Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

Wir wollen mit dieser Eigenbeteiligung die Familien dazu veranlassen, zu entscheiden, was sie machen wollen. Sie sollen sich überlegen, was für sie sinnvoller und preiswerter ist und was von den jungen Leuten bevorzugt wird. Das hat auch eine starke sozial-kommunikative Basis in den Peergroups. Angebot A: Sie bezahlen 100 € und bekommen über das gesamte Jahr hinweg die Freifahrt für die Schülerbeförderung. Dann ist das erledigt. Angebot B: Sie verzichten darauf und finanzieren diese Fahrgemeinschaften selber. Das können sie sich überlegen.

Allerdings gibt es nicht die Möglichkeit, beide Angebote zu wählen. Wir wollten verhindern, dass sie kostenfrei eine Leistung in Anspruch nehmen, sich damit absichern und es mehr oder weniger beliebig halten, ob sie sie nutzen oder nicht. Denn damit schmeißen wir Steuergelder raus. Das ist der primäre Grund dafür gewesen, dass wir für diese Eigenbeteilung eingetreten sind.

Zu dem Gesamtvolumen. Das habe ich bereits gesagt. Wir rechnen mit Kosten in Höhe von 6,5 Millionen €. Genau genommen sind es 7,25 Millionen €, sofern die Schulen mit inhaltlichen Schwerpunkten hinzugerechnet werden. Wir rechnen mit Eigenbeteiligungen in Höhe von ca. 1,5 Millionen €. Im Saldo bedeutet dies Folgendes: 6,5 Millionen € plus 750 000 €. Wer kann das ausrechnen? - Das sind 7,25 Millionen €. Das ist unsere Voraussage.

(Herr Dr. Schellenberger, CDU: Mathematisch exakt!)

Danke sehr für Ihre Geduld bei der Beantwortung der Fragen, Herr Minister. - Im Anschluss an die getrennten Einbringungsreden zu den Gesetzentwürfen kommen wir nun zu der verbundenen Debatte zu beiden Gesetzentwürfen. Zunächst spricht Frau Mittendorf für die SPDFraktion. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Kollegen und Kolleginnen! Man hat anhand der Nachfragen gemerkt, dass das Thema sehr bewegt, und das ist auch gut; das soll es auch. Ich bin froh darüber, dass wir, nachdem Herr Höhn die Genesis der Schülerbeförderungsdebatte noch einmal in aller lyrischen Breite dargelegt hat, endlich zur Tat schreiten.

(Herr Borgwardt. CDU: Episch! Lyrisch ist etwas anderes!)

- In dem Fall war das lyrisch. In der Art, wie er das gemacht hat, war das lyrisch.

Wichtig ist, dass wir heute zur Tat schreiten und sogar zwei Gesetzentwürfe vorliegen haben. Der Gesetzentwurf der Landesregierung bezieht sich, wie bereits gesagt wurde, auf einen Beschluss des Landtages und liegt heute vor. Die Landesregierung kommt damit dem Auftrag des Parlamentes nach. Ich denke, das ist, meine Herren und Damen, in der gegenwärtigen Situation unter drei Geschichtspunkten bemerkenswert.

Erstens. Es ist eben nicht alltäglich, vor allem in dieser Zeit, in der jeden Tag neue Schreckensmeldungen zum zukünftigen Wirtschaftswachstum oder zu prognostizier

ten Steuerausfällen zu vernehmen sind, dass wir ein echtes neues Leistungsgesetz auf den Weg bringen.

(Zustimmung bei der SPD)

Zweitens. Die Zielrichtung des Gesetzentwurfes ist ein klares Signal dahin gehend - auch das ist benannt worden -, dass sich die Koalition für mehr Chancengleichheit beim Bildungszugang einsetzt

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

und dass die Entlastung von den Kosten nicht, wie es im Landtagsbeschluss vorgesehen ist, ab 2010 erfolgen soll, sondern bereits in dem neuen Schuljahr ab August 2009. Dafür sind die notwendigen finanziellen Mittel in den Nachtragshaushalt eingestellt worden. Es ist - meine Damen und Herren, das möchte ich betonen - ein großer politischer Erfolg, dass wir das geschafft haben.

(Beifall bei der SPD)

Als Parlament sind wir gefordert, die gesetzlichen Grundlagen für die Umsetzung zügig zu schaffen. Diese Entlastung von den Kosten der Schülerbeförderung in der Sekundarstufe II war überfällig. Es ist bereits gesagt worden, dass auch wir uns seit Jahren dafür ausgesprochen und eingesetzt haben. Es gibt gute Gründe dafür.

