Protokoll der Sitzung vom 03.09.2009

Ja, Herr Stahlknecht, Sie haben auf den Aspekt hingewiesen, dass es für andere Länder wichtig ist, dass wir weltweit eine solche Instanz installieren, aber ich denke, das ist auch für Deutschland notwendig. Es ist nicht nur ein Haufen von Gutmenschen bei der UN, der glaubt, dass das notwendig ist.

Ich will Ihnen erklären, warum das notwendig ist. Wenn Sie einmal entsprechende Umfragen betrachten - es gibt eine aus dem Jahr 2006 -, dann werden Sie feststellen, dass ein Anteil von 21 % der Deutschen der Überzeugung ist, dass die Folter für einen guten Zweck zulässig sein soll. Das entspricht einem Anteil von mehr als einem Fünftel der Bevölkerung. Interessant ist übrigens die Angabe aus Israel: Dort sind es 43 %.

Es existiert also eine latente Bereitschaft der Bevölkerung, Gewalt gegen Personen auszuüben, um einen guten Zweck zu erfüllen. Dieser gute Zweck würde also die Methoden rechtfertigen.

Es gibt aber auch noch andere Gründe. Im Jahr 2005 war die Kommission des Europarates in Sachsen-Anhalt und hat in ihrem Bericht geschrieben, dass die Zustände in der JVA Halle nicht hinnehmbar seien. Dort gebe es eine mangelnde medizinische Versorgung, die Ausstattung sei schlecht und die Gewalt unter den Gefangenen sei viel zu groß.

Viel bedenklicher finde ich aber einen anderen Aspekt, der ebenfalls Sachsen-Anhalt betrifft. Es gibt einen Fall, über den „Die Zeit“ im Jahr 2007 berichtet hat: Ein Patient im Maßregelvollzug in Uchtspringe wurde drei Tage lang in Unterhosen in eine Isolationszelle gesperrt, weil er heimlich auf der Toilette geraucht hatte.

(Herr Stahlknecht, CDU: Das könnte im Landtag mittlerweile auch passieren!)

Meine Damen und Herren! Ich will damit zum Ausdruck bringen, dass wir nicht von Vornherein gegen diese Möglichkeit, Folter anzuwenden, gefeit sind, nur weil wir in einem angeblich rechtsstaatlichen, zivilisierten Land leben und andere nicht. Nein, auch bei uns glauben Teile der Bevölkerung, es sei zulässig, Gewalt anzuwenden. Auch bei uns gibt es Abstumpfung und Gleichgültigkeit. Es gibt Richter, die verurteilt werden, weil sie die Betroffenen nicht einmal anhören und trotzdem freiheitsentziehende Maßnahmen anordnen. Es gibt also auch bei uns einen deutlichen Bedarf zu prüfen, ob es Folter oder ähnliche Dinge gibt.

(Beifall bei der FDP)

Ich will Folgendes noch einmal klar sagen - ich habe es auch in der damaligen Debatte gesagt -: Es ist keine Bagatellangelegenheit und es ist auch keine Diskussion nur für Juristen. Wenn Sie der Auffassung sind, dass Gewalt gegen Menschen zulässig ist, um einen guten Zweck zu erreichen, um Informationen zu bekommen, dann heißt das im Klartext, dass Sie demjenigen, der aus dieser Information Nutzen ziehen kann, zum Beispiel den Angehörigen im Fall Metzler, gegenüber dem Staat den Anspruch einräumen müssen, dass so gut wie möglich gefoltert wird, damit die bestmögliche Information herauskommt. Wenn Sie diesen absurden Gedanken, der aber in sich folgerichtig ist, zu Ende führen, dann müssen sie staatlich ausgebildete Folterknechte in diesem Land erziehen.

(Herr Stahlknecht, CDU: Das hat bislang über- haupt keiner gesagt!)

