Protokoll der Sitzung vom 04.09.2009

(Herr Miesterfeldt, SPD: Eine Unterstellung, Frau Kollegin!)

- Sie arbeiten nicht mit dem Sozialministerium zusammen? Okay, gut, Herr Miesterfeldt, das kann schon sein. Ich versuche das als Mitglied einer Oppositionsfraktion immerhin zu machen.

Deshalb fällt mir auch auf, dass im Nachhinein der Duktus der Kritik bei der SPD deutlich stärker war als bei der CDU. Sie versuchen einmal mehr - wie schon bei einigen anderen Themen - ein bisschen das Kreuz an die Wand zu kriegen nach dem Motto: Die SPD war das nicht in Gänze, das war nur ein einzelnes Ressort.

Die Ministerin kommt zufällig aus Ihrer Fraktion. Deshalb wäre es prima, wenn Sie heute mal auf ein paar Fragen klar antworten würden:

Erstens. Sorgen Sie dafür, dass die Schreiben zurückgezogen werden, oder lassen Sie das Vorhaben weiter zu?

Zweitens. Wie halten Sie es mit der Kürzung auf 85 % der Förderung? Gedenken Sie dagegen etwas zu unternehmen? Gedenken Sie auch etwas dagegen zu unternehmen, dass das Sozialministerium seit geraumer Zeit den Trägern mit einer unglaublichen Förderpraxis die Arbeit erschwert?

Sie müssen sich einmal vor Augen führen, Sie würden die Information, dass Sie Ihre Diät bekommen, erst im Oktober eines Jahres bekommen. Ich weiß, wie die meisten Leute im öffentlichen Dienst darauf reagieren würden. - Die Antwort sollten Sie heute als Fraktion geben.

Frau Budde, wenn man das heute betrachtet: Sie haben sich offensichtlich als Fraktion nicht durchsetzen können. Sie tragen aber als Fraktion die Verantwortung für das, was da passiert ist. Sie können jetzt auch nicht überrascht tun, dass im Sozialministerium das eine oder andere nicht rund läuft. Ich nenne mal die Stichworte Kinderschutzgesetz, Nichtraucherschutzgesetz, Schwangerschaftskonfliktberatung, Sportförderung, Maßregelvollzug, Heimgesetz. Ich könnte jetzt so weitermachen. Sie wissen, dass in diesem Ressort seit drei Jahren viele Dinge ungewöhnlich laufen.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben häufig zum Schluss noch einmal die Bremse reingelegt, aber immer zu einem sehr späten Zeitpunkt. Ich muss ehrlich sagen, ich wäre als Ministerin darüber ein bisschen überrascht, warum man mit dem größtmöglichen Schaden für das Ressort in der Öffentlichkeit handelt.

Deshalb sage ich Ihnen heute ganz klar: Die SPD trägt die Verantwortung für dieses Ressort.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben jahrelang zugesehen, was dort läuft. Das kann niemandem verborgen geblieben sein. Sie tragen die Verantwortung. Nehmen Sie sie auf, ziehen Sie endlich Konsequenzen und sorgen Sie dafür, dass die Betroffenen in diesem Bundesland endlich die Unterstützung bekommen, die sie brauchen.

(Beifall bei der FDP)

Abschließen möchte ich das Ganze mit einem Zitat von gestern Abend. Wir waren ja gestern Abend alle eingeladen bei der Landesvereinigung für Gesundheit. Dort wird auch der eine oder andere ein Parteifreund von Ihnen gewesen sein. Es waren sehr schöne Gespräche dort. Ein bisschen betroffen hat mich eines, nämlich dass zum Schluss gesagt worden ist: So schlimm war es noch nie!

(Beifall bei der FDP)

Wir kommen dann zum Debattenbeitrag der SPD. Frau Dr. - - Frau Budde, Sie haben das Wort. Den Titel bekommen Sie dann später. Sie haben das Wort, Frau Budde.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man gerät schon in Versuchung, in der Aktuellen Debatte heute eine vorgezogene Diskussion zum Haushalt zu führen. Aber ich will versuchen, der Haushaltsdebatte nicht vorzugreifen.

Zumindest sehen wir an dem heute diskutierten Beispiel der Finanzierung der Trägerlandschaft in Sachsen-Anhalt, dass die Wahrheit dann immer sehr konkret ist. Zu der Wahrheit gehört eben auch - das werden wir bei der Haushaltsdebatte noch mal hören -, dass wir im Jahr 2010 Steuermindereinnahmen von 1 Milliarde € und im Jahr 2011 von 1,2 Milliarden € haben werden, dass wir im Jahr 2009 mit einem Einbruch des Wachstums von 6 % zurechtkommen müssen und dass uns im Jahr 2010 gerade einmal ein Plus von 0,5 % erwartet - aber auf welcher Basis!

Die Wahrheit ist auch, dass wir bisher nur vergleichsweise geringe Rücklagen gebildet haben und die Steuerschwankungsreserve, die wir Gott sei Dank im laufenden Doppelhaushalt anlegen konnten, im Jahr 2010 schon aufgebraucht sein wird.

Die Wahrheit ist auch, dass wir die Einbrüche nur durch Ausgabenkürzungen und zum Teil möglicherweise durch Einnahmeerhöhungen auffangen können, es sei denn, sie werden komplett kreditfinanziert mit entsprechenden Auswirkungen auf zukünftige Haushalte.

Weil diese abstrakte Wahrheit sich immer konkret niederschlägt, werden wir in den Haushaltsberatungen feststellen müssen, dass Kürzungen in sehr vielen Bereichen vorgenommen werden sollen und am Ende auch müssen.

Meine Damen und Herren! Wir wissen: Niedrigere Veranschlagungen oder Kürzungen sind im Grunde alternativlos. Wir wissen, dass wir nach dem Abflauen der Krise die Vorsorgeelemente zukünftig werden verstärken müssen.

Der Ministerpräsident hat auf seiner Pressekonferenz zum Haushaltsbeschluss des Kabinetts gesagt: Es soll angesichts der Kürzungen keiner so tun, als würde in diesem Land alles zusammenbrechen. Das Gegenteil ist der Fall.

Übersetzt hieß das dann auch in den Kommentaren: In dieser Situation kann eine Schwerpunktsetzung nicht bedeuten, dass die betreffenden Bereiche, Bildung, Wirtschaft und Familie, von Kürzungen gänzlich verschont bleiben. - Ja, das wird wohl so wahr sein.

Ich will dazu ergänzend aber sagen: Die Schwerpunktsetzung kann und muss aber auch bedeuten, dass in den als prioritär eingestuften Bereichen die notwendigen Kürzungen geringer ausfallen als woanders.

Was mir bisher über den Beschluss des Kabinetts zum Doppelhaushalt bekannt ist, berücksichtigt diesen Grundsatz ausdrücklich. Es heißt auch, dass es wichtig ist, die soziale, umweltpolitische und gesundheitliche Infrastruktur so zu gestalten, dass sie unter den Bedingungen einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung eine zukunftssichere und bedarfsgerechte Versorgung gewährleistet.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Wir haben gegenwärtig in der Tat eine außerordentlich reiche Träger- und Beratungslandschaft - das ist gut so. Uns stehen ca. 707 € je Einwohner - das ist die Spitze im Ländervergleich - zur Verfügung, die wir für die soziale Sicherung, soziale Kriegsfolgen und die Wiedergutmachung einsetzen. Danach folgen irgendwann Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und mit einem großen Abstand alle anderen Länder. Ich sage noch einmal: Das ist gut so.

Das heißt aber eben auch - diese Sätze habe ich bisher von allen Fraktionen, auch von der FDP und von den Linken, gehört -, dass wir über mögliche Synergien zwischen verschiedenen Trägern werden reden müssen - auch unter dem Druck knappen Geldes. Am Ende muss aus unserer Sicht eine langfristige Sicherung der Träger- und Beratungslandschaft in einer Form stehen, die auch langfristig durchfinanziert ist.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Es kann nicht so sein, wie wir es im Hinblick auf die Tagesordnung der letzten beiden Tage erlebt haben, dass immer neue Zahlenspiele die Tagesordnung bestimmen. Wir können mit den Trägern nicht so wie mit den Lottozahlen umgehen: Nehmen wir einmal 70 %, 60 %, 65 % oder 85 %. Aus meiner Sicht muss am Ende der Beratungen über den Doppelhaushalt vielmehr eine langfristig gesicherte finanzierbare Struktur vorhanden sein.

(Beifall bei der SPD)

Einen solchen Prozess kann man aber nur mit und nicht gegen die Beteiligten führen. Das Ziel muss es sein, die Inhalte zu erhalten und dann mögliche neue Strukturen gemeinsam zu entwickeln und diese nicht vorzugeben.

Der konkrete Anlass für diese Debatte ist, dass das Ministerium für Gesundheit und Soziales Briefe an zwei Träger verschickt hat. In dem Brief an das Kompetenzzentrum heißt es in den entscheidenden Passagen:

„Die Verhandlungen der Landesregierung über die äußerst schwierige Aufstellung des Landeshaushaltes 2010/2011 sind nahezu abgeschlossen. Nach dem bisherigen Verhandlungsergebnis ist davon auszugehen, dass eine institutionelle Förderung in den kommenden Jahren nicht mehr möglich sein wird. Für das Kompetenzzentrum bedeutet dies, dass notwendige Schritte, etwa in der Form der Auflösung bestehender Verträge, zur Vermeidung eines wirtschaftlichen Schadens von Ihnen umgehend geprüft werden sollten.“

Man kann darauf bestehen, dass dies Vorsorge gegenüber den Trägern sei und keine Kündigung. De facto muss man aber ehrlich eingestehen, es wirkt wie eine Kündigung.

Deshalb haben die Briefe bei den Trägern Verunsicherung und Protest ausgelöst, bei den Fraktionen des Landtages Kritik und im Sozialministerium haben sie für eine gewisse Zerknirschung über das Verfahren gesorgt. Das ist auch richtig; denn so kann man es nicht machen; das haben wir gesagt. In der Pressemitteilung des Ministeriums heißt es deshalb: Wir müssen einräumen, dass die Briefe in der Wortwahl nicht sensibel genug waren.

Ich denke, es waren nicht nur die Worte, vielmehr ist das ganze Verfahren sehr suboptimal gelaufen. Hiernach den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen, wird schwer sein. Das stimmt.

Unter der Aussage „Ihr bekommt kein Geld mehr!“, diskutiert es sich nicht annährend auf Augenhöhe. Das ist aber notwendig, wenn wir gemeinsam ernsthaft neue Strukturen erarbeiten wollen. Ich sage es noch einmal: Obwohl bei bestimmten Passagen der Rede geschimpft und auch Unterstützung gegeben wurde, haben alle Fraktionen gesagt, dass man darüber reden muss.

Frau Hüskens, ich erlaube mir einen Satz, ansonsten setzen wir uns bei anderen Debatten auseinander: Es ist schön, dass Sie in der Opposition immer so schön klar in Ihren Aussagen sind.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: In der Regierung bin ich besser!)

Ich finde, Opposition tut Ihnen hinsichtlich der klaren Aussagen wirklich gut.

(Beifall bei der SPD)

Ich gehe eben nicht davon aus, dass die Haushaltsansätze noch vor der Einbringung in den Landtag verändert werden. Deshalb wird es unsere Aufgabe als Parlamentarier sein, bei den Beratungen über den Doppelhaushalt im Landtag - nach dessen Einbringung - das Gespräch mit allen Trägern zu suchen und mit ihnen über machbare Synergien zu reden und die finanzielle Begleitung solcher machbaren Veränderungen sicherzustellen. Dies werden und können wir gemeinsam mit dem Sozialministerium tun.

Herr Gallert, wir müssen es auch zuerst tun, weil wir eine schwierige Einnahmesituation haben - das ist so - und weil wir damit eine Diskrepanz zwischen zur Verfügung stehenden Mitteln und den zur Aufgabenerfüllung notwendigen Mitteln haben. Dies gilt nur für die Pflichtaufgaben, die per Gesetz geregelt sind. Vielmehr sind viele freiwillige Aufgaben genauso notwendig. Deshalb geht es bei den Haushaltsberatungen nicht nur um Millionenbeträge, sondern häufig auch um Größenordnungen wie 1 000 €, 10 000 € oder 100 000 €. Das ist am Ende so.

Ich hatte mich auch schon gefragt, welcher Fraktion es gelingen würde - ich hatte keine Idee, das gebe ich zu -, ein Landesthema zu finden, das ein Stück weit zu einer bundespolitischen Debatte taugt. Ich muss sagen, es war zumindest ein tauglicher Versuch.

Ich will mir in der letzten Minute noch gestatten zu sagen: Es hat jeder mit den Vorschlägen seiner Partei sein Päckchen zu tragen. Ich war am letzten Wochenende im Saarland und um 18 Uhr zu den Prognosen wieder zurück. Auf dem Weg fuhr ich an den Plakaten der LINKEN vorbei. Dort wird heftiger plakatiert. Darauf war zu lesen: „Hartz IV abwählen!“ - Ah! dachten sicherlich alle.

„Reichtum für alle!“ - Oh! - Auf dem nächsten Plakat war zu lesen: „Reichtum besteuern!“ - Ich muss sagen, das ist genial.

(Heiterkeit bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Wenn ich mir die Plakate der FDP angucke, dann wirbt Frau Pieper mit dem Thema Bildung. Im Jahr 2002 wollte sie in Sachsen-Anhalt nicht Bildungsministerin werden. Mit der Praxis hat sie es nicht so.