Schauen wir einmal auf unser Land: 25 % der unter 15-Jährigen sind auf Sozialleistungen angewiesen. Angesichts der Kosten von bis zu 1 070 € für eine Schülerjahreskarte - der Durchschnitt liegt bei etwa 450 € - besteht durchaus die Gefahr, dass die Eltern, wenn es sich um den weiteren Bildungsweg nach Klasse 10 handelt, sehr wohl und auch verständlicherweise finanzielle Gesichtspunkte einbeziehen, sofern das Familienbudget knapp ist. Dadurch werden Bildungschancen eingeschränkt. Das wollen und können wir uns nicht leisten.

(Zustimmung bei der SPD)

Gute Bildung ist der beste Start in ein selbstbestimmtes Leben. Ohne eine verbesserte Bildungsgesamtsituation werden wir den Anforderungen des Arbeitsmarktes in der Zukunft bei Weitem nicht gerecht werden - Stichwort Fachkräfte.

Meine Damen und Herren! Es fehlten, um an dieser Stelle tätig zu werden, auch lange Zeit die notwendigen Berechnungen der Kosten. Das will ich gerne zugeben. Die Kostenschätzung ist noch immer schwierig und wohl auch nicht abschließend möglich. Wir gehen dennoch davon aus, dass auf der Grundlage der bisher vorliegenden Zahlen das Vorhaben umgesetzt werden kann.

Die Gesetzesregelung, nach der die Landkreise und kreisfreien Städte bis zum 15. März 2011 eine konkrete Berechnung darüber vorlegen müssen, welche Mehrbelastung ihnen für den Zeitraum von August 2009 bis zum Dezember 2010 entstanden ist, ist vernünftig und gerechtfertigt. Denn nur so, meine Damen und Herren, kann man die tatsächliche Mehrbelastung ermitteln und die Differenzen in beide Richtungen ausgleichen. Das ist auch eine Voraussetzung für die anschließende pauschale Zuweisung über das FAG.

Die Beschränkung der Entlastung auf die Berufsschüler in vollzeitschulischen Maßnahmen halten wir für gerechtfertigt; da diese Schüler kein Ausbildungsentgelt erhalten.

Meine Damen und Herren! Der im Gesetzentwurf festgelegte Eigenanteil von 100 € pro Schuljahr ist für unsere Fraktion noch nicht das letzte Wort. Wir sehen durchaus

einen Fortschritt gegenüber dem vorher angekündigten Betrag von 150 €, aber wir denken, dass es möglich ist, sich einem noch geringeren Betrag zu nähern. Ohne Frage wäre es natürlich, selbst wenn es so wie vorgeschlagen umgesetzt würde, eine gewaltige Entlastung.

Es spricht durchaus einiges gegen eine Eigenbeteiligung. Diese Frage ist bereits aufgekommen. Es geht in diesem Zusammenhang um bürokratischen Aufwand. Es geht auch um diejenigen, die noch weniger Geld haben und bei denen jeder Euro zählt; das ist einfach so. Wir werden die Argumente pro und kontra nach den Anhörungen abwägen und uns als Koalitionsfraktionen darüber verständigen, wie weit wir uns einer Kostenfreiheit nähern können.

Ein Wort zu dem Gesetzentwurf der LINKEN: Wie Sie das formuliert haben, ist das sicher einfach gemacht. Die Frage nach der Finanzierbarkeit steht aber nach wie vor; das ist auch nicht Ihre primäre Aufgabe. Ich denke schon, dass die Landkreise und kreisfreien Städte sehr konkret darüber nachdenken müssen, wenn sich das, was die LINKE vorschlägt, in der Tat umsetzen ließe; denn es gilt nach wie vor das Konnexitätsprinzip.

Ein kurzes Wort zum Änderungsantrag der FDP. Wenn man das umsetzt - ich habe es in der Kürze der Zeit durchgelesen -, dann entstünde ein Flickenteppich von unterschiedlichsten Kostenbeteiligungen in unserem kleinen Land. Es wäre auch ungerecht; denn vieles würde davon abhängen, wo man zufällig seinen Wohnsitz hat und wie man dann entlastet wird. Es gibt noch mehr Gefahren, nämlich dass sogar bis zur Klasse 10 Dinge gefordert werden könnten, die heute kostenfrei sind. Diesen Eindruck habe ich zumindest nach einem ersten Durchlesen des Textes.

Ich möchte Ihnen vorschlagen, beide Gesetzentwürfe und den Änderungsantrag der FDP zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur und zur Mitberatung in die Ausschüsse für Landesentwicklung und Verkehr sowie für Finanzen zu überweisen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt eine Nachfrage von Frau Dr. Hüskens, Frau Mittendorf.

