgemeinschaften selber. Das können sie sich überlegen.