Zum einen sind wir der Auffassung, dass eine solche Änderung in einem Antrag durch den Berichterstatter begründet werden muss. Zum anderen ist im Protokoll über die Sitzung des Ausschusses nicht enthalten, mit welcher Begründung das getan worden ist.
Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat nicht gesagt, dass man das tun muss, sondern er hat nur gesagt, dass man das nicht beibehalten muss. Das ist aber nicht die Begründung dafür, dass man die vom Finanzausschuss empfohlene Änderung verändert hat.
Herr Wolpert, das ist sicherlich eine Kritik an dem Verfahren. Sind Sie der Auffassung, dass deswegen die Beratungsgrundlage so schwer beschädigt ist, dass wir die Beratung abbrechen oder unterbrechen müssen?
Meine Intervention wäre in eine ähnliche Richtung gegangen. Mich hat das Verfahren erheblich irritiert. Zunächst bekam der Finanzausschuss eine Beschlussempfehlung, ohne dass sich der Ausschuss für Recht und Verfassung inhaltlich damit beschäftigt hatte. Wir haben uns damit sehr viel Mühe gemacht, haben Änderungsanträge erarbeitet und stellen heute überrascht fest, dass davon nichts übrig geblieben ist.
Es handelt sich also um eine Beschwerde vonseiten des Finanzausschusses an den Ausschuss für Recht und Verfassung. Das nehmen wir zur Kenntnis. - Nun erteile ich Frau Ministerin Kolb das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Möglicherweise ist im Rahmen der Berichterstattung nicht zum Ausdruck gekommen, welche Dimensionen das Vorhaben hat, über das Sie jetzt in Form dieses Gesetzentwurfs zu entscheiden haben. Es handelt sich hierbei um die umfassendste und tiefgreifendste Strukturreform des Justizvollzugs seit 1990 - auch dies sei an dieser Stelle noch einmal betont - in nicht einmal vier Monaten.
Dass es dann im Finanzausschuss zu Irritationen bezüglich der Beschlussempfehlung gekommen ist, bitte ich zu entschuldigen. Ich denke, dass sich die Intention, die der Beschlussempfehlung im Finanzausschuss zugrunde lag, im nunmehr vorliegenden Gesetzentwurf widerspiegelt.
In der Sache steht fest, dass es in Sachsen-Anhalt zukünftig nur noch fünf Justizvollzugsanstalten - einschließlich der Jugendanstalt in Raßnitz und einer Jugendarrestanstalt - an sieben Standorten geben wird. Deutlich wird die Größe der Reform erst, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es bisher zehn Anstalten an zwölf Standorten gab.
Meine Damen und Herren, es gibt keine Alternative zu dieser Reform. Im Gegenteil: Aus drei Gründen kommen wir um eine Reduzierung der Standorte für die Haftanstalten nicht umhin.
Erstens sind seit 2003 die Gefangenenzahlen rückläufig, was durchaus positiv ist. Es gibt in Sachsen-Anhalt heute 700 Häftlinge weniger als im Jahr 2003. Zweitens gibt es einen fortschreitenden Personalrückgang.
Da die zum Teil 170 Jahre alten Anstalten einen erheblichen Sanierungsaufwand mit sich bringen, müssen wir drittens die uns in Zukunft zur Verfügung stehenden Mittel auf die Standorte konzentrieren, die tatsächlich zukunftsfähig sind. Angesichts der dramatischen Haushaltslage des Landes wäre es nicht zu vermitteln, Standorte, die eigentlich nicht gebraucht werden, weil die Haftplätze im Hinblick auf die derzeitigen Gefangenenzahlen nicht notwendig sind, mit hohem Kostenaufwand zu sanieren.
Wir haben im Zuge der Inbetriebnahme der JVA Burg festgestellt, dass es nicht ausreichend Personal gibt, um die vielen Standorte adäquat mit Personal auszustatten und einen sicheren Strafvollzug zu gewährleisten.