- Nein, aber diese latente Zulässigkeit, dieser falsche Glaube, dass man so etwas tun könne, um etwas Gutes zu bewirken, dass die Mittel durch den Zweck geheiligt würden, ist eine Einstellung, die man ab und zu in politischen Kreisen hört. Dagegen wehre ich mich. Deswegen ist dieses Gesetz zum Staatsvertrag keine Lappalie, sondern eminent wichtig. Und deshalb müssen wir es installieren.

Der einzige Kritikpunkt, den die FDP hierbei anzumerken hat, ist, dass ausgerechnet diejenigen, die kontrolliert werden sollen, die Kommission einsetzen und wieder entlassen. Das könnte unter Umständen zu Problemen und Interessenkonflikten führen. Wir glauben allerdings, dass ein hinreichender Schutz gegen Missbrauch gewährleistet ist, weil das Einsetzen und Entlassen der Kommission einstimmig durch die Ministerkonferenz geschehen soll. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Wolpert. - Es gibt Nachfragen von Herrn Scharf und von Herrn Stahlknecht. Sind Sie bereit, diese zu beantworten? - Bitte, Herr Scharf.

Herr Kollege Wolpert, ich versuche eine ganze Menge darüber zu lesen, was in Deutschland so vor sich geht. Können Sie mir einen einzigen ernst zu nehmenden demokratischen Politiker der Neuzeit nennen, der diese Thesen vertritt, gegen die Sie angegangen sind?

(Frau Tiedge, DIE LINKE: Herr Schäuble!)

- Der Zwischenruf „Herr Schäuble“ reizt mich fast zu einer Intervention. Meinen Sie ehrlich, Frau Abgeordnete,

dass Herr Dr. Schäuble die Folter in Deutschland propagiert? Kann ich den Zwischenruf so verstehen?

(Frau Tiedge, DIE LINKE: Nein, so nicht!)

- Was sollte der Zwischenruf denn bedeuten? Ich habe den Kollegen Wolpert gefragt: Nennen Sie mir einen ernst zu nehmenden demokratischen Politiker, der diese Thesen vertritt. Daraufhin machen Sie den Zwischenruf: Herr Schäuble. - Das ist schon bemerkenswert.

(Herr Gürth, CDU: Skandal!)

Mit der Beantwortung Ihrer Frage habe ich deshalb ein Problem, weil ich einige Politiker kenne, die so etwas sagen, die ich aber deswegen nicht mehr ernst nehmen kann. Deswegen kann ich Ihnen keinen nennen.

(Beifall bei der FDP)

Die zweite Frage stellt Herr Stahlknecht. Bitte schön.

Ich stelle eine Frage und schließe eine Intervention an. Herr Wolpert, haben Sie - die Frage können Sie nach der Intervention beantworten - meinem Redebeitrag nur ansatzweise entnehmen können, dass ich oder meine Fraktion das Instrument der Folter auch nur ansatzweise in Erwägung ziehen? Das ist die erste Frage.

Nun die Intervention in Bezug auf Ihre Rede. Wenn man im Landtag von einer politischen Debatte ausgeht, dann ist der Redner, der nach einem anderen Redner spricht, meistens derjenige, der repliziert. So wie Sie hier vorgetragen haben, haben Sie die Vermutung aufkommen lassen, dass wir der Auffassung seien, dass es unter gewissen Voraussetzungen richtig sei, den Pfad der Rechtsstaatlichkeit zu verlassen.

Hierzu sage ich für meine Fraktion, für die CDU Sachsen-Anhalt und für die CDU Deutschland ganz klar, dass wir diejenigen sind, die sich seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und seit der Wiedervereineinigung ganz eindeutig auf rechtsstaatlichem Gebiet hervorgetan haben. Auch Minister Schäuble, sehr geehrte Frau Tiedge

(Herr Scharf, CDU: Frau Klein!)

- Frau Klein -, der einen Eid auf die Verfassung geleistet hat, hat zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise Anhaltspunkte dafür gegeben, dass er sich außerhalb des Grundgesetzes und außerhalb der Gesetze bewegt.