Frau Mittendorf, ich glaube, wir sind uns in allen Fraktionen darüber einig, dass wir zukünftig einen kostenlosen Schülertransport haben wollen. Was mich seit der Diskussion über den Nachtragshaushalt umtreibt, ist die Frage, was wir mit dem Geld machen, das wir jetzt als Mehrkosten deklarieren. Bezahlen wir damit Mehrkosten für den Schülertransport oder subventionieren wir eher den öffentlichen Personennahverkehr?

Beides ist sicherlich ein wichtiges Ziel. Allerdings stellt sich für mich die Frage, ob tatsächlich mehr Mittel nötig sind, um den Transport von Schülern auskömmlich zu finanzieren. Wissen wir eigentlich, dass wir Geld oben drauf legen, das wir eigentlich für den Schülertransport, wenn man ihn singulär betrachten würde, gar nicht brauchen würden? Sind Sie dieser Frage einmal nachgegan

gen oder gehen Sie zumindest davon aus, dass uns bis zu der Beratung im Finanzausschuss hierzu belastbare Angaben vorliegen?

Ich gehe davon aus, dass diese kritischen Fragen in den mitberatenden Ausschüssen gestellt werden und dass man sie hinreichend beantwortet. Für uns geht es unter bildungspolitischen Ansätzen primär um die Beantwortung der Frage, ob die, die finanziell schlechter gestellt sind, dann eine größere Chance haben, wenn man das so regelt, wie wir es bis hin zu der Kostenfreiheit vorschlagen. Alles andere, so denke ich, ist eine sekundäre Frage, die nicht unwichtig ist und die sicher auch beantwortet werden wird.

(Beifall bei der SPD)

Noch eine Nachfrage von Frau Dr. Hüskens?

Ich habe eine kurze Intervention. - Frau Mittendorf, Sie sagen, das sei eine sekundäre Frage. Wenn die so beantwortet ist, wie ich im Augenblick glaube, dann haben wir uns hier im Landtag die letzten Jahre schlicht und einfach an der Nase herumführen lassen.

(Zustimmung von Herrn Lange, DIE LINKE)

Wenn nämlich für den Schülertransport nicht mehr Geld gebraucht worden ist, hätten wir das Ganze schon vor Jahren haben können. Ich muss sagen, das ist wirklich für mich keine sekundäre Frage, denn es würde mich maßlos ärgern, dass wir uns als komplettes Parlament gegen unseren erklärten Willen über mindestens zwei, drei Jahre - gut, Herr Höhn hat von mehreren Jahren gesprochen - haben hinhalten lassen. Deshalb ist das keine sekundäre Frage.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von Frau Fischer, SPD)

Ich denke, es ist insofern eine „sekundäre“ Frage, als man das immer schwer auf eine Ebene stellen kann. Ich spreche jetzt primär als Bildungspolitikerin und dann erst für die anderen Dinge.

Natürlich, Frau Dr. Hüskens, haben Sie unter anderem an den umfänglichen Darstellungen von Herrn Höhn und an meinen kritischen Bemerkungen zur Vergangenheit hinsichtlich der Debatten um den Schülertransport und die Gesetzlichkeit gemerkt, dass es dort schwierige Fragen zu beantworten gibt. Es muss jetzt endlich einmal abgeräumt werden.

Dass wir uns dabei haben an der Nase herumführen lassen, wage ich ernsthaft zu bezweifeln. Es ist ein schwieriges Metier, an das man von allen Seiten wirklich sehr kritisch herangehen muss. Aber, wie gesagt, mir geht es heute erst einmal darum, dass wir dann im zweiten Schritt diese Frage mit beantworten, aber den bildungspolitischen Ansatz von mehr Chancengleichheit und besserer Bildung für die, die das sonst nicht so gut hinkriegen, auf den Weg bringen.

(Zustimmung bei der SPD und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Danke sehr, Frau Mittendorf. - Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kley. Doch zuvor können wir Damen und Herren von der Katholischen Erziehergemeinschaft des Landesverbandes Sachsen-Anhalt bei uns begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion über die Frage der Erstattung der Kosten für den Schülertransport in den höheren Klassen ist, wie bereits von Herrn Höhn umfänglich ausgeführt wurde, seit längerem ein Thema in diesem Hause.

Der Kernpunkt aller Diskussionen war immer eine klare Datenanalyse. Das begann schon vor vier, fünf Jahren, als wir versucht haben, die Kreise abzufragen, die sich - daran möchte ich noch einmal erinnern - fast weigerten, uns irgendwelche Zahlen mitzuteilen. Deshalb ist auch die Frage von Frau Dr. Hüskens durchaus berechtigt und sollte nicht als sekundär abgetan werden.

(Beifall bei der FDP)