Was bedeutet diese Reform nun praktisch? - Die bisher selbständigen Justizvollzugsanstalten Magdeburg und Naumburg werden aufgelöst und als unselbständige Abteilungen der Justizvollzugsanstalten in Dessau-Roßlau bzw. in Volkstedt weitergeführt, und das mit reduzierten Aufgaben, weil sich in Magdeburg die Aufgabe der Haftanstalt auf den Untersuchungshaftvollzug und den offenen Strafvollzug konzentrieren wird.
Die Anstalten in Halle werden organisatorisch zusammengeführt. Das ist eine logische Konsequenz und ergibt sich aus der notwendigen Bündelung der Aufgaben der Justizvollzugsanstalten. Hierfür sprechen insbesondere wirtschaftliche und natürlich auch personalwirtschaftliche Gesichtspunkte.
Dies war unsere einzige Chance, um den Justizvollzug in Sachsen-Anhalt zukunftsfähig zu gestalten und den Bediensteten Planungssicherheit zu geben. Nicht zuletzt wurde diese Reform auch vom Bund der Strafvollzugsbediensteten aktiv unterstützt, dem ich für die Mitarbeit bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs danken möchte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass es letztlich nur diesen Weg gab, war eine Erkenntnis - das gebe ich unumwunden zu -, die bei mir und vielleicht auch bei einigen Abgeordneten in dieser Dimension erst im Rahmen der Ausschussberatung und der durchgeführten öffentlichen Anhörung gewachsen und damit letzten Endes auch bestätigt worden ist. Dass wir im Rechtsausschuss letztlich sogar ein einstimmiges Ergebnis erzielt haben, zeigt, dass der ursprüngliche Entwurf der Koalitionsfraktionen auch für weitergehende Überlegungen offen und damit erweiterungsfähig war. Ich glaube, das ist ein gutes Lehrstück für die Stärken einer parlamentarischen Demokratie.
Was den Entschließungsantrag anbetrifft, Herr Wolpert, sind wir inhaltlich auf der gleichen Linie. Aber es bedarf dieses Entschließungsantrags nicht mehr. Angesichts der faktischen Situation haben wir bereits zum 1. Februar den Vollstreckungsplan geändert und sowohl den Standort Stendal als auch den Standort Halberstadt aus dem Vollstreckungsplan herausgenommen. Wir bereiten derzeit alles Notwendige vor, um die Liegenschaften in die Obhut der Limsa übergeben zu können.
- Das macht es vielleicht für die Standorte nicht besser, aber es ist ein eindeutiges Zeichen dafür - so verstehe ich auch den Entschließungsantrag -, dass die ernsthafte Absicht besteht, dass es in Zukunft diese beiden Standorte nicht mehr geben wird.
Ich möchte noch eine Bemerkung in Richtung der betroffenen örtlichen Abgeordneten, der Kommunalpolitiker und der Bürgerinnen und Bürger vor Ort machen. Ich weiß, dass auch in Halberstadt nach wie vor viele Bürgerinnen und Bürger um ihre Haftanstalt kämpfen. Sie sind der Meinung, dass das Amtsgericht in Zukunft nur schlecht funktionieren kann, wenn es keinen Strafvollzug mehr vor Ort gibt.
Ich glaube, die Heftigkeit der Diskussion gerade in Halberstadt und Stendal ist darauf zurückzuführen, dass diese beiden Städte durch die Reformen der vergangenen Jahre jeweils eine Polizeidirektion und ein Fachgericht verloren haben. In Halberstadt fiel auch noch das Finanzamt weg.
Diese Entwicklung führt dazu, dass die Betroffenen vor Ort aus strukturpolitischer Sicht selbst um eine Haftanstalt kämpfen, wobei ich der Meinung bin, dass bei den Vollzugsanstalten die strukturpolitischen Effekte eher gering sind.