Insofern beeindruckt es mich schon, dass die Einrichtung einer Kommission und die Zustimmung zu einem Staatsvertrag inzidenter durch pointierte Redebeiträge und Zwischenrufe dafür genutzt wird, einen politischen Mitstreiter letztlich in Misskredit zu bringen und zu desavouieren. Das ist das Thema nicht wert, und es ist eine hohe Gefahr, so etwas zu sagen.

Herr Wolpert, ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie darauf hinweisen, dass 21 % der Bevölkerung in Deutschland Folter unter gewissen Gesichtspunkten für gerechtfertigt halten. Das sind richtige statistische Zahlen. Da ist es unsere Aufgabe, durch eine konsequente Gesetzgebung und eine unabhängige Justiz dafür Sorge zu tragen,

dass das Gerechtigkeitsempfinden einiger weniger in Ausnahmesituationen nicht Einfluss auf die Justiz hat.

Insofern wehren wir von der CDU-Fraktion uns gegen gelegentliche Einwürfe von Ministerien, die auf Gerechtigkeit abstellen und versuchen, auf die Gewaltenteilung Einfluss zu nehmen und die Justiz in eine gewisse Richtung zu bewegen. Das wird es mit uns nicht geben. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Wolpert, jetzt können Sie die Frage beantworten.

Herr Stahlknecht, wenn ich gewusst hätte, dass ich Ihnen damit Gelegenheit gebe, noch einmal auf Frau Kuppe einzuschlagen, hätte ich gar nichts dagegen. Ich wundere mich schon ein bisschen.

Zum Ersten: Mit keinem Wort habe ich die CDU erwähnt. Mit keinem Wort habe ich Sie gemeint.

(Herr Stahlknecht, CDU: Damit ist die Frage be- antwortet!)

Ich bin schon erstaunt, dass ausgerechnet die CDU glaubt, getroffen zu sein. Das war nicht meine Absicht. Aber wenn Sie sich getroffen fühlen, mag das Ihr Problem sein.

In einem anderen Punkt bin ich noch mehr erstaunt. Wenn ich an das Rednerpult gehe und nach Ihnen spreche, repliziere ich selten auf Sie. Vielmehr spreche ich das an, von dem ich glaube, dass es für die FDPFraktion wichtig ist, dass die Öffentlichkeit es weiß.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von Herrn Stahl- knecht, CDU)

Ich glaube, das ist auch nicht allgemein üblich, und ich glaube, da überschätzen Sie sich ein bisschen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Wolpert, es gibt jetzt noch zwei Fragen. - Herr Gallert, bitte.

Nein, ich möchte kurz als Fraktionsvorsitzender das Wort nehmen.

Dann, bitte schön, als Fraktionsvorsitzender.

Dass ich dies tue, hat der Kollege Stahlknecht veranlasst, allerdings - zumindest vom Anlass her - ohne sein Wissen und seine Absicht.

Selbstverständlich wissen wir, dass es in der Bevölkerung um genau dieses Thema einen sehr, sehr komplizierten Diskussionsprozess gibt. Es gibt mehr als eine Umfrage, die belegt, dass es eine schleichende Tendenz

hin zu einer Akzeptanz einer solchen Menschenrechtsverletzung wie der Folter gibt.

Wir müssen auch ganz ehrlich sagen, Herr Stahlknecht: Nein, auch ich kenne keinen CDU-Politiker, der sich hinstellen und sagen würde, Foltern dürfe jetzt in absehbarer Zeit erlaubt sein. Aber es gibt auch in dieser Frage Randprobleme und es gibt Grauzonen.

Nun haben Sie es vielleicht nicht mitbekommen, Herr Stahlknecht. Aber es gab einen interessanten Zwischenruf genau aus Ihrer Fraktion, als Sie hier vorn standen und zu diesem Thema gesprochen haben. Als Sie gesagt haben, dass der betreffende Polizeidirektionschef oder stellvertretende Direktionschef aus seinem Amt entfernt worden ist, sagten Sie: „Richtig so.“