Ich denke, es ist wichtig, dass Fragen der Landesentwicklung zukünftig unter Beachtung der demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes sowie der finanziellen Situation von Land und Kommunen auf einem breiten Fundament erörtert werden. Isolierte Standortdebatten werden zwar immer aus fachlicher Sicht angestoßen, werden jedoch zumeist nicht dem Gesamtzusammenhang gerecht.
Wir müssen also den Regionen unseres Landes eine Perspektive geben, die nicht allein von Behördenstandorten abhängig sein kann. In den unterschiedlichsten Reformdebatten wurde immer wieder festgestellt, dass es aufgrund der demografischen und der finanziellen Entwicklung keinen Aufwuchs an Landes- oder Bundesbehörden geben wird. Wir müssen also über Strukturen außerhalb dieser Behördenstandorte nachdenken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich auf den Standort Magdeburg eingehen. Er wird zukünftig eine Abteilung von Dessau-Roßlau sein, hier nicht aus strukturpolitischen Gründen, sondern aus vollzuglichen Erfordernissen, weil in Magdeburg nach wie vor ein offener Vollzug und insbesondere auch ein Untersuchungshaftvollzug unverzichtbar ist.
Naumburg - das sage ich jetzt ganz bewusst, weil heute eine große Tageszeitung schon wieder in die Zukunft geblickt hat, die sich so noch nicht darstellt - wird als Abteilung der JVA Volkstedt auf absehbare Zeit gebraucht.
Wir können auf diese Haftplätze derzeit nicht verzichten. Wenn man über eine Schließung der Anstalt in Naumburg redet, dann muss man im gleichen Atemzug darüber reden, wo man die Haftplätze schafft, die notwendig sind, um die derzeit 2 100 Gefangenen in SachsenAnhalt unterzubringen.
- Herr Tullner, vielleicht können Sie eher in die Zukunft schauen als ich. Ich glaube, wir alle wissen nicht, wie die Entwicklung weitergeht. Aus meiner Sicht stabilisieren sich die Gefangenenzahlen auf diesem Niveau, was
nicht ausschließt, dass sie leicht zurückgehen. Es kann auch sein, dass wir in bestimmten Bereich in Zukunft wieder einen Anstieg der Gefangenenzahlen haben werden.
Aber das ist der Vorteil des vorliegenden Gesetzentwurfes. Mit diesem Gesetzentwurf bekommen wir die notwendige Flexibilität, um auf die Bedarfe, ob positiv oder negativ, entsprechend reagieren zu können.
Eine Anmerkung an den Finanzausschuss: Auch wenn wir keine Verordnungsermächtigung mehr haben, bedeutet das nicht, dass das Justizministerium frei entscheidet, welche Standorte geschlossen bzw. eröffnet werden. Ich gehe davon aus, dass in den Fällen, in denen sich finanzpolitische Auswirkungen ergeben, der Finanzausschuss und dieses Hohe Haus mitentscheiden müssen.
Vielen Dank an die Fraktionen für die Unterstützung. Wir haben mit diesem Gesetzentwurf die Voraussetzungen geschaffen, um bis zum Ende des Monats die JVA Burg vollständig belegen zu können und um uns in Zukunft darüber unterhalten zu können, wie wir an den Standorten, an denen bauliche Defizite bestehen, die notwendigen Mittel investieren können, um einerseits möglichst schonend mit den Haushaltsmitteln umzugehen und um andererseits unserer Verpflichtung gerecht zu werden, einen menschenwürdigen Strafvollzug umzusetzen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin Kolb. - Die Debatte beginnt mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Ich erteile von Frau von Angern das Wort.
Doch zunächst habe ich die Freude, junge Damen und Herren vom Jugendweihe e. V. Magdeburg auf der Tribüne begrüßen zu können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Aufgabe der Politik, aber auch das gesellschaftliche Interesse besteht darin, dass auch in Zeiten knapper Kassen ein menschenwürdiger Behandlungsvollzug vorgehalten wird. Das, denke ich, sollte unser Handlungsleitbild